BAG Urteil v. - 8 AZR 24/24

Bewerbungsverfahrensanspruch - sachgrundlose Befristung

Leitsatz

1. Die Entscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, Bewerber von der Auswahl für eine im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzende Stelle auszunehmen, bei denen eine wirksame sachgrundlose Befristung wegen einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht rechtssicher möglich ist, ist Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung.

2. Die Organisationsentscheidung, eine Stelle im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzen und nur Bewerber in die Auswahl einzubeziehen, mit denen eine entsprechende sachgrundlose Befristung nicht wegen einer Vorbeschäftigung möglicherweise unwirksam ist, hält sich regelmäßig im Rahmen des dem öffentlichen Arbeitgeber zustehenden weiten Organisationsermessens.

Instanzenzug: ArbG Osnabrück Az: 2 Ca 348/21 Ö Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 4 Sa 913/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land die Klägerin in die Auswahl um sachgrundlos befristet ausgeschriebene Arbeitsverhältnisse einzubeziehen hat, obwohl zwischen den Parteien bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

2Die Klägerin verfügt über einen Bachelor- und Masterabschluss im Fach Soziale Arbeit. Während ihres Studiums schloss sie im Zeitraum von Oktober 2016 bis Juli 2020 insgesamt sieben befristete und auf die jeweilige Vorlesungszeit von vier bis fünf Monaten begrenzte Arbeitsverträge mit dem beklagten Land. Im Rahmen dieser befristeten Arbeitsverträge war sie als Tutorin an der Universität V eingesetzt.

3Ende Juli 2021 schrieb das beklagte Land ua. für die M in B eine Stelle für eine sozialpädagogische Fachkraft in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung ab dem aus. In der Ausschreibung heißt es unter „Befristungsart“ nur „befristet bis “, ohne einen Hinweis, dass eine sachgrundlose Befristung beabsichtigt sei. Die Klägerin bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. Am meldete sich das Regionale Landesamt für Schule und Bildung bei der Klägerin und teilte ihr mit, dass sie aufgrund der Beschäftigungen als studentische Hilfskraft während ihres Studiums „bewerbungsunfähig“ sei.

4Gleichlautende Ausschreibungen erfolgten durch das beklagte Land für mehrere Schulen. Die Mittel für die Stellen stammten aus den pandemiebezogenen Aktionsprogrammen „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und „Startklar in die Zukunft“ des niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie.

5Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, einem öffentlichen Arbeitgeber sei es ohne hinreichende sachliche Begründung nicht gestattet, Stellen nur befristet auszuschreiben. Andernfalls werde der Bewerberkreis unzulässig beschränkt. Der generelle Ausschluss aufgrund von Vorbeschäftigungen stelle kein sachgerechtes Kriterium für die Bewerberauswahl dar. Ein Ausschluss von Bewerbern mit Vorbeschäftigung sei in Bezug auf die Stelle an der M in B auch deshalb nicht möglich, weil in der Stellenausschreibung die Absicht einer sachgrundlos befristeten Besetzung nicht erwähnt sei. Allein der Hinweis auf die Befristung der Stelle genüge nicht. Im Übrigen könne mit der Klägerin ein Arbeitsvertrag wirksam sachgrundlos befristet werden, weil es sich bei der Tutorentätigkeit an der Universität um eine, der Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehende Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG handele. Die Feststellungsanträge seien zulässig, weil sie beabsichtige, sich auch künftig auf befristet ausgeschriebene Stellen zu bewerben, und zu erwarten sei, dass das beklagte Land sie aufgrund ihrer Vorbeschäftigungen weiterhin nicht berücksichtigen werde.

6Die Klägerin hat beantragt,

7Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Nachdem der Zeitraum, für den die befristete Tätigkeit an der M vorgesehen war, zum abgelaufen ist, haben die Parteien den Rechtsstreit bezogen auf den Antrag zu 1. im Berufungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht dem beklagten Land im Berufungsurteil die Kosten nach § 91a Abs. 1 ZPO auferlegt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diese ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 8 AZB 2/24 - anhängig. Die Berufung der Klägerin in Bezug auf die Feststellungsanträge zu 2. und zu 3. hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Feststellungsanträge weiter. Das beklagte Land begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

9Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin in Bezug auf die Feststellungsanträge im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Feststellungsanträge haben keinen Erfolg.

10I. Die Feststellungsanträge der Klägerin bedürfen der Auslegung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind sie nicht als ein einheitliches Feststellungsbegehren, sondern als zwei gesondert zur Entscheidung gestellte Anträge anzusehen.

