BGH Urteil v. - X ZR 125/22

LP-Filterparameter-Umwandlung

Leitsatz

LP-Filterparameter-Umwandlung

1. Bei der Suche nach Lösungen für ein bestimmtes technisches Problem im Bereich des Mobilfunks besteht grundsätzlich Anlass, Vorschläge aus dem Umfeld von Standardisierungsgruppen als Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen oder als Quelle zum Auffinden möglicher Lösungsansätze in Betracht zu ziehen. Dies gilt jedenfalls für solche Dokumente, die auf den in der Fachwelt bekannten Wegen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

2. Ein großer zeitlicher Abstand kann im Einzelfall gegen die Kombination von zwei Dokumenten sprechen, insbesondere dann, wenn sie auf unterschiedlichen technischen Ansätzen beruhen. Auch bei der Entwicklung neuer Standards liegt die Heranziehung älterer Dokumente jedoch nahe, wenn diese einen Lösungsansatz enthalten, der erkennbar auch im Umfeld der neueren Veröffentlichung eingesetzt werden kann.

3. Der Umstand, dass eine bestimmte Vorgehensweise zum Fachwissen gehört, legt deren Anwendung im Kontext einer im Stand der Technik aufgeworfenen neuen Fragestellung nicht ohne weiteres nahe.

Gesetze: Art 56 EuPatÜbk, § 4 PatG

Instanzenzug: Az: 4 Ni 11/21 (EP) Urteil

Tatbestand

1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 3 132 443 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom angemeldet worden ist und die Codierung und Decodierung von Tonsignalen betrifft.

2Patentanspruch 1, auf den acht weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

A method implemented in a sound signal encoder or a sound signal decoder for converting linear predictive (LP) filter parameters from a sound signal sampling rate S1 to a sound signal sampling rate S2, the method being characterised by:

computing, at the sampling rate S1, a power spectrum of a LP synthesis filter using the LP filter parameters;

modifying the power spectrum of the LP synthesis filter to convert it from the sampling rate S1 to the sampling rate S2;

inverse transforming the modified power spectrum of the LP synthesis filter to determine autocorrelations of the LP synthesis filter at the sampling rate S2; and

using the autocorrelations to compute the LP filter parameters at the sampling rate S2.

3Patentanspruch 10, auf den sechs weitere Ansprüche zurückbezogen sind, schützt sinngemäß eine Vorrichtung mit einem Prozessor, der zur Durchführung dieses Verfahrens konfiguriert ist. Patentanspruch 17 betrifft einen computerlesbaren Speicher mit Anweisungen zum Durchführen des geschützten Verfahrens auf einem geschützten Prozessor.

4Die Klägerinnen haben das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4, der Patentansprüche 7 bis 9, soweit diese auf die Ansprüche 1 bis 4 zurückbezogen sind, und der Patentansprüche 10 bis 17 angegriffen und geltend gemacht, der angefochtene Gegenstand sei nicht patentfähig und die Erfindung insoweit nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

5Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise in sechs geänderten Fassungen verteidigt. Ergänzend hat sie die angegriffenen Unteransprüche isoliert verteidigt.

6Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verteidigt die Beklagte das Patent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen (ohne isolierte Verteidigung von Unteransprüchen) und mit zwei zusätzlichen Hilfsanträgen. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

7Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet.

8I. Das Streitpatent betrifft die Codierung und Decodierung von Schallsignalen.

91. Die Beschreibung des Streitpatents führt aus, bis vor kurzem sei in Anwendungen zur Sprachcodierung die im Bereich der Telefonie geläufige Bandbreite im Bereich von 20 bis 3400 Hertz eingesetzt worden. Es bestehe jedoch eine zunehmende Nachfrage nach Breitband-Sprachanwendungen, etwa für Videokonferenzen. Es sei festgestellt worden, dass mit einer Bandbreite im Bereich von 50 bis 7000 Hertz eine Sprachqualität erreicht werden könne, die derjenigen einer persönlichen Unterhaltung gleichkomme (Abs. 2).

10Eine der besten verfügbaren Techniken, um ein gutes Verhältnis zwischen Sprachqualität und erforderlicher Bitrate zu erzielen, sei die code excited line predicition (CELP). Hierbei werde ein durch Abtastung digitalisiertes Signal in Rahmen mit einer Länge von 10 bis 30 Millisekunden unterteilt. Diese würden in Subrahmen mit einer Länge von 4 bis 10 Millisekunden eingeteilt (Abs. 4). Für jeden Rahmen werde im Codierer ein auf linearer Prädiktion beruhender Synthesefilter (LP-Synthesefilter) berechnet und übertragen. Mit dessen Hilfe könne der Codierer ein synthetisches Sprachsignal erzeugen, das dem Ausgangssignal nahekomme (Abs. 4).

11Zum Zwecke der Glättung würden die LP-Filterparameter für die Subrahmen durch Interpolation aus den Parametern des aktuellen und des vorangegangenen Rahmens ermittelt (Abs. 6).

