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NWB-EV Nr. 11 vom Seite 336

Steuerliche Fallstricke bei Pflichtteilsverzichten zwischen Geschwistern gegen Abfindung

Rechtsprechungsgrundsätze und Praxishinweise

Michael Bisle

In der Praxis kommt es bei Vermögensübergaben immer wieder vor, dass von mehreren Geschwistern nur ein Kind z. B. den Betrieb erhält und dieses an seine Geschwister eine Abfindung zahlt, da diese auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichten und ansonsten benachteiligt wären. Hierzu hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass in denjenigen Fällen, in welchen vor dem Erbfall für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht eine Abfindung bezahlt wird, künftig nicht mehr das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem künftigen Erblasser und dem Verzichtenden maßgeblich sein soll, sondern auf die Verhältnisse zwischen den an der Verzichtsvereinbarung Beteiligten abzustellen ist. Nachfolgender Beitrag stellt diese Rechtsprechungsgrundsätze dar und gibt Praxishinweise.

Kernaussagen
  • Bei einem Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung sollten in der Praxis vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des BFH stets auch die schenkungsteuerlichen Auswirkungen berücksichtigt werden.

  • Danach richtet sich die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, nach dem Verhältnis des Verzichtenden zu den anderen gesetzlichen Erben.

I. Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung

In der Praxis wird oftmals noch zu Lebzeiten des Erblassers auf den künftig entstehenden Pflichtteil verzichtet, was der notariellen Beurkundung bedarf. Der Verzicht erfolgt dabei regelmäßig gegen Zahlung einer Abfindung an die „weichenden Erben“. Bei Pflichtteilsverzichten nach dem Tod des Erblassers ist das hingegen nicht immer der Fall. Wird eine Abfindung für den Verzicht auf ein zukünftig entstehendes Pflichtteilsrecht gezahlt, unterliegt diese Abfindung – ebenso wie die Abfindung für den Verzicht auf den noch nicht geltend gemachten Pflichtteil nach dem Tod des Erblassers – der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Beide Fälle wollte der BFH ursprünglich gleich behandeln, indem er die Steuer auf Abfindungen nach der Steuerklasse und dem Steuersatz des (künftigen) Erblassers bemaß, auch wenn die Abfindung tatsächlich nicht von ihm, sondern einer oder mehreren anderen Personen, etwa Geschwistern des Pflichtteilsberechtigten, gezahlt wurde. Begründet wurde dies damit, dass der Pflichtteilsverzicht gegenüber einem anderen gesetzlichen Erben vor Eintritt des Erbfalls hinsichtlich der Steuerklasse nicht anders behandelt werden dürfe als der Verzicht nach dem Eintritt des Erbfalls, bei dem die Steuerklasse im Verhältnis zum Erblasser relevant sei (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Für den Abfindungsempfänger war dies im Regelfall steuerlich günstiger, weil hierdurch oftmals Steuerklasse I angewendet werden konnte. Von dieser Auffassung ist der BFH zwischenzeitlich abgerückt.