BFH Urteil v. - X R 119/97

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im selben Jahr übertrug ihnen der Vater der Klägerin durch notariellen Vertrag jeweils als Miteigentümern zur Hälfte sein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in A gegen Gewährung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts, ohne die vom Wohnungsrecht umfassten Räume zu bezeichnen. Die vertraglich vorgesehene Eintragung des Wohnungsrechts ist noch nicht vorgenommen worden; das Wohnungsrecht wird vom Vater der Klägerin nicht in Anspruch genommen.

Das im Jahre 1953 errichtete und aus einem Keller-, Erd- und Dachgeschoss bestehende Haus wurde vor der Übertragung von der Großmutter der Klägerin bewohnt. Die Kläger tauschten nach dem Tod der Großmutter die Fenster des Hauses aus, ließen dessen Wasser-, Sanitär- und Elektroinstallation erneuern und ersetzten die Einofenheizung des Hauses, die nur die frühere Stube und das Schlafzimmer im Erdgeschoss mit Warmluft versorgte, durch eine Zentralheizung. Weiterhin tauschten sie die verrotteten Fußböden im Erdgeschoss aus. Die ehemalige Trockentoilette verlegten sie wegen der Frostgefahr aus dem Windfang in das neu geschaffene Bad im Erdgeschoss. Das frühere Bad im Keller verfügte nur über einen Abflussgully in der Mitte des Raumes, der das Wasser in einen Graben vor dem Haus einleitete. Im Übrigen vergrößerten und legten sie Räume des Hauses zusammen. Insbesondere bauten sie das nach dem genehmigten Bauplan als Wohnraum vorgesehene, tatsächlich aber als Abstellraum genutzte Dachgeschoss zu Wohnzwecken um, indem sie die 12 cm dicken Außenwände des Kniestocks isolierten, eine vorher nicht gegebene Heizungsmöglichkeit schufen und die lediglich aus einem Lichtschalter bestehende Elektroinstallation ausbauten.

Für die Baumaßnahmen ermittelten die Kläger einen Gesamtaufwand von insgesamt 91 008,14 DM, den sie zu 30 v.H. dem wohnrechtsbelasteten Teil des Grundstücks zurechneten und im Übrigen --in Höhe von 68 857,33 DM-- mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 als Herstellungskosten für die selbstgenutzte Wohnung mit dem Antrag geltend machten, für den Betrag von 40 000 DM den Abzugsbetrag nach § 7 des Fördergebietsgesetzes (FördG) sowie für den Restbetrag in Höhe von 28 858 DM den Abzugsbetrag nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren. Zugleich beantragten sie, gemäß § 10e Abs. 6 EStG Schuldzinsen vor Bezug in Höhe von 585 DM zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte den Abzugsbetrag nach § 7 FördG, lehnte aber mit dem Einkommensteuerbescheid für 1993 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung die Berücksichtigung des Abzugsbetrags nach § 10e EStG ab.

Der daraufhin erhobenen Klage, mit der die Kläger eine Minderung der Einkommensteuer für das Jahr 1993 auf 8 427 DM unter Berücksichtigung eines --reduzierten-- Herstellungsaufwands von 85 083,10 DM ohne Abzug für das Wohnungsrecht des Vaters der Klägerin begehrten, gab das Finanzgericht (FG) statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1498 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 10e Abs. 2 EStG.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Gründe

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zu Unrecht hat das FG den geltend gemachten Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 2 EStG berücksichtigt.

a) Nach § 10e Abs. 2 EStG können Steuerpflichtige den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG für Herstellungskosten zu eigenen Wohnzwecken genutzter Ausbauten und Erweiterungen an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung beanspruchen.

Die Begriffe "Ausbau" und "Erweiterung" in § 10e Abs. 2 EStG entsprechen den wortgleich in § 17 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WobauG) verwendeten Begriffen. Zu ihrer Auslegung sind deshalb gemäß § 100 II. WobauG --mangels abweichender Regelung in § 10e EStG-- die Begriffsbestimmungen des § 17 II. WobauG heranzuziehen (, BFHE 177, 399, BStBl II 1996, 352). Danach ist Wohnungsbau durch Erweiterung eines bestehenden Gebäudes das Schaffen von Wohnraum durch Aufstockung des Gebäudes oder durch Anbau an das Gebäude (§ 17 Abs. 2 II. WobauG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 II. WobauG ist Ausbau eines bestehenden Gebäudes das Schaffen von Wohnraum

- durch Ausbau des Dachgeschosses,

- durch eine unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von Räumen, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung bisher anderen als Wohnzwecken dienten.

