Kirchliche Arbeitsvertragsordnung - Lehrer - Altersabminderung
Leitsatz
§ 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost verweist ua. hinsichtlich der Arbeitszeit auf das jeweilige, für vergleichbare staatliche beamtete Lehrkräfte geltende Landesrecht.
Instanzenzug: ArbG Erfurt Az: 6 Ca 1217/21 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 1 Sa 248/22 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Verringerung des Umfangs der von der Klägerin zu erbringenden wöchentlichen Unterrichtsstunden aus Altersgründen.
2Die Klägerin ist am Evangelischen Rgymnasium in E, dessen Trägerin die Beklagte ist, als Lehrerin für die Fächer Sport und Geschichte beschäftigt. Der zugrundeliegende Arbeitsvertrag, der bis auf den prozentualen Teilzeitanteil in § 1 keine Regelungen zum Umfang der zu leistenden Arbeitszeit enthält, lautet auszugsweise:
3Mit Änderungsvertrag vom reduzierten die Parteien die zwischenzeitlich vereinbarte Vollzeitbeschäftigung der Klägerin auf eine Teilzeitbeschäftigung von 24/26 Stunden Unterrichtspflichtzeit, was einer Teilzeitquote von 92,31 % entspricht. Im September 2021 vollendete die Klägerin ihr 55. Lebensjahr.
4Die Kirchliche Arbeitsvertragsordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland Ost vom (KAVO EKD-Ost) enthält in den §§ 6 bis 10 und 24 Regelungen zur regelmäßigen Arbeitszeit, zum Ausgleich für Sonderformen der Arbeit, zu Bereitschaftszeiten, zum Arbeitszeitkonto sowie zur Berechnung und Auszahlung des Entgelts. § 41 KAVO EKD-Ost lautet auszugsweise:
5Die Thüringer Verordnung über die Arbeitszeit der beamteten Lehrer (Thüringer Lehrerarbeitszeitverordnung - ThürLehrAzVO) vom lautet auszugsweise:
6Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) enthält in § 44 ua. folgende Regelung zur Arbeitszeit der angestellten Lehrkräfte:
7In einer auf den datierten Handreichung wies die Beklagte darauf hin, dass sie - mit Ausnahme bestimmter Altfälle aus Gründen des Vertrauensschutzes - Verringerungen der Unterrichtspflichtstunden allein aufgrund des Alters nicht (mehr) gewähre. Auch nach 2014 erhielten Kolleginnen und Kollegen der Klägerin, zum Teil aufgrund erfolgreicher Gerichtsverfahren, Altersabminderungsstunden. Der Klägerin wurden solche nicht gewährt.
8Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf zwei Altersabminderungsstunden kraft arbeitsvertraglicher Verweisung unmittelbar aus der KAVO EKD-Ost und der ThürLehrAzVO. Das ergebe die Auslegung der entsprechenden Normen. Hilfsweise folge ihr Anspruch auch aus betrieblicher Übung und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit der Teilzeitvereinbarung vom habe sie auf die Abminderungsstunden nicht verzichtet.
9Die Klägerin hat beantragt
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe sich nicht aus dem Arbeitsvertrag iVm. der KAVO EKD-Ost sowie § 9 ThürLehrAzVO. § 41 Nr. 3 KAVO EKD-Ost verweise nicht auf staatliches, sondern nur auf Kirchenrecht. Dieses kenne keine Altersabminderung. Zudem beschäftige sie, die Beklagte, keine verbeamteten Lehrkräfte, so dass die Arbeitszeit einschließlich einer etwaigen Abminderung arbeitsvertraglich zu regeln wäre. Der Arbeitsvertrag sehe aber keine Altersabminderung vor. Selbst wenn eine Verweisung auf die ThürLehrAzVO anzunehmen wäre, beträfe diese nur die Themenkomplexe der §§ 6 bis 10 und 24 KAVO EKD-Ost, jedoch nicht den Komplex der Altersabminderung als Teil der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie aus betrieblicher Übung folge kein Anspruch. Die Klägerin habe sich durch die am vereinbarte Reduzierung ihrer Unterrichtsverpflichtung auf 24/26 Stunden mit der Beklagten zudem auf eine Nichtgewährung der Altersabminderungsstunden verständigt.
11Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
12Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie ist begründet, soweit sich die Klage auf bereits vergangene Zeiträume bezieht. In diesem Umfang war das Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise aufzuheben und die insoweit unzulässige Klage teilweise abzuweisen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat bezogen auf die Zukunft zutreffend angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf zwei Altersabminderungsstunden zu je 45 Minuten pro Woche hat.
13I. Die Klage ist zulässig, soweit mit ihr die gegenwartsbezogene Feststellung eines Anspruchs auf Altersabminderungsstunden im laufenden Arbeitsverhältnis begehrt wird. Soweit sich die Feststellungsklage hingegen auf Zeiträume in der Vergangenheit bezieht, ist sie, anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, unzulässig.
141. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die begehrte Feststellung an sich zulässiger Gegenstand einer Elementenfeststellungsklage sein kann. Mit einer solchen kann auch ein Anspruch auf Reduzierung der zu leistenden Tätigkeit im Alter festgestellt werden (vgl. - Rn. 10; - 1 AZR 307/17 - Rn. 17).
15Überdies ist die Klage nicht deswegen insgesamt unzulässig, weil es sich um eine alternative Klagehäufung handeln würde. Die Klägerin hat für die von ihr geltend gemachten Streitgegenstände - Anspruch aus Arbeitsvertrag, aus betrieblicher Übung und aus arbeitsrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. - Rn. 24, 53 für Ansprüche aus individueller Vereinbarung und dem Gleichbehandlungsgrundsatz; - Rn. 14 für Ansprüche aus betrieblicher Übung und dem Gleichbehandlungsgrundsatz; vgl. ausf. zum Streitgegenstand - Rn. 24 mwN) - die erforderliche Rangfolge (dazu - Rn. 62 mwN) festgelegt.
162. Sofern mit der Klage die (mittlerweile) vergangenheitsbezogene Feststellung eines solchen Anspruchs bereits seit dem Schuljahr 2021/2022 begehrt wird, fehlt ihr allerdings das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
17a) Wird mit einer Klage die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses begehrt, ist sie nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben ( - Rn. 13). Der erforderliche Gegenwartsbezug kann dadurch hergestellt werden, dass die Klägerin die Erfüllung konkreter Ansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil anstrebt ( - Rn. 17).
18b) Ein solcher gegenwärtiger rechtlicher Vorteil aus dem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ist, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, weder vorgetragen noch ersichtlich. Führt eine Altersfreizeit zu einer Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, ergibt sich aus der Nichtgewährung dieser Altersfreizeit in der Vergangenheit für die Gegenwart ein Anspruch (hierzu - Rn. 18) - je nach Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten und Anspruchsgrundlagen - etwa auf Nachgewährung, Korrektur des Arbeitszeitkontos oder Überstundenvergütung. Im Streitfall führt die begehrte Altersabminderung jedoch lediglich zu einer Reduzierung der Unterrichtsstunden, nach § 9 Abs. 3 ThürLehrAzVO aber explizit nicht zur Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Damit ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin Ansprüche etwa auf weitere Vergütung für vergangene Zeiträume hat. Solche hat sie auch nicht geltend gemacht (vgl. zu einer solchen Konstellation - Rn. 42; - 9 AZR 220/05 - Rn. 16). Zu anderen Ansprüchen, etwa auf Korrektur eines Zeitkontos oder Schadensersatz, hat sie ebenso wenig vorgetragen.
19II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin einen Anspruch auf die begehrten Altersabminderungsstunden aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ThürLehrAzVO hat. Aus diesem Grund fallen die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus betrieblicher Übung bzw. dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wie schon beim Landesarbeitsgericht nicht zur Entscheidung an.
201. § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost ist auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar. Die Regelung des § 2 des Arbeitsvertrags nimmt die jeweils gültige Fassung der KAVO EKD-Ost wirksam in Bezug.
