BGH Urteil v. - 4 StR 115/24

Instanzenzug: Az: 10 KLs 4/23

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten S.        und K.      jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Raub verurteilt, wofür es gegen den Angeklagten S.         eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten K.      eine Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt hat; die Vollstreckung der Jugendstrafe hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten Sc.      hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten H.     hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und „mit vorsätzlichen Gebrauchs eines Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ohne des nach § 1 PflVG erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrags“ zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es gegen den Angeklagten H.      eine Sperrfrist zur Erteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt.

2Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten H.     und Sc.     sowie die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten S.     . Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen, die vom Generalbundesanwalt teilweise vertreten werden, eine Verurteilung aller Angeklagten wegen versuchten Mordes sowie der Angeklagten S.      und K.      auch wegen besonders schweren Raubes; ferner rügt sie – insoweit zugunsten des Angeklagten – die Verurteilung des Angeklagten H.      wegen einer nicht von der Anklage erfassten Tat und wendet sich gegen eine zum Vorteil dieses Angeklagten rechtsfehlerhafte Strafzumessung. Die Revisionen der Angeklagten Sc.      und H.     erzielen die aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolge. Im Übrigen sind sie – wie die Revision des Angeklagten S.      – unbegründet. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben weitgehend Erfolg.

A.

3Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4Einige Tage vor dem Tattag, dem , berichtete die Zeugin I.      dem Angeklagten S.     , dass sie sich von dem Nebenkläger D.      belästigt fühle. Dieser hatte sie mehrere Monate lang immer wieder um sexuelle Handlungen gegen Bezahlung gebeten, was sie abgelehnt hatte. Sie bat den Angeklagten, ihr zu helfen und den Nebenkläger zur Rede zu stellen. Der Angeklagte S.       berichtete dem Angeklagten Sc.     , mit dem er befreundet war, von den Kontakten zwischen D.      und I.    . Dabei behauptete er, dass die tatsächlich zwanzig Jahre alte Zeugin I.    , noch minderjährig, der Nebenkläger dagegen erwachsen sei, und bezeichnete diesen als „Pädo“.

5In der Nacht auf den teilte S.      dem Angeklagten Sc.     mit, dass am nächsten Abend ein Treffen der Zeugin I.     mit dem Nebenkläger stattfinden solle und er – der Angeklagte S.      – dem Nebenkläger bei dieser Gelegenheit „eine Ansage machen“ wolle.

6Am Tattag wurden beide Angeklagten von dem Angeklagten H.     mit einem Pkw abgeholt. Er hatte, wie er wusste, weder eine Fahrerlaubnis noch bestand für das Fahrzeug ein Haftpflichtversicherungsschutz. Nachdem später auch der Angeklagte K.      hinzugekommen war, erzählte S.       erneut von den Belästigungen der Zeugin durch den Nebenkläger sowie von dem bevorstehenden Treffen beider. Alle Angeklagten missbilligten das Vorhaben des angeblich pädophil veranlagten Nebenklägers, mit der Zeugin gegen deren Willen für Geld sexuelle Handlungen auszuführen, und gerieten in eine aufgebrachte Stimmung. Die anderen Angeklagten wollten S.      begleiten und bei seinem Vorhaben, den Nebenkläger zur Rede zu stellen, unterstützen. Dabei war nach den gemeinsamen Vorstellungen der Angeklagten auch vorgesehen, dass gegenüber dem Nebenkläger körperliche Gewalt, „z.B. in Form einer Backpfeife oder ähnlichem“ ausgeübt werden sollte. Dem Nebenkläger sollte außerdem das Geld abgenommen werden, das er zur Bezahlung der Zeugin bei sich führen würde. Der Angeklagte S.      erwarb unterwegs Atemschutzmasken, von denen er eine später aufsetzen wollte, um zu verhindern, dass der Nebenkläger ihn wiedererkennen würde.

7Die Zeugin I.     hatte unterdessen dem Nebenkläger zum Schein ihre Bereitschaft erklärt, seinem Wunsch nach bezahltem Sex nachzukommen, und das Treffen mit ihm verabredet. Als die Angeklagten an dem vereinbarten Treffpunkt ankamen, hielt sich dort nur die Zeugin auf. Sie hatte dem Nebenkläger inzwischen mitgeteilt, zu sexuellem Kontakt mit ihm doch nicht bereit zu sein. Der Angeklagte S.     sprach mit der Zeugin und diese schrieb dem Nebenkläger, er solle noch einmal zurückkommen, was dieser in der Hoffnung, dass die Zeugin nun seinen Wünschen entsprechen werde, tat.