12Bei Bitraten unter 16 kbit/s sei es in der Regel effizienter, das Eingangssignal auf eine niedrigere Rate herunterzusampeln, das CELP-Modell auf eine niedrigere Bandbreite anzuwenden und das Signal im höheren Frequenzbereich durch Bandbreitenerweiterung am Decodierer zu erzeugen. So werde bei dem Standard AMR-WB (Adaptive Multi-Rate - Wide Band) das Eingangssignal von 16000 auf 12800 Abtastwerte pro Sekunde heruntergesampelt und mittels CELP-Codierung das Signal bis zu 6400 Hertz codiert. Durch Bandbreitenerweiterung am Decodierer werde ein Signal im Bereich von 6400 bis 7000 Hertz erzeugt. Bei Bitraten über 16 kbit/s sei es hingegen effizienter, CELP zur Codierung des Signals bis zu 7000 Hertz einzusetzen, weil dann genügend Bits zur Verfügung stünden, um die gesamte Bandbreite darzustellen (Abs. 7).

13Moderne Codierer deckten einen breiten Bereich von Bitraten ab. So sehe AMR-WB Bitraten von 6,6 bis 23,85 bit/s vor. Solche Codierer sollten in der Lage sein, rahmenweise zwischen verschiedenen Bitraten umzuschalten, ohne dass dies zu Artefakten führe. Bei AMR-WB sei dies ohne Weiteres möglich, weil für alle Bitraten eine interne Abtastrate von 12,8 kHz eingesetzt werde. Bei modernen Codierern, die bei Bitraten unter 16 kbit/s eine Abtastrate von 12,8 kHz und bei höheren Bitraten eine Abtastrate von 16 kHz einsetzten, komme es hingegen zu Problemen (Abs. 8).

142. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, ein Verfahren bereitzustellen, das auch bei aufeinanderfolgenden Rahmen mit unterschiedlicher Abtastrate eine gute Sprachqualität ermöglicht.

15Entgegen der Auffassung der Berufung beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf einem hiervon abweichenden Ausgangspunkt.

16a) Das Patentgericht hat bei der Darstellung des Streitpatents nicht ausdrücklich formuliert, worin es das dem Streitpatent zugrunde liegende technische Problem sieht.

17Den im angefochtenen Urteil enthaltenen Ausführungen zum Inhalt der Streitpatentschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass das Patentgericht das maßgebliche technische Problem in diesem Zusammenhang darin gesehen hat, die in der Beschreibung geschilderten Schwierigkeiten beim Einsatz aufeinanderfolgender Rahmen mit unterschiedlichen Abtastraten zu überwinden.

18Diese Einschätzung steht in Einklang mit der Auffassung des Senats. Sie entspricht der Sache nach auch der von der Berufung für zutreffend erachteten Formulierung des technischen Problems.

19b) Der vom Patentgericht angestellten Erwägung, ausgehend von den Festlegungen in einem Standardisierungsdokument zum Mobilfunk der vierten Generation (3GPP TSG-SA4: EVS Permanent Document #4 [EVS-4]: EVS design constraints, Tdoc S4 (13)0778, K8=NK8) habe sich die Aufgabe gestellt, nach einem möglichst einfachen Verfahren zur Umwandlung der LP-Filterparameter von einer ersten in eine zweite Abtastrate zu suchen, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.

20Diese Erwägungen betreffen nicht das dem Streitpatent allgemein zugrunde liegende technische Problem.

21aa) Die Bestimmung des technischen Problems in einem Nichtigkeitsverfahren dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren.

22In diesem Zusammenhang ist unerheblich, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden und ob der Gegenstand des Streitpatents geeignet ist, das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem zu lösen. Diese Fragen sind erst bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung der Schutzfähigkeit zu bewerten (, GRUR 2022, 67 Rn. 10 - Stereolithographiemaschine).

23bb) Die Ausführungen des Patentgerichts zu der "Aufgabe", die sich ausgehend von NK2 gestellt hat, beziehen sich ausschließlich auf den zweiten Fragenkomplex.

24In diesem Zusammenhang ist es zulässig zu prüfen, welche Fragestellungen sich ausgehend von einer bestimmten Entgegenhaltung ergeben haben und welche Anregungen sich aus dem Stand der Technik ergaben, um diese Fragen zu beantworten. Unzulässig sind solche Überlegungen nur bei der Formulierung des technischen Problems in der oben aufgezeigten, logisch vorgelagerten Stufe der Prüfung.

25Dass das Patentgericht diesen Unterschied gesehen und zutreffend berücksichtigt hat, wird schon dadurch bestätigt, dass sich die Ausführungen zu der "Aufgabe", die sich ausgehend von NK2 gestellt hat, nicht bei der Wiedergabe des Inhalts der Streitpatentschrift finden, sondern bei der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit.

263. Zur Lösung des oben formulierten Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

284. Als zuständigen Fachmann hat das Patentgericht zu Recht einen Ingenieur der Nachrichten- oder Informationstechnik mit einem Universitätsabschluss angesehen, der mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Audiosignalverarbeitung hat und mit der Entwicklung der einschlägigen Standards auf diesem Gebiet vertraut ist.

29Entgegen der Auffassung der Berufung ist das Patentgericht nicht davon ausgegangen, dass auf der Grundlage dieser Definition alle im Rahmen eines Standardisierungsprozesses im Bereich des Mobilfunks veröffentlichten Beiträge zum allgemeinen Fachwissen gehören.

30Das Patentgericht hat lediglich angenommen, dass gegebenenfalls Anlass besteht, solche Dokumente darauf zu untersuchen, ob sie Hinweise zur Lösung einer sich aus dem Stand der Technik ergebenden Fragestellung enthalten. Diese Rechtsauffassung trifft zu.

315. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.

32a) Die in Merkmal 1 vorgesehene Umwandlung von LP-Filterparametern von einer Abtastrate in die andere dient dem Zweck, ausgehend von Parametern, die für ein Schallsignal mit einer bestimmten Abtastrate gewonnen wurden, möglichst genau die entsprechenden Parameter zu ermitteln, die sich bei einer Abtastung dieses Schallsignals mit einer anderen Abtastrate ergeben.

33Die Beschreibung des Streitpatents erläutert hierzu, eine Interpolation für die Subrahmen erfordere, dass die hierzu herangezogenen LP-Filter des aktuellen und des vorangegangenen Rahmens auf die gleiche Abtastrate eingestellt werden (Abs. 33). Eine solche Umwandlung sieht Merkmal 1 vor.

34b) Merkmal 1 gibt nicht vor, auf welche Weise die LP-Filterparameter für die erste Abtastrate gewonnen werden und wie das hierzu eingesetzte Schallsignal beschaffen sein muss.

35Entgegen der Auffassung der Berufung ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 deshalb nicht beschränkt auf die Umwandlung von LP-Filterparametern, die anhand der Abtastwerte eines ursprünglichen Schallsignals bestimmt worden sind. Vielmehr umfasst er auch die Umwandlung von LP-Filterparametern, die aus einem synthetisierten Schallsignal gewonnen wurden.

36aa) Wie die Berufung im Ansatz zutreffend geltend macht, setzt Merkmal 1 voraus, dass die LP-Filterparameter für ein Schallsignal vor dem Beginn der in den Merkmalen 1.1 bis 1.4 spezifizierten Umwandlung bereits vorliegen. Daraus ergeben sich jedoch keine Schlussfolgerungen bezüglich der Frage, wie diese Parameter bestimmt worden sind.

37bb) Aus den von der Berufung angeführten Vorteilen der erfindungsgemäßen Vorgehensweise ergeben sich insoweit keine weitergehenden Schlussfolgerungen.

38Nach der Beschreibung des Streitpatents kann die bei einem Wechsel der Abtastrate am Übergang zwischen zwei Rahmen erforderliche Umwandlung dadurch erreicht werden, dass das Signal des ersten Rahmens einer zusätzlichen LP-Analyse auf der Grundlage der zweiten Abtastrate unterzogen wird. Diese zweite Analyse könne auch anhand des synthetisch hergestellten Signals erfolgen, das sowohl im Codierer als auch im Decoder zur Verfügung stehe. Beide Varianten gingen jedoch mit erheblichem Rechenaufwand einher (Abs. 33). Bei dem vom Streitpatent vorgeschlagenen Verfahren sei es hingegen nicht erforderlich, die zurückliegende Synthese erneut abzutasten und eine vollständige Analyse durchzuführen. Vielmehr genüge es, das Leistungsspektrum des LP-Synthesefilters mit der Rate S1 zu modifizieren, das modifizierte Spektrum zurück in den Zeitbereich umzuwandeln, um die Autokorrelation zu erhalten und diese zur Berechnung der LP-Filterparameter mit der Rate S2 einzusetzen (Abs. 34).

39Vor diesem Hintergrund mag es wenig sinnvoll erscheinen, ein Schallsignal, für das LP-Filterparameter für die Abtastrate S1 bereits vorliegen, zunächst zu synthetisieren und dann einer erneuten LP-Analyse für diese Abtastrate zu unterziehen, bevor die in den Merkmalen 1.1 bis 1.4 spezifizierte Umwandlung erfolgt. Eine solche Vorgehensweise ist aber weder durch Merkmal 1 noch durch die oben wiedergegebenen Ausführungen in der Beschreibung ausgeschlossen. Sowohl im Anspruch als auch in der Beschreibung geht es nur darum, eine erneute LP-Analyse zur Gewinnung der Parameter für die Abtastrate S2 zu vermeiden. Die hiervon zu unterscheidende Frage, wie die LP-Filterparameter für die Abtastrate S1 zu bestimmen sind, wird hierbei nicht adressiert.

40c) Um eine erneute Bestimmung von LP-Filterparametern für die Abtastrate S2 zu vermeiden, geben die Merkmale 1.1 bis 1.4 wie bereits erwähnt vor, das Leistungsspektrum eines LP-Synthesefilters für die Abtastrate S1 zu modifizieren.

41aa) Merkmal 1.1 sieht hierzu vor, dass unter Verwendung der LP-Filterparameter für die Abtastrate S1 ein Synthesefilter erstellt und für diesen ein Leistungsspektrum berechnet wird.

42Wie dies zu geschehen hat, gibt Patentanspruch 1 nicht im Einzelnen vor. Die Beschreibung des Streitpatents weist ausdrücklich darauf hin, dass anstelle der im Ausführungsbeispiel gewählten Vorgehensweise auch andere Verfahren eingesetzt werden können (Abs. 55).

43bb) Nach Merkmal 1.2 wird das so berechnete Leistungsspektrum modifiziert, um es in ein Leistungsspektrum für die Abtastrate S2 umzuwandeln.