21a) Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen kirchlicher Arbeitgeber sind als von diesen vorformulierte und gestellte vertragliche Bedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen. Bei der danach vorzunehmenden Kontrolle ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigen, dass Art. 140 GG den Staat und damit auch die staatlichen Arbeitsgerichte verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, der Grundentscheidung der Kirche und kirchlicher Einrichtungen, sich des weltlichen Arbeitsverhältnisses zu bedienen und das für dieses geltende Recht auf dem Dritten Weg zu finden, Geltung zu verschaffen (vgl. - Rn. 19). Da auf dem Dritten Weg erlassene Arbeitsvertragsregelungen nicht normativ gelten ( - Rn. 29, BAGE 162, 247), können diese nur über arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln auch im weltlichen Rechtskreis wirken. Nur so kann der Dritte Weg tatsächlich gelebt werden (vgl. - Rn. 23, BAGE 163, 56; - 6 AZR 217/11 - Rn. 34 f., BAGE 142, 247; - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, BAGE 141, 16). Bezugnahmeklauseln sind daher unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der daraus folgenden kirchlichen Besonderheiten auszulegen und inhaltlich zu kontrollieren.
22b) Dies bedingt eine Auslegung von Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen kirchlicher Arbeitgeber - so auch der vorliegenden -, die dem kirchlichen Arbeitsrecht privatrechtlich umfassend Geltung verschafft. Der kirchliche Arbeitnehmer hat davon auszugehen, dass mit ihnen alle für den Arbeitgeber kirchenrechtlich jeweils verpflichtenden Bestimmungen Bestandteil des Arbeitsvertrags sein sollen (vgl. - Rn. 24, BAGE 163, 56; - 6 AZR 835/16 - Rn. 46, BAGE 162, 247; - 6 AZR 217/11 - Rn. 34 mwN, BAGE 142, 247; - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, BAGE 141, 16).
23c) Solche Bezugnahmeklauseln sind nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber schließt, hat davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen und damit idR kirchenrechtlichen Geboten genügen will ( - Rn. 40, BAGE 142, 247).
242. § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost verweist seinerseits auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 ThürLehrAzVO und damit auf die Altersabminderungsstunden. Diese Regelung ist somit Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien. Das ergibt die Auslegung des § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost.
25a) Die Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen erfolgt nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Auslegung von Gesetzen und Tarifverträgen maßgeblich sind. Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Normgeber und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang der Regelungen ist abzustellen ( - Rn. 20 mwN). Verbleibende Zweifel können durch die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien, wie der Entstehungsgeschichte der Arbeitsrechtsregelungen oder der praktischen Handhabbarkeit geklärt werden ( - Rn. 19; - 7 AZR 917/11 - Rn. 15 mwN). Ungeachtet dieses Auslegungsmaßstabs sind kirchliche Arbeitsrechtsregelungen aber keine Tarifverträge, sondern bleiben Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. - Rn. 20).
26b) Dafür, dass § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost auf die für vergleichbare beamtete Lehrkräfte im staatlichen Schuldienst geltenden Regelungen verweist, sprechen bei offenem Wortlaut entscheidend Systematik sowie Sinn und Zweck.
27aa) Die Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte in § 41 KAVO EKD-Ost sind insgesamt davon geprägt, dass die Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigten Lehrkräfte mit denen der beim Land beschäftigten Lehrkräften korrespondieren sollen. Das entspricht einer üblichen Regelungstechnik in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen. Dies gilt im Anwendungsbereich des § 41 KAVO EKD-Ost - mit im Einzelfall unterschiedlich formulierten Regelungen - für die Eingruppierung, das Entgelt sowie den Urlaub. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das für die im gleichen Zusammenhang - „Sonderregelung für Beschäftigte als Lehrkräfte“ - erwähnte Arbeitszeit anders sein soll. Die Verweisung in Nr. 3 der Regelung auf „Bestimmungen für vergleichbare beamtete Lehrkräfte“ und nicht auf „Landesregelungen für vergleichbare Lehrkräfte“ (Nr. 4), „Lehrer an den entsprechenden staatlichen Schulen“ (Nr. 5) oder „Lehrkräfte im Landesdienst“ (Nr. 7 Abs. 1 und 4) findet ihre Erklärung darin, dass in § 44 Nr. 2 TV-L für angestellte Lehrkräfte im Landesdienst - im Gegensatz zur Eingruppierung (§ 44 Nr. 2a TV-L) oder zum Urlaub (§ 44 Nr. 3 TV-L) - keine eigenständige Arbeitszeitregelung getroffen, sondern ebenfalls auf die für entsprechende Beamte geltenden Bestimmungen verwiesen wird. In Kenntnis dessen hat sich die Arbeitsrechtliche Kommission den „Umweg“ über § 44 TV-L erspart und sogleich auf die für „vergleichbare beamtete Lehrkräfte“, dh. staatliche beamtete Lehrkräfte geltenden Bestimmungen Bezug genommen. Deswegen bedurfte es, im Gegensatz zu der von der Beklagten angeführten Vorgängerregelung in Nr. 3 der Anlage 1 (Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte, SR 2a KAVO) zur Kirchlichen Arbeitsvertragsordnung für Angestellte (KAVO), nunmehr auch der Ausnahme in § 41 Nr. 3 Satz 3 KAVO EKD-Ost. In Nr. 3 SR 2a KAVO ergab sich dies daraus, dass dort auf die für (angestellte) Lehrer im staatlichen Schuldienst geltenden Bestimmungen und damit auf Nr. 3 der Anlage 2l I (Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte, SR 2l I BAT-O) zum Bundes-Angestelltentarifvertrag verwiesen wurde, die ihrerseits eine Regelung für den Fall enthielt, dass entsprechende Beamte nicht vorhanden sind.
