BGH Urteil v. - 1 StR 197/24

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/12 KLs 3/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt; die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat es hingegen abgelehnt. Die wirksam hierauf beschränkte Revision der Generalstaatsanwaltschaft, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts eine Vermögensabschöpfung in Höhe von über sechs Millionen € erstrebt, hat Erfolg.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete der Angeklagte zusammen mit dem gesondert Verfolgten S.           im Jahr 2006 die Gl.                                             Ltd. mit Sitz in Gi.          (G.                     ), die unter anderem in den Jahren 2008 und 2009 bei sogenannten Cum-Ex-Aktiengeschäften als Leerverkäuferin auftrat. Leerkäuferin war in 22 Fällen die Fo.                                           GmbH (F.                               ), deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Ziel sämtlicher jeweils über Millionen Stück Aktien geschlossenen Geschäfte war es, der G.                    einen Gewinnüberhang zu verschaffen, indem sie – über den zwischengeschalteten Broker e.                   AG, vertreten durch die in den Tatplan eingeweihten und gesondert Verfolgten E.            und R.       – von der F.                               den Kaufpreis für die Aktien inklusive des Anteils für eine einberechnete Bruttodividende, also einschließlich Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag, vereinnahmte, ihrerseits aber nur eine Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende, mithin ohne Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag, an die Leerkäuferin leistete. Der Angeklagte wusste spätestens seit dem dritten Geschäft, dass sich letztendlich die G.                    als Leerverkäuferin und die F.                             als Leerkäuferin gegenüberstanden. Er hatte aber zusammen mit S.           und dem gesondert Verfolgten H.                 , der seine Händlertätigkeit für die G.                   mit dem Angeklagten abstimmte, von Anfang an erkannt, dass die Mittäter und er nur deswegen Gewinne vorab erzielen und verteilen konnten, weil das Finanzamt später der Leerkäuferin Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag erstattete, obwohl entsprechende Beträge von niemandem zuvor einbehalten und abgeführt worden waren. Dies bezeichneten die Beteiligten intern zutreffend als „double dip“ bzw. „double reclaim“.

3Die F.                       ließ sich von der                              C.          N.V. wahrheitswidrig und damit entgegen § 45a Abs. 2, 3 EStG (in den für die Veranlagungszeiträume 2007-2011 geltenden Fassungen) bescheinigen, dass bei allen 26 Geschäften – bei drei weiteren in 2008 war eine andere Fondsgesellschaft (M.                                Ltd.), beim letzten in 2009 eine Auslandsgesellschaft aus dem Co.                      -Konzern Leerverkäuferin – Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag einbehalten worden sei. Tatsächlich war dies nicht der Fall; insbesondere behielt die Depotbank der G.                 , die K.                                                mit Sitz in den Niederlanden, nichts ein. Die G.              verschaffte sich nicht einmal die Inhaberschaft an den von in Deutschland ansässigen Emittenten herausgegebenen Aktien; über Einbeziehung der                    N.              N.V.                              in 2008 als „Entleiherin“, in 2009 als weitere Zwischenerwerberin nach der e.                  AG und mit gegenläufigen Handelsgeschäften („Ex-Tags-Geschäfte“), mit denen die Beteiligten nach den Regulierungsmechanismen der Cl.                             AG die gegenseitigen Lieferansprüche und -verpflichtungen gegeneinander aufhoben, kreierten die Beteiligten einen „reinen Buchungskreislauf“. Die F.                             ließ sich über Kurssicherungsgeschäfte, die sogenannten Single Stock Futures, an den Gewinnen der G.                     beteiligen.