Als Wohnungsbau durch Ausbau eines Gebäudes gilt auch der unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umbau von Wohnungen, die infolge Änderung der Wohngewohnheiten nicht mehr für Wohnzwecke geeignet sind, zur Anpassung an die veränderten Wohngewohnheiten (§ 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG).

Weder die Voraussetzungen des Ausbaus noch die der Erweiterung liegen im Streitfall vor.

b) Die Baumaßnahmen der Kläger im Keller- und Erdgeschoss betreffen weder für sich noch im Zusammenhang mit den Maßnahmen im Dachgeschoss Umbauten zur Anpassung an geänderte Wohngewohnheiten i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG.

aa) Nach der Rechtsprechung des BFH und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sind Wohnräume nur dann "nicht mehr für Wohnzwecke geeignet", wenn die Eignung der Räume zum dauernden Bewohnen objektiv fehlt. Auf die speziellen Bedürfnisse oder Interessen bestimmter Personenkreise kommt es dabei nicht an. Die maßgebliche objektive Eignung zum dauerhaften Bewohnen einer Wohnung ist schon dann zu bejahen, wenn sie als Mindestausstattung über einen Kochraum mit Entlüftungsmöglichkeit, Wasserzapfstelle, Spülbecken und Anschlussmöglichkeit für Gas- oder Elektroherd sowie Toilette und Bad verfügt (, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92; Beschluss vom X B 33/95, BFH/NV 1996, 603; 8 C 19.88, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 454.4 § 17 II. WobauG Nr. 3). Auf dieser Grundlage hat der BFH den Einbau eines bisher nicht vorhandenen Badezimmers (Urteile vom IX R 63/88, BFHE 170, 543, BStBl II 1993, 659, und vom IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460), nicht dagegen die Modernisierung eines um 1900 erbauten Wohn- und Geschäftshauses für 200 000 DM durch Einbau neuer Trennwände, neuer Fensterbänke, einer Heizung sowie mittels umfangreicher Arbeiten an Sanitäreinrichtungen als Ausbau i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG beurteilt (Urteil vom IX R 130/86, BFHE 168, 147, BStBl II 1992, 823). Die Modernisierung von Wohnraum wie z.B. die Ersetzung einer Einzelofenheizung und von Kohlebadeöfen durch eine Zentralheizung (vgl. a.a.O.) und die Zusammenlegung kleinerer Wohnungen zu einer dem Wohnungsbedarf des Steuerpflichtigen und seiner Familie entsprechenden großen Wohnung sind danach kein Ausbau i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG (Senatsurteil in BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92; Senatsbeschluss in BFH/NV 1996, 603).

bb) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt ein Verlust der Eignung zu Wohnzwecken aufgrund geänderter Wohngewohnheiten nicht vor, wenn die Eignung zu Wohnzwecken lediglich infolge Altersabnutzung oder Verwahrlosung entfallen ist (BFH-Urteile in BFHE 168, 147, BStBl II 1992, 823, und in BFH/NV 1994, 460) und die Baumaßnahmen das Gebäude nicht im Sinne einer durchgreifenden Änderung des Wohnungsgrundrisses und der Bausubstanz (Mauerwerk, Decke, Wände) umgestalten. Bauliche Maßnahmen zur Instandsetzung eines Wohngebäudes sind danach kein Umbau i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG (Senatsurteil vom X R 8/94, BFH/NV 1996, 397 im Anschluss an 8 C 73.86, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 454.4, § 17 II. WobauG Nr. 2).

cc) Nach diesen Grundsätzen stellen sich die Baumaßnahmen im Keller und Erdgeschoss schon deshalb nicht als Ausbaumaßnahmen i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG dar, weil sie an die Stelle entsprechender älterer Bauteile oder Anlagen getreten sind, die der Wohnung die von der Rechtsprechung geforderte Mindestausstattung vermittelt haben. Insbesondere die im Streitfall nachvollziehbar für notwendig erachtete Erneuerung von Bad und WC ist deshalb nicht nach § 10e Abs. 2 EStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 des II. WobauG begünstigt (, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94).

c) Die Baumaßnahmen der Kläger im Dachgeschoss betreffen auch nicht eine "mit erheblichem Bauaufwand" vorgenommene Umwandlung von Räumen, "die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung bisher anderen als Wohnzwecken dienten" (§ 10e Abs. 2 EStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 II. WobauG).

