Leitsatz
1. Zwischen den Straftatbeständen des Konsumcannabisgesetzes und denen des Betäubungsmittelgesetzes besteht eine tatbestandliche Verwandtschaft dergestalt, dass eine Fehlvorstellung des Gehilfen über die Substanz, deren Umgangs wegen sich der Haupttäter strafbar macht, nicht zum Entfallen des Gehilfenvorsatzes führt.
2. Stellt sich der Gehilfe irrig vor, der Haupttäter handle mit Cannabis anstelle von vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Substanzen, kann er sich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar machen.
Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 34 Abs 1 Nr 4 KCanG, § 27 StGB
Instanzenzug: LG Heilbronn Az: 3 KLs 64 Js 22421/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Schuldspruch ist neu zu fassen.
21. Nach den Feststellungen führte ein anderweitig Verfolgter 202.191 Gramm (S-)Methamphetaminhydrochlorid mit einem Wirkstoffgehalt von 76,23 Prozent (S-)Methamphetaminbase, versteckt in einer Hydraulikpresse, von den Niederlanden nach Deutschland ein, um es von dort nach Ausbau aus der Maschine „in den Osten“ zum gewinnbringenden Weiterverkauf zu transportieren. Auf Bitte des Mitangeklagten, der seinerseits dem anderweitig Verfolgten zugesagt hatte, ihm bei der Bereitstellung eines Stellplatzes zum Ausbau der Betäubungsmittel behilflich zu sein, sorgte der Angeklagte dafür, dass die Hydraulikpresse auf dem Gelände seines Arbeitgebers abgestellt werden konnte. Er empfing dort am den Transporteur und überwachte die Abladung der Maschine, bis er von Observationskräften festgenommen wurde. Der Angeklagte, dem bewusst war, ein illegales Geschäft des Mitangeklagten zu unterstützen, nahm billigend in Kauf, dass sich in der Hydraulikpresse bis zu 50 Kilogramm Marihuanablüten befänden.
32. Der Schuldspruch bedarf in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung, weil am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom (KCanG; BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten und nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen ist. Da der Umgang mit Konsumcannabis nunmehr abschließend im Konsumcannabisgesetz geregelt ist, sind damit im Zusammenhang stehende Taten allein nach § 34 KCanG zu bewerten (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130), wenn dieses – wie hier – mit Blick auf den konkreten Fall nach einem Gesamtvergleich das für den Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (vgl. Rn. 6).
4a) Der Angeklagte förderte zwar objektiv den Handel des anderweitig Verfolgten mit (S-)Methamphetaminhydrochlorid. Nach seinem Vorstellungsbild unterstützte er indes ein Handeltreiben des Mitangeklagten mit Marihuanablüten. Er hat sich deshalb nach neuer Rechtslage wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar gemacht (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB).
5aa) Zwischen den Straftatbeständen des Konsumcannabisgesetzes und denen des Betäubungsmittelgesetzes besteht eine tatbestandliche Verwandtschaft dergestalt, dass eine Fehlvorstellung des Gehilfen über die Substanz, deren Umgangs wegen sich der Haupttäter strafbar macht, nicht zum Entfallen des Gehilfenvorsatzes führt.
6Stellt sich der Gehilfe irrig vor, der Haupttäter handle mit Cannabis anstelle von vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Substanzen, kann er sich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar machen. Hierzu gilt:
7(a) Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen sogenannten „doppelten Gehilfenvorsatz“ voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere ihre Unrechts- und Angriffsrichtung, erkennt. Diese gegenüber dem Anstifter geringeren Anforderungen an die Konkretisierung des Vorstellungsbildes des Gehilfen folgen schon daraus, dass dieser nicht eine bestimmte Tat anstreben muss. Er erbringt vielmehr einen losgelösten Beitrag, von dem er lediglich erkennen und billigend in Kauf nehmen muss, dass dieser Beitrag sich als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird. Daraus erschließt sich, dass auch eine andere rechtliche Einordnung der Tat durch den Gehilfen dessen Vorsatz unberührt lässt, solange er sich nicht eine grundsätzlich andere Tat vorstellt. Zwischen vorgestellter und tatsächlich begangener Tat muss mithin eine tatbestandliche Verwandtschaft bestehen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 167/14 Rn. 33 und vom – 2 StR 119/22 Rn. 13; jeweils mwN).
8(b) Diese ist hier gegeben. Zwar hat der Gesetzgeber mit Blick auf eine geänderte Risikobewertung zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und zur Stärkung eines „verantwortungsvollen Umgang[s] mit Cannabis“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) Cannabis bewusst einem anderen Regelungsregime unterstellt, das von dem des Betäubungsmittelgesetzes u.a. insoweit abweicht, als der Umgang mit Cannabis zum Eigenkonsum nunmehr in eng umgrenzten Ausnahmefällen erlaubt ist. Auch sieht das Konsumcannabisgesetz im Vergleich zum Betäubungsmittelgesetz deutlich niedrigere Strafrahmen vor. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich indes auch, dass der Normgeber weiterhin davon ausgeht, der Konsum von Cannabis sei grundsätzlich gefährlich (BT-Drucks. 20/8704, S. 68; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 105/24 Rn. 24 und vom – 2 StR 107/24 Rn. 31), weshalb das Konsumcannabisgesetz – ähnlich wie das Betäubungsmittelgesetz – ein allgemeines und umfassendes Umgangsverbot normiert (vgl. Rn. 31; BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Die Vergleichbarkeit der Regelungswerke ergibt sich im Übrigen daraus, dass der Gesetzgeber die Straftatbestände des Konsumcannabisgesetzes denen des Betäubungsmittelgesetzes nachgebildet und sich bewusst an die Begrifflichkeiten desselben angelehnt hat (vgl. Rn. 24 mwN; BT-Drucks. 20/8704, S. 130).
9bb) Der Angeklagte hat sich daher nach neuem Recht entsprechend seinem Vorstellungsbild (vgl. dazu , BGHSt 11, 66, 67 und vom – 1 StR 164/91 Rn. 3, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7) wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar gemacht (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB). Dass sich die Tat auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog (diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC erreicht; vgl. dazu Rn. 7 mwN), ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen, weil dies lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) darstellt (vgl. Rn. 12 mwN).
10b) Die Anwendung neuen Rechts lässt nach einem Gesamtvergleich auch das für den Angeklagten günstigere Ergebnis zu. Das Landgericht hat seiner Bemessung der Strafe den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 27, 49 Abs. 1 StGB (drei Monate bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe) zugrunde gelegt. Da schon der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG milder ist als der durch die Strafkammer herangezogene, kommt es nicht mehr darauf an, ob das Landgericht – ggf. unter Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 27 StGB – von der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG abgesehen hätte. Angesichts dessen, dass die vorgestellte Handelsmenge an Marihuana nach den Feststellungen die nicht geringe Menge von Cannabis (vgl. dazu Rn. 7 mwN) um das 600-fache überschritt (UA S. 77), läge dies im Übrigen auch nicht nahe.
11c) Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1, § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
123. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage deutlich niedrigeren Strafrahmens keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes eine mildere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO) und können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Jäger Wimmer Leplow
Allgayer Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:291024B1STR382.24.0
Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 51
IAAAJ-79844