8Als er eingetroffen war und mit der Zeugin einen Weg entlangging, folgte der Angeklagte S.     ihnen, während die anderen Angeklagten die Situation zunächst vom Pkw aus weiter beobachteten. Der Angeklagte Sc.     ergriff nun einen Spaten von einer Baustelle und rannte damit hinter dem Angeklagten S.      her. Die Angeklagten H.     und K.     folgten ihm. Der Angeklagte S.     rief „dreh dich um“, was der Nebenkläger tat. Der Angeklagte Sc.    rannte an S.      vorbei und „ging auf den bis dahin völlig arglosen Zeugen        D.     los“. Die Angeklagten H.    und K.     folgten ihm weiterhin. Es kam zu einem Gerangel, bei dem K.     den Nebenkläger schubste und gegen die Brust schlug. Außerdem schlug der Angeklagte Sc.     ihm mit „der flachen Seite“ des Spatens kräftig gegen den Kopf, wodurch der Nebenkläger zu Boden ging. Nicht ausschließbar begab sich der Angeklagte K.     daraufhin zurück zu dem Fahrzeug und beobachtete das weitere Geschehen von dort aus. Sc.     schlug dem am Boden liegenden Nebenkläger mindestens noch viermal mit dem Spaten gegen die Rippen und den Kopf. Er warf den Spaten dann fort und nahm einen Ziegelstein, den er in Richtung des Kopfes des Nebenklägers warf, ohne ihn aber zu treffen. Schließlich trat Sc.     mindestens fünfmal mit der Spitze seines mit einem Turnschuh bekleideten Fußes gegen den Kopf und die „Körperseite“ des Nebenklägers. Dieser versuchte hierbei, mit seinen Händen sein Gesicht zu schützen, und gab Schmerzlaute von sich. Der Angeklagte H.       griff nun in die Bauchtasche des Pullovers des Nebenklägers und entnahm ihr 50 Euro, um sich das Geld anzueignen. Der Nebenkläger hielt den Arm des Angeklagten H.     fest, worauf dieser ihm gegen die Schulter oder den Arm schlug. Sodann ließen die Angeklagten, nachdem S.     den Angeklagten Sc.     vom Nebenkläger weggezogen hatte, „freiwillig“ von diesem ab. Dabei hielten die Angeklagten den weiterhin vor Schmerzen stöhnenden Nebenkläger nicht ausschließbar nicht für lebensgefährlich verletzt. Anschließend fuhren sie mit dem erbeuteten Geld davon. Den Spaten und den Ziegelstein nahmen sie ebenfalls mit sich und entsorgten diese Gegenstände später. Während der Fahrt hatte der Angeklagte S.      Kontakt mit der Zeugin I.    , die einige Minuten später einen Krankenwagen rief.

9Der Nebenkläger erlitt akut lebensgefährliche Verletzungen, unter anderem einen Bruch des Stirnbeins und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Bei Eintreffen der Rettungskräfte blutete er aus dem Ohr. Er musste intensivmedizinisch versorgt werden.

10Das Landgericht hat angenommen, dass die Angeklagten Sc.    und H.    durch das Tatgeschehen zum Nachteil des Nebenklägers die Tatbestände des besonders schweren Raubes (§ 249, § 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 Buchst. b) StGB) sowie – hierzu in Tateinheit stehend – der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und 5 StGB) erfüllt hätten. Die Angeklagten S.      und K.      hätten die Tatbestände des Raubes (§ 249 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB) erfüllt. Die Angeklagten S.       und K.     müssten sich die Verwendung des Spatens und die Tritte nicht zurechnen lassen, weil beides nicht dem gemeinsamen Tatplan entsprochen, sondern es sich um einen Mittäterexzess des Angeklagten Sc.     gehandelt habe. Der Angeklagte H.     habe demgegenüber durch die Fortsetzung seiner eigenen Tatbeiträge, insbesondere die Wegnahme des Geldes, nach Beobachtung der Verwendung des Spatens und der Tritte diese Tathandlungen des Angeklagten Sc.     zumindest gebilligt. Ein versuchtes Tötungsdelikt hat die Jugendkammer hinsichtlich aller Angeklagten abgelehnt. Während sie bei den Angeklagten S.       und K.     unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen zum Mittäterexzess bereits einen Tötungsvorsatz verneint hat, ist sie bezüglich der Angeklagten Sc.      und H.    von einer billigenden Inkaufnahme des Todes des Nebenklägers ausgegangen, hat unter Anwendung des Zweifelssatzes aber zugunsten der Angeklagten Sc.     und H.     angenommen, diese seien von dem Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten, indem sie einvernehmlich nicht weitergehandelt hätten. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit hat das Landgericht bei keinem der Angeklagten angenommen.

B. Die Revisionen der Angeklagten

12I. Die Revision des Angeklagten H.    

131. Die Revision des Angeklagten H.     führt zu einer Verfolgungsbeschränkung sowie – unter anderem in deren Folge – zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Schuldspruchänderung.

14a) Hinsichtlich der vom Landgericht abgeurteilten Tat (vom ) nimmt der Senat gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Gesetzesverletzung der Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB aus prozessökonomischen Gründen von der Verfolgung aus (vgl. zu diesem Vorgehen Rn. 2; Urteil vom – 1 StR 118/00 Rn. 3; Teßmer in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 154a Rn. 16 mwN; Mavany in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 154a Rn. 7).

15b) Infolge der Verfahrensbeschränkung war der Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Urteilsformel ersichtlich zu ändern, wobei der Senat auch die Bezeichnung des Verstoßes gegen § 6 (i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 1) PflVG berichtigt hat (vgl. Rn. 2; Urteil vom – 4 StR 544/19 Rn. 17).