111. Das Revisionsgericht hat prozessuale Erklärungen selbstständig auszulegen. Klageanträge sind entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) so auszulegen, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht. Für das Verständnis eines Klageantrags ist deshalb nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Die Grenzen der Auslegung oder auch der Umdeutung eines Klageantrags sind jedoch erreicht, wenn ein Kläger unmissverständlich ein bestimmtes Prozessziel verfolgt, auch wenn dieses Vorgehen seinem wohlverstandenen Eigeninteresse widerspricht. Dies dient nicht zuletzt der hinreichenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klagegegners als Erklärungsadressaten ( - Rn. 15 mwN).

122. Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich um zwei gesondert zu entscheidende Feststellungsanträge. Für dieses Verständnis streitet bereits der Wortlaut nach dem der zu 3. gestellte Feststellungsantrag ausdrücklich nur „hilfsweise zum Feststellungsantrag zu 2.“ gestellt sein soll. Danach wird der weitere Feststellungsantrag nur für den Fall des Unterliegens mit dem ersten Feststellungsantrag zur Entscheidung gestellt. Das verdeutlicht, dass es sich um zwei getrennt zu betrachtende Anträge handelt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage der Partei entspricht. Das gilt unabhängig davon, ob der erste Feststellungsantrag für sich betrachtet mangels Feststellungsinteresse als unzulässig anzusehen ist. Jedenfalls nachdem sich die Klägerin in der Revisionsbegründung das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts, es handele sich um ein einheitliches Feststellungsbegehren, ausdrücklich nur hilfsweise zu eigen macht, überschreitet ein dahin gehendes Verständnis die Grenzen der zulässigen Auslegung. Die Klägerin stellt insoweit klar, dass sie zwar in erster Linie die Feststellung ihrer „Bewerbungsfähigkeit“ im Hinblick auf sachgrundlos befristet ausgeschriebene Arbeitsverhältnisse klären möchte, die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung sich aber gerade nicht auf sachgrundlose Befristungen beschränkt. Damit verfolgt die Klägerin unmissverständlich ein bestimmtes Prozessziel, sodass zunächst der sowohl auf Sachgrundbefristungen als auch auf sachgrundlose Befristungen bezogene Hauptantrag zu entscheiden ist. Erst wenn dieser nicht erfolgreich ist, kann der konkret auf sachgrundlose Befristungen zugeschnittene Hilfsantrag entschieden werden.

13II. Der so verstandene weite Hauptantrag (Antrag zu 2.) ist unzulässig.

141. Er genügt zwar den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da trotz seiner Weite - anhand der vorgenommenen Auslegung - erkennbar ist, für welche Fälle die Klägerin die beantragte Feststellung begehrt. Der Umstand, dass der Antrag eine Vielzahl von Konstellationen umfasst, macht ihn daher nicht unbestimmt (vgl.  - Rn. 19 mwN, BAGE 172, 292).

152. Dem Hauptantrag fehlt jedoch das Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin legt nicht nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen ihre Vorbeschäftigungen dazu führen könnten, dass eine spätere Sachgrundbefristung möglicherweise unwirksam sein könnte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass aufgrund der Vorbeschäftigungen eine rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung mit Sachgrund ernsthaft in Betracht käme, sodass ein rechtliches Interesse bestünde, die Rechtslage insoweit zu klären (vgl. zu den Voraussetzungen einer unzulässigen Kettenbefristung  - Rn. 23 ff. mwN, BAGE 157, 125).

16III. Der ausschließlich auf sachgrundlose Befristungen bezogene hilfsweise gestellte Feststellungsantrag (Antrag zu 3.) ist zulässig.

171. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Klage erst in der Berufungsinstanz um den Hilfsantrag ergänzt hat. Das Landesarbeitsgericht hat die hilfsweise Klageerweiterung nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 533 ZPO als zulässig angesehen. Das ist in der Revisionsinstanz in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO nicht mehr zu überprüfen (vgl.  - Rn. 66 mwN).

182. Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse, ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 ZPO zwischen den Parteien zu klären. Eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO kann sich auch auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage. Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ist allerdings nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag ein zwischen den Parteien bestehender Streit über Leistungsverpflichtungen insgesamt bereinigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann ( - Rn. 15 mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin macht geltend, sich auch künftig auf Stellen des beklagten Landes bewerben zu wollen, die sachgrundlos befristet ausgeschrieben werden. Solche künftigen Bewerbungsverhältnisse stellen Rechtsverhältnisse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO dar ( - zu B I der Gründe; vgl. auch  - Rn. 11). Der Annahme eines rechtlichen Interesses steht nicht entgegen, dass die Klägerin zwischenzeitlich ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Schulträger begründet hat, weil das künftige Bewerbungen beim beklagten Land nicht ausschließt. Das beklagte Land beruft sich auch weiterhin darauf, es müsse die Klägerin aufgrund ihrer Vorbeschäftigungen nicht in die Auswahlentscheidung betreffend künftig sachgrundlos befristet ausgeschriebener Stellen einbeziehen. Dieser Streit kann zwischen den Parteien durch die Feststellungsklage abschließend geklärt werden.

