Instanzenzug: Az: 1 KLs 11 Js 22895/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich mit Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem und Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt, wovon wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung fünf Monate als vollstreckt gelten. Daneben hat es ihn wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Den Angeklagten D. hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie seines Pkw Mercedes-Benz E-Klasse samt Fahrzeugpapieren und Schlüsseln angeordnet.
2Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren jeweils auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
31. Der form- und fristgerecht eingereichte und auch im Übrigen zulässige Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten M. führt zur Anordnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist (§§ 44, 45 StPO). An der Versäumung der Frist durch den Pflichtverteidiger trifft den Angeklagten kein Verschulden.
42. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung der Schuld- und zur teilweisen Aufhebung der Strafaussprüche.
5a) Der gegen den Angeklagten M. ergangene Schuldspruch ist wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. Am ist das Konsumcannabisgesetz (KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Dies hat der Senat bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen, weil die Neuregelung im Konsumcannabisgesetz sich hier als milder erweist. Denn das Landgericht hat die Strafen in den Fällen II. 1. und II. 5. der Urteilsgründe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht, während § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren androht (vgl. Rn. 4 mwN und zur nicht geringen Menge etwa Beschluss vom – 1 StR 106/24 Rn. 7 ff.).
6aa) Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte M. im Fall II. 1. des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) schuldig gemacht. Eine tateinheitliche Anstiftung zur Einfuhr von Cannabis, die unter Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes im Urteilszeitpunkt hätte bedacht werden müssen, kommt nun nicht mehr in Betracht.
7Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen beauftragte der Angeklagte M. die anderweitig Verfolgten S. und V. damit, die von ihm in den Niederlanden angekauften elf Kilogramm Marihuana zum Zweck des gewinnbringenden Verkaufs nach Deutschland einzuführen. Die anderweitig Verfolgten unterstanden dabei der Weisung des Angeklagten M. , der selbst auf die Durchführung des Einfuhrvorgangs keinen Einfluss nahm, sondern das Marihuana erst in Deutschland übernahm. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 369/23 Rn. 7–9 und vom – 5 StR 421/22 Rn. 10 ff.; jeweils mwN) wäre danach im Urteilszeitpunkt eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 26 StGB anzunehmen gewesen. Im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes gehen der Erwerb, die Veräußerung oder die Einfuhr von Cannabis jedoch als rechtlich unselbständige Tatbestandsverwirklichungen im Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) auf. Denn anders als im Betäubungsmittelgesetz, bei dem die Einfuhr einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln nicht von einem täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt wird, sondern dazu in Tateinheit steht, weil die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufgrund des höheren Strafrahmens als schwereres Delikt im Urteilstenor Ausdruck finden muss (vgl. ‒ 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165 f.), sind die Strafrahmen im Konsumcannabisgesetz für beide Taten identisch. Die Notwendigkeit, in Ausnahme zum allgemeinen Grundsatz die Einfuhr gegenüber dem Handeltreiben jedenfalls zur Klarstellung hervorzuheben, wenn sie sich auf eine nicht geringe Menge bezieht, ist im Anwendungsbereich des § 34 KCanG daher nicht gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 317/24 Rn. 5; vom – 2 StR 127/24 Rn. 5 und vom – 5 StR 623/23 Rn. 23; jeweils mwN). Dieser bedingt auch, dass die nicht geringe Menge Cannabis (dazu Rn. 7 ff.), auf die sich die Tat bezieht, im Schuldspruch keinen Ausdruck findet, da es sich dabei nunmehr lediglich um ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) handelt.
8bb) Im Fall II. 5., dem der Verkauf von 35 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von jedenfalls zehn Prozent im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit dem Angeklagten D. zugrunde liegt, haben sich die Angeklagten gleichfalls des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht.
9b) Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur teilweisen Aufhebung des gegen den Angeklagten M. ergangenen Strafausspruchs.
10aa) Die Strafkammer hat das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge in den Fällen II. 1. und II. 5. – im Urteilszeitpunkt zutreffend – jeweils dem Regelungsregime des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unterstellt und die gegenüber dem Angeklagten M. verhängten Einzelstrafen aus dem Regelstrafrahmen zugemessen. Der Senat kann trotz des – angesichts der jeweils großen Cannabismengen – beachtlichen Schuldumfangs nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des deutlich verringerten Strafrahmens in § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).
11bb) Der Wegfall der vorbenannten Einzelstrafen entzieht den beiden Gesamtstrafen die Grundlage. Bei der erneuten Gesamtstrafenbildung wird – wie bereits bislang – das Gesamtstrafübel zu berücksichtigen sein, welches sich für den Angeklagten M. aus der Bildung zweier gesonderter Strafen ergibt.
12c) Der gegen den Angeklagten D. ergangene Schuldspruch bedarf gleichfalls der Änderung.
13aa) Wie beim Mitangeklagten M. ist die Tat unter Fall II. 5. der Urteilsgründe als Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 25 Abs. 2 StGB) zu bewerten. Soweit der Angeklagte D. im Fall II. 6. nach den Feststellungen in seiner Wohnung 20,35 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 19,6 Gramm Kokainhydrochlorid, 9,32 Gramm Ecstasy mit 0,9 Gramm MDMA-Base und 3,56 Gramm Marihuana für den Eigenkonsum vorrätig hielt, ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei. Zwar bezog er sich im Urteilszeitpunkt auch auf die für den Eigenkonsum besessene Cannabismenge, deren Besitz zwischenzeitlich nicht mehr verboten und damit nicht mehr strafbar ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG). Dies wirkt sich auf den Schuldspruch aber nicht aus, da bereits der Besitz von Kokain in nicht geringer Menge hier den Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt (vgl. Rn. 8 f.).
14bb) Der Strafausspruch hat auch beim Angeklagten D. nur teilweise Bestand.
15(1) Für die Bemessung der Einzelstrafe für die Tat II. 5. gelten die beim Angeklagten M. angestellten Erwägungen entsprechend.
16(2) Die für die Tat unter II. 6. verhängte Einzelstrafe kann demgegenüber bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass sich die sehr niedrige Menge Cannabis neben der zugleich besessenen nicht geringen Menge Kokain auf die ohnehin moderat bemessene Strafe ausgewirkt hat (§ 337 Abs. 1 StPO).
17(3) Der Wegfall der Einzelstrafe für die Tat II. 5. als Einsatzstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
183. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Den Schuldspruchänderungen steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich die – überwiegend geständigen – Angeklagten insoweit nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
19Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
Jäger Wimmer Leplow
Allgayer Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:301024B1STR235.24.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-79411