BFH Urteil v. - VI R 52/20

Besteuerung von Abfindungen nach dem DBA-Frankreich 1959/2001 - Grenzgängerregelung

Leitsatz

Dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland betreffend eine Entschädigung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 steht —jedenfalls, soweit die Abfindung auf die Zeit entfällt, in der der (damals unbeschränkt steuerpflichtige) Arbeitnehmer im Inland gewohnt und gearbeitet hat— die sogenannte Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959/2001 nicht entgegen.

Gesetze: EStG § 19; EStG § 24 Nr. 1; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d; DBA FRA 1959/2001 Art. 13 Abs. 1 und 5

Instanzenzug:

Tatbestand

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte bis zum seinen Wohnsitz im Inland. Seither ist sein ausschließlicher Wohnsitz in X (Französische Republik —Frankreich—) belegen.

2 Vom bis zum und damit für die Dauer von 245 Monaten stand er in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen des A Konzerns (bis zum mit der B AG, ab dem mit der C AG). Beschäftigt war der Kläger im gesamten Zeitraum im A Werk in Y.

3 Für den Zeitraum Februar 1995 bis Oktober 2005 (129 Monate) führte der Arbeitgeber aufgrund des inländischen Wohnsitzes des Klägers die einbehaltene Lohnsteuer und sonstigen Lohnsteuerabzugsbeträge an das zuständige Finanzamt ab.

4 Von November 2005 bis einschließlich Juni 2015 (116 Monate) wurde der Kläger aufgrund entsprechender Freistellungsbescheinigungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) als sogenannter Grenzgänger gemäß Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) i.d.F. des Zusatzabkommens vom (BGBl II 2002, 2372, BStBl I 2002, 892) —DBA-Frankreich 1959/2001— von der deutschen Lohnsteuer freigestellt. Die laufenden Einkünfte des Klägers aus seinem inländischen Arbeitsverhältnis wurden in Frankreich der Einkommensbesteuerung unterworfen.

5 Am überreichte der Arbeitgeber dem Kläger eine „individuelle Berechnungsgrundlage für eine Ausscheidensvereinbarung“, wonach dem Kläger für den Fall des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags zum (Turbo) die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 213.950,40 € und für den Fall des Abschlusses zum (ohne Turbo) die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 167.042 € in Aussicht gestellt wurde. Zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags kam es nicht.

6 Der Kläger erhielt zuletzt ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.901,40 €.

7 Mit Schreiben vom kündigte der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus „verhaltensbedingten Gründen fristgerecht zum “. Der Betriebsrat widersprach dieser Kündigung.

8 Am erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage.

9 Mit Schreiben vom sprach der Arbeitgeber eine weitere verhaltensbedingte Kündigung zum sowie ebenfalls mit Schreiben vom eine weitere außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise eine fristgerechte Kündigung zum aus.

10 Ab dem war der Kläger von seinem Arbeitgeber „unwiderruflich unter Anrechnung der Urlaubsansprüche bis zum Ende der Kündigungsfrist am “ freigestellt.

11 Das Verfahren wegen Kündigungsschutz sowie ein zugleich geführtes Verfahren auf Zahlung ausstehenden Arbeitslohns endeten gemäß mit folgendem Vergleich:

„1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet auf Veranlassung der Beklagten aus betrieblichen Gründen unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum .

2. Der Kläger wird unter Anrechnung auf Urlaub und Zeitguthaben bezahlt von der Arbeitsleistung bis freigestellt. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis dahin ordnungsgemäß ab und zahlt dem Kläger das sich daraus ergebende Nettoentgelt aus.

3. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung i.H.v. 180.000 EUR brutto in entsprechender Anwendung der §§ 910 KSchG. Die Abfindung ist bereits jetzt entstanden und wird mit der letzten Entgeltabrechnung fällig.

.“

12 Durch Freistellungsbescheinigung vom bescheinigte das FA dem Arbeitgeber des Klägers widerruflich, dass bei dem Kläger als Grenzgänger gemäß § 39b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab und längstens bis zum vom Lohnsteuerabzug abgesehen werden könne.

13 Gegenüber seinem Arbeitgeber erklärte der Kläger am schriftlich, dass er seinen Wohnsitz in Frankreich auch nach Auszahlung der Abfindung aufrechterhalten und weder er noch seine Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) zurückkehren werden.

14 Am teilte der Arbeitgeber des Klägers dem FA seine Rechtsauffassung zur Besteuerung der Abfindungszahlung des Klägers mit, wonach diese als Entschädigung nur insoweit der beschränkten Steuerpflicht unterliege, als die zuvor ausgeübte Tätigkeit der inländischen Besteuerung unterlegen habe. Der Arbeitgeber bat um Bestätigung seiner Rechtsauffassung durch das FA sowie um eine Bescheinigung für beschränkt Steuerpflichtige nach § 39 Abs. 3 EStG.