44Bei einer Verringerung der Abtastrate kann dies dadurch geschehen, dass nicht benötigte Werte aus dem Leistungsspektrum verworfen werden. Wenn zum Beispiel das Leistungsspektrum bei einer Abtastrate von 16 KHz aus 100 Werten besteht, werden für eine Abtastrate von 12,8 KHz (also 80 % der ursprünglichen Rate) nur 80 davon herangezogen (Abs. 51).

45Bei einer Erhöhung der Abtastrate muss das berechnete Leistungsspektrum um zusätzliche Werte ergänzt werden. Wenn das Leistungsspektrum bei einer Abtastrate von 12,8 kHz zum Beispiel 80 Werte umfasst, müssen für eine Abtastrate von 16 kHz (also 25 % mehr als die ursprüngliche Rate) 20 Werte hinzugefügt werden. Diese Werte können durch Schätzung festgelegt werden, etwa dergestalt, dass die Werte an den beiden Enden des ursprünglichen Leistungsspektrums wiederholt werden (Abs. 52).

46Auch insoweit enthält Patentanspruch 1 keine zwingende Festlegung auf die beim Ausführungsbeispiel gewählte Vorgehensweise.

47cc) Die in Merkmal 1.3 vorgesehene inverse Transformation des modifizierten Leistungsspektrums ermöglicht die Bestimmung der Autokorrelationen des LP-Synthesefilters für die Abtastrate S2.

48Im Ausführungsbeispiel wird eine inverse diskrete Fourier-Transformation (Abs. 46 f.) durchgeführt. Patentanspruch 1 lässt auch andere Vorgehensweisen zu.

49dd) Anhand der so ermittelten Autokorrelationen werden gemäß Merkmal 1.4 die LP-Filterparameter für die Abtastrate S2 aus den LP-Filterparametern für die Abtastrate S1 abgeleitet.

50Hierfür kann nach der Beschreibung des Streitpatents der Levinson-Durbin-Algorithmus eingesetzt werden (Abs. 50). Diese - in Merkmal 1.4 nicht zwingend vorgegebene - Vorgehensweise ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts fachüblich.

516. Die in Patentanspruch 10 geschützte Vorrichtung wird durch ihre Eignung zur Durchführung eines solchen Verfahrens geprägt. Dieser Anspruch unterliegt deshalb der gleichen Beurteilung wie Patentanspruch 1.

52II. Das Patentgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt.

53Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei durch den Beitrag von Valin und Lefebvre (Bandwith Extension of Narrowband Speech for Low Bit-Rate Wideband Coding, 2000 IEEE Workshop on Speech Coding, Proceedings 2000, S. 130-132, NK2 oder VALIN 1) vollständig offenbart. Dem stehe nicht entgegen, dass bei dem dort beschriebenen Verfahren die LP-Filterparameter für die erste Abtastrate anhand eines synthetisierten Signals bestimmt würden.

54Unabhängig davon beruhe der Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von NK8 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. NK8 sei bereits im Prioritätszeitpunkt hochrelevant gewesen, weil bekannt gewesen sei, dass im Rahmen von 3GPP ein gegenüber AMR-WB verbesserter Codec entwickelt werde. Aus den in NK8 formulierten Anforderungen habe sich ergeben, dass der damals in Entwicklung befindliche EVS-Codec (enhanced voice service) mit einer Rahmenlänge von 20 ms arbeiten, in allen Betriebsmodi die Abtastraten 8, 16, 32 und 48 kHz unterstützen und einen großen Bitratenbereich von 6,6 bis 23,5 kbit/s ermöglichen müsse. NK8 sehe ferner vor, dass die Umschaltung zwischen verschiedenen Bitrahmen an beliebigen Rahmengrenzen möglich sein und dabei gegebenenfalls auch eine Umschaltung zwischen verschiedenen Bandbreiten erfolgen müsse. Da auch Codecs für EVS als CELP-Codecs ausgeführt seien, könne es bei einer Änderung der Abtastrate erforderlich sein, für die subrahmenbezogene Interpolation der LP-Filterparameter eine Umwandlung der Abtastrate durchzuführen. NK8 spreche diesen Punkt im Zusammenhang mit dadurch eintretenden algorithmischen Verzögerungen ausdrücklich an. Hiervon ausgehend habe sich die Aufgabe gestellt, ein möglichst einfaches Verfahren zur Umwandlung der Abtastrate zur Verfügung zu stellen. Bei der Suche hiernach sei der Fachmann auf NK2 gestoßen, die sich ebenfalls mit einem LP-basierten Audio-Codec beschäftige und die Merkmale 1.1 bis 1.4 offenbare. In NK2 seien mit dem ITU-Dokument G.729 und dem Standard EFR GSM zudem auch Codecs angesprochen, die von der CELP-Technik Gebrauch machten.

55Für die mit den Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

56III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents stand.

57Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilen Fassung gegenüber NK2 nicht neu ist.

581. NK2 befasst sich mit der Verbesserung der Sprachqualität in Kommunikationssystemen, etwa bei Video- oder Telefonkonferenzen.

59a) NK2 führt aus, Kommunikationssysteme nutzten zunehmend breitbandige Sprachsignale, etwa für Video- und Telefonkonferenzen. Herkömmliche Telefonsysteme und drahtlose Netze verwendeten jedoch üblicherweise das Telefonband, d.h. einen Frequenzbereich von 300 bis 3400 Hz. Dies beruhe unter anderem darauf, dass die Abtastung mit einer Rate von 8 kHz erfolge. Eine Erhöhung der Abtastrate auf 16 kHz sei häufig schwierig, sei es wegen Beschränkungen bei der Bandbreite oder wegen des erforderlichen Aufwands zur Anpassung bestehender Systeme.