4Der Angeklagte erklärte dennoch für die F.                               in deren am eingegangenen Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2008 unter Beifügen der Steuerbescheinigungen der Wahrheit zuwider, dass Kapitalertragsteuer in Höhe von 32.827.000 € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.805.485 € einbehalten worden und damit anzurechnen seien. Das Finanzamt zahlte die Beträge aufgrund des Körperschaftsteuerbescheids 2008 vom aus. In gleicher Weise machte der Angeklagte für die F.                                mit der am eingegangenen Körperschaftsteuererklärung 2009 die Erstattung nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag zu Unrecht geltend. Zudem reichte er die von der Finanzverwaltung aufgrund des (IV C 1 – S 2252/09/10003, BStBl. 2009 I, S. 631) geforderte „Berufsträgerbescheinigung“ ein. Auf der Grundlage des Körperschaftsteuerbescheids 2009 vom zahlte das Finanzamt 16.009.711,65 € an Kapitalertragsteuer und 880.534,14 € an Solidaritätszuschlag aus. Die A.                                      N.V.                           zahlte als Rechtsnachfolgerin der                 N.                    N.V.                               aufgrund eines am ergangenen Haftungsbescheides die ohne Rechtsgrund vereinnahmten Beträge zurück.

5Die G.                    , deren Anteile dem Angeklagten in Höhe von 4,8 Millionen € über die I.       wirtschaftlich zuzurechnen waren, erzielte durch die 16 Cum-Ex-Geschäfte im Jahr 2008 einen Gewinn in Höhe von rund 17,2 Millionen €, durch die sechs Cum-Ex-Geschäfte im Jahr 2009 einen Gewinn in Höhe von rund 8,5 Millionen €; diese und weitere Cum-Ex-Geschäfte machten jeweils rund 70 % des Gesamtgewinns aus. Die F.                               zahlte an den Angeklagten keine Boni aus, weil die Gewinne als ‚leicht verdientes Geld‘ („easy money“) im Konzern verbleiben sollten. Nach der Absprache der Tatbeteiligten sollte auch die G.                    als „thesaurierender Fonds“ (UA S. 41) nichts von den bei ihr verbleibenden Gewinnanteilen ausschütten. Jedoch steigerte sich der Wert der Anteile des Angeklagten an der G.                     bis zum um ca. 550 %. Am veräußerte er Anteile, die er zuvor für 200.000 € zugunsten seiner beiden Kinder gezeichnet hatte, im Jahr 2015 seine gegen einen Betrag von 550.000 € für sich selbst erworbenen. Daneben wurden dem Angeklagten – wiederum über weitere Gesellschaften – Optionen auf Anteile an der G.                     eingeräumt, die er in eine GmbH zur privaten Vermögensverwaltung einbrachte.

62. Die Revision ist begründet. Das Ablehnen einer Einziehungsanordnung hält unter dem Gesichtspunkt der Abschöpfung des Tatlohns (§ 73 Abs. 1 Alternative 2 [„für“], § 73c Satz 1 StGB) sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die sich aufdrängenden Absprachen nicht weiter erörtert, aufgrund derer dem Angeklagten als Entgelt für seine Tatbeteiligung jedenfalls die Wertsteigerung an den Fondsanteilen zustehen könnte. Eine solche Auseinandersetzung war hier insbesondere mit dem Geständnis des Angeklagten (UA S. 32: „an deren Wertsteigerung verdient“), dessen nicht beschränkte Revision der Senat im Beschlusswege verworfen hat (§ 349 Abs. 2 StPO), geboten (dazu unter a]). Durch die Veräußerungen seiner für die Kinder und für sich gezeichneten Anteile könnte er Verfügungsgewalt über die Entgelte erlangt haben (dazu unter b]).

7a) Allein die Einziehungsalternative des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB kommt in Betracht, nicht hingegen die erste Alternative des § 73 Abs. 1 StGB („durch“). Denn das Finanzamt überwies jeweils die Erstattungsbeträge erst, nachdem die G.                       ihre Gewinne aus der Differenz zwischen den „brutto“ vereinnahmten Kaufpreisen und den „netto“ geleisteten Kompensationszahlungen erzielt hatte. „Durch“ setzt aber Kausalität voraus: Der abzuschöpfende Tatertrag muss der Tathandlung, hier den am bzw. am eingegangenen Körperschaftsteuererklärungen, nachfolgen (vgl. Rn. 14 mwN). Im Übrigen gilt für die Einziehung von Tatlohn:

8aa) „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 376/22 Rn. 9; vom – 2 StR 67/22 Rn. 14 und vom – 3 StR 162/22 Rn. 12 f.; jeweils mwN). Allein bei der Tatalternative des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB unterliegen auch im Vorfeld der Tatbegehung erlangte Vermögensvorteile (Vorkasse) der Abschöpfung ( Rn. 20). Bei der durch eine tatsächliche Betrachtungsweise geprägten Abschöpfung hat der Gesichtspunkt, ob die Vorauszahlungen später durch die Erträge aus der Straftat refinanziert wurden, außer Betracht zu bleiben. Allein der tatsächliche Zahlungsfluss ist maßgeblich; die Zuflüsse sind in diesem Sinne nicht in finanzieller Hinsicht zu werten.