28bb) Für dieses Verständnis des § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost spricht zudem, dass es, wie vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, für Kirchenbeamte in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland keine Arbeitszeitregelung gibt. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Kirchenbeamtengesetz der EKD (KBG.EKD, ABl. EKD 2021 S. 70) regeln die Evangelische Kirche in Deutschland, die Gliedkirchen und die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse je für ihren Bereich die Arbeitszeit. Gemäß § 4 des von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland erlassenen Kirchengesetzes zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten in der Evangelischen Kirche in Deutschland (ABl. EKM 2007 S. 126) wird die Arbeitszeit durch Rechtsverordnung geregelt. Eine solche existiert für den Bereich der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland nicht. Es kann aber nicht angenommen werden, dass die Arbeitsrechtliche Kommission auf eine nichtexistierende Regelung verweisen und damit den sprachlich und systematisch als Ausnahmefall konzipierten § 41 Nr. 3 Satz 3 KAVO EKD-Ost zur Regel erheben wollte, während der eigentliche Regelfall in Satz 2 leerliefe. Überdies ist weder vorgetragen noch festgestellt, dass es kirchliche beamtete Lehrkräfte in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland gibt. Auch finden sich in der Anlage zu § 9 des Besoldungs- und Versorgungsausführungsgesetzes der EKM, die die Zuordnung der Ämter der Kirchenbeamten zur Besoldungsordnung regelt, keine Lehrkräfte. Dies entspricht dem Funktionsvorbehalt in § 3 KBG.EKD.
29cc) Sinn und Zweck der streitgegenständlichen Regelung bestätigen dieses Auslegungsergebnis. Im Gesamtzusammenhang der Regelungen in § 41 KAVO EKD-Ost ist festzustellen, dass die Arbeitsrechtliche Kommission darauf abzielte, die bei der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland tätigen Lehrkräfte zu den gleichen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen wie diejenigen, die im staatlichen Schuldienst des jeweiligen Bundeslandes tätig sind. Insofern bezweckt die Regelung einen Gleichlauf ua. der Arbeitszeitregelungen. Dies weniger aus Gründen der Gleichbehandlung von Angestellten und Beamten, weil diese nebeneinander unter gleichen Bedingungen tätig würden (so zu Anlage D Abschnitt D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V für den kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst - Rn. 19; zu § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L für Lehrer - Rn. 29). Denn typischerweise gibt es keine als Lehrkräfte tätigen Kirchenbeamten.
30Vielmehr will es die Regelung unter Konkurrenzgesichtspunkten vermeiden, dass Lehrer im staatlichen Schuldienst zu attraktiveren Konditionen beschäftigt werden und bei der Kirche beschäftigte Lehrer zum staatlichen Arbeitgeber wechseln. Diesen Gleichlauf stellt die Verweisung auf die für vergleichbare (staatliche) beamtete Lehrkräfte geltenden Bestimmungen sicher. Dabei bedient sich die Arbeitsrechtliche Kommission in erkennbarer Anlehnung an § 44 Nr. 2 TV-L einer üblichen Regelungstechnik, indem sie - statt die für beamtete Lehrkräfte im Staatsdienst geltenden Regelungen wortlautidentisch in die KAVO EKD-Ost zu übernehmen - auf diese dynamisiert verweist. Damit wird der Gleichlauf auch im Falle einer späteren Änderung der staatlichen Bestimmungen sichergestellt, ohne dass die KAVO EKD-Ost ihrerseits jeweils geändert werden müsste.