60Zur Abhilfe schlägt NK2 ein System vor, mit dem breitbandige Sprachsignale aus einem schmalbandigen Sprachsignal wiederhergestellt werden können. Dabei werden sowohl niedrige Frequenzen im Bereich von 50 bis 300 Hz als auch hohe Frequenzen im Bereich von 3400 bis 8000 Hz allein durch Nutzung des Telefonbands und durch Übermittlung von zusätzlichen Nebeninformationen übertragen (Abschnitt 1).

61b) Die vorgeschlagene Vorgehensweise ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 schematisch dargestellt.

62aa) Der untere Frequenzbereich von 50 bis 300 Hz wird anhand der Daten des schmalbandigen Signals rekonstruiert (Abschnitt 3).

63bb) Die Vorgehensweise zur Wiederherstellung des oberen Frequenzbereichs von 3400 bis 8000 Hz ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 schematisch dargestellt.

64Zunächst werden aus dem schmalbandigen Signal ein Anregungssignal und ein die spektrale Einhüllende repräsentierender Synthesefilter abgeleitet (Abschnitt 4).

65Zur Erzeugung des Anregungssignals wird ausschließlich das schmalbandige Signal benötigt (Abschnitt 4.1).

66Bisher erprobte Ansätze hätten gezeigt, dass die Extrapolation der hochfrequenten spektralen Einhüllenden aus der spektralen Schmalbandhüllkurve nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen führe. Zur Bestimmung der spektralen Einhüllenden für das breitbandige Signal werden deshalb zusätzlich die bereits erwähnten Nebeninformationen (side information) eingesetzt. Zur Gewinnung dieser Nebeninformationen wird das Energiespektrum eines LPC-Filters auf der Grundlage des ursprünglichen breitbandigen Sprachsignals berechnet und das Frequenzband im Bereich von 3400 bis 8000 Hz quantifiziert. Der Empfänger verkettet diese Spektralinformationen mit lokal berechneten Daten zur spektralen Einhüllenden des schmalbandigen Signals. Der LPC-Filter für das breitbandige Signal kann dann durch inverse Transformation und eine Levinson-Durbin-Rekursion wiederhergestellt werden (Abschnitt 4.2).

672. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass das in NK2 beschriebene Verfahren sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung vorwegnimmt.

68a) Dass die in NK2 vorgeschlagene Rekonstruktion des LPC-Filters für das breitbandige Signal anhand des Energiespektrums des LPC-Filters für das schmalbandige Signal und der Nebeninformationen die Merkmale 1.1 bis 1.4 verwirklicht, zieht die Berufung nicht in Zweifel.

69b) Entgegen der Auffassung der Berufung offenbart NK2 auch das Merkmal 1.

70Dabei kann zugunsten der Berufung unterstellt werden, dass das schmalbandige Signal, das im Empfänger einer LPC-Analyse unterzogen wird, ein synthetisiertes Signal ist, das der Empfänger mit Hilfe der vom Sender übertragenen LP-Filterparameter eines ursprünglichen Sprachsignals erstellt hat.

71Bei einer solchen Ausgestaltung wird zwar zweimal eine LPC-Analyse für die erste Abtastrate (im Falle von NK2: 8 kHz) durchgeführt. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, schließt Merkmal 1 eine solche Vorgehensweise aber nicht aus. Vielmehr genügt es, dass die LP-Filterparameter für die zweite Abtastrate ohne LPC-Analyse für diese Rate ermittelt werden. Diese Anforderung ist bei dem in NK2 offenbarten Verfahren erfüllt.

72Danach kann offenbleiben, ob NK2 auch die Möglichkeit offenbart, dass der Empfänger die LP-Filterparameter für das schmalbandige System zum Zwecke der vorgeschlagenen Umwandlung nicht selbst ermittelt, sondern hierzu die bereits vom Sender festgelegten und übermittelten Parameter übernimmt.

73IV. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand hingegen patentfähig.

741. Nach Hilfsantrag 1 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 in den Merkmalen 1 und 1.1 wie folgt modifiziert werden:

762. Anders als die erteilte Fassung beansprucht diese Fassung das in den Merkmalen 1.1 bis 1.4 spezifizierte Verfahren nicht generell, sondern nur für den Fall, dass in einem CELP-basierten Signal zwei Rahmen mit unterschiedlichen Abtastraten aufeinanderfolgen.

773. Wie auch die Berufungserwiderungen nicht in Zweifel ziehen, ist der damit verteidigte Gegenstand durch NK2 nicht vorweggenommen.

78NK2 geht davon aus, dass das schmalbandige Signal mit einer konstanten Abtastrate von 8 kHz übertragen wird. Ein Wechsel der Abtastrate zwischen zwei aufeinanderfolgenden Frames ist weder ausdrücklich noch konkludent offenbart.

794. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ausgehend von NK8 nicht durch NK2 nahegelegt.

80a) Zu Recht hat das Patentgericht allerdings angenommen, dass NK8 ausgehend von dem dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Problem einen tauglichen Ausgangspunkt für fachliche Überlegungen darstellt.

