BGH Beschluss v. - 1 StR 432/24

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 5 Ks 201 Js 50167/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, mit besonders schwerer Brandstiftung und mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das am in seiner Anwesenheit verkündete Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

21. Die Revision ist bereits unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil der Angeklagte wirksam auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

„Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Angeklagte im Anschluss an die Verkündung des Urteils am nach Rechtsmittelbelehrung gemäß § 35a StPO erklärt, dass er das Urteil annehmen wolle. Sein Verteidiger hat anschließend keine Erklärung abgegeben (SA Bl. 675).

Der Verzicht setzt eine eindeutige, vorbehaltslose und ausdrückliche Erklärung voraus, wobei aber nicht von ‚Verzicht‘ gesprochen werden muss, wenn die Erklärung eindeutig ist (). Die Erklärung, das Urteil werde ‚angenommen‘, enthält regelmäßig einen Rechtsmittelverzicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 316/88 und vom - 4 StR 227/18; Schmitt aaO).

Der Gesamtsinn der Erklärung des Angeklagten wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass dieser ausweislich des Protokolls dabei den Kopf schüttelte (SA Bl. 765). Zu der dort protokollierten Geste des Angeklagten findet sich schon im Protokoll der ergänzende Vermerk, dass der Angeklagte bereits während der Rechtsmittelbelehrung durch den Vorsitzenden den Kopf geschüttelt habe, als ihm erläutert worden sei, dass er gegen das Urteil Revision einlegen könne (vgl. auch Dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Landgericht, SA Bl. 710).

Die im Sitzungsprotokoll vermerkte Verzichtserklärung wurde allen Verfahrensbeteiligten gemäß § 273 Abs. 3 Satz 3 StPO vorgelesen und von diesen genehmigt (SA Bl. 675).

Ein wirksamer Verzicht auf Rechtsmittel war auch nicht gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO ausgeschlossen, da dem Urteil keine Verständigung im Sinne des § 257c StPO vorausgegangen ist, wie sich aus dem nach Maßgabe des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO in das Sitzungsprotokoll aufgenommenen Vermerk, dass eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden hat, ergibt (SA Bl. 663, 674; zu der Feststellung als wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 274 Satz 1 StPO [, BGHSt 56, 3; Greger in KK-StPO, 9. Aufl. § 273 Rn. 6, § 274 Rn. 4].

An den Verzicht auf Rechtsmittel ist der Antragsteller gebunden; er ist wirksam.

Die Verzichtserklärung ist als Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. ; Urteil vom - 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51 mwN).

Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte prozessual nicht handlungsfähig war und den Bedeutungsgehalt des Rechtsmittelverzichts verkannt haben könnte (), sind nicht ersichtlich.

Der Behauptung des Verteidigers (SA Bl. 706 f.), der Angeklagte habe die Tragweite seiner Erklärung nicht verstanden und er habe durch sein Kopfschütteln gerade zum Ausdruck gebracht, nicht mit der Entscheidung einverstanden zu sein, sind die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft übereinstimmend entgegengetreten (SA Bl. 710 ff.).

Bei dieser Sachlage liegen Umstände, die ausnahmsweise die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts begründen könnten, nicht vor.

Hat der Verurteilte danach wirksam einen Rechtsmittelverzicht erklärt, ist die Rechtsmitteleinlegung seines Verteidigers nach eingetretener Rechtskraft unwirksam ().“

Dem stimmt der Senat zu.

32. Da der Verteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts in Zweifel gezogen hat, ist die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss festzustellen (vgl. Rn. 33 mN).

Fischer                         Bär                         Leplow

                  Munk             Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:131124B1STR432.24.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-80782