19IV. Der Antrag festzustellen, dass das beklagte Land nicht berechtigt ist, die Klägerin von der Auswahl um sachgrundlos befristet ausgeschriebene Arbeitsverhältnisse wegen ihrer Vorbeschäftigungszeiten auszuschließen, ist unbegründet.

201. Das Landesarbeitsgericht geht insoweit zutreffend davon aus, dass es sich um einen unteilbaren Globalantrag handelt. Die Klägerin möchte festgestellt wissen, dass ihre Bewerbungen auf sachgrundlos befristet ausgeschriebene Stellen nicht allein deshalb unberücksichtigt bleiben dürfen, weil bereits zuvor Arbeitsverhältnisse mit dem beklagten Land bestanden haben. Ein solcher Globalantrag ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unbegründet, wenn nur eine Fallgestaltung erfasst ist, in der der geltend gemachte Anspruch nicht besteht ( - Rn. 22 mwN, BAGE 172, 292). Dies ist vorliegend der Fall.

212. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das beklagte Land im Zusammenhang mit dem Auswahlverfahren für eine sozialpädagogische Fachkraft in der sozialen Arbeit an der M in B im Juli 2021 hinreichend dokumentiert hat, dass es sich um ein sachgrundlos befristet ausgeschriebenes Arbeitsverhältnis handelt. Die Parteien streiten in der Revision nicht mehr über die Beteiligung der Klägerin an diesem Auswahlverfahren. Vielmehr steht nur noch in Streit, ob das beklagte Land die Klägerin künftig von Auswahlverfahren um sachgrundlos befristet ausgeschriebene Arbeitsverhältnisse ausschließen darf. Unabhängig davon, wie die Entscheidung zur Ausschreibung eines nur sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses im Einzelnen zu dokumentieren ist, kann jedenfalls nicht angenommen werden, das beklagte Land sei zu einer ordnungsgemäßen Dokumentation künftig nicht bereit oder nicht in der Lage (vgl. zur Dokumentation einer Organisationsentscheidung bei einer Sachgrundbefristung  - Rn. 28 ff.).

223. Das beklagte Land verletzt grundsätzlich nicht den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG, wenn es die Klägerin von Auswahlverfahren ausnimmt, die zur Besetzung mittels eines sachgrundlos zu befristenden Arbeitsverhältnisses vorgesehen sind. Eine rechtssichere sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist dem beklagten Land aufgrund der Vorbeschäftigungen der Klägerin nicht möglich.

23a) Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Bestimmung dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung. Sie begründet grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Bewerbern steht deshalb bei der Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (vgl.  - Rn. 18, BVerfGE 143, 22;  - Rn. 16 mwN). Öffentliche Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt (vgl.  - Rn. 8;  - aaO, mwN).

24b) Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bedarf der Abgrenzung zur Organisationsfreiheit des öffentlichen Arbeitgebers. Die Vorentscheidungen, die zur Existenz eines verfügbaren öffentlichen Amtes führen, unterfallen der Organisationsgewalt des staatlichen Rechtsträgers; ein subjektives Recht auf Ausbringung einer bestimmten Planstelle besteht nicht. Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet der Dienstherr nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten ( - Rn. 8;  - Rn. 17 mwN; vgl. zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Organisationsgewalt  2 C 23.03 - zu 4 der Gründe, BVerwGE 122, 147). Die Bereitstellung und Ausgestaltung von Stellen und deren Bewirtschaftung dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ( 2 A 2.20 - Rn. 15, BVerwGE 171, 17;  - aaO). Es obliegt daher auch dem organisatorischen Ermessen, wie der Dienstherr einen Dienstposten zuschneiden will und welche Anforderungen demgemäß der Bewerberauswahl zugrunde zu legen sind. Er kann etwa wählen, ob er eine Stelle im Wege der Beförderung oder der Versetzung vergeben will (vgl.  - Rn. 10;  - aaO, mwN;  1 WB 40.21 - Rn. 23, BVerwGE 175, 53). Der Dienstherr ist in Ausübung seines Organisationsermessens auch frei, ob er eine Stelle im Rahmen eines Beamten- oder Arbeitsverhältnisses ausschreibt (vgl.  - Rn. 20;  2 B 3.21 - Rn. 12, BVerwGE 172, 8;  - aaO, mwN). Zur Organisationsentscheidung zu zählen ist auch die Festlegung des öffentlichen Arbeitgebers, eine Stelle befristet auszuschreiben ( - Rn. 18 ff.).