aa) Zum einen genügt die im Streitfall behauptete und vom FG ersichtlich unterstellte Nutzung des Dachgeschossraums als Abstellraum allein für die Anwendung der Vorschrift nicht. Vielmehr setzt die Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraus, dass diese --wohnzweckfremde-- Nutzung auf der konkreten baulichen Anlage und Ausstattung der Räume beruht. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG, nach denen sich der Baubedarf im Dachgeschoss auf eine Isolierung des Kniestocks, die Verbesserung der Elektroinstallation und den Einbau einer Heizung erstreckte, rechtfertigen nicht die Feststellung, dass der Dachgeschossraum trotz seiner Genehmigung als Wohnraum im Zusammenhang mit den übrigen Räumen des Hauses "nach seiner baulichen Anlage und Ausstattung" nicht als Wohnraum habe dienen können.

bb) Zum anderen rechtfertigen es die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht, im Streitfall einen "erheblichen Bauaufwand" für die Umwandlung des Dachgeschosses i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 II. WobauG anzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG und des BFH liegt wesentlicher Bauaufwand i.S. des § 17 II. WobauG nur vor, wenn er etwa ein Drittel des für die Herstellung einer vergleichbaren Neubauwohnung erforderlichen Aufwands erreicht (BFH-Urteil in BFHE 170, 543, BStBl II 1993, 659; VIII C 42.70, BVerwGE 38, 286, 289 f.). Dabei muss derjenige Aufwand unberücksichtigt bleiben, der auf Erhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an der eigenen Wohnung entfällt, weil diese Aufwendungen ihrer Art nach nicht gemäß § 10e EStG förderbar sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 168, 147, BStBl II 1992, 823, und in BFH/NV 1994, 460).

Das FG hält diese Voraussetzungen im Streitfall --bezogen auf die gesamte Baumaßnahme-- für gegeben. Es hat den für eine vergleichbare Neubauwohnung anzusetzenden erforderlichen Aufwand mit 250 000 bis 280 000 DM beziffert. Geht man aufgrund der den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen zugunsten der Kläger von einem Aufwand von nur 250 000 DM aus, so muss der "wesentliche Bauaufwand" i.S. des § 17 Abs. 1 II. WoBauG ein Volumen von 83 000 DM umfassen. Nach Ansicht des FG überschreiten die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen diesen Betrag, zumal der Wert der Eigenleistungen hinzuzurechnen sei, der im Wege der Schätzung mit 1/3 der geltend gemachten Aufwendungen angesetzt werden müsse.

Diese Berechnung bezieht indessen zu Unrecht --wie ausgeführt-- auch den Erhaltungs- oder Instandsetzungsaufwand für das Haus mit ein. Mindert man den Ansatz der Herstellungskosten durch das FG um die Kosten für die Verlegung des früheren Bades aus dem Kellergeschoss in das Erdgeschoss, die Verlagerung der Toilette innerhalb des Erdgeschosses, den Austausch des Fußbodens im Erdgeschoss, den Austausch von Fenstern, die Ersetzung der Ofenheizung in den Räumen des Erdgeschosses durch eine Zentralheizung sowie die mit diesen Maßnahmen zusammenhängenden Erneuerungen der Wasser-, Sanitär- und Elektroinstallation, die --wie ausgeführt-- lediglich Erhaltungsaufwendungen darstellen, so reduziert sich der Ansatz der Herstellungskosten um mehr als 40 000 DM. Setzt man des Weiteren auf der Grundlage der sich gleichermaßen auf Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen beziehenden revisionsrechtlich bindenden Schätzung der Eigenleistungen --1/3 der Gesamtaufwendungen (28 000 DM)-- eine prozentual entsprechende Kürzung um den auf die Erhaltungsaufwendungen entfallenden Teil der Eigenleistungen an, so bleibt der Bauaufwand mit etwa 60 000 DM erheblich unter den maßgeblichen Neubaukosten. Daran ändert sich auch nichts, wenn man zugunsten der Kläger den Einbau der Heizung im Obergeschoss als Maßnahme i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WobauG ansieht und deshalb die Hälfte der Baukosten der Heizung (15 000 DM) den Herstellungskosten i.S. des § 10e Abs. 2 EStG zurechnet.

2. Da die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Abzugsbetrages nach § 10e Abs. 2 EStG im Streitfall nicht vorliegen, kommt auch ein Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG nicht in Betracht (, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346; vom X R 23/93, BFH/NV 1994, 707; vom X R 59/95, BFHE 179, 286, BStBl II 1996, 356; in BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 320
BFH/NV 2002 S. 320 Nr. 3
VAAAA-97117