Instanzenzug: Az: 50 KLs 7/22
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt und Kompensationsentscheidungen getroffen.
2Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
I.
3Nach den Feststellungen des Landgerichts besaßen die Angeklagten am in ihrer Wohnung gemeinschaftlich eine Gesamtmenge von 515,41 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 43,5 Gramm THC, die zum gemeinsamen Konsum bestimmt war. Dies hat das Landgericht hinsichtlich beider Angeklagter als minder schweren Fall des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet und die Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) entnommen.
II.
4Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt unter Verwerfung der Rechtsmittel im Übrigen zu einer Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der Strafaussprüche.
51. Der Senat ändert die Schuldsprüche wegen des Inkrafttretens des Konsumcannabisgesetzes zum wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab. Der Straftatbestand des Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist hier gegenüber demjenigen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich.
6Welches Recht gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zur Anwendung kommt, ist aufgrund eines konkreten Gesamtvergleichs im Einzelfall zu ermitteln und hängt hier, weil das Landgericht den Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt hat, davon ab, ob die Taten nach neuem Recht als besonders schwerer Fall (§ 34 Abs. 3 KCanG) zu werten sind – dann wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich – oder der Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung findet. Im letztgenannten Fall ist das neue Recht günstiger (, Rn. 15). Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der allein dem Tatgericht obliegt (vgl. , wistra 2014, 446 Rn. 31; Beschlüsse vom – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; vom – 3 StR 154/24, Rn. 5). Das Revisionsgericht kann den Schuldspruch mithin nur ändern, wenn trotz der hier besessenen nicht geringen Menge ausgeschlossen ist, dass der Tatrichter bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG angenommen hätte (, aaO).
7Hier kann der Senat entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts sicher davon ausgehen, dass das Landgericht die Indizwirkung des Regelbeispiels für widerlegt erachtet hätte. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall – wenn auch noch unter Geltung des Betäubungsmittelgesetzes – auf der Grundlage zahlreicher gewichtiger strafmildernder Gesichtspunkte angenommen und diesen lediglich die deutliche Überschreitung der nicht geringen Menge gegenübergestellt. Dass die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten – bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes unzutreffend (vgl. , Rn. 8) – veranschlagt hat, dass es sich „bei Marihuana um eine weiche Droge“ handele, ändert daran nichts. Aufgrund der sonst von der Strafkammer zugunsten der Angeklagten genannten Umstände und aufgrund der Orientierung der verhängten Freiheitsstrafen am unteren Rand des ermittelten Strafrahmens fiel dieser Gesichtspunkt ersichtlich nicht ins Gewicht.
8Der Senat ändert die Schuldsprüche mithin wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht der Änderung der Schuldsprüche nicht entgegen, weil sich die geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
9Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Erwerbs von Cannabis kommt dagegen – anders als vom Generalbundesanwalt beantragt – nicht in Betracht. Zwar legen die Urteilsgründe nahe, dass die Angeklagten die am besessene Gesamtmenge zuvor im Rahmen verschiedener Erwerbsvorgänge gekauft haben. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind indessen für eine Verurteilung der Angeklagten nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG nicht ausreichend, da ihnen Anhaltspunkte für konkrete Ankäufe nicht zu entnehmen sind (zu § 29 BtMG vgl. Patzak in Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 892). Der Senat schließt im Hinblick darauf, dass die für eine Verurteilung wegen Erwerbs nicht ausreichenden Feststellungen des Landgerichts zu möglichen Erwerbshandlungen allein auf den Angaben der Angeklagten beruhen, aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung neue oder weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Erwerbs tragen.
102. Die Änderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG ist niedriger als der vom Landgericht angewandte Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 KCanG noch niedrigere Freiheitsstrafen verhängt hätte.
11Die zu den Strafaussprüchen gehörigen Feststellungen werden von der Aufhebung der Strafaussprüche nicht berührt und bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO; vgl. auch , Rn. 18). Gleiches gilt für die für sich rechtsfehlerfreien Kompensationsentscheidungen (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 422/23, Rn. 19; vom – 2 StR 449/23, Rn. 10).
III.
12Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht – Strafrichter – Siegburg zurück (§ 354 Abs. 3 StPO), da dessen Strafgewalt für die Rechtsfolgenerwartung der diesem Verfahren zugrundeliegenden Taten der Angeklagten ausreichend ist.
Menges Zeng Lutz
Zimmermann Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300724B2STR140.24.0
Fundstelle(n):
YAAAJ-77565