81aa) NK8 definiert Anforderungen an einen für den Mobilfunkstandard der vierten Generation der Mobilfunktechnik vorgesehenen neuen Codec für Sprachübertragung in hoher Qualität (enhanced voice service, EVS).

82Zu diesen Anforderungen gehört, dass Codierer und Decoder Abtastraten von 8, 16, 32 und 48 kHz sowie alle Bitraten in allen Betriebsmodi unterstützen. Der neue Codec soll mit AMR-WB interoperable Modi bei Bitraten von 6,6 bis 23,85 kbit/s anbieten, eine Änderung der Bitrate erlauben und mit einer Rahmengröße von 20 ms arbeiten (S. 2 f., Stichwort "Bit Rates").

83Bei entsprechendem Befehl muss der Codec eine Ratenumschaltung über den gesamten Bitratenbereich an zufälligen Rahmengrenzen durchführen können. Dies kann auch das Umschalten zwischen unterschiedlichen Bandbreiten umfassen (S. 6, Stichwort "Rate switching").

84Die algorithmische Verzögerung darf grundsätzlich nicht mehr als 32 Millisekunden betragen, für Stereoübertragungen nicht mehr als 50 Millisekunden. Innerhalb dieses Zeitraums sind gegebenenfalls alle erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, zum Beispiel auch die Vorschau auf nachfolgende Rahmen, die Umwandlung der Abtastrate und nachfolgende Prozesse im Decoder (S. 4, Stichwort "Algorithmic Delay").

85bb) Entgegen der Auffassung der Berufung bildet NK8 damit einen geeigneten Ausgangspunkt für Überlegungen zur Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Problems.

86Wie die Berufung im Ansatz zu Recht geltend macht, kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass alle veröffentlichten Vorschläge aus dem Umfeld von Standardisierungsgruppen im Bereich des Mobilfunks zum allgemeinen Fachwissen auf diesem technischen Gebiet gehören. Bei der Suche nach Lösungen für ein bestimmtes technisches Problem besteht aber Anlass, solche Dokumente als Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen oder als Quelle zum Auffinden möglicher Lösungsansätze in Betracht zu ziehen. Dies gilt jedenfalls für solche Dokumente, die auf den in der Fachwelt bekannten Wegen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

87NK8 erfüllt diese Voraussetzungen.

88Das Dokument lag bei einem Treffen der Arbeitsgruppe 3GPP TSG-SA4 vor und ist damit in einer geläufigen Weise veröffentlicht worden.

89cc) Die von der Berufung aufgeworfene Frage, ob NK8 ausschließlich die Codierung mittels CELP oder sonstiger Arten der linearen Prädiktion vorsieht, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.

90Anlass, das Dokument im Zusammenhang mit solchen Codierungsarten heranzuziehen, bestand schon deshalb, weil diese darin jedenfalls auch zur Codierung vorgesehen sind. Dies hat auch das Patentgericht nicht anders gesehen.

91dd) Anhaltspunkte dafür, dass die sich aus einem Wechsel der Abtastrate an der Rahmengrenze ergebenden Probleme bei Anwendung der CELP-Technik nicht auftreten können, sind nicht ersichtlich.

92Nach NK8 sollen die dort aufgeführten Anforderungen, zu denen auch der Wechsel der Abtastrate an der Rahmengrenze auf entsprechende Anforderung zählt, für alle Betriebsmodi erfüllt werden.

93b) Ebenfalls zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass ausgehend von NK8 Anlass bestand, nach Möglichkeiten zu suchen, bei CELP-basierten Codecs eine hinreichende Tonqualität auch dann zu gewährleisten, wenn sich die Abtastrate an der Grenze zwischen zwei Rahmen ändert.

94aa) Nach den Feststellungen des Patentgerichts war zum Prioritätszeitpunkt bekannt, dass bei CELP-basierten Codecs die Signalverarbeitung rahmenweise und subrahmenbasiert stattfindet, dass die Parameter des LP-Synthesefilters nur einmal pro Rahmen berechnet und an den Decoder übertragen werden, dass im Encoder und im Decoder für jeden Subrahmen die LP-Filterparameter aus den Parametern des aktuellen und des vorhergehenden Rahmens interpoliert werden und dass dies eine Ermittlung der Parameter bei gleicher Abtastrate voraussetzt.

95Die Beklagte zeigt keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellungen begründen (§ 117 PatG mit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Sie stehen zudem in Einklang mit der Schilderung des Standes der Technik in der Beschreibung des Streitpatents.

96bb) Angesichts dessen bestand Anlass, nach Möglichkeiten zu suchen, innerhalb der in NK8 vorgegebenen Zeitspanne von 32 bzw. 50 Millisekunden auch die für die Interpolation erforderlichen LP-Filterparameter des ersten Rahmens auf der Grundlage der zweiten Abtastrate zu ermitteln.

97NK8 erwähnt einen Wechsel der Abtastrate an der Grenze zwischen zwei Rahmen zwar nur im Zusammenhang mit der genannten Zeitvorgabe. Auch daraus ergab sich jedoch hinreichend deutlich, dass ein solcher Wechsel möglich ist und dass er auf möglichst schnellem Wege durchgeführt werden muss.

98c) Zu Recht wendet sich die Berufung jedoch gegen die Annahme des Patentgerichts, ausgehend von NK8 habe sich aus NK2 die Anregung ergeben, die LP-Filterparameter für die zweite Abtastrate nach dem Verfahren gemäß den Merkmalen 1.1' bis 1.4 zu ermitteln.