15 Mit „Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2015 bei beschränkter Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 39 Abs. 2 und 3 EStG“ vom bescheinigte das FA dem Arbeitgeber, dass von einem steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe von 94.775,51 € (= 129/245 von 180.000 €) Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag unter Anwendung der Steuerklasse I einzubehalten seien. Auf dieser Bescheinigung vermerkte das FA: „Steuerfrei sind 116/245 von 180.000 € = 85.224,49 €.“

16 Demgemäß behielt der Arbeitgeber des Klägers von dem Abfindungsbetrag Lohnsteuer in Höhe von 31.131 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.712,20 € ein und führte diese Beträge im Streitjahr (2015) an das FA ab.

17 Daraufhin beantragte der Kläger beim FA sinngemäß die Freistellung von diesen Abzugsbeträgen. Sein Arbeitgeber habe die Lohnsteuer und sonstigen Lohnsteuerabzugsbeträge zu Unrecht einbehalten und an das FA abgeführt. Denn als Grenzgänger sei er mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Frankreich und nicht in Deutschland steuerpflichtig.

18 Mit Schreiben vom , das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte das FA dies ab. Der Abfindungsbetrag sei entsprechend der Dauer des Innehabens des inländischen Wohnsitzes im Verhältnis zur Dauer des Dienstverhältnisses aufzuteilen und insoweit (129/245) im Inland steuerbar. Der anteilige Lohnsteuer-Einbehalt sei daher zu Recht erfolgt.

19 Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1469 veröffentlichten Gründen ab.

20 Während des Klageverfahrens setzte das FA mit Bescheid vom über die Erstattung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag unter Anwendung der sogenannten Fünftelregelung gemäß § 39b Abs. 3 Satz 1 und 9 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger verheiratet ist und zwei Kinder hat, Lohnsteuer in Höhe von 21.891 € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.204 € als Erstattungsbeträge fest und zahlte diese an den Kläger aus.

21 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

22 Er beantragt sinngemäß,

das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom sowie den Bescheid des FA vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, einen Freistellungsbescheid dergestalt zu erlassen, dass der Kläger auch von der noch einbehaltenen Lohnsteuer in Höhe von 9.240 € und dem einbehaltenen Solidaritätszuschlag in Höhe von 508 € freigestellt wird.

23 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

24 II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine weitere steuerliche Freistellung der Abfindung, als vom FA bislang gewährt, hat.

25 1. Der Kläger unterliegt mit seinen inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG, da er seit dem in Deutschland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.

26 2. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG sind inländische Einkünfte auch solche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben.

27 a) Von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG werden daher auch Entschädigungen erfasst, die —wie vorliegend— (wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes) gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

28 b) Nach den tatsächlichen und den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG hat der Kläger im Streitjahr im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung seines Dienstvertrags von seinem Arbeitgeber „in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG“ eine Entschädigung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und die dadurch entgehenden Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) erhalten.

29 aa) Die Auslegung von Verträgen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO, die das Revisionsgericht nur darauf überprüfen kann, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewendet worden sind. Ist demgemäß die Würdigung durch das Tatsachengericht zwar nicht zwingend, aber doch möglich, so ist sie revisionsrechtlich bindend (Senatsurteil vom  - VI R 43/16, Rz 18, m.w.N.).

30 bb) Danach ist der unter Berücksichtigung des Wortlauts des am geschlossenen Vergleichs, der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, der Erläuterungen des Arbeitgebers und dessen früheren Abfindungsangeboten gefundene Schluss des FG, die Parteien des arbeitsgerichtlichen Verfahrens seien darin einig gewesen, dass die Abfindung als Ausgleich für den Schaden des Klägers gezahlt wird, der durch den Verlust seines Arbeitsplatzes und die damit wegfallenden laufenden Lohneinnahmen entsteht, revisionsrechtlich nicht nur möglich, sondern naheliegend.

31 c) Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist zudem geklärt, dass eine solche Entschädigung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG gehört (z.B. Senatsurteil vom  - VI R 91/77, BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155).

32 3. Damit steht Deutschland nach innerstaatlichem Recht das Besteuerungsrecht für die streitgegenständliche Abfindung jedenfalls insoweit zu, als die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben und damit soweit die Abfindungszahlung anteilig auf den Zeitraum der Beschäftigung des Klägers beim A Konzern entfällt, in dem er (ausschließlich) einen Wohnsitz im Inland innehatte und insoweit auch dort (weil unbeschränkt steuerpflichtig) besteuert wurde.

33 a) Offenlassen kann der Senat in diesem Zusammenhang, ob das Besteuerungsrecht nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG voraussetzt, dass die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte tatsächlich im Inland besteuert worden sind oder von dieser Vorschrift unter anderem auch vom Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) befreite inländische Einkünfte erfasst werden (bejahend Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 49 Rz 69; Schmidt/Loschelder, EStG, 43. Aufl., § 49 Rz 90). Denn das FA hat die Abfindung vorliegend lediglich zu 129/245 und damit in demselben Umfang besteuert, in dem der Kläger die seinerzeitigen Arbeitseinkünfte auch tatsächlich im Inland versteuert hat.

