Instanzenzug: LG Berlin I Az: 527 KLs 17/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch bedarf der Korrektur, weil sich die Handelstätigkeit des Angeklagten in den zur Verurteilung gelangten Fällen auf Marihuana und damit auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 des am in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes (KCanG, BGBl. I 2024 Nr. 109) bezog, das den Umgang mit zum Konsum bestimmten Cannabis nunmehr abschließend regelt. Da sich die hier in Betracht kommenden Strafdrohungen von § 34 Abs. 1, Abs. 3 KCanG in jedem Fall als milder erweisen, als diejenige des vom Landgericht zur Anwendung gebrachten § 29a Abs. 1 BtMG, hat der Senat dies nach § 2 Abs. 3 StGB auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Dies führt entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO zur Änderung der Schuldsprüche. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der weitgehend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
32. Die aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugemessenen Einzelstrafen können angesichts der deutlich milderen Strafdrohungen nach § 34 Abs. 1, Abs. 3 KCanG keinen Bestand haben, auch wenn das Landgericht die nach dem ihm bekannten Entwurf zum KCanG herabgesetzte Gefährlichkeit von Cannabis strafmindernd berücksichtigt hat. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend angemerkt hat, wird sich das neue Tatgericht gegebenenfalls mit dem Vollstreckungsstand hinsichtlich der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom zu befassen haben, weil dieses erst nach den in Rede stehenden Taten ergangen ist und deshalb zur Erörterung der Einbeziehungsfähigkeit der Sanktion in eine zu bildende Gesamtstrafe nach § 55 Abs. 1 StGB drängte (vgl. 5 StR 118/23Rn. 3 f.).
43. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen kann keinen Bestand haben.
5a) Zu den im Fall 2 der Urteilsgründe eingezogenen 22.000 Euro hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt, das Landgericht sei
einen Beweis dafür schuldig geblieben, ob und inwieweit der Angeklagte Mitverfügungsgewalt an dem gesamten Kaufpreis über 22.000 EUR, der für die gemeinsam mit dem EncroChat-Nutzer „n. “ verkauften und von diesem übergebenen vier Kilogramm Marihuana von einem unbekannten Erwerber gezahlt wurde, erhielt. Er ergibt sich selbst im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe weder aus der Einlassung des Angeklagten (UA S. 13) noch aus der zwischen ihm und „n. “ geführten EncroChat-Kommunikation vom (UA S. 15). Allein die mittäterschaftliche Tatbeteiligung genügt für sich betrachtet aber nicht zur Annahme tatsächlicher Verfügungsgewalt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Ju-ni 2020 – 5 StR 154/20, Rn. 3; , Rn. 4).
6Dem schließt sich der Senat an.
7b) Darüber hinaus begegnet die Einziehung aber auch in den Fällen 9 und 10 der Urteilsgründe durchgreifenden Bedenken.
8aa) Im Fall 9 hat die Strafkammer in den Feststellungen ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, an wen der Angeklagte die von ihm vorgehaltenen 30 Kilogramm Marihuana „gewinnbringend weiterveräußerte“. Selbst wenn man dieser Formulierung noch entnehmen wollte, dass sich das Landgericht von einem gewinnbringenden Weiterverkauf überzeugt hat, ist ein solcher beweiswürdigend nicht belegt. Die Beweiswürdigung zu diesem Fall verhält sich nur dazu, dass der Angeklagte tatsächlich insgesamt 30 Kilogramm Marihuana vorrätig hielt, die er weiterverkaufen wollte, nicht aber dazu, dass er tatsächlich – gegebenenfalls in welcher Höhe – einen Erlös erzielte und darüber Verfügungsgewalt erlangte.
9bb) Im Fall 10 der Urteilsgründe ist lediglich festgestellt, dass der Angeklagte fünf Kilogramm Marihuana für 5.100 Euro pro Kilogramm weiterverkaufte und die Drogen durch einen Kurier an den Abnehmer ausliefern ließ. Der Erhalt des Kaufpreises durch den Angeklagten, zu dem sich auch die Beweiswürdigung nicht verhält, ist damit nicht ausdrücklich festgestellt oder belegt; dass sich das Geständnis des Angeklagten ausdrücklich darauf bezogen hat, lässt sich den Urteilsgründen ebenfalls nicht entnehmen.
104. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von der durch die Gesetzesänderung bedingten Aufhebung nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Auch die bislang getroffenen Feststellungen zur Einziehungsentscheidung sind rechtsfehlerfrei und haben Bestand; sie können durch solche ergänzt werden, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Cirener Gericke Mosbacher
Resch von Häfen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:240924B5STR321.24.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-76824