16c) Überdies hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der bei dem Führen des Kraftfahrzeugs durch den Angeklagten H.     verwirklichten (verbleibenden) Straftatbestände als selbständige Tat der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Diese stehen vielmehr zu den Delikten zum Nachteil des Nebenklägers im Verhältnis der Idealkonkurrenz (§ 52 StGB). Die Fluchtfahrt vom Tatort mit dem tatplangemäß geraubten Geld diente nämlich auch der Beutesicherung, was ihre Tateinheit mit der – ihrerseits mit der gefährlichen Körperverletzung idealkonkurrierenden – Raubtat begründet (vgl. , NStZ 2014, 272). Auch zwischen der Fluchtfahrt und der Hinfahrt zum Tatort, auf die das Landgericht hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten H.     nach § 21 Abs. 1 StVG und § 6 Abs. 1 PflVG aF offenbar vorrangig abgestellt hat, besteht Tateinheit. Denn die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für eine längere Wegstrecke geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbstständige Taten aufgespalten (vgl. ). Darauf, wie lange die Fahrtunterbrechung im vorliegenden Fall genau dauerte, kommt es nicht an, denn der Angeklagte H.     beabsichtigte, wie jedenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist, von Anfang an, den mit seinem Fahrzeug aufgesuchten Tatort anschließend ebenfalls wieder mit diesem zu verlassen (vgl. Rn. 21). Auch insoweit hat der Senat den Schuldspruch geändert.

172. Die weiter gehende Revision des Angeklagten H.     ist unbegründet, denn die rechtliche Nachprüfung hat im Übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

18a) Das von der Staatsanwaltschaft zur Begründung ihres Rechtsmittels angenommene Verfahrenshindernis der fehlenden Anklage steht der Aburteilung der am Tattag verwirklichten Verkehrsdelikte nicht entgegen. Denn wegen der zwischen ihnen und den während der Fahrtunterbrechung zum Nachteil des Nebenklägers begangenen, von der Anklage zweifelsfrei erfassten Delikten gegebenen sachlich-rechtlichen Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) handelt es sich auch um dieselbe prozessuale Tat im verfahrensrechtlichen Sinn gemäß § 264 StPO (vgl. zum Verhältnis zwischen dem prozessualen und dem materiell-rechtlichen Tatbegriff nur Rn. 11 mwN). Infolgedessen erstreckte sich die Kognitionsbefugnis und -pflicht der Jugendkammer ohne weiteres auch auf die – in der Anklageschrift erwähnten – Autofahrten am , ohne dass es auf die sich bei mehreren prozessualen Taten stellende Frage nach dem Umfang des Verfolgungswillens der Staatsanwaltschaft hier ankäme (vgl. zum Ganzen Rn. 7 mwN).

19b) Die erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung wird von den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Unabhängig von dem Inhalt des ursprünglichen Tatplans sind für den Angeklagten H.     mit Blick auf die Qualifikationstatbestände des § 250 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Buchst. b) StGB jedenfalls die Voraussetzungen einer sukzessiven Mittäterschaft gegeben. Hinsichtlich der tateinheitlich hierzu ausgeurteilten gefährlichen Körperverletzung kommt es beim Angeklagten H.     auf eine Zurechnung des Werkzeugeinsatzes des Angeklagten Sc.     über § 25 Abs. 2 StGB nicht an, weil der Schuldspruch bereits durch die von den rechtsfehlerfreien Feststellungen ohne weiteres belegten Tatbestände des § 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB gerechtfertigt ist.

20c) Der Strafausspruch weist keine durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Die Jugendkammer hat bei der Bemessung der Jugendstrafe, die sie rechtsfehlerfrei sowohl unter dem Gesichtspunkt schädlicher Neigungen als auch wegen der Schwere der Schuld des Angeklagten für erforderlich gehalten hat, noch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich bei der Strafhöhe in der gebotenen Weise vorrangig an dem Erziehungsgedanken orientiert hat (vgl. zu diesem Rn. 8 ff.; Urteil vom – 4 StR 142/16 Rn. 11 ff.).

21aa) Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung im Rahmen seiner Erwägungen zu einem gerechten Schuldausgleich zulasten des Angeklagten H.      auch berücksichtigt hat, dass dieser vier Varianten des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht habe, begegnet dies zwar rechtlichen Bedenken. Die Jugendkammer hat den Zurechnungsgrund für die Qualifikationstatbestände des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gemäß § 25 Abs. 2 StGB darin gesehen, dass der Angeklagte H.     den Einsatz des Spatens gegen den Nebenkläger zumindest gebilligt habe, indem er „seine eigenen Tatbeiträge fortgesetzt und entsprechend dem zuvor gefassten Tatplan“ das Geld des Nebenklägers weggenommen habe. Diese Erwägung lässt außer Acht, dass eine nachträgliche Billigung der gefährlichen Körperverletzung mittels des Spatens erst nach deren Beendigung, welche unmittelbar mit Eintritt des Verletzungserfolgs gegeben ist, den Voraussetzungen einer sukzessiven Mittäterschaft nicht genügen würde (vgl. Rn. 14; Beschluss vom – 2 StR 123/15 Rn. 5; Beschluss vom – 5 StR 515/10 Rn. 5). Auch würde der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hinter den besonders schweren Raub gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten (vgl. ; Beschluss vom – 2 StR 317/05, BGHR StPO § 224 Abs. 1 Nr. 5 Gesetzeskonkurrenz 1).