34 b) Die Bedenken des Klägers gegen den vom FA gewählten Aufteilungsmaßstab (Anzahl der Monate, in denen der Kläger im Inland besteuert wurde, im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses mit den Unternehmen des A Konzerns und damit im Verhältnis 129/245) verfangen nicht. In den Zeitraum der Inlandsbesteuerung fällt entgegen der Auffassung des Klägers auch die Tätigkeit für die B  bis zum . Denn nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG war für die Bemessung der Abfindung neben dem Alter des Klägers vor allem die (gesamte) Dauer seiner Betriebszugehörigkeit zum A Konzern, mithin einschließlich derjenigen zur B AG, ein entscheidender Faktor.

35 4. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die streitgegenständliche Abfindung ist —jedenfalls in dem Umfang, in dem es vom FA ausgeübt wurde— nicht nach Maßgabe des DBA-Frankreich 1959/2001 ausgeschlossen.

36 a) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich etwaiger (hier nicht einschlägiger) Sonderregelungen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird (Satz 1). Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten nach Satz 2 der Regelung insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile, die von anderen als den in Art. 14 DBA-Frankreich 1959/2001 bezeichneten Personen (das sind bestimmte öffentliche Kassen) gezahlt oder gewährt werden. Eine Entschädigungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes wird folglich vom objektiven Regelungsgegenstand des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich 1959/2001 erfasst (, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, Rz 13).

37 b) Zwar sind Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nach den auf Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (OECD-MustAbk) basierenden DBA nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem innerstaatlichen Recht Arbeitslohn (§ 19 EStG) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MustAbk. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut („dafür“) nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dem prinzipiell angeschlossen (, BStBl I 2006, 532, dort Tz 6.3; s.a.: , BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387, unter II.2.a und vom  - I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, Rz 15). Hieran hält auch der erkennende —seit dem insoweit sachlich zuständige— Senat uneingeschränkt fest.

38 c) Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des I. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat ebenfalls anschließt, wegen des von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk abweichenden Wortlauts nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001. Danach steht das Besteuerungsrecht für Abfindungen grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat und damit im Streitfall Deutschland zu. Indem diese Regelung zur Abgrenzung ihres sachlichen Gegenstands ausdrücklich auf die zahlende Person abstellt (Satz 2) und für die Zuordnung auf den Ort der persönlichen Tätigkeit verweist, „aus der die Einkünfte herrühren“, lässt sie einen —wie vorliegend— lediglich kausalen Zusammenhang („Anlasszusammenhang“) zwischen einem Arbeitsverhältnis und der Zahlung durch einen Arbeitgeber ausreichen (, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, Rz 17). Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 bietet damit eine ausreichende Grundlage, das Besteuerungsrecht für eine solche Entschädigungszahlung ausschließlich dem Ort der früheren (Arbeitnehmer-)Tätigkeit (hier: Deutschland) zuzuordnen (vgl. , BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, Rz 14).

39 d) Dem nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 Deutschland zustehenden Besteuerungsrecht betreffend die Abfindung steht —jedenfalls soweit der Abfindungsbetrag auf die Zeit entfällt, in der der Kläger seinen Wohnsitz sowie Arbeitsort im Inland hatte und auch dort besteuert wurde— die sogenannte Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959/2001 nicht entgegen.

40 aa) Zwar können danach Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines Vertragsstaats (hier: Deutschland) arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaats haben („Grenzgänger“) —abweichend vom Grundsatz des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 und von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk— nur in diesem anderen Staat (hier: Frankreich) besteuert werden.

41 bb) Allerdings kommt eine Besteuerung der Abfindung in Frankreich, soweit diese (rechnerisch) auf die 129 Monate entfällt, in denen der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland hatte und auch dort seine Tätigkeit ausübte, vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger in diesem Zeitraum nicht unter das DBA-Frankreich 1959/2001 fiel. Er unterlag mit seinen in diesem Zeitraum erzielten Einkünften ausschließlich der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland.

42 cc) Soweit der Abfindungsbetrag (rechnerisch) auf die Zeit entfällt, in der der Kläger seine Tätigkeit als Grenzgänger im Sinne des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959/2001 ausgeübt hat, hat das FA von einer Besteuerung abgesehen. Damit kann der Senat offenlassen, ob Abfindungszahlungen —entgegen der Rechtsauffassung des FG— jedenfalls in diesem Umfang von der Grenzgängerregelung in Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959/2001 erfasst werden oder ob durch diese Regelung lediglich das Besteuerungsrecht für Vergütungen des Grenzgängers für eine tatsächlich im anderen Vertragsstaat (hier: Deutschland) ausgeübte Tätigkeit dem Ansässigkeitsstaat (hier: Frankreich) zugewiesen wird.

43 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.010824.VIR52.20.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2024 S. 10 Nr. 43
BAAAJ-77697