BGH Beschluss v. - VIII ZR 104/23

Instanzenzug: Az: VIII ZR 104/23vorgehend LG Freiburg (Breisgau) Az: 3 S 117/22vorgehend AG Freiburg (Breisgau) Az: 5 C 158/22

Gründe

1Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil es an der gesetzlich vorgeschriebenen Darlegung (§ 321a Abs. 2 Satz 5 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung durch den Senat fehlt. Unbeschadet dessen wäre die Anhörungsrüge auch unbegründet.

I.

21. Eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss über die Nichtzulassung der Revision ist nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG durch den Bundesgerichtshof gerügt wird (st. Rspr.; vgl. , juris Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom - III ZR 36/19, juris Rn. 3; vom - VIII ZR 72/22, juris Rn. 2; jeweils mwN). Daher muss die Darlegung erkennen lassen, aus welchen konkreten Gründen der Beschwerdeführer meint, die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde lasse nur den Schluss zu, dass sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden sei (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 353/18, juris Rn. 2; vom - VIII ZR 5/22, juris Rn. 2; vom - VIII ZR 72/22, aaO; jeweils mwN). Die Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens genügt hierfür ebenso wenig (vgl. , aaO; BGH, Beschlüsse vom - V ZR 322/13, juris Rn. 1; vom - VIII ZR 72/22, aaO) wie die schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung, weil die nach § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO erforderliche Darlegung die Angabe der Tatsachen voraussetzt, aus denen sich die geltend gemachte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ergibt, sowie einen substantiierten Vortrag zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Gehörsverletzung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609 Rn. 10; vom - VIII ZR 46/15, juris Rn. 4; vom - VIII ZA 6/20, juris Rn. 6).

3Die vorgenannten Grundsätze gelten auch dann, wenn sich die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss richtet, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - wie im vorliegenden Fall - ohne nähere Begründung zurückgewiesen worden ist. Denn eine eigenständige Gehörsverletzung liegt nicht darin, dass das Revisionsgericht von einer solchen Begründung seiner Entscheidung abgesehen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 353/18, aaO Rn. 6; vom - VIII ZR 5/22, aaO Rn. 3; jeweils mwN; vom - VIII ZR 72/22, aaO Rn. 3). Die Anhörungsrüge kann nicht zur Herbeiführung der Begründung einer Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 353/18, aaO; vom - VIII ZR 5/22, aaO; jeweils mwN; vom - VIII ZR 72/22, aaO).

42. Ausgehend hiervon hat der Beklagte eine Gehörsverletzung durch den Senat bereits nicht hinreichend dargelegt.

5a) Der Beklagte hat mit der Anhörungsrüge auf sein Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung verwiesen, wonach das Berufungsgericht - im Rahmen der Beurteilung der Wirksamkeit der seitens der Kläger ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) - nicht die erforderliche Gesamtwürdigung unter Auseinandersetzung mit den Auffälligkeiten des Sachvortrags der Kläger vorgenommen habe. Anders als die Beschwerdeerwiderung meine, sei das Gericht hierzu verpflichtet.

6Zur Prüfung des Härteeinwands des Beklagten (§ 574 Abs. 1 BGB) hätte das Berufungsgericht, wie schon in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung gerügt, ein weiteres Gutachten eines Augenarztes und gegebenenfalls auch eines Internisten einholen müssen. Die Entgegnung der Beschwerdeerwiderung hierzu liege neben der Sache. Dass das Vorbringen des Beklagten dem Senat keinen Anlass gegeben habe, die Revision zuzulassen, lasse "auf eine primäre Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG schließen."

7b) Dieses Vorbringen wird den vorbeschriebenen Darlegungsanforderungen für eine Anhörungsrüge nicht gerecht. Die Ausführungen des Beklagten zeigen eine neue, eigenständige und entscheidungserhebliche Gehörsverletzung durch den angegriffenen Senatsbeschluss nicht auf.

8aa) Aus welchen Umständen nach der Ansicht des Beklagten darauf zu schließen sei, der Senat habe sein vorgenanntes Vorbringen nicht berücksichtigt, wird nicht dargelegt.

9Solche Umstände sind gegeben, wenn Gründe des formellen oder materiellen Rechts, welche die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde tragen könnten, nicht erkennbar sind und sich deshalb der Schluss aufdrängt, die Entscheidung beruhe darauf, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - V ZR 108/09, juris Rn. 5; vom - III ZR 36/19, juris Rn. 4). Derartiges hat der Beklagte nicht vorgebracht. Seine Ausführungen beschränken sich der Sache nach auf die Wiederholung und Vertiefung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung sowie auf die bloße Behauptung einer "primären" Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, was den Darlegungsanforderungen - wie aufgezeigt - nicht genügt.