22Jedoch beruht die Strafzumessung hierauf nicht (§ 337 StPO). Der Senat kann angesichts ihrer Ausrichtung am Erziehungsgedanken, des § 18 Abs. 1 Satz 2, § 105 Abs. 3 JGG i.V.m. § 250 Abs. 2 StGB entnommenen Strafrahmens sowie der weiteren gewichtigen strafschärfenden Gesichtspunkte ausschließen, dass die Jugendkammer auf eine mildere Strafe erkannt hätte, hätte sie lediglich zwei statt vier Varianten des tateinheitlich mitverwirklichten § 224 StGB erfüllt gesehen.

23bb) Der Strafausspruch bleibt schließlich auch von der Verfolgungsbeschränkung nach § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und der weiteren Schuldspruchänderung unberührt; der Senat schließt auch aus, dass die Jugendkammer ohne die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschung und bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine mildere Jugendstrafe erkannt hätte.

24II. Die Revision des Angeklagten Sc.    

Das Rechtsmittel des Angeklagten Sc.     erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet. Während die rechtliche Nachprüfung aufgrund der Revisionsrechtfertigung hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.

251. Die Strafzumessung betreffend den Angeklagten Sc.      ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht seine Annahme, dass dieser im Tatzeitpunkt uneingeschränkt schuldfähig war, nicht tragfähig belegt hat.

26a) Die Jugendkammer ist insoweit der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, nach deren Einschätzung im Tatzeitpunkt beim Angeklagten von einer akuten Mischintoxikation mit Alkohol und Kokain auszugehen sei, wobei insoweit im Rahmen der Exploration des Angeklagten keine validen Angaben zum täglichen Konsum und damit dem Ausmaß der Gewöhnung hätten gewonnen werden können. Es ergäben sich keine Hinweise auf eine aufgehobene Einsichtsfähigkeit. Wenn man darüber hinaus den weiteren Tatablauf betrachte, so spreche auch das Verhalten der Gruppe der Täter für ein gezieltes, geplantes und gesteuertes Vorgehen. Die Gruppe habe sich mit der Zeugin verabredet, den Tatort ohne Hilfe zu holen verlassen und sich im weiteren Verlauf bemüht, gezielt die Spuren der Tat zu beseitigen. Insbesondere unter Berücksichtigung der hohen Gewöhnung des Angeklagten Sc.     sei keine erhebliche Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt festzustellen.

27Diese Erwägungen sind widersprüchlich und lückenhaft: Soweit die Jugendkammer mit der Sachverständigen davon ausgegangen ist, dass sich „in allen Einlassungen eine klare Tatplanung“ zeige und der Tatablauf für ein „gezieltes, geplantes und gesteuertes Vorgehen“ der „Gruppe der Täter“ spreche, steht dies in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu den Urteilsfeststellungen, nach denen der Einsatz des Spatens und der beschuhten Füße gegen den Kopf des Nebenklägers gerade nicht dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan entsprach, sondern eine exzessive Gewalthandlung des Angeklagten Sc.     darstellte. In diesem Zusammenhang hat sich die Jugendkammer auch nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass der Angeklagte selbst – dessen Einlassung die Kammer für im Wesentlichen glaubhaft gehalten hat – seinen inneren Zustand während der Tat dahingehend beschrieb, dass er es nicht ausgehalten hätte, wenn der Nebenkläger die Zeugin I.    , die der Angeklagte vor der Tat nicht einmal kannte, anfassen würde, und dass er – der Angeklagte – mit einem „Tunnelblick“, „wie im Rausch“ und „total unter Spannung“ gehandelt habe, obwohl dies, sollte es zutreffen, für eine psychische Ausnahmesituation sprechen könnte.

28b) Diese Rechtsfehler entziehen dem Strafausspruch gegen den Angeklagten Sc.     die Grundlage. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht – naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen – widerspruchsfreie Feststellungen zur Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zu ermöglichen. Der Schuldspruch bleibt hingegen unberührt, denn der Senat vermag angesichts des festgestellten sonstigen Verhaltens des Angeklagten eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) sicher auszuschließen.

292. Auch die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten Sc.     in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterliegt, wenngleich der Angeklagte durch sie nicht beschwert ist, – mit den zugehörigen Feststellungen – auf sein Rechtsmittel der Aufhebung. Die Entscheidung ist schon für sich genommen nicht rechtsfehlerfrei begründet. Die bloße Wiedergabe der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen, es fehle mangels Problembewusstseins und intrinsischer Therapiemotivation des Angeklagten an einer hinreichenden Erfolgsaussicht, ist nicht nachvollziehbar und verfehlt die Anforderungen (vgl. zu diesen nur Rn. 9 mwN). Unbeschadet dessen ergibt sich bereits aus dem gemäß § 5 Abs. 3 JGG bestehenden untrennbaren Zusammenhang zwischen der Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe und dem Maßregelausspruch das Erfordernis, auch die Entscheidung über diesen nicht bestehen zu lassen (vgl. – zu § 63 StGB, NStZ-RR 1998, 188, 189).

30III. Die Revision des Angeklagten S.           

311. Den Verfahrensrügen des Angeklagten S.         bleibt der Erfolg versagt. Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat das Folgende:

32a) Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer als Verletzung von „§ 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 144 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 c) EMRK“ rügt, dass das Landgericht ihm keinen neuen zweiten Pflichtverteidiger beigeordnet habe, obwohl die nicht nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit eines der beigeordneten Verteidiger dem Gericht bekannt gewesen und hierdurch die Verteidigung durch einen unterlassenen Beschluss unzulässig beschränkt worden sei, ist bereits unzulässig.

