Instanzenzug: Az: 613 KLs 14/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 33 Fällen, davon in 17 Fällen in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit einer verfahrensrechtlichen Beanstandung und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur weitgehenden Aufhebung der Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafenausspruchs; überdies war die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen abzuändern.
3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte – mit Ausnahme der Fälle II.18 und 19 – Mitglied einer auf das Handeltreiben mit Kokain und Cannabis befassten Bande und betätigte sich als Fahrer eines „Drogentaxis“. In den Fällen II.1 bis 17 veräußerte er an 17 Tagen Marihuana in jeweils nicht geringer Menge, in den Fällen II.18 bis 35 an 18 Tagen Marihuana und Kokain.
4In den Fällen II.18, 23 und 27 erreichten die Wirkstoffmengen der beiden gehandelten Drogen jeweils den Grenzwert zur nicht geringen Menge für sich genommen jeweils nicht, sondern erst durch deren Addition. In den Fällen II.20, 24, 28, 31, 34, 35 handelte er mit jeweils nicht geringen Mengen Marihuana und Kokain. In den Fällen II.19, 21, 22, 25, 29, 30, 32, 33 war der Grenzwert zur nicht geringen Menge schon allein durch das Marihuana überschritten, das gehandelte Kokain lag für sich genommen unter dem Grenzwert. Im Fall II.26 war es umgekehrt, allein das Kokain stellte eine nicht geringe Menge dar, das Marihuana lag unter dem Grenzwert.
5b) Da sich die festgestellten Handlungen in den Fällen II.1 bis 17 ausschließlich und in den Fällen II.18 bis 35 teilweise auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG beziehen, hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem geltende Strafvorschrift des § 34 KCanG (BGBl. I 2024 Nr. 109) als hier milderes Recht zur Anwendung zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 1/24; vom – 5 StR 136/24).
6aa) Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatgeschehen sind die Fälle II.1 bis 17 rechtlich als bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG) in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) zu werten.
7Das neue Recht erweist sich hier vor dem Hintergrund der gegenüber § 30a Abs. 1 und 3 BtMG milderen Strafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG und mit Blick auf die vom Landgericht konkret in Bezug genommenen Strafzumessungserwägungen als das mildere.
8bb) In den Fällen II.18 und 19 ist der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis schuldig. In beiden Fällen ist hinsichtlich des Kokains der Grenzwert zur nicht geringen Menge nicht erreicht; eine unter dem einheitlichen Regime des Betäubungsmittelgesetzes noch mögliche Addition der Wirkstoffmengen unterschiedlicher Drogen kommt aufgrund der neuen Rechtslage nicht mehr in Betracht. Allein deshalb führt das neue Recht zu milderen Ergebnissen, weil die Anwendbarkeit des Strafrahmens des § 29a Abs. 1 BtMG ausscheidet.
9cc) In den Fällen II.20, 24, 26, 28, 31, 34, 35 hat sich der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 Nr. 1 BtMG), davon in den Fällen II.20, 24, 28, 31, 34, 35 in Tateinheit mit bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG) und im Fall II.26, in dem hinsichtlich des Marihuanas der Grenzwert der nicht geringen Menge nicht überschritten ist und in dem deshalb die Anwendung der Bandenqualifikation nicht in Betracht kommt, in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) strafbar gemacht. Die Änderung des Schuldspruchs ist geboten, weil dadurch die angemessene Behandlung des vom Gesetzgeber als weniger erheblich betrachteten Umgangs mit Cannabis zum Ausdruck gebracht und ermöglicht wird.
10dd) Die Fälle II.21 bis 23, 25, 27, 29, 30, 32, 33 sind rechtlich als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), davon in den Fällen II.21, 22, 25, 29, 30, 32, 33 in Tateinheit mit bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG) und in den Fällen II.23, 27 in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu werten. Hier ist wegen der nicht mehr möglichen Addition der Wirkstoffmengen nunmehr die Anwendung des § 30a BtMG ausgeschlossen, was wiederum dazu führt, dass sich das neue Recht als milder erweist.
11ee) Die konkurrenzrechtliche Betrachtung des Landgerichts ist – anders als der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angenommen hat – rechtsfehlerfrei. Der Angeklagte gab die am Ende einer Tagesschicht nicht veräußerten Verkaufsmengen wieder zurück; sich zu einer Bewertungseinheit überschneidende Handlungen lagen mithin nicht vor (vgl. Rn. 32). Der Senat ist trotz des anderslautenden Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, die Revision insoweit nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen (vgl. Rn. 25 mwN).
12c) Der Senat stellt den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
13d) Die Einzelstrafen können überwiegend nicht bestehen bleiben.
14aa) Dies gilt in den Fällen II.1 bis 19, 21 bis 23, 25, 27, 29, 30, 32 und 33, weil nach den obigen Ausführungen insoweit jeweils mildere Strafrahmen zur Anwendung kommen.
15bb) Anders verhält es sich nur in den Fällen II.20, 24, 26, 28, 31, 34 und 35, in denen der Angeklagte neben dem Handel mit Cannabis jeweils mit nicht geringen Mengen Kokain handelte. Die aus dem weiterhin nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB maßgeblichen Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG unter Beachtung der Sperrwirkung nach § 30 Abs. 1 BtMG zugemessenen Einzelstrafen können Bestand haben, weil der Senat ausschließt, dass der Anteil des gehandelten Cannabis daneben erheblich ins Gewicht gefallen ist.
16e) Der Wegfall der genannten Einzelstrafen zieht auch die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Die Feststellungen können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
172. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist angesichts des vom Landgericht selbst in den Urteilsgründen benannten Rechenfehlers um 70 Euro zu reduzieren.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180724B5STR197.24.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-76021