9Vom inkriminierten Tatlohn sind Zuwendungen abzugrenzen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält. Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich besteht oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines solchen vorgetäuschten Anspruchs an ihn weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 67/22 Rn. 14 und vom – 1 StR 233/22 Rn. 19; Urteile vom – 6 StR 227/21 Rn. 45 und vom – 5 StR 443/19 Rn. 100).

10Schließlich ist nicht erforderlich, dass andere natürliche Personen dem Einziehungsbetroffenen den Vermögensvorteil für seine Tatbeteiligung zugewendet haben. Auch juristische Personen oder (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften können als Leistende zwischengeschaltet werden. Allein die Eigenmächtigkeit eines Einbehalts unterbricht den Kausal- und Zurechnungszusammenhang (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 376/22 Rn. 9; vom – 1 StR 133/21 Rn. 8 und vom – 1 StR 529/19 Rn. 18). Damit können auch sogenannte Insichgeschäfte im Sinne des § 181 Alternative 1 BGB, bei denen ein Täter für sich selbst und zugleich – etwa nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GmbHG – für die juristische Person bzw. Personengesellschaft handelt, von der Einziehungsalternative des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB erfasst sein ( Rn. 30). Auch ist denkbar, dass ein Tatbeteiligter zugleich für zwei juristische Personen auftritt (vgl. § 181 Alternative 2 BGB).

11bb) Hier liegt nahe, dass der Angeklagte aufgrund einer mehrseitigen Entgeltvereinbarung die Wertsteigerung an seinen Anteilen an der G.                    als seinen Tatlohn erzielte. Die F.                                    zahlte an die G.                 nur deswegen den Kaufpreis mitsamt dem einberechneten Anteil für die Bruttodividende, weil alle Beteiligten davon ausgingen, dass sie sich beim Finanzamt über die unberechtigte „Erstattung“ der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 31 KStG, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 3, § 45a Abs. 3 EStG (in den für die Veranlagungszeiträume 2007-2011 geltenden Fassungen) „schadlos“ halten werde (zum Ganzen , BGHSt 66, 182 Rn. 56, 62 ff., 67 f.; , BFHE 276, 20 Rn. 26, 62 ff.). Ohne diesen erschlichenen Ausgleich wären die Cum-Ex-Aktiengeschäfte für den Leerkäufer verlustreich gewesen. Der der G.                      verschaffte Überhang in Höhe der Differenz zwischen Bruttodividende und Nettokompensationszahlung ist ein Vorausgewinn (Vorschuss) vor Tatbegehung und Erlangen der Tatbeute.

12In diesem Sinne sind die Cum-Ex-Aktiengeschäfte mit anschließender unberechtigter Erstattung der Kapitalertragsteuer – anders als die ansonsten nicht unähnlichen „Umsatzsteuerbetrugsfälle“, in denen die erschlichene Vorsteuervergütung regelmäßig als Tatbeute („durch“) verteilt wird (dazu etwa Rn. 2 aE) – durch eine Refinanzierung geprägt. Für die Einziehung ist aber, wie ausgeführt, der tatsächliche „Buchgeldfluss“ maßgeblich. Dies bedeutet, dass die Tatbeteiligten ihre Gewinne – jedenfalls überwiegend – als Tatlohn vereinnahmen; der Betrag der erstatteten Kapitalertragsteuer unterliegt damit zumeist nur beim Leerkäufer als „durch“-Einziehungsbetroffenem der Abschöpfung (vgl. Sartorius/Henckel, DStR 2022, 1022, 1028). Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch an den Leerkäufer vom Leerverkäufer – wie hier – ein Teil des Vorausgewinns zurückfließt.