99aa) Ausgehend von NK8 bestand allerdings Anlass, andere Dokumente ergänzend in Betracht zu ziehen.

100Wie bereits oben dargelegt wurde, bestand ausgehend von NK8 Anlass, die für die Interpolation erforderlichen LP-Filterparameter des ersten Rahmens auf der Grundlage der zweiten Abtastrate möglichst schnell zu ermitteln. NK8 zeigt hierfür keinen Lösungsansatz auf. Dies gab Anlass, im Stand der Technik nach möglichen Ansätzen zu suchen.

101bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts wurde die Lösung des Streitpatents indessen nicht durch eine Kombination mit NK2 nahegelegt.

102(1) Anders als die Berufung meint, steht es einer Berücksichtigung von NK2 allerdings nicht entgegen, wenn die dort vorgeschlagene Vorgehensweise nur für die Codierung von Sprache, nicht jedoch für Musik geeignet ist.

103Die Codierung von Sprache gehört zu den Funktionen, die der in NK8 spezifizierte neue Codec verwirklichen soll. Folglich bestand Anlass, nach Möglichkeiten zur Codierung von Sprachsignalen zu suchen. Ein Verfahren, das für die Codierung von Musik weniger geeignet ist, scheidet hierbei schon deshalb nicht aus, weil NK8 den Einsatz mehrerer unterschiedlicher Codecs für unterschiedliche Anwendungen zulässt.

104(2) Der Umstand, dass NK2 rund 13 Jahre vor NK8 veröffentlicht worden ist, steht einer Kombination der beiden Dokumente ebenfalls nicht zwingend entgegen.

105Ein großer zeitlicher Abstand kann zwar im Einzelfall gegen die Kombination von zwei Dokumenten sprechen, insbesondere dann, wenn sie auf unterschiedlichen technischen Ansätzen beruhen. Auch bei der Entwicklung neuer Standards liegt die Heranziehung älterer Dokumente jedoch nahe, wenn diese einen Lösungsansatz enthalten, der erkennbar auch im Umfeld der neueren Veröffentlichung eingesetzt werden kann.

106Im Streitfall schloss der Zeitabstand die ergänzende Heranziehung von NK2 schon deshalb nicht aus, weil sich auch dieses Dokument mit Sprachsignalen befasst, die mit Hilfe von linearer Prädiktion codiert sind.

107(3) Eine Veranlassung zum Einsatz des in NK2 offenbarten Verfahrens für die ausgehend von NK8 aufgeworfene Fragestellung war aber deshalb nicht gegeben, weil NK2 nur einen speziellen Einsatzzweck behandelt und sich weder aus NK2 noch aus sonstigen Umständen hinreichende Hinweise darauf ergaben, dass das in NK2 vorgeschlagene Verfahren in verallgemeinerter Form auch zum Decodieren von zwei aufeinanderfolgenden CELP-Rahmen mit unterschiedlicher Abtastrate eingesetzt werden kann.

108Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, ist das in NK2 offenbarte Verfahren zwar dazu geeignet, LP-Filterparameter für eine bestimmte Abtastrate in LP-Filterparameter für eine andere (höhere) Abtastrate umzuwandeln. Wie bereits oben dargelegt wurde, ergeben sich aus NK2 aber keine Hinweise darauf, dass bereits bei den vom Sender übertragenen Signalen ein Wechsel der Abtastrate zwischen zwei aufeinanderfolgenden Rahmen auftreten kann. NK2 betrifft vielmehr nur die Umwandlung eines Signals mit niedriger Abtastrate in ein Signal mit höherer Abtastrate, ohne dass das Signal einer erneuten LP-Analyse unterzogen werden muss. Die Ermittlung der LP-Filterparameter für eine höhere Abtastrate dient in NK2 der Verbreiterung der Frequenz und erfordert neben der Modifikation des Leistungsspektrums des LP-Synthesefilters die Verwertung von aus dem ursprünglichen breitbandigen Signal gewonnenen Nebeninformationen.

109Um zu der Lösung des Streitpatents zu gelangen, hätte es vor diesem Hintergrund der Erkenntnis bedurft, dass die in NK2 vorgeschlagene Umwandlung von Energiespektren generell geeignet ist, LP-Filterparameter für unterschiedliche Abtastraten ohne erneute LP-Filteranalyse zu gewinnen, dass in diesem Fall auf die Verwertung von Nebeninformationen verzichtet werden kann und dass diese Vorgehensweise nicht nur bei einer Erhöhung, sondern auch bei einer Verminderung der Abtastrate in Betracht kommt. Für eine diesbezügliche Abstraktion ergab sich weder aus NK2 noch aus sonstigen Umständen eine hinreichende Anregung.

110Der von den Berufungserwiderungen hervorgehobene Umstand, dass es zum Fachwissen gehörte, LP-Filterparameter unter Verwendung des Levinson-Durbin-Algorithmus aus Autokorrelationen zu berechnen, reicht als Anregung nicht aus. Diese Erkenntnis hätte allenfalls dann zu dem mit Hilfsantrag 1 verteidigten Gegenstand führen können, wenn sich daraus zugleich ergeben hätte, dass dieses Fachwissen auch für die ausgehend von NK8 aufgeworfene Fragestellung zunutze gemacht werden kann. Hierzu waren ergänzende Überlegungen erforderlich, die allein durch das genannte Fachwissen nicht nahegelegt waren.