33aa) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur durchgreifen, wenn Verteidigungsrechte durch einen Gerichtsbeschluss in der Hauptverhandlung verletzt worden sind (vgl. , NStZ 2023, 619, 620; Beschluss vom – 5 StR 229/19, NJW 2021, 1252, 1255; Urteil vom – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 359). Ein solcher ist hier nicht ergangen. Es kann zwar auch ausreichen, wenn das Gericht es unterlässt, einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag zu bescheiden (vgl. , NStZ 2023, 619, 620 mwN). Auch dies ist hier aber nicht der Fall. Einen Antrag auf Entpflichtung des arbeitsunfähig gewordenen Pflichtverteidigers und Bestellung eines anderen zweiten Pflichtverteidigers hat der Angeklagte nicht gestellt. Das in der Revisionsbegründung mitgeteilte Schreiben des weiteren Verteidigers vom erschöpfte sich in der Mitteilung, dass der Mitverteidiger arbeitsunfähig erkrankt und „von hier aus“ noch nicht absehbar sei, wann er wieder einsatzfähig werde. Ein weiteres Tätigwerden der Verteidigung, das in diesem Sinne ausgelegt werden könnte, trägt der Beschwerdeführer nicht vor.

34bb) Sollte die Rüge darüber hinaus mit der weiteren, selbständigen Stoßrichtung eines Verstoßes gegen § 144 Abs. 1 StPO und Art. 6 Abs. 3 Buchst. c) EMRK (i.V.m. § 337 Abs. 1 StPO) erhoben worden sein, so wäre sie auch insoweit unzulässig. Die Revisionsbegründung genügt jedenfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. In dem Mitteilungsschreiben vom sind zwei weitere Schreiben (vom 21. und vom ) in Bezug genommen worden. Diese legt der Beschwerdeführer nicht vor, so dass dem Senat nicht alle für die Ausübung des Ermessens des Vorsitzenden erforderlichen Umstände vorliegen.

35b) Die Rüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es von einer erneuten Ladung der Zeugin I.      abgesehen habe (§ 337 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO), ist auch deshalb gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, weil die Revisionsbegründung weder die gegen die Zeugin ergangene Anklageschrift vom vorlegt noch auf sonstige Weise mitteilt, welchem strafrechtlichen Vorwurf diese ausgesetzt war. Der Senat ist somit nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Behauptung der Revision, die Zeugin hätte bei einer weiteren Ladung – anders als zuvor – von einem ihr weiterhin zustehenden Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO keinen Gebrauch mehr gemacht, tragfähig ist.

362. Die rechtliche Nachprüfung aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten S.       ergeben.

C. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft

38Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, mit denen die Beschwerdeführerin hinsichtlich aller Angeklagter das Urteil insgesamt angreift, haben weitgehend Erfolg.

39I. Teilweise unbegründet ist lediglich die Revision hinsichtlich des Angeklagten H.    , soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass seiner Verurteilung wegen der durch die Fahrt zum Tatort am verwirklichten Verkehrsdelikte keine Anklage zugrunde liege, und damit – der Sache nach – diesbezüglich eine Verfahrenseinstellung erstrebt. Das Verfahrenshindernis besteht, wie bereits zu der Revision des Angeklagten ausgeführt, nicht.

40II. Sämtliche Schuldsprüche weisen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf.

411. Die unterbliebene Verurteilung der Angeklagten S.      und K.      wegen besonders schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Buchst. b) StGB) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

42a) Ein Exzess des Mittäters liegt vor, wenn der tatsächliche Ablauf der Straftat wesentlich vom gemeinsamen Tatplan abweicht. Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, werden vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Gleiches gilt für Abweichungen, bei denen die verabredete Tatausführung durch eine in ihrer Schwere und Gefährlichkeit gleichwertige ersetzt wird. Ebenso ist ein Mittäter für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. zum Ganzen nur Rn. 12; Urteil vom – 2 StR 177/16 Rn. 16, jew. mwN).

43b) Der Annahme des Landgerichts, dass die Verwendung gefährlicher Werkzeuge und die hierdurch geschehene das Leben gefährdende Misshandlung des Nebenklägers wesentlich vom ursprünglichen Tatplan abwich, mithin ein derartiger, den anderen Angeklagten nicht zurechenbarer Mittäterexzess des Angeklagten Sc.     gegeben sei, liegt eine rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung zugrunde.

44aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Dabei hat es den gesamten beigebrachten Verfahrensstoff erschöpfend zu würdigen. In den schriftlichen Urteilsgründen muss es dies erkennen lassen. Umstände, die geeignet sind, die gerichtliche Entscheidung wesentlich zu beeinflussen, dürfen nicht stillschweigend übergangen werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen werden. Naheliegende Schlussfolgerungen sind zu erörtern. Bei alldem ist das Tatgericht – über den Wortlaut des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO hinaus – verpflichtet, die wesentlichen Beweiserwägungen in den Urteilsgründen so darzulegen, dass seine Überzeugungsbildung für das Revisionsgericht nachzuvollziehen und auf Rechtsfehler zu überprüfen ist (vgl. zum Ganzen nur Rn. 9 mwN).