31dd) Für einen solchen Gleichlauf sprechen zudem die Vorgaben des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft (ThürSchfTG). Gemäß § 4 Abs. 2 ThürSchfTG bedürfen Ersatzschulen als Schulen in freier Trägerschaft der Genehmigung durch das Ministerium. Diese ist unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 ThürSchfTG zu erteilen. Dazu zählt auch, dass die Vertragsbedingungen der Lehrkräfte, insbesondere die Vergütung, im Wesentlichen denjenigen der Lehrkräfte an vergleichbaren staatlichen Schulen entsprechen (§ 5 Abs. 4 ThürSchfTG).
32ee) Auch die praktische Handhabung spricht für das Auslegungsergebnis. Die im Arbeitsvertrag der Parteien fehlende eigenständige Regelung der Arbeitszeit lässt sich nur damit erklären, dass diese, da auch Arbeitszeitregelungen für kirchliche Beamte im Bereich der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland nicht existieren, davon ausgingen, dass über § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost das staatliche Beamtenrecht in Bezug genommen wird. Denn andernfalls hätte es gemäß § 41 Nr. 3 Satz 3 KAVO EKD-Ost einer eigenständigen arbeitsvertraglichen Regelung bedurft.
33c) Aus dem Vorstehenden folgt weiterhin, dass sich das Wort „solche“ in § 41 Nr. 3 Satz 3 KAVO EKD-Ost auf „Bestimmungen“ und nicht auf „vergleichbare beamtete Lehrkräfte“ bezieht. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Es ergibt sich schon daraus, dass Satz 2 dieser Regelung auf die vergleichbaren beamteten Lehrkräfte im Staatsdienst abstellt (dazu vorstehend Rn. 26 ff.). Da es solche - wie auch das Beispiel der Beklagten zeigt - an Schulen in kirchlicher Trägerschaft nicht gibt, würde mithin regelmäßig der Ausnahmefall des Satzes 3 eingreifen und die eigentliche Grundregel des Satzes 2 wäre sinnentleert. Vielmehr ist wie bei § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L festzustellen, ob die im Kirchendienst angestellte Lehrkraft, wäre sie staatlich verbeamtet, die Tätigkeit des von ihr herangezogenen Berufsbildes mit der von ihr erworbenen Qualifikation ausüben könnte (vgl. zu Nr. 2 Satz 1 der Anlage D.7 zum TVöD-V (VKA) - Rn. 21 mwN). Es kommt mithin entgegen der Revision nicht darauf an, ob es konkret an der Schule der Klägerin oder im Kirchendienst vergleichbare Beamte gibt. Das entspricht auch dem dargestellten Konkurrenzschutzgedanken der Regelung. Gibt es im Staatsdienst keine vergleichbaren Beamten, bedarf es des Gleichlaufs nicht.
34d) Diesem Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass die Beklagte verschiedene Arbeitszeitregelungen anzuwenden hat, da sie in mehreren Bundesländern Schulträger ist und dort unterschiedliche Regelungen für staatliche verbeamtete Lehrkräfte gelten. Eine solche Aufspaltung je nach Bundesland ist in § 41 KAVO EKD-Ost ohnehin und unabhängig von der Auslegung der hier konkret streitentscheidenden Norm angelegt. So richtet sich etwa gemäß § 41 Nr. 4 Abs. 1 KAVO EKD-Ost auch die Eingruppierung „nach den jeweiligen Landesregelungen für vergleichbare Lehrkräfte“, kann also je nach Bundesland variieren.
