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Zukünftige Rechtsprechung zur Kassenführung?
Wie die neue Form der Kassenführung mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme Einfluss auf die Rechtsprechung der Finanzgerichte nehmen könnte
Wir wollen heute ein wenig in die Glaskugel schauen: Während sich viele finanzgerichtliche Grundsatzentscheidungen zur Kassenführung aus den bisherigen zahlreichen Urteilen auf Veranlagungszeiträume vor 2017 bzw. 2020 beziehen, haben sich auf dem Gebiet der Kassenführung zwischenzeitlich wesentliche Änderungen ergeben.
Seit dem (um ganz genau zu sein, bereits seit dem ; denn am Tag davor wurde das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen veröffentlicht) gilt nunmehr die gesetzlich normierte Einzelaufzeichnungspflicht. Hinzu kommt, dass spätestens seit dem sämtliche elektronische Aufzeichnungssysteme (eAS), die über eine Kassenfunktion verfügen, mit einer gültigen, vom BSI zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (zTSE) ausgerüstet sein müssen. Und auch bei Nutzung solcher eAS gilt die explizit in § 146a Abs. 1 Satz 1 AO normierte Einzelaufzeichnungspflicht.
Sowohl die Betriebsprüfung als auch die steuerberatenden Berufe müssen sich jetzt verstärkt mit der Digitalisierung und den damit einhergehenden neuen Formen der Prüfung von Kasseneinzeldaten auseinandersetzen. Nicht nur neue oder sich weiterentwickelnde Prüfungsmethoden (Visualisierung, Verprobung, Stochastik u. v. m.), sondern auch neu eingesetzte Prüfsoftwares (z. B. Microsoft PowerBI oder AmadeusVerify) oder die Kombination neuer Softwares mit der bisher genutzten Prüfsoftware IDEA werden bei zukünftigen Einspruchs- und Klageverfahren eine Rolle spielen. Für die Gerichte bedeutet dies, dass sich zukünftige Entscheidungen mit neuen Grundsatzfragen zur Kassenführung befassen müssen, die bis dato noch von keinem Finanzgericht oder dem BFH eindeutig entschieden wurden.
S. 884
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I. Historische Betrachtung der Schätzungen bei bargeldintensiven Betrieben
Für Betriebsprüfer war es vermeintlich ein Leichtes, über formelle Kassenmängel die Buchführung zu verwerfen. In einer Vielzahl von Prüfungsfällen einigte man sich bereits im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung, um Rechtsbehelfe und Klagen zu verhindern.
Nur in wenigen Fällen wurden die durch die Betriebsprüfung erlassenen Änderungsbescheide mit Rechtsmitteln angefochten. Kam es zum Klageverfahren, einigte man sich hier spätestens im Erörterungsverfahren. Viele Steuerpflichtige scheuten die Kosten des Klageverfahrens, ausgelöst durch Verteidiger- und Gutachterkosten und auch die reinen Kosten des gerichtlichen Verfahrens dürfen nicht vergessen werden.
[i]Vielzahl von FG- und BFH-Entscheidungen zur mängelbehafteten Kassenführung Trotzdem gab es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Finanzgerichts- und BFH-Entscheidungen, in denen die mängelbehaftete Kassenführung eine wesentliche Rolle gespielt hat. Allein 42 Urteile, die seit dem ergangen sind, beschäftigen sich mit Mängeln in der Kassenführung.
Schwer taten sich die Gerichte bei Entscheidungen, in denen elektronische Registrierkassen eingesetzt wurden. So entschied bspw. der BFH in seiner Entscheidung vom , dass das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher Programmänderungen jeweils einen formellen Mangel darstellt, der grundsätzlich schon für sich betrachtet eine Hinzuschätzung rechtfertigt.
[i]Hinzuschätzungen wegen fehlender Programmierprotokolle Praktiker hätten sich an dieser Stelle gewünscht, dass sich der BFH grundlegend mit dem Thema „Programmierprotokoll“ auseinandersetzt. Auch heute noch erreichen uns E-Mails von Steuerberatern, die sich darüber beschweren, dass wegen fehlender Programmierprotokolle Hinzuschätzungen angedroht und auch festgesetzt werden, obwohl der Steuerpflichtige Einzeldaten einer elektronischen Registrierkasse und somit Grundaufzeichnungen vorlegen kann oder gar ein PC-Kassensystem (= eAS i. S. des § 146a AO) nutzt.
Zwischenzeitlich hat der BFH in seinem Urteil vom bei der Frage der Schätzungsbefugnis von Altkassen, deren objektive Manipulierbarkeit sich erst nach Jahren des Gebrauchs nachträglich herausstellt, erneut Stellung zu „fehlenden Protokollen über Umprogrammierungen einer Registrierkasse“ (= dokumentations- und aufbewahrungspflichtige Organisationsunterlage i. S. des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO) genommen. Demnach ist bei den Dokumentationsanforderungen zwischen der Firmware der Registrierkasse einerseits und den Einstellungen der Kasse andererseits zu unterscheiden.