BGH Beschluss v. - 3 StR 368/24

Instanzenzug: LG Trier Az: 8031 Js 32454/23 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1 der Urteilsgründe) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fall 2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unter Bestimmung eines Teilvorwegvollzugs der Strafe angeordnet sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die mit der Revisionseinlegung erhobene - nicht ausgeführte und damit unzulässige (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Verfahrensrüge ist vom Verteidiger in der Revisionsbegründungsschrift ausdrücklich nicht aufrechtrechterhalten worden und damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Diese Erklärung stellt keine Teilrücknahme des Rechtsmittels dar, die gemäß § 302 Abs. 2 StPO nur mit ausdrücklicher Ermächtigung des Angeklagten wirksam wäre (vgl. BeckOK StPO/Cirener, 52. Ed., § 302 Rn. 35; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 302 Rn. 28, § 352 Rn. 7).

32. Während der Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe der revisionsrechtlichen Kontrolle standhält, erweist sich derjenige zum Fall 2 der Urteilsgründe als rechtlich defizitär.

4a) Nach den insoweit von der Strafkammer auf der Basis einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen hielt der kokainabhängige Angeklagte, der in großem Umfang mit Betäubungsmitteln und Cannabis Handel trieb, Anfang Oktober 2023 in seiner Wohnung 566,1 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 139 Gramm Kokainhydrochlorid (KHCl) vorrätig, wovon zwei Drittel (377,4 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 92,6 Gramm KHCl) zum gewinnbringenden Weiterverkauf und ein Drittel (188,7 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 46,3 Gramm KHCl) zum Eigenkonsum bestimmt waren. Zudem hatte er dort 576,1 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 128,6 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) deponiert, das er vollständig gewinnbringend verkaufen wollte. Zur Absicherung des Drogenhandels verwahrte er in seiner Wohnung unmittelbar zugriffsbereit etliche funktionsfähige Schusswaffen, Munition für diese sowie Waffenteile und Waffenzubehör. Zuwiderhandlungen gegen das Waffengesetz und - in Bezug auf das Haschisch - das Konsumcannabisgesetz sind von der Verfolgung ausgenommen worden.

5b) Danach hat sich der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe nicht nur - wie vom Landgericht ausgeurteilt - wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, sondern - im Hinblick auf das zum Eigenkonsum vorrätig gehaltene Kokain - tateinheitlich (§ 52 StGB) hierzu auch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht (vgl. , juris Rn. 2). Der Senat ändert daher den Schuldspruch auf Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Eine Verböserung des Schuldspruchs ist gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf eine Angeklagtenrevision hin statthaft (vgl. , juris Rn. 66; Beschlüsse vom - 3 StR 295/23, juris Rn. 3; vom - 3 StR 308/21, NStZ-RR 2022, 108; vom - 3 StR 86/19, NStZ-RR 2019, 210; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 358 Rn. 18).

63. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Dessen Verschärfung kommt wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht. Zudem ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine mildere Einzelstrafe für die Tat im Fall 2 der Urteilsgründe erkannt hätte, wenn es den Angeklagten aufgrund des zum Eigenkonsum bestimmten Teils des Kokains (zudem) wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hätte. Denn im Rahmen der Strafzumessung hat es den Umstand, dass dieser Teil nicht zum Weiterverkauf vorgesehen war, ausdrücklich - als die gehandelte Wirkstoffmenge reduzierend - zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Auch für sich genommen lässt der Strafausspruch aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen entgegen dem Revisionsvorbringen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

74. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB sowie die Anordnung eines Teilvorwegvollzugs der Strafe sind gleichfalls frei von durchgreifenden Rechtsmängeln zum Nachteil des Angeklagten. Zwar hat die Strafkammer ausweislich der von ihr hinsichtlich der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB angeführten Obersätze nicht bedacht, dass nach der zum in Kraft getreten Gesetzesänderung der erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und der Anlasstat nur vorliegt, wenn letztere „überwiegend“ auf den Hang zurückgeht (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 26). Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zeigen indes zweifelsfrei auf, dass dies bei beiden urteilsgegenständlichen Taten der Fall war.

85. Dagegen unterliegt der Ausspruch über die Einziehung der Aufhebung. Insofern gilt:

9a) Das Landgericht hat einen Pkw Mercedes Benz C 400, mit dem der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe die tatgegenständlichen Betäubungsmittel in die Bundesrepublik Deutschland verbrachte, als Tatmittel gemäß § 74 Abs. 1 Variante 2 StGB eingezogen. Zwar hat die Strafkammer tragfähig belegt, dass der Angeklagte - anders als von ihm behauptet - Eigentümer des Fahrzeugs gewesen ist, so dass die Einziehungsvoraussetzung des § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB erfüllt ist. Auch hat sie - wie es rechtlich geboten gewesen ist (vgl. , juris Rn. 4; Beschlüsse vom - 4 StR 523/20, wistra 2021, 441 Rn. 10; vom - 6 StR 333/20, juris Rn. 3; vom - 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526) - die Einziehung des höherwertigen Pkw bei der Strafzumessung ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Sie hat indes nicht erkennbar bedacht, dass die Einziehung von Tatmitteln, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, im Ermessen des Gerichts steht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die nicht vorgeschriebene Einziehung zudem nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB).

