Instanzenzug: LG Ellwangen Az: 2 KLs 12 Js 21979/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen Besitzes von kinderpornographischen Inhalten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt; es hat ferner die Einziehung eines Mobiltelefons des Angeklagten angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Während der Schuldspruch lediglich der Ergänzung um einen Teilfreispruch bedarf und der Einziehungsausspruch Bestand hat, unterliegen der Einzelstrafausspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafausspruch wegen einer nach Verkündung des Urteils eingetretenen Gesetzesänderung der Aufhebung. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
31. Der Schuldspruch hat Bestand. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
4a) Die Strafkammer hat es unterlassen, den Angeklagten im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, was der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nachholt. Dem Angeklagten wurde mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom neben den abgeurteilten Taten tatmehrheitlich eine weitere Tat des Besitzes jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184c Abs. 3 Variante 3 StGB zur Last gelegt. Bei seiner Festnahme am soll er im Besitz einer Videodatei auf seinem Mobiltelefon gewesen sein, welche ein 15- bis 17-jähriges nacktes Mädchen bei der Masturbation zeigt. Die Strafkammer konnte sich indes weder von der Minderjährigkeit der Abgebildeten noch von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten überzeugen (UA S. 24 f.). Wenn aber der Angeklagte nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die nach der Anklage in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangen worden sein sollen, so ist er insoweit grundsätzlich freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen; dies gilt auch dann, wenn – wie hier – das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und der Meinung ist, dass bei zutreffender rechtlicher Würdigung Tateinheit (§ 52 StGB) vorliegt (vgl. Rn. 22, BGHSt 44, 196, 202; Beschlüsse vom – 4 StR 300/22 Rn. 2; vom – 6 StR 151/22 Rn. 8 und vom – 3 StR 258/19 Rn. 2; jeweils mwN).
5b) Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts kommt eine Verurteilung des Angeklagten in Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 Variante 2 StGB statt wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 Variante 3 StGB nicht in Betracht. Nach den Urteilsfeststellungen lud der Angeklagte 584 kinderpornographische Bilddateien und 25 kinderpornographische Videodateien im Zeitraum vom 9. Oktober bis aus dem Internet herunter (UA S. 6). Eine Verurteilung wegen Besitzverschaffung ist aber nur dann möglich, wenn sich die einzelnen Verschaffungsakte zu tragfähigen Feststellungen konkretisieren lassen; andernfalls kann nur eine Verurteilung wegen Besitzes in Betracht kommen ( Rn. 6; Beschluss vom – 3 StR 264/19 Rn. 23). Dies ist hier nicht der Fall. Die einzelnen Verschaffungsvorgänge konnten zeitlich lediglich auf einen Zeitraum von mehreren Tagen eingegrenzt, konkrete Zeitpunkte für das Herunterladen der einzelnen Dateien während einer bestimmten Internetsitzung aber nicht festgestellt werden.
62. Der Einzelstrafausspruch in Fall II. 2. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafausspruch unterliegen hingegen wegen einer nachträglichen Gesetzesänderung der Aufhebung.
7Das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung im Fall II. 2. der Urteilsgründe von dem bisherigen Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom (BGBl. I 2024 Nr. 213) hat der Gesetzgeber die Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 StGB von einem Jahr auf drei Monate Freiheitsstrafe reduziert. Nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO ist damit diese für den Angeklagten günstigere Gesetzesfassung anzuwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 121/24 Rn. 6; vom – 1 StR 245/24 Rn. 9; vom – 6 StR 398/24 Rn. 3; vom – 6 StR 313/24 Rn. 5; vom – 2 StR 412/23 Rn. 10 und vom – 6 StR 298/24 Rn. 4).
8Angesichts der erheblich abgesenkten Mindeststrafe kann der Senat trotz der schwerwiegenden Inhalte der Dateien (teilweise Gewalt gegen ersichtlich leidende Kinder) nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des geänderten Strafrahmens im Fall II. 2. eine niedrigere Strafe als die vom Landgericht festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.
93. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die von der Aufhebung nicht betroffenen Feststellungen können bestehen bleiben und durch neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (§ 353 Abs. 2 StPO).
104. Die vom Generalbundesanwalt angeregte Entscheidung gemäß § 354a in Verbindung mit § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO ist nicht möglich, weil der Bemessung der neuen Einzelstrafe in Fall II. 2. ein anderer Strafrahmen zugrunde zu legen wäre (vgl. Rn. 19; Beschlüsse vom – 1 StR 188/24 Rn. 4; vom – 3 StR 140/10 Rn. 8 und vom – 2 StR 495/06 Rn. 3).
11Durch den Antrag des Generalbundesanwalts auf Änderung des Schuldspruchs ist der Senat nicht gehindert, die Revision im Übrigen durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich der Generalbundesanwalt auch auf § 349 Abs. 4 StPO bezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 165/24 und vom – 1 StR 459/23).
Fischer Wimmer Leplow
Munk Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:131124B1STR350.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-81483