45bb) Gemessen hieran ist die Feststellung, wonach der von den Angeklagten gefasste Tatplan lediglich (einfache) körperliche Gewalt nach Art einer „Backpfeife“ gegen den Nebenkläger vorsah, nicht tragfähig belegt. Das Landgericht hat nicht näher begründet, wie es zu dieser Überzeugung gelangt ist. Den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte H.    , dessen Einlassung die Jugendkammer – wie auch die geständigen Angaben der weiteren Angeklagten – für „im Wesentlichen glaubhaft“ gehalten hat, angegeben habe, es sei beabsichtigt gewesen, dem Nebenkläger „eine Backpfeife zu geben und ihm einen Schlag zu versetzen“.

46Einlassungen eines Angeklagten, für die es keine Beweise gibt, sind indes nicht ohne weiteres ungeprüft hinzunehmen. An die Bewertung einer entlastenden Einlassung des Angeklagten sind vielmehr grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Der Tatrichter hat sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden (vgl. , BGHSt 49, 365, 370).

47Hieran fehlt es. Das Landgericht hat mehrere festgestellte Umstände, die gegen eine Begrenzung des Tatplans auf den Einsatz von Gewalt im Ausmaß eines einfachen Schlages oder einer „Backpfeife“ sprechen könnten, unerörtert gelassen. So hat es nicht erkennbar geprüft, ob der tatsächliche Geschehensverlauf gegen die Richtigkeit der behaupteten Tatabrede sprechen könnte. Denn nach den Feststellungen rannte der Angeklagte Sc.     unmittelbar nach dem Zusammentreffen auf den „bis dahin völlig arglosen“ Nebenkläger zu und griff ihn an, wodurch es zu einem Gerangel kam, an welchem der Angeklagte K.     sich – ohne festgestellte weitere Absprache der Angeklagten – auf Seiten Sc.     s sogleich beteiligte. Einen äußeren Anlass für diese – sofort ins Werk gesetzte – Abweichung von dem festgestellten Tatplan, hat das Landgericht nicht festgestellt. Ebenfalls unerörtert gelassen hat es den Umstand, dass keiner der Mitangeklagten sich von den schwereren Gewalttätigkeiten in Form des Einsatzes gefährlicher Werkzeuge (Schuhe, Spaten, Ziegelstein) eindeutig nach außen erkennbar distanzierte, obwohl diese über den festgestellten Tatplan erheblich hinausgingen. Soweit die Jugendkammer festgestellte oder nicht ausschließbare Handlungen der Angeklagten S.           und K.     als derartige Distanzierung gedeutet hat – das Wegziehen des Angeklagten Sc.      vom Nebenkläger (S.     ) bzw. die Rückkehr zum Auto und Beobachtung des weiteren Tatgeschehens von dort aus (K.     ) –, begründet sie diesen Erklärungswert nicht tragfähig. Außer Acht bleibt insbesondere, dass es hierzu erst kam, nachdem der Angeklagte Sc.     bereits mit dem Spaten auf den Nebenkläger zugelaufen war und im Fall des Angeklagten S.      sogar erst nachdem er dem Nebenkläger mehrere Spatenschläge und Fußtritte versetzt und einen Ziegelstein nach ihm geworfen hatte, was S.       nach den Feststellungen untätig beobachtet hatte.

48Auch hat die Jugendkammer die gebotene kritische Überprüfung unterlassen, ob das Maß an Gewalt, auf das sich die Angeklagten nach der Einlassung des Angeklagten H.     geeinigt hatten, in einem plausiblen Verhältnis mit dem übrigen festgestellten Tatplaninhalt stand. Danach wollten die – in aufgebrachte Stimmung geratenen – Angeklagten den Nebenkläger, den sie als angeblich „pädophil“ veranlagt „missachteten“, zur Rede stellen und berauben, wofür der Angeklagte S.      eine Maskierung für geboten hielt. Mit der naheliegenden Frage, ob und wie diese Ziele nach der gemeinsamen Vorstellung der Angeklagten bei Beschränkung des Gewalteinsatzes auf eine „Backpfeife“ erreicht werden konnten, befasst sich die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht.

49cc) Unzureichend belegt ist auch die Annahme des Landgerichts, wonach – den festgestellten Tatplan zugrunde gelegt – seitens der übrigen Angeklagten „mit der Verwendung eines Spatens durch den Angeklagten Sc.     nicht zu rechnen war“. Abgesehen davon, dass die Jugendkammer hiermit ihre Betrachtung auf den Einsatz des Spatens verengt und nicht geprüft hat, ob die Angeklagten S.      und K.     immerhin mit Verwendung der beschuhten Füße als gefährliche Werkzeuge gegen den Nebenkläger durch einen der Beteiligten rechnen mussten, lässt diese Würdigung eine tragfähige Begründung vermissen. Das Landgericht hätte auch hier die oben genannten Umstände des Falles in den Blick nehmen und darlegen müssen, warum mit den schwereren Gewalthandlungen unter Einschluss des Spateneinsatzes durch den Angeklagten Sc.     gleichwohl nicht gerechnet werden musste.

50Hierbei hätte es über die beim Fassen des gemeinsamen Tatplans gegebenenfalls naheliegenden Weiterungen hinaus auch die Möglichkeit einer tatsituativen Vorsatzerweiterung bedenken müssen (vgl. Rn. 8), deren Erörterung sich zumindest für den Angeklagten K.     auf Grundlage der getroffenen Feststellungen aufdrängen musste.