111cc) Aus dem Beitrag von Valin (Extension spectrale d’un signal de parole de la bande téléphonique à la bande AM; Unversité de Sherbrooke, NK3 oder VALIN 2) ergab sich keine weitergehende Anregung.

112Wie in NK2 geht es in NK3 lediglich um die Verbreiterung der Frequenz. Auch dort wird darauf hingewiesen, dass es zur Umwandlung der Energiespektren von LP-Filterparametern einer höheren Abtastrate zusätzlicher Parameter bedarf (S. 24, Abschnitt 4.3).

1135. Aus anderen Entgegenhaltungen ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.

114a) Der Beitrag von Bi und Mitra (Sampling Rate Conversion in the Frequency Domain, IEEE Signal Processing Magazine, May 2011, 140-144, NK10) offenbart die Umwandlung von Abtastraten durch Modifikation von Frequenzspektren. Daraus ergibt sich keine Anregung zur Umwandlung von LP-Filterparametern durch Modifikation von Energiespektren.

115aa) NK10 führt aus, die Umwandlung von Abtastraten erfolge üblicherweise im Zeitbereich. Es sei auch möglich, solche Umwandlungen im Frequenzbereich durchzuführen. Diese Möglichkeit habe bislang aber nur wenig Beachtung gefunden.

116NK10 schlägt vor diesem Hintergrund vor, die Umwandlung im Frequenzbereich dadurch vorzunehmen, dass bei einer Verringerung der Abtastrate bestimmte Werte des Frequenzspektrums ignoriert (S. 2 linke Spalte), bei einer Erhöhung der Abtastrate hingegen zusätzliche Werte eingefügt werden (S. 2 mittlere und rechte Spalte). Das nach einer solchen Umwandlung durch inverse Diskrete Fourier-Transformation erlangte Signal weise zwar Abweichungen von dem angestrebten Signal auf. Diese könnten aber durch geeignete Maßnahmen minimiert werden (S. 2 rechte Spalte bis S. 3 linke Spalte).

117bb) Wie das Patentgericht im angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit Hilfsantrag 3 und in seinem Hinweis vom (S. 7 f.) zu Hilfsantrag 1 zutreffend ausgeführt hat, ist damit lediglich eine Modifikation des Spektrums eines Eingangssignals offenbart, nicht aber eine Umwandlung von LP-Filterparametern. Darüber hinaus wird nicht ein Energiespektrum modifiziert, sondern ein Frequenzspektrum.

118cc) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergaben sich aus NK10 keine relevanten Anregungen in Richtung auf den Gegenstand des Streitpatents.

119(1) Die abweichende Auffassung des Patentgerichts beruht auf der Annahme, ausgehend von NK8 habe es nahegelegen, die aus NK2 bekannte Modifikation des Leistungsspektrums des LP-Synthesefilters auch im Fall einer Änderung der Abtastrate vorzusehen.

120Diese Prämisse trifft aus den oben aufgezeigten Gründen nicht zu.

121(2) Aus NK10 allein ergab sich ausgehend von NK8 nicht die Anregung, LP-Filterparameter für eine zweite Abtastrate durch Modifikation der Energiespektren aus den LP-Filterparametern für eine erste Abtastrate abzuleiten.

122Wie auch das Patentgericht nicht verkannt hat, ist NK10 allenfalls zu entnehmen, dass nicht nur Energiespektren, sondern auch Frequenzspektren durch Einfügen zusätzlicher Werte an eine höhere Abtastrate angepasst werden können.

123Wie der Sachverständige Prof. Dr. M.   in seinem von der Klägerin zu 2 vorgelegten Privatgutachten (Anlage NK C S. 7) aufgezeigt hat, bestehen zwar deutliche Parallelen zwischen der in NK10 offenbarten Vorgehensweise und der vom Streitpatent vorgeschlagenen Modifikation des Energiespektrums. Hieraus ergibt sich aber keine Anregung, den in NK10 vorgeschlagenen Mechanismus bei Energiespektren einzusetzen, um die LP-Filterparameter eines CELP-Rahmens an die abweichende Abtastrate eines nachfolgenden Rahmens anzupassen. Entgegen der Einschätzung des Sachverständigen reicht der Umstand, dass eine Modifikation von Leistungsspektren aus NK2 bekannt ist, nicht aus, um eine diesbezügliche Anregung zu begründen.

124b) Aus sonstigen Entgegenhaltungen ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.

125V. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 119 Abs. 1 PatG).

1261. Das Patentgericht hat in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis vom (S. 12 f.) und im ergänzenden Hinweis vom (S. 6 f.) dargelegt, weshalb es die Erfindung entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2 für so deutlich und vollständig offenbart ansieht, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

127Diese zuletzt nicht mehr angegriffenen Ausführungen sind zutreffend.

1282. Im Hinweis vom (S. 11 f.) hat das Patentgericht ausgeführt, dass der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht. Im ergänzenden Hinweis vom (S. 8 f.) hat es dargelegt, dass das gleiche für den mit Hilfsantrag 1 verteidigten Gegenstand gilt.

129Diese Ausführungen sind ebenfalls zutreffend.

130VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 PatG sowie § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051124UXZR125.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-80898