35e) Die Verfahrensrüge der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Erteilung eines unklaren Hinweises bzw. die unterbliebene Protokollierung dessen genauen Inhalts ist keine Gehörsverletzung und damit kein revisibler Rechtsfehler. Soweit die Revision vorbringt, das Landesarbeitsgericht hätte darauf hinweisen müssen, dass es die Entstehungsgeschichte der streitgegenständlichen Regelung zu deren Auslegung heranziehen will, bedurfte es eines solchen Hinweises nicht. Zum einen musste ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter vorliegend damit rechnen (zu diesem Prüfungsmaßstab vgl. etwa - Rn. 44 mwN), dass die Entstehungsgeschichte zum Auslegungskanon kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen zählt. Deren Berücksichtigung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. vorstehend unter Rn. 25). Zum anderen war der von der Revision vermisste Hinweis nach der Argumentation des Landesarbeitsgerichts nicht entscheidungserheblich. Dieses hat auf die Entstehungsgeschichte des § 41 Nr. 3 KAVO EKD-Ost sowie die Vorgängervorschrift der Nr. 3 SR 2a KAVO nicht abgestellt. Überdies könnte sich ein etwaiger Gehörsverstoß nicht mehr auswirken, nachdem die Ausführungen von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgebracht werden konnten.
36f) Von der Verweisung in § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost ist die Regelung zur Altersabminderung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 ThürLehrAzVO mit erfasst.
37aa) Das folgt schon daraus, dass der mit „Regelmäßige Arbeitszeit“ überschriebene § 2 ThürLehrAzVO in seinem Abs. 2 die regelmäßige Arbeitszeit als Summe aus Pflichtstundenzahl und sonstigen Tätigkeiten definiert. Die zu leistenden Pflichtstunden bestimmen sich aber nicht nur nach § 3 ThürLehrAzVO. Bei ihrer Ermittlung ist auch eine etwaige Abminderung nach § 9 ThürLehrAzVO zu berücksichtigen. Das zeigt, dass es sich bei diesen Bestimmungen zur regelmäßigen Arbeitszeit um eine Einheit handelt, die mangels klarer anderweitiger Anhaltspunkte, die bei § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost nicht ersichtlich sind, einheitlich und insgesamt in Bezug genommen wird.
38bb) Aus dem Vorbringen der Beklagten, § 9 ThürLehrAzVO sei altersdiskriminierend und schon deshalb nicht von der Bezugnahme des § 41 Nr. 3 Satz 2 KAVO EKD-Ost erfasst, folgt nichts Anderes. Das Landesarbeitsgericht durfte in zulässiger Weise davon ausgehen, dass die mit der Gewährung der Abminderungsstunden an ältere Lehrkräfte verbundene Benachteiligung jüngerer Lehrkräfte gerechtfertigt ist. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht in tatsächlicher Hinsicht annimmt, dass die Unterrichtserteilung, aber auch die sonstigen Tätigkeiten ältere Lehrkräfte typischerweise stärker beanspruchen (vgl. - Rn. 19 ff., BAGE 149, 315). Dies soll durch die Gewährung der Altersabminderungsstunden ausgeglichen werden.
393. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ThürLehrAzVO. Sie hat das 55. Lebensjahr vollendet und ist mit mehr als 75 % einer Vollzeitstelle als Lehrerin beschäftigt.
404. Die Klägerin hat auf die ihr zustehenden Altersabminderungsstunden nicht „verzichtet“, indem sie sich mit der Beklagten am auf eine Teilzeittätigkeit und eine damit verbundene Reduzierung um zwei Unterrichtsstunden pro Woche geeinigt hat. Damit haben die Parteien nicht zugleich die Nichtgewährung der Altersabminderungsstunden vereinbart. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom ist, auch wenn diese eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellen sollte und als solche der vollständigen Überprüfung durch den Senat unterläge, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Vereinbarung bezieht sich allein auf eine Reduzierung der zu leistenden Wochenarbeitszeit mit entsprechender Vergütungsanpassung, erwähnt die Altersabminderungsstunden nicht und lässt alle übrigen Vereinbarungen des Arbeitsvertrags ausdrücklich unberührt. Hinreichende Anhaltspunkte auf einen darüber hinausgehenden Inhalt hat die Beklagte nicht vorgebracht. Allein der Umstand, dass eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung um zwei Stunden und damit genau im Umfang der zu gewährenden Altersabminderungsstunden erfolgt, reicht hierfür nicht.
41III. Da beide Parteien teilweise obsiegen und teilweise unterliegen, sind die Kosten gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu teilen. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen kann der Senat gemäß § 308 Abs. 2 ZPO auch ohne entsprechende Anträge der Parteien ändern ( - Rn. 60 mwN, BAGE 171, 280).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:010824.U.6AZR183.23.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-78781