51Den Urteilsgründen ist insoweit zu entnehmen, dass der Angeklagte K.        dem Angeklagten Sc.    folgte, als dieser mit dem Spaten in der Hand hinter dem Angeklagten S.      her- und an diesem vorbeirannte, um unmittelbar im Anschluss auf den Nebenkläger loszugehen. An dem folgenden Gerangel des Angeklagten Sc.      mit dem Nebenkläger beteiligte sich der Angeklagte K.        , indem er den Nebenkläger schubste und mit der Faust gegen die Brust schlug. Anschließend folgten nach den Urteilsgründen Spatenhiebe des Angeklagten Sc.     gegen den Nebenkläger. Das Landgericht hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte K.     den Spaten in der Hand des rennenden Angeklagten Sc.     wahrnahm, bevor er sich dessen Angriff (ebenfalls in Richtung des Nebenklägers rennend) anschloss. Der im Wesentlichen für glaubhaft erachteten Einlassung des Angeklagten Sc.     ist aber zu entnehmen, dass die Angeklagten H.      und K.     ihn vorher gefragt hätten, was er mit dem von ihm ergriffenen Spaten vorhabe, worauf er geantwortet habe, dass er es nicht aushalte, wenn der Nebenkläger die Zeugin I.     anfasse. Dies zugrunde gelegt, liegt nahe, dass der Angeklagte K.     seinen Tatvorsatz den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und bereits vor Durchführung des ersten Spatenschlags durch den Angeklagten Sc.     einen entsprechenden Einsatz des Spatens gegen den Nebenkläger in seinen Vorsatz aufgenommen haben könnte.

52Hinsichtlich des Angeklagten Sc.     ist die dargestellte Würdigung ferner unvereinbar mit Ausführungen zur Begründung seiner mittäterschaftlichen Tatbeteiligung im Übrigen. Insofern hat die Jugendkammer nämlich angenommen, der Angeklagte Sc.      habe „zumindest für möglich gehalten und damit billigend in Kauf genommen, dass die Situation auch aufgrund der von ihm ermöglichten Enthemmung der Angeklagten durch den stattgehabten Drogenkonsum und der zuvor erfolgten Stimmungsmache gegen den Zeugen       D.         durch ihn außer Kontrolle gerät und die Angeklagten dem Zeugen      D.       über eine bloße Backpfeife hinaus erhebliche Verletzungen zufügen“.

53c) Schließlich hat das Landgericht die Frage einer sukzessiven Mittäterschaft der Angeklagten S.       und K.      an den durch die anderen Angeklagten verwirklichten Tatbeständen des besonders schweren Raubes nicht tragfähig verneint.

54aa) Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – auch wenn dies von einem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eingetreten wird. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass diese strafrechtlich zugerechnet wird (vgl. Rn. 6, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 42). Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen (vgl. Rn. 9). Ein zur Mittäterschaft führender Eintritt ist noch nach der Tatvollendung möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat nicht materiell beendet hat (vgl. Rn. 16; Beschluss vom – 4 StR 314/20 Rn. 6; Urteil vom – 4 StR 14/20 Rn. 7). Infolgedessen kann eine vom ursprünglichen Tatplan nicht umfasste Erfüllung eines Qualifikationsmerkmals selbst dann zugerechnet werden, wenn von dem Hinzutretenden in Kenntnis und unter Ausnutzung des qualifizierenden Umstands auf die Sicherung des Taterfolgs gerichtete Handlungen vorgenommen werden (vgl. Rn. 16; s.a. , NStZ 2003, 85 a.E.).

55bb) Soweit in den Urteilsgründen hierzu ausgeführt ist, dass keine Umstände vorlägen, die auf eine nachträgliche Billigung des exzessiven Geschehens schließen ließen, bleibt außer Betracht, dass die gemeinsame Flucht der Angeklagten vom Tatort im Pkw des Angeklagten H.     unter Mitnahme der Tatwerkzeuge und der Tatbeute im Sinne einer endgültigen Gewahrsamssicherung eine sukzessive Mittäterschaft am besonders schweren Raub begründen könnte (vgl. demgegenüber zur zeitlichen Grenze der sukzessiven Beteiligung an einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB Rn. 14 mwN). Das Landgericht hat nicht nachvollziehbar begründet, warum es auch vor diesem Hintergrund eine Billigung des (lebensgefährlichen) Einsatzes der gefährlichen Werkzeuge gegen den Nebenkläger nicht gesehen hat.

56d) Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten S.      und K.     nur wegen – einfachen – Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB beruhen auf den aufgezeigten Rechtsfehlern und können nicht bestehen bleiben. Die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchänderung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO kommt nicht in Betracht. Rechtsfehlerfreie Feststellungen, die eine Zurechnung des Einsatzes der gefährlichen Werkzeuge sicher tragen könnten, sind bisher nicht gegeben. Der Senat hebt daher die Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

57e) Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird auch Gelegenheit haben, erneut eine Strafbarkeit der Angeklagten S.       und K.      wegen eines versuchten Tötungsdelikts zu prüfen. Es wird sich sorgfältiger als bisher geschehen mit den Fragen eines – bislang unter Bezugnahme auf die rechtsfehlerhaften Erwägungen zum Mittäterexzess abgelehnten – (bedingten) Tötungsvorsatzes (vgl. zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung Rn. 14 f. mwN) und gegebenenfalls eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 24 Abs. 2 StGB) zu befassen haben. Sollte das neue Tatgericht wiederum zu der Überzeugung gelangen, dass den Angeklagten S.       und K.      der Einsatz der gefährlichen Werkzeuge nicht nach § 25 Abs. 2 StGB zurechenbar ist, wäre es zu Erfüllung seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) auch gehalten, eine Strafbarkeit wegen versuchter Tötung durch Unterlassen zu prüfen (vgl. zur möglichen Garantenstellung eines an der Tötungshandlung vorausgegangenen Misshandlungen Beteiligten Rn. 13 mwN).

