Nichtannahmebeschluss: Mangels Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen unzulässige Verfassungsbeschwerde betr Sorgerechtsentzug
Gesetze: § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 1666 BGB
Instanzenzug: Az: 17 UF 231/23 Beschlussvorgehend Az: 17 UF 231/23 Beschlussvorgehend Az: 26 F 430/22 Beschluss
Gründe
1Die Verfassungsbeschwerde betrifft den vollständigen Entzug des Sorgerechts.
I.
21. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter einer am geborenen Tochter, die bis zur Inobhutnahme bei der Mutter gelebt hatte. Die Beschwerdeführerin hatte das alleinige Sorgerecht inne. Die Tochter wurde im Haushalt der Beschwerdeführerin durch das Jugendamt am in einem als lebensbedrohlich bewerteten Zustand angetroffen. Das Kind wog bei einer Größe von 83 cm lediglich 7,34 kg und wies überdies erhebliche Entwicklungsrückstände auf. Nach einer gut sechswöchigen stationären Behandlung im Krankenhaus ist die Tochter zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie und anschließend in einer Dauerpflegefamilie untergebracht worden, in der sie weiterhin lebt. Die Unterernährung der Tochter und ein nicht unerheblicher Teil ihrer Entwicklungsdefizite sind seit ihrer Herausnahme aus dem Haushalt der Beschwerdeführerin beseitigt oder deutlich reduziert worden. Die Beschwerdeführerin ist durch rechtskräftig wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
3Mit Beschluss vom hat das Familiengericht der Beschwerdeführerin das Sorgerecht für ihre Tochter entzogen und auf das Jugendamt als Vormund übertragen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht durch seinen Beschluss vom weitestgehend zurückgewiesen und die Entscheidung des Familiengerichts lediglich dahingehend abgeändert, dass die elterliche Sorge nicht auf den leiblichen Vater des Kindes übertragen werde. Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin hat das als unbegründet zurückgewiesen.
42. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 2 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG geltend. Sie bringt dazu vor, es habe im Zeitpunkt der Inobhutnahme an einer Lebensgefahr für das Kind gefehlt. Zudem beanstandet sie die Sachaufklärung durch die Familiengerichte als unzureichend und wendet sich gegen ein im Ausgangsverfahren gerichtlicherseits eingeholtes Gutachten einer familienpsychologischen Sachverständigen und eines psychiatrischen Sachverständigen.
II.
5Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen schon deshalb nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde insgesamt offensichtlich unzulässig und deshalb ohne Aussicht auf Erfolg ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
61. Die gegen den Beschluss des Familiengerichts vom gerichtete Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis weder dargelegt noch ersichtlich ist. Diese Entscheidung ist durch den mit dem es über den Sorgerechtsentzug (§§ 1666, 1666a BGB) vollumfänglich und aufgrund ergänzender eigener Feststellungen entschieden hat, prozessual überholt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1192/24 -, Rn. 7 m.w.N.).
72. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den genannten Beschluss vom richtet, genügt ihre Begründung offensichtlich nicht den nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG daran zu stellenden Anforderungen.
8Zu diesen gehört die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen und derjenigen Schriftstücke, ohne deren Kenntnis sich die Berechtigung der geltend gemachten Rügen nicht beurteilen lässt, zumindest aber deren Wiedergabe ihrem wesentlichen Inhalt nach, weil das Bundesverfassungsgericht nur so in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob die Entscheidungen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; 129, 269 <278>). Dazu kann je nach Angriffsgegenstand auch die Vorlage von vorangegangenen Gerichtsentscheidungen oder Sachverständigengutachten gehören (vgl. BVerfGK 14, 402 <417>).
9Dem genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Es sind zahlreiche in dem vorgenannten Sinne unverzichtbare Unterlagen weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben worden. Das Oberlandesgericht hat seine Annahme einer gravierenden Schädigung des Kindes während des Aufenthalts im Haushalt der Beschwerdeführerin und eine drohende erhebliche Kindeswohlgefährdung bei Rückkehr des Kindes dorthin auf die Einschätzungen nahezu sämtlicher fachlich Beteiligter gestützt. Im Einzelnen handelt es sich vor allem um das schriftliche Gutachten der familienpsychologischen Sachverständigen und des psychiatrischen Sachverständigen vom , die ergänzende Stellungnahme dieser beiden Sachverständigen vom und den Vermerk über die Angaben der familienpsychologischen Sachverständigen in der mündlichen Anhörung durch das Oberlandesgericht am sowie - insbesondere zur drohenden Kindeswohlgefährdung bei Rückkehr des Kindes zu der Beschwerdeführerin - um die schriftliche Stellungnahme des Jugendamtes vom und diejenige der Verfahrensbeiständin vom . Auch das von der Beschwerdeführerin selbst in Auftrag gegebene Gutachten eines psychologischen Sachverständigen vom , mit dem sie die Aussagekraft des gerichtlich beauftragten Gutachtens vom erschüttern will, hat sie nicht vorgelegt. Ohne Kenntnis dieser Unterlagen kann nicht überprüft werden, ob das Oberlandesgericht der Beschwerdeführerin das Sorgerecht für ihre Tochter unter Verletzung des Elterngrundrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) vollständig entzogen hat.
10Ausgehend von den durch das Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen sowie unter Berücksichtigung des bereits im (vorgelegten) Strafurteil des festgestellten Sachverhalts liegt allerdings eine Verletzung des Elterngrundrechts durch den Sorgerechtsentzug auch völlig fern.
113. Von einer weitergehenden Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
12Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2024:rk20241111.1bvr214324
Fundstelle(n):
DAAAJ-80789