13Zudem könnten die Mittäter – stillschweigend – vereinbart haben, dass diese Wertsteigerung an den Fondsanteilen der Tatlohn des Angeklagten sein soll. Die G.                     sollte ihre Gewinne nicht regelmäßig ausschütten; der Angeklagte und der weitere Anteilseigner S.          sowie E.           und R.     , die ebenfalls Anteile am Fonds erwarben, mussten bis zur Veräußerung abwarten.

14b) Weitere Voraussetzung der Einziehung ist, dass der Angeklagte über den Vermögensvorteil tatsächlich verfügen konnte. Bei Prüfung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über das Entgelt sind die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zu beachten, die er – im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verfall und zur Rückgewinnungshilfe – für die sogenannten Vertretungsfälle des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, mithin für die Einziehungsalternative „durch“, entwickelt hat. Nach dem sogenannten Vermögenstrennungsprinzip muss der Zufluss bei einer Kapital- oder Personengesellschaft nicht zugleich zu einem einziehungsfähigen Ertrag beim Anteilseigner führen. Solche Vermögenvorteile sind aber jedenfalls dann abschöpfbar, wenn der Tatbeteiligte seine Anteile gewinnbringend veräußert und damit den Zufluss der Vermögensvorteile in seinem eigenen Vermögen realisiert. Die Differenz zwischen Anschaffungs- und Veräußerungspreis unterliegt dann der Abschöpfung. Im Einzelnen gilt:

15aa) Aufgrund des Regelungsgefüges der §§ 73, 73b StGB ist bei Einschalten einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft nicht auf die Wertsteigerung bei den Gesellschaftsanteilen abzustellen, und zwar offensichtlich auch dann nicht, wenn die Gesellschaft ausschließlich oder – wie hier – zumindest überwiegend Einkünfte aufgrund von Straftaten erwirtschaftet. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass eine solche Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die von dem Privatvermögen des Beauftragten, Vertreters oder Organs zu trennen ist. Der Zufluss in das Gesellschaftsvermögen ist daher trotz Zugriffsmöglichkeit nicht ohne Weiteres zugleich ein privater Vermögensvorteil der zur Geschäftsführung berufenen Personen; es soll nicht darauf ankommen, ob der wirtschaftliche Wert der Geschäftsanteile im Privatvermögen des Täters mit jeder Zahlung steigt oder sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt. In solchen Fällen ist die Dritteinziehung bei der Gesellschaft vorrangig.

16Zur Begründung einer Einziehung gegen den als Organ handelnden Täter bedarf es einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, ob dieser selbst etwas erlangte, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz führte. Eine tatsächliche oder rechtliche Vermutung spricht dafür nicht. Vielmehr bedarf es einer Darlegung der besonderen, den Zugriff auf das Vermögen des Täters rechtfertigenden Umstände. Dies ist der Fall, wenn der Täter die Gesellschaft nur als einen formalen Mantel seiner Tat nutzte, zwischen dem eigenen Vermögen und demjenigen der Gesellschaft aber nicht trennte, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft an den Täter weitergeleitet wird (zum Ganzen Rn. 28; vom – 6 StR 227/21 Rn. 44; vom – 5 StR 443/19 Rn. 87 f. und vom – 3 StR 294/19, BGHSt 64, 234 Rn. 22 f.; Beschlüsse vom – 6 StR 426/21 Rn. 9; vom – 1 StR 139/21, BGHR StGB § 73 Abs. 1 Erlangtes 4 Rn. 9 f. und vom – 3 StR 447/18, BGHR StGB § 73 Erlangtes 27 Rn. 10 f.; überwiegend mwN).

17bb) Der Grundsatz der Vermögenstrennung steht der Abschöpfung nach alledem jedenfalls dann nicht mehr entgegen, wenn – wie hier – der Täter die in der Gesellschaft angesammelten Erträge dadurch in sein Vermögen überführt, dass er seine Gesellschaftsanteile mit Gewinn veräußert. Dem steht die zeitliche Spanne zwischen den Vermögenszuflüssen aufseiten der G.                    und der Veräußerung der Gesellschaftsanteile nicht entgegen.