10Den Urteilsgründen muss daher grundsätzlich, jedenfalls aber bei höherwertigen Gegenständen - um einen solchen handelte es sich bei dem Fahrzeug, das der Angeklagte ausweislich der Feststellungen des Landgerichts Ende 2022 für nicht weniger als 25.000 € erwarb -, zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens maßgebend gewesen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 93/24, juris Rn. 14; vom - 2 StR 321/23, NStZ-RR 2024, 15; vom - 3 StR 128/22, juris Rn. 4; vom - 3 StR 415/21, juris Rn. 6; vom - 2 StR 44/20, juris Rn. 11). Dies gilt unabhängig von der rechtlichen Notwendigkeit, die Einziehung im Eigentum eines Angeklagten stehender Tatmittel von nicht unerheblichem Wert bei der Strafzumessung erkennbar zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (vgl. , juris Rn. 14).

11Eine solche erkennbare Ermessensausübung ist vorliegend rechtsfehlerhaft unterblieben. Die Begründung der Entscheidung über die Einziehung des Pkw beschränkt sich darauf, die Eigentümerstellung des Angeklagten zu belegen. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei Ausübung des ihr zukommenden Ermessens von einer Einziehung des Pkw abgesehen hätte (vgl. zu einer solchen Konstellation , juris Rn. 8).

12Die damit notwendige Aufhebung dieser Einziehungsanordnung berührt den Strafausspruch gleichfalls nicht. Denn bei einem etwaigen Wegfall der Einziehung im zweiten Rechtsgang käme eine Erhöhung der Strafe wegen des Verbots der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 93/24, juris Rn. 16; vom - 3 StR 128/22, juris Rn. 6; vom - 3 StR 415/21, juris Rn. 8).

13b) Das Landgericht hat zudem „sämtliche sichergestellten Waffen, Waffenteile und waffenähnlichen Gegenstände nebst Munition“ eingezogen, und zwar gleichfalls als Tatmittel gemäß § 74 Abs. 1 Variante 2 StGB. Diese Einziehungsentscheidung hat, obgleich die Strafkammer das Eigentum des Angeklagten an diesen Gegenständen tragfähig belegt hat, keinen Bestand, weil der Einziehungsausspruch insofern nicht hinreichend konkretisiert ist.

14aa) Einziehungsgegenstände müssen in der Urteilsformel so genau bezeichnet werden, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsorgane aus dem Tenor selbst zweifelsfrei erkennbar ist, welche Objekte der Einziehung unterworfen sind (st. Rspr.; s. nur , juris Rn. 112; Beschlüsse vom - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom - 4 StR 351/21, juris Rn. 7; vom - 3 StR 55/20, juris Rn. 3 f.; MüKoStPO/Maier, 2. Aufl., § 260 Rn. 322; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 43). Die Anordnung der Einziehung muss stets aus sich heraus und insbesondere ohne Heranziehung nicht zum Urteil gehörender Dokumente verständlich sein. Daher genügen auch (implizite) Bezugnahmen auf bei den Akten befindliche Asservatenverzeichnisse oder Sicherstellungsprotokolle den rechtlichen Anforderungen nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 450/23, juris Rn. 7; vom - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom - 4 StR 351/21, juris Rn. 7; vom - 1 StR 453/16, NStZ 2017, 88 f.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 74 Rn. 24; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 74 Rn. 41).

15bb) Diesen Anforderungen entspricht die vorstehend im Wortlaut wiedergegebene Tenorierung der Einziehungsentscheidung nicht. Entgegen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts lässt sich den Urteilsgründen eine hinreichende Spezifizierung der Einziehungsgegenstände nicht entnehmen, so dass eine Präzisierung der Urteilsformel durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 531/16, juris Rn. 3; vom - 3 StR 398/13, NStZ-RR 2015, 16, 17) ausscheidet. Zum einen sind in den Urteilsgründen lediglich Waffen und weitere relevante Gegenstände aufgeführt, die in der Wohnung des Angeklagten aufgefunden wurden, und bleibt offen, in welchem Umfang diesbezüglich eine Sicherstellung vorgenommen wurde. Zum anderen genügt die in weiten Teilen gleichfalls nur pauschale Benennung der in den Räumlichkeiten aufgefundenen Objekte in den Urteilsgründen nicht dem Konkretisierungsgebot.

16cc) Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es bei einer Vielzahl von Einziehungsgegenständen zur Entlastung des Tenors statthaft und regelmäßig sachgerecht ist, diese in einer zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machenden Anlage zum Urteilstenor im Einzelnen aufzuführen und in der Urteilsformel auf diese Anlage dergestalt Bezug zu nehmen, dass die Einziehung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände angeordnet wird (vgl. insofern , juris Rn. 85; Beschlüsse vom - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom - 1 StR 453/16, NStZ 2017, 88; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 74 Rn. 32; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 43).

17c) Die in Bezug auf die Einziehungsentscheidungen getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und bleiben deshalb aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache dagegen der neuen Verhandlung und Entscheidung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:011024B3STR368.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-78977