BGH Beschluss v. - 4 StR 239/24

Instanzenzug: LG Bochum Az: II-12 KLs 3/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Dem Angeklagten ist auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision zu gewähren.

21. Dem Antrag liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3Gegen das in seiner Anwesenheit am verkündete Urteil hat der Angeklagte durch beim Landgericht per Telefax am ein­ge­gangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage Revision eingelegt und diese sogleich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Der Schriftsatz trägt den Aufdruck „wg. aktueller beA-Störung per Fax“. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe und Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat das die Revision als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die Revisionseinlegung durch Verteidigerschriftsatz per Telefax nicht dem Formerfordernis der elektronischen Übermittlung (§ 32d StGB) genüge und die ausnahmsweise zulässige Ersatzeinreichung als Faxdokument im Störungsfall der elektronischen Übermittlung nicht glaubhaft gemacht worden sei (§ 32d Satz 4 StPO). Neben der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses an den Verteidiger ist auch die formlose Übersendung an den Angeklagten persönlich richterlich verfügt und noch am selben Tage von der Geschäftsstelle ausgeführt worden. Der Verteidiger hat den Beschluss am empfangen. Er hat mit beim Land­gericht am eingegangenem Schriftsatz für den Angeklagten hiergegen „insgesamt“ sofortige Beschwerde eingelegt und die Entscheidung des Revisionsgerichts sowie vorsorglich Wiedereinsetzung beantragt. Zur Begrün­dung hat der Verteidiger ausgeführt, dass er von einer gerichtsbekannten Störung des elektronischen Rechtsverkehrs zum Zeitpunkt der Revisionseinlegung ausgegangen sei, und angegeben, den Angeklagten nicht von dem Verwerfungs­beschluss in Kenntnis gesetzt zu haben. Zudem hat er vorsorglich die Glaubhaft­machung der vorübergehenden Störung nachgeholt und den Revisionseinlegungsschriftsatz erneut übermittelt.

4Der Generalbundesanwalt hat beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zu verwerfen, weil dieser keine ausreichenden Angaben zum Zeitpunkt des Wegfalles des Hindernisses für die Säumnis enthalte.

52. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig. Er wahrt auch die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO zwischen Wegfall des Hindernisses und Antragseingang.

6a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht der Generalbundesanwalt davon aus, dass zur formgerechten Anbringung eines Wiedereinsetzungsantrags ge­hört, dass der Antragsteller innerhalb der Wochenfrist auch mitteilt, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand, und es dabei auf die Kenntnis des Angeklagten selbst dann ankommt, wenn der Verteidiger – wie hier – eigenes Verschulden geltend macht (vgl. Rn. 3 mwN; Beschluss vom – 3 StR 197/18 Rn. 3 mwN). Jedoch kann ausnahmsweise ein fehlender Vortrag hierzu entbehrlich sein, wenn weder die dargestellte Sachlage noch der Akten­inhalt irgendeinen Anhalt dafür bieten, wie der Angeklagte vor seinem Verteidiger Kenntnis von der unzureichenden Übermittlung der Revisionseinlegungsschrift durch dessen Büro erlangt haben könnte (vgl. Rn. 12; Beschluss vom – 4 StR 237/22 Rn. 1).

7b) So liegt der Fall hier. Eine Kenntnisnahme des Angeklagten von der Fristversäumung vor dem ist ausgeschlossen. Dem aus der Verfahrensakte insoweit offensichtlichen (vgl. Rn. 4 mwN) zeitlichen Ablauf ist zu entnehmen, dass der Verteidiger den Verwerfungsbeschluss am empfangen hat. Vor diesem Datum kann dem Angeklagten der Verwerfungsbeschluss nicht bekannt gemacht worden sein. Denn der Beschluss ist erst am Vortag, dem , erlassen und dessen Übersendung per Post an den Angeklagten durch die Geschäftsstelle veranlasst worden. Bei normaler Postlaufzeit von einem Werktag (vgl. Rn. 2) hat der Angeklagte den – die Kenntnis der Säumnis vermittelnden – Beschluss am selben Tag wie sein Verteidiger erhalten. Damit ist die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO durch Antragseingang beim Landgericht am gewahrt worden.

83. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Den Angeklagten trifft an der unzureichenden Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Einreichung der Revision als elektronisches Dokument (vgl. hierzu Rn. 3 mwN) seines Verteidigers kein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO). Dessen Verschulden wird ihm nicht zugerechnet (vgl. Rn. 9 mwN; Beschluss vom – 1 StR 671/16 Rn. 5).

94. Da das Landgericht bereits ein vollständiges Urteil abgefasst hat und dieses zudem wirksam zugestellt worden ist, bedarf es keiner Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe oder dessen Zustellung. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision (vgl. Rn. 15 mwN; Beschluss vom – 4 StR 237/22 Rn. 3 mwN).

105. Wegen der gewährten Wiedereinsetzung ist dem Verwerfungs­be­schluss des Landgerichts die Grundlage entzogen. Dies ist klarstellend auszu­sprechen (vgl. ; BeckOK StPO/Wiedner, 52. Ed., § 346 Rn. 37).

Quentin                       Scheuß                       Dietsch

                     Marks                    Tschakert

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:270824B4STR239.24.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-76017