18c) Die Begleichung der Steuerrückzahlungsschulden durch die A.                                      N.V.                             aufgrund des Haftungsbescheids (§ 71 AO) sperrt die Vermögensabschöpfung nicht. Denn eine Gesamtschuld ist nur zwischen den Tatbeteiligten, gegebenenfalls einschließlich etwaiger Drittbeteiligter, anzunehmen, die den weitergereichten Vermögensvorteil „durch die Tat“ erlangt haben. Der Anspruch des Staates auf Abschöpfung des Tatlohns bleibt mithin von der erfolgreichen Inanspruchnahme eines anderen (vermögenden) Einziehungsbeteiligten (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB; § 44 Abs. 2 Satz 1 AO; §§ 421 ff., 422 Abs. 1 Satz 1 BGB) unberührt (vgl. Rn. 20 und vom – 1 StR 57/23 Rn. 27; Beschluss vom – 1 StR 466/21 unter 1. c]). Damit droht kein Verstoß gegen das Übermaßverbot:

19aa) An dem „quasi-bereicherungsrechtlichen“ Ausgleich zwischen dem Verletzten und den Tatbeteiligten nimmt derjenige, der nicht aus der Tatbeute entlohnt wurde, nicht teil. Der von diesem vereinnahmte Vermögensvorteil ist nicht die „Kehrseite“ des Vermögensschadens (BT-Drucks. 18/9525 S. 51) oder in anderen Worten „stoffgleich“. So ist der Tatlohn auch dann abzuschöpfen, wenn die Straftat nur versucht wird und der Haupttäter infolgedessen keinen Tatertrag vereinnahmt, seinen Unterstützer aber bereits zuvor entlohnt hatte.

20bb) Das Ablehnen einer Gesamtschuld zwischen „durch“- und „für“-Einziehungsbetroffenen entspricht der Rechtsprechung zum Verfall und zur Rückgewinnungshilfe. Danach galt der Sperrgrund des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF, der Anspruch des Verletzten, nicht für das „für die Tat“ Erlangte. Dieses unterlag mithin von vornherein ohne Rücksicht auf die Forderungen der Geschädigten dem Verfall (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 577/13 Rn. 53 f.; vom – 1 StR 162/13 Rn. 74 f., 78; vom – 2 StR 275/12 Rn. 23; vom – 2 StR 31/12 Rn. 6 und vom – 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1 Rn. 4 f.; Urteile vom – 1 StR 606/16 Rn. 42 und vom – 3 StR 84/10 Rn. 16; zweifelnd noch Rn. 4). Damit konnten sich nach altem Recht Rückzahlungen an den Geschädigten nicht zugunsten des „für“-Verfallsbetroffenen auswirken. Die Gesetzesmaterialien zu §§ 73 ff. StGB geben keinen Anhalt dafür, dass sich der Gesetzgeber hiervon lösen wollte.

21cc) Den „für“-Einziehungsbetroffenen droht in den Erlöschensfällen schließlich keine doppelte Inanspruchnahme durch den Staat. Denn sie werden durch die von Dritten an den Steuerfiskus geleisteten Rückzahlungen von ihrer Haftungsschuld aus § 71 AO befreit (§ 44 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 AO) und damit nur einmal durch die Einziehung in Anspruch genommen. Nach alledem sind für die Abschöpfung bei den „für“-Einziehungsbetroffenen das kriminologische Bedürfnis, dass den Straftatbeteiligten keine Vermögensvorteile verbleiben sollen, und der Präventionsgedanke (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 46) maßgeblich. Eine „Überkompensation“ des Justizfiskus geht damit nicht einher.

22d) Die Sache ist nach alledem zur Einziehung neu zu verhandeln. Die zugehörigen – bereits für sich genommen defizitären und infolge des Prüfungsabbruchs nicht belegten (UA S. 54 erster Absatz aE) – Feststellungen sind auch deswegen aufzuheben, weil sich der Angeklagte bislang mangels Beschwer – vergleichbar einer Freispruchskonstellation – nicht gegen diese verteidigen konnte.

Jäger                             Bär                             Leplow

                 Munk                 Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180924U1STR197.24.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-79410