Gründe
1I. Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Absenkung des bei ihr festgestellten Grads der Behinderung (GdB).
2Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens setzte der Beklagte nach Beiziehung medizinischer Unterlagen den GdB bei der Klägerin wegen einer Rezidivfreiheit der Krebserkrankung der rechten Brust mit Aufbauplastik nach Eintritt der Heilungsbewährung, einer Herzleistungsminderung und eines Herzklappenfehlers von 50 auf 30 herab (Bescheid vom ). Auf den Widerspruch der Klägerin holte der Beklagte zur Tinnituserkrankung einen Befundbericht bei dem HNO-Arzt F vom ein und half dem Widerspruch nicht ab (Widerspruchsbescheid vom ).
3Während des anschließenden Klageverfahrens hat der Beklagte mit Anhörungsschriftsatz vom die Klägerin über die Einholung des Befundberichts von F vom informiert und mitgeteilt, dass sich daraus kein GdB für den Tinnitus ergebe. Mit weiterem Schriftsatz vom teilte er der Klägerin mit, dass an der bisherigen Entscheidung festgehalten werde. Das SG hat nach Einholung weiterer medizinischer Unterlagen die Klage abgewiesen (Urteil vom ).
4Das LSG ist nach Beiziehung weiterer Befundberichte zu dem Ergebnis gelangt, die Beeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigten nach Ablauf der Heilungsbewährung keinen höheren GdB als 30. Auch seien die formellen Voraussetzungen für eine Aufhebungsentscheidung erfüllt, weil die Klägerin ordnungsgemäß angehört worden sei. Der Beklagte habe die im Widerspruchsverfahren unterlassene Anhörung nach Einholung des Befundberichts von F mit heilender Wirkung in der Tatsacheninstanz mit Schriftsätzen vom 9.3. und nachgeholt, ohne dass es erforderlich gewesen sei, den Befundbericht des F beizufügen (Urteil vom ).
5Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend.
6II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch eine Divergenz ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
7a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 14).
9Die Klägerin versäumt es jedoch, die Klärungsbedürftigkeit der gestellten Frage hinreichend darzulegen. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn das Revisionsgericht darüber zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; zB - juris RdNr 10; - juris RdNr 9). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliegt oder durch die schon ergangenen BSG-Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (stRspr; zB - juris RdNr 10; - juris RdNr 7).
10Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Insbesondere hat die Klägerin keinen fortbestehenden oder neu entstandenen Klärungsbedarf dargelegt. Sie benennt zwar die auch vom LSG angeführten - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2), vom (B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2) und vom (B 7 AL 38/01 R - SozR 3-1300 § 24 Nr 21), setzt sich aber inhaltlich weder mit diesen noch mit anderen Entscheidungen des BSG zu der mit ihrer Frage aufgeworfenen Problematik einer unterlassenen Übersendung von Befundunterlagen im Rahmen einer nachgeholten Anhörung auseinander. Sie prüft demzufolge auch nicht, ob sich aus ihnen Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung zu §§ 24 Abs 1, 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X ergeben. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG setzt die Nachholung einer fehlenden oder fehlerhaften Anhörung während des Gerichtsverfahrens voraus, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen einräumt und im Anschluss zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt ua regelmäßig voraus, worauf die Klägerin auch zu Recht hinweist, dass die Behörde in einem gesonderten Anhörungsschreiben alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will (vgl zB - BSGE 125, 120 = SozR 4-2700 § 123 Nr 3, RdNr 17; - BSGE 122, 302 = SozR 4-1300 § 41 Nr 3, RdNr 16; - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 19; - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 15). Dies gilt insbesondere auch nach der Einholung medizinischer Befunde (so bereits - SozR 3-1300 § 24 Nr 14 - juris RdNr 15 f; - BSGE 46, 57 = SozR 1200 § 34 Nr 3 - juris RdNr 13). In diesem Fall ist es aber grundsätzlich nicht erforderlich, diese Befundunterlagen (auch) in Abschrift oder Kopie zusammen mit dem Anhörungsschreiben zu übersenden (vgl - juris RdNr 15 f; ebenso Mutschler in BeckOGK, Stand , § 24 SGB X, RdNr 26). Die Behörde muss lediglich über den Inhalt und das Ergebnis der Ermittlung informieren und muss grundsätzlich nur auf Verlangen den oder die benannten Untersuchungsbefunde übersenden (vgl - SozR 3-1300 § 24 Nr 15 - juris RdNr 16; - SozR 1300 § 24 Nr 2 - juris RdNr 17; ebenso Apel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl 2023, , § 24 RdNr 35, Stand ). Deshalb ist nach der Rechtsprechung des BSG eine (zusätzliche) Übersendung eingeholter ärztlicher Befundunterlagen im Fall einer Anhörung iS von § 24 Abs 1 SGB X jedenfalls nicht zwingend. Die Anhörungspflicht dient der Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl - BSGE 122, 302 = SozR 4-1300 § 41 Nr 3, RdNr 25). Insbesondere soll der Betroffene Gelegenheit erhalten, durch sein Vorbringen zum Sachverhalt die Verwaltungsentscheidung zu beeinflussen ( - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 16). Die Behörde muss die entscheidungserheblichen Tatsachen in einer Weise unterbreiten, dass der Betroffene sie als solche erkennen und sich zu ihnen, ggf nach ergänzenden Anfragen bei der Behörde, sachgerecht äußern kann (vgl - BSGE 132, 55 = SozR 4-2500 § 136b Nr 1, RdNr 26; - SozR 3-1300 § 24 Nr 21 - juris RdNr 19 mwN).
11Die Klägerin erörtert nicht, warum sich ausgehend von diesen in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäben keine Anhaltspunkte für die Beantwortung der von ihr gestellten Frage ergeben könnten. Ohnehin erschließt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, warum es der rechtskundig vertretenen Klägerin nicht zumutbar oder sie daran gehindert gewesen sein sollte, den Befundbericht des F vom nach der mit Anhörungsschriftsatz vom erfolgten Mitteilung von dessen Beiziehung und Würdigung von dem Beklagten anzufordern oder ggf die Notwendigkeit weiterer diesbezüglicher Auskünfte geltend zu machen.
12Auf die von der Klägerin behauptete, die Bewertung ihrer Ohrgeräusche betreffende inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG bei der Subsumtion im Rahmen ihres Einzelfall kann eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB - juris RdNr 12 mwN).
13b) Der Zulassungsgrund der Divergenz wird von der Klägerin ebenfalls nicht formgerecht bezeichnet.
14Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüber zu stellen (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 6). Zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; zB - juris RdNr 9; B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge). Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 6; - juris RdNr 16).
15Diesen Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin benennt zwar eine Entscheidung des BSG und einen ihrer Ansicht nach dort enthaltenen Rechtssatz. Sie versäumt es jedoch, einen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen LSG-Urteil zu bezeichnen, der zu der in der zitierten Entscheidung des BSG tragenden und die zu demselben Gegenstand gemachten Aussage in Widerspruch steht (vgl zu diesem Erfordernis stRspr; zB B 10 ÜG 2/22 B - juris RdNr 24 mwN).
16Der von der Klägerin aus dem Zusammenhang der LSG-Entscheidung gebildete (vermeintliche) Rechtssatz genügt insoweit nicht. Wie sich aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des LSG ergibt, bezieht sich das Berufungsgericht bei der Bewertung der Schriftsätze des Beklagten vom und auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG zur Nachholung einer erforderlichen Anhörung. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt aber nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht fehlerhaft angewandt haben sollte, sondern erst dann, wenn das LSG Kriterien, die das BSG aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Substantiierte Ausführungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr rügt die Klägerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen der Sache nach nur eine am Maßstab der Rechtsprechung des BSG gemessene (vermeintlich) unzutreffende Subsumtion der konkreten Umstände ihres Einzelfalls. Damit geht ihr Beschwerdevortrag aber nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus.
17c) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
182. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:270824BB9SB1524B0
Fundstelle(n):
RAAAJ-77670