BGH Beschluss v. - 2 StR 243/24

Instanzenzug: LG Gera Az: 11 KLs 760 Js 21789/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten des „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen (Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe) sowie des „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen. Es hat ihn unter Auflösung der Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.950 Euro angeordnet und ihn von weiteren Vorwürfen freigesprochen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

2Der Schuldspruch hat keinen Bestand, da die abgeurteilten Taten den Handel mit Cannabis – und zwar jeweils in nicht geringer Menge – betrafen und das Revisionsgericht nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes mit dem in der gegebenen Konstellation nicht entscheiden kann, ob die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB und daher nach § 354a StPO anzuwenden ist.

31. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bezog sich das Handeltreiben nicht nur im Fall II.3., sondern auch in dem als Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe abgeurteilten Fall auf eine nicht geringe Menge an Cannabis (zum Grenzwert für THC von 7,5 g nach dem seit dem geltenden Recht vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216 Rn. 11 ff.; und vom – 4 StR 50/24, Rn. 6 ff.). Denn die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe durch das Landgericht als tatmehrheitlich verwirklicht hält weder auf der Grundlage des zur Tatzeit geltenden Rechts noch nach neuer Rechtslage revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

4Die Strafkammer hat die Verurteilung insoweit auf die Aussage des Zeugen K.       gestützt, der Angeklagte habe ihm am 100 g Marihuana für 700 Euro „auf Kommission“ übergeben. K.       habe das Marihuana relativ schnell verkauft, sei noch im Dezember – nach den Feststellungen am 27. des Monats – wieder zu dem Angeklagten gekommen, habe bezahlt und dann wieder 100 g Marihuana zum Verkauf bekommen. Die Strafkammer hat bei ihrer konkurrenzrechtlichen Würdigung dieser Vorgänge als zwei Taten nicht bedacht, dass die Bezahlung einer zuvor „auf Kommission“ erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Menge im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit verbindet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 10; vom – 3 StR 448/18, NStZ-RR 2019, 250, 251 Rn. 9; und vom – 2 StR 200/23, NStZ 2024, 417, 418 Rn. 12). Da der Gesetzgeber die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt hat (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94), gilt für die konkurrenzrechtliche Bewertung des Handeltreibens mit Cannabis nach neuem Recht nichts Anderes.

5Die gleichartige Tateinheit des Handeltreibens mit zweimal je 100 g Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von jeweils 7 g THC verbindet die Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe konkurrenzrechtlich zu einem Fall des Handeltreibens mit Cannabis in einer nicht geringen Menge.

62. Die Entscheidung darüber, ob die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist, ist dem neuen Tatrichter zu überantworten.

7a) Das im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (, BGHSt 67, 130 Rn. 12 mwN; Beschluss vom – 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 f. Rn. 5). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. , wistra 2014, 446 Rn. 31; und vom – 2 StR 45/17, Rn. 14; Beschlüsse vom – 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 aaO; und vom – 3 StR 164/24, Rn. 15, jew. mwN).

8b) Das Landgericht hat die Einzelstrafe in Fall II.3. der Urteilsgründe, der den Handel mit 1 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 70 g THC betraf, dem Strafrahmen für den minder schweren Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 2 BtMG entnommen, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Angesichts dessen schließt der Senat aus, dass das Landgericht, hätte es die konkurrenzrechtliche Zusammenfassung der Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe bedacht, die den Handel mit einer wesentlich kleineren Menge Marihuana betrafen, bei Anwendung des Tatzeitrechts hier nicht auch zur Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 29a Abs. 2 BtMG gelangt wäre.

9c) Ob hinsichtlich beider Taten das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall günstiger und damit anzuwenden ist, hängt damit davon ab, ob die Taten nach neuem Recht als besonders schwere Fälle nach § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG zu werten sind, für die § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ebenfalls einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. In diesem Fall wäre das neue Recht nicht milder und das Tatzeitrecht weiter maßgeblich. Fände dagegen der Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, wäre das neue Recht für den Angeklagten günstiger.

10d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht die Indizwirkung des Regelbeispiels verneint und die Strafe dem Strafrahmen der § 34 Abs. 1 KCanG entnommen hätte. Dabei besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass der vom Landgericht ausdrücklich herangezogene, im Rahmen des § 29a BtMG berücksichtigungsfähige Milderungsgrund, es handele sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“, für die Strafzumessung nach § 34 KCanG keine Bedeutung hat; denn die Strafnorm betrifft ausschließlich Cannabis. Die im Vergleich zu bestimmten anderen Suchtstoffen geringere Gefährlichkeit (vgl. st. Rspr.; etwa , Rn. 30 mwN) hat bereits bei der gesetzlichen Festlegung der Strafrahmen Berücksichtigung gefunden (s. BT-Drucks. 20/8704, 130; , NStZ 2024, 547, 548, Rn. 10).

II.

11Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und des Gesamtstrafenausspruchs sowie der für sich gesehen nicht zu beanstandenden Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des aus den Taten Erlangten nach sich. Der neue Tatrichter wird allerdings zu bedenken haben, dass der Angeklagte auf den Einziehungsbetrag nur als Gesamtschuldner haftet. Nach den Feststellungen waren die Barerlöse der Verkäufe zunächst K.       zugeflossen, der sie an den Angeklagten weiterreichte.

III.

12Es bedarf keiner Aufhebung der zugehörigen Feststellungen, soweit das Urteil aufgehoben wird (§ 353 Abs. 2 StPO). Diese sind insgesamt frei von Rechtsmängeln. Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten herangezogen hat, dass es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handele, stellt dies eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung dar (, Rn. 18); bei Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes bliebe die Wertung auch richtig. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Menges                         Meyberg                         Schmidt

                   Lutz                          Zimmermann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:090924B2STR243.24.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-79014