582. Die unterbliebene Verurteilung der Angeklagten Sc.      und H.     wegen versuchten Mordes und wegen versuchten Raubes mit Todesfolge erweist sich als rechtsfehlerhaft.

59a) Die Jugendkammer hat festgestellt, dass beide Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hätten, „nachdem“ der Nebenkläger durch den Schlag mit dem Spaten zu Boden ging und weiter geschlagen und getreten wurde. Eine den Anforderungen genügende Beweiswürdigung, die den Vorsatz belegen würde, lassen die Urteilsgründe vermissen (vgl. zum rechtlichen Maßstab und zur Beweiswürdigung exemplarisch Rn. 15 mwN – st.Rspr.). Der Senat vermag allerdings nicht auszuschließen, dass ein neues Tatgericht auch bei Durchführung der – vorliegend unterbliebenen – erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände zu der Annahme gelangt, dass die Angeklagten Sc.      und H.     die Möglichkeit des Todeseintritts des Nebenklägers erkannten und billigend in Kauf nahmen oder sich zumindest damit abfanden.

60b) Die Ablehnung der Strafbarkeit beider Angeklagter wegen versuchten Mordes erweist sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines strafbefreienden Rücktritts (§ 24 Abs. 2 StGB) als zutreffend. Das Landgericht hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hinsichtlich beider Angeklagter einen unbeendeten Versuch angenommen, von dem sie auch bei gemeinschaftlicher Begehung durch einvernehmliches bloßes Aufgeben der weiteren Tatausführung zurücktreten konnten (vgl. Rn. 23). Auch diese Annahme ist indes nicht ausreichend beweiswürdigend unterlegt.

61aa) Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Abgrenzung eines unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein strafbefreiender Rücktritt gegeben ist, darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. , BGHSt 39, 221, 227 f. mwN). Tut er dies oder macht er sich zu diesem Zeitpunkt über die Folgen seiner Handlung keine Gedanken, so ist der Versuch beendet (vgl. Rn. 7 mwN; Urteil vom – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306). Die Annahme eines unbeendeten Versuchs setzt demgegenüber gerade bei besonders gefährlichen Gewalthandlungen eines mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnden Täters voraus, dass Umstände festgestellt werden, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Elemente der Tat – wie sie auch schon bei der Prüfung des bedingten Vorsatzes relevant waren – die Wertung zulassen, er habe nach Beendigung seiner Tathandlung den tödlichen Erfolg nicht mehr für möglich gehalten (vgl. Rn. 17; Urteil vom – 2 StR 536/10 Rn. 6).

62bb) Eine derartige Würdigung der festgestellten Umstände lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Das Landgericht hat lediglich ausgeführt, es habe nicht feststellen können, dass die Angeklagten Sc.     und H.     zu dem Zeitpunkt, in dem sie von dem Nebenkläger abließen, davon ausgingen, dieser sei bereits verstorben oder werde an den Folgen der ihm zugefügten Verletzungen sterben. Infolgedessen sei zugunsten der Angeklagten anzunehmen, dass beide in dem Glauben, der Nebenkläger werde überleben, einvernehmlich von ihm abließen. Dies greift gemessen an dem oben aufgezeigten Prüfungsmaßstab ersichtlich zu kurz. Die gebotene Würdigung der Umstände – namentlich des Ausmaßes der dem Nebenkläger zugefügten Verletzungen und dessen Erkennbarkeit für die Angeklagten – kann durch den Rückgriff auf den Zweifelsgrundsatz nicht ersetzt werden. Dieser nötigt nicht etwa dazu, innere Tatsachen zu Gunsten des Angeklagten zu unterstellen, für die es keine Anhaltspunkte gibt (vgl. Rn. 15; Beschluss vom – 4 StR 308/13 Rn. 7 mwN). Vielmehr müssen alle maßgeblichen objektiven Umstände zusammenfassend gewürdigt werden. Erst wenn danach immer noch keine eindeutigen Feststellungen getroffen werden können, ist im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden (vgl. , NStZ 2013, 703, 704 f.).

63c) Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten Sc.     und H.     (nur) wegen besonders schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Buchst. b) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und 5 StGB beruhen auf den aufgezeigten Rechtsfehlern und können nicht bestehen bleiben.

64III. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den Rechtsfolgenaussprüchen die Grundlage.

65IV. Da das Urteil auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft bereits infolge von Rechtsfehlern, die die Angeklagten auf Schuldspruchebene begünstigen, insgesamt der Aufhebung unterliegt, kommt es auf etwaige Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten im Rechtsfolgenausspruch sowie Rechtsfehler zu ihren Lasten (§ 301 StPO) hier nicht mehr an.

Quentin                Maatsch                Marks

             Tschakert             Gödicke

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260924U4STR115.24.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-79268