10bb) Liegt, wie hier, eine Beschwerdeerwiderung vor, muss sich der Beschwerdeführer in der Anhörungsrüge zudem mit dieser auseinandersetzen und darlegen, dass sich die Zurückweisung der Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Argumente der Gegenseite nur damit erklären lässt, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 95/10, juris Rn. 5; vom - III ZR 36/19, aaO; vom - VIII ZR 5/22, juris Rn. 4; vom - VIII ZR 72/22, juris Rn. 9; jeweils mwN).

11(1) Eine solche Darlegung enthält die Anhörungsrüge nicht. Zwar erwähnt sie einige Ausführungen aus der Beschwerdeerwiderung und zitiert entsprechende Fundstellen. Jedoch fehlt eine konkrete inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Kläger, was geboten war, da sich aus der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung detaillierte Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die - nunmehr wiederholten - Verfahrensrügen in der Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten unbegründet sein könnten.

12Soweit der Beklagte - erneut - beanstandet, das Berufungsgericht habe sich mit den "Auffälligkeiten" im Klägervortrag zur Begründung der Eigenbedarfskündigung, welcher im Vergleich zu einem Vorprozess geändert wurde, nicht auseinandergesetzt, hat die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung ausdrücklich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen, wonach sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den Feststellungen des Amtsgerichts zu einem ernsthaft verfolgten Nutzungswunsch der Kläger (auch) nicht daraus ergäben, "dass der Überlassungswunsch der Wohnung im Dachgeschoss an die Eltern des Klägers in der dem früheren Räumungsverfahren zugrundeliegenden Kündigung vom … nicht genannt worden war." Damit ist nach Ansicht der Kläger die Behauptung des Beklagten, wonach ein Gehörsverstoß darin liege, dass das Berufungsgericht den Wechsel im Sachvortrag der Kläger nicht berücksichtigt habe, widerlegt. Hierauf geht der Beklagte in der Anhörungsrüge nicht ein, sondern verweist lediglich auf sein Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung.

13Bezüglich der seitens des Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung gerügten Nichteinholung eines weiteren Gutachtens eines Augenarztes und gegebenenfalls eines Internisten hat die Beschwerdeerwiderung ausgeführt, die Einholung eines solchen Sachverständigengutachtens sei - aus ihrer Sicht - nicht geboten gewesen, da angesichts der Erklärung des Beklagten, wonach sich seine Augenerkrankung seit dem Jahr 2020 "nicht geändert oder verschlimmert" habe, keine Aussicht bestanden habe, weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Auch hierauf geht der Beklagte in der Begründung der Anhörungsrüge nicht ein, sondern führt lediglich aus, die Entgegnung der Beschwerdeerwiderung liege "neben der Sache".

14(2) Zudem legt der Beklagte nicht - wie nach Vorstehendem geboten - dar, dass sich die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde unter Berücksichtigung der Argumente der Klägerseite nur damit erklären lässt, dass der Senat ein bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hat.

153. Soweit der Beklagte weiter beanstandet, der Senat habe sein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Bestandsinteresse "nicht in seinem vollständigen Gewicht erfasst und im Rahmen der gebotenen Grundrechtsabwägung gewürdigt", ist die Anhörungsrüge bereits deshalb unzulässig, weil mit ihr allein geltend gemacht werden kann, das Gericht habe den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Verletzung anderer (Verfahrens-)Grundrechte kann nicht Gegenstand einer solchen Rüge sein (vgl. , NJW 2016, 3035 Rn. 13, 22; Beschlüsse vom - V ZR 149/07, NJW-RR 2009, 144 Rn. 1; vom - VIII ZR 71/20, juris Rn. 6; vom - XI ZR 14/23, juris Rn. 7; vom - II ZR 94/21, juris Rn. 6; vom - X ZR 70/22, juris Rn. 19).

II.

16Im Übrigen wäre die Anhörungsrüge auch unbegründet, weil der Senat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Senat hat bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Revision das gesamte und insbesondere auch das in der Anhörungsrüge wiederholte und in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten berücksichtigt und umfassend geprüft, dieses jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, der im Anwendungsbereich des § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO entsprechend gilt (Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 239/20, juris Rn. 6; vom - VIII ZR 5/22, juris Rn. 7; vom - VIII ZR 72/22, juris Rn. 10).

Dr. Bünger                    Dr. Schmidt                    Wiegand

                Dr. Matussek                      Messing

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:240924BVIIIZR104.23.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-77772