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NWB-BB Nr. 12 vom Seite 376

Gehalt nach Maß

Wie flexible Bezahlungssysteme den Unterschied machen können

RA Julian Stinauer

Mit flexiblen Arbeitszeitsystemen dem Fachkräftemangel entgegentreten und die Zufriedenheit der Belegschaft steigern – dazu dürften inzwischen alle Ideen auf dem Tisch liegen. Aber warum sollte man sich nicht auch einmal mit dem flexiblen Auszahlungszeitpunkt des Gehalts im Unternehmen befassen? Genau daran orientiert sich die Idee des sogenannten Flexible Pay, welches insbesondere in den USA und Großbritannien weit verbreitet ist. Durch dieses Instrument wird der Auszahlungszeitpunkt des Gehalts weg von einem starren, vertraglich vereinbarten Datum hin zu einem flexiblen Zeitraum verlagert.

Kernaussagen
  • Flexible Pay eröffnet viele Möglichkeiten, das Gehalt weg von traditionellen Auszahlungszeitpunkten bis hin zu täglichen bis wöchentlichen Auszahlungszeitpunkten auszuzahlen.

  • Flexible Pay könnte in naher Zukunft auch in Deutschland unter den Benefits eine Rolle spielen.

  • Sowohl die individualvertragliche als auch die mitbestimmungsrechtliche Gestaltung ist ohne besondere Schwierigkeiten möglich.

  • Die Herausforderung besteht in der Wahl des richtigen Modells, um die Balance der Attraktivität für die Mitarbeitenden und die Einfachheit der Implementierung zu erreichen.

I. Flexible Pay – Was ist das?

Flexible Pay, zu Deutsch „flexible Bezahlung“, ist ein moderner Ansatz in der Vergütung von Mitarbeitenden, der darauf abzielt, die traditionellen starren Gehaltsstrukturen aufzubrechen und der Belegschaft mehr Flexibilität bei der Auszahlung ihrer Vergütung zu bieten. Diese innovative Vergütungsform kommt in verschiedenen Branchen und Unternehmen weltweit, insbesondere in den USA und Großbritannien, zum Einsatz und könnte zunehmend auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen.

Bislang ist es unangetastet und akzeptiert, dass Arbeitnehmende in Vorleistung gehen und in der Regel am Monatsende oder zum ersten Tag des Folgemonats das vereinbarte Gehalt ausgezahlt bekommen. Seinen rechtlichen Ursprung hat diese Regelung in § 614 BGB, wonach die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist. Übertragen auf eine monatliche Vergütung regelt § 614 BGB zudem, dass der Zahlungsanspruch am ersten Tag des Folgemonats fällig wird. Dabei wird selten hinterfragt, ob eine derartige Gestaltung noch zeitgemäß ist, werden doch überall die Rufe nach absoluter Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort laut. Außerdem ist die Regelung im BGB nicht zwingend; bspw. kann hiervon in Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen abgewichen werden.

Zugegeben – der Nutzen einer flexiblen Auszahlungsform dürfte insbesondere für niedrigere Gehälter interessant sein. Aber letztlich kann jeder davon profitieren, sich eine vorzeitige Finanzspritze zu gönnen, ganz ohne Zinsen oder Schulden. Zudem handelt es sich nur um eine reine Option; je nach Belieben kann das traditionelle Bezahlsystem natürlich beibehalten werden.

Konkret sind viele Modelle denkbar, welche im Folgenden kurz skizziert werden. Am Ende hängt für die Umsetzung vieles sowohl von der technischen Machbarkeit als auch von der Bereitschaft ab, neue Wege zu gehen und daraus einen Nutzen zu generieren. Profitieren sollten dabei immer beide Seiten.

II. Mögliche Modelle der Ausgestaltung

Eine denkbare Ausgestaltung zeigt sich im sogenannten Earned Wage Access: Hier wird Mitarbeitenden die Möglichkeit eingeräumt, zu jeder Zeit den Teil des Gehaltes abzurufen, welchen sie zu diesem Zeitpunkt bereits verdient haben. Somit gelingt eine komplette zeitliche Angleichung von Lohn und Arbeit. Diese Möglichkeit erhalten u. a. bspw. Uber-Fahrer, die zwischen mehreren Möglichkeiten der Bezahlung wählen können, etwa täglich oder wöchentlich.