BGH Beschluss v. - 3 StR 245/24

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 3 KLs 17/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 150 € angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen stach der Angeklagte auf offener Straße mit einer Rasierklinge mehrfach in Richtung des Oberkörpers eines Passanten, um dessen Umhängetasche an sich zu bringen, traf ihn aber nicht. Dabei nahm er billigend in Kauf, den Mann zu verletzen. Aus Angst erhob der Passant die Arme, woraufhin es dem Angeklagten gelang, ihm die Tasche zu entreißen. Anschließend lief der Angeklagte davon. Der Geschädigte ergriff einen Stock, eilte hinterher und holte ihn ein. Unter dem Druck der Verfolgung ließ der Angeklagte die Tasche fallen, nachdem er ihr Bargeld sowie Schmuck im Gesamtwert von 150 € entnommen hatte, und floh weiter, bis er von Polizeibeamten festgenommen wurde.

3II. Die Verfahrensbeanstandung hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen keinen Erfolg.

4III. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung mit Ausnahme der getroffenen Feststellungen.

51. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil es die Strafkammer rechtsfehlerhaft unterlassen hat, einen strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten Versuch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB zu erörtern, obwohl der festgestellte Sachverhalt hierzu gedrängt hat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:

„a) Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, stellt dies einen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. hierzu , juris Rn. 4 f.; Beschluss vom - 2 StR 306/21, juris Rn. 6; Beschluss vom - 4 StR 514/20, juris Rn. 7; Beschluss vom [...] - 4 StR 596/19, juris Rn. 6; Beschluss vom - 1 StR 83/18, juris Rn. 5; Beschluss vom - 2 StR 353/17, juris Rn. 5).

Vorliegend lassen die Urteilsgründe Ausführungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung - dem sogenannten Rücktrittshorizont - gänzlich vermissen. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild im Anschluss an das Ergreifen der Tasche des Geschädigten in der Lage gewesen wäre, diesen weiter mit der Rasierklinge zu attackieren und aus welchen Gründen er hiervon absah. Dies wäre jedoch zwingend erforderlich gewesen, da der objektive Geschehensablauf es nicht fernliegend erscheinen lässt, dass der Angeklagte mit Wegnahme der Tasche sein Ziel erreicht und freiwillig von weiteren Stichen mit der Rasierklinge in Richtung des bis dahin unverletzt gebliebenen Geschädigten abgesehen hat (unbeendeter Versuch). Auch im Zuge der sich unmittelbar anschließenden Verfolgung durch den Geschädigten attackierte der Angeklagte diesen nicht erneut, obwohl ihm dies - nach den Feststellungen spricht nichts gegen diese Annahme - rein tatsächlich ohne weiteres möglich gewesen wäre.

b) Die in Bezug auf § 224 StGB außertatbestandliche Zielerreichung in Form der Wegnahme der Wertgegenstände und die damit verbundene, vom Täter erkannte Nutzlosigkeit der Tatfortsetzung führt indes weder zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs noch wird dadurch die Freiwilligkeit eines Rücktritts ausgeschlossen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 137/23, juris Rn. 9; [vom] - 3 StR 120/22, juris Rn. 18; vom - 3 StR 325/13, NStZ 2014, 202; vom - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 230 ff.).“

6Dem schließt sich der Senat an.

72. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, die sich auf die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen besonders schweren Raubes erstreckt (vgl. , BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; Beschluss vom - 3 StR 27/18, NStZ 2019, 659 Rn. 12 mwN). Dies entzieht dem gesamten Rechtsfolgenausspruch die Grundlage, so dass er ebenfalls aufzuheben ist.

83. Die ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen können hingegen bestehen bleiben; denn der aufgezeigte rechtliche Mangel berührt sie nicht (s. § 353 Abs. 2 StPO). Er liegt vielmehr darin begründet, dass es das Landgericht unterlassen hat, weitere Feststellungen hinsichtlich der Unfreiwilligkeit des Rücktritts zu treffen. Vorbehaltlich eines Vorgehens nach § 154a Abs. 2 StPO wird dies die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer in Ergänzung der aufrechterhaltenen nachzuholen haben.

9Eine Aufhebung tatsächlicher Feststellungen hat auch der Generalbundesanwalt bei sachgerechter Auslegung seiner Antragsschrift (vgl. , juris Rn. 7; BeckOK StPO/Wiedner, 52. Ed., § 349 Rn. 32) eingedenk des Wortlauts seines Aufhebungsantrags nicht begehrt. Er hat diesen Antrag allein damit begründet, dass das Landgericht keine Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung getroffen hat. Die Beweiswürdigung zur Überzeugung der Strafkammer von dem in den Urteilsgründen geschilderten - auch für den besonders schweren Raub bedeutsamen - objektiven und subjektiven Tatgeschehen hat er demgegenüber ausdrücklich als rechtsfehlerfrei beurteilt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:200824B3STR245.24.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-75940