254. Die Entscheidung, die ausgeschriebene Stelle nur im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzen, und Bewerber vom Auswahlverfahren auszunehmen, mit denen eine sachgrundlose Befristung aufgrund einer Vorbeschäftigung nicht rechtssicher möglich ist, ist ebenfalls Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung.

26a) Der Gesetzgeber hat mit § 14 Abs. 2 TzBfG für öffentliche Arbeitgeber in gleicher Weise wie für private Arbeitgeber die Möglichkeit geschaffen, ein erstes Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu zwei Jahren ohne Sachgrund und damit regelmäßig rechtssicher zu befristen (vgl. dazu  - Rn. 24 f.; vgl. auch BT-Drs. 14/4374 S. 14 ff.). Entgegen der Auffassung der Klägerin, sind öffentliche Arbeitgeber nicht gehalten, Befristungen von Arbeitsverhältnissen ausschließlich mit einem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu vereinbaren. Vielmehr steht es dem öffentlichen Arbeitgeber frei, eine Organisationsentscheidung zu treffen, eine offene Stelle mittels eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 TzBfG zu besetzen. Es handelt sich insoweit um Fragen der Ausgestaltung von Stellen und deren Bewirtschaftung. Dagegen ist die gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffende Auswahlentscheidung zwischen den Bewerbern noch nicht betroffen (vgl. für die Sachgrundbefristung  - Rn. 19).

27b) Eine Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, nur Bewerber in die Auswahl für die zu besetzende Stelle einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit gegeben ist, dass die sachgrundlose Befristung aufgrund einer Vorbeschäftigung unwirksam ist, ist ebenfalls dem Bereich der Organisationsentscheidung zuzuordnen. Wäre der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, auch solche Bewerber in die Auswahl einzubeziehen, bei denen die naheliegende Möglichkeit besteht, dass die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen einer Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unwirksam ist, wäre die Entscheidung für eine sachgrundlos befristete Besetzung in keiner Weise rechtssicher umsetzbar. Zwischen der Entscheidung, eine Stelle im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzen, und der Entscheidung, nur solche Bewerber in das Auswahlverfahren einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit gegeben ist, dass die Befristung wegen einer Vorbeschäftigung unwirksam ist, besteht ein untrennbarer Zusammenhang (vgl. für die Sachgrundbefristung  - Rn. 20).

285. Die Organisationsentscheidung, eine ausgeschriebene Stelle im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzen und nur Bewerber in die Auswahl einzubeziehen, mit denen eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen einer Vorbeschäftigung möglicherweise unwirksam ist, hält sich regelmäßig im Rahmen des dem öffentlichen Arbeitgeber zustehenden weiten Organisationsermessens. Die Organisationshoheit ist mit einem weiten Gestaltungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielraum verbunden ( 2 A 2.20 - Rn. 13, BVerwGE 171, 17). Das aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende organisations- und verwaltungspolitische Ermessen bei der haushaltsrechtlichen Ausbringung und Bewirtschaftung von Planstellen des öffentlichen Dienstes ist ein anderes als das bei der Stellenbesetzung zu beachtende „Auswahlermessen“ (genauer: als der dort bestehende Beurteilungsspielraum). Wie der öffentliche Arbeitgeber seine Organisationsfreiheit nutzt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen ( - Rn. 22 mwN).

29a) Dabei ist jedoch in den Blick zu nehmen, dass damit Bewerber von vornherein von dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen werden, sofern sie bereits in der Vergangenheit bei demselben Arbeitgeber aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt waren. Für die ausgeschlossenen Bewerber stellt dies eine erhebliche Belastung dar, weil es bedeuten kann, dass - wenn Stellen ohne sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht zu erreichen sind - die Begründung eines erneuten Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nicht möglich ist (vgl. zur Sachgrundbefristung  - Rn. 24).

30b) Der Ausschluss von sachgrundlosen Befristungen im Falle einer Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist allerdings verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ( ua. - Rn. 35 ff. mwN, BVerfGE 149, 126).

31aa) § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG berührt die Berufsfreiheit derjenigen, die Arbeit suchen. Darin liegt eine Beeinträchtigung von Art. 12 Abs. 1 GG, denn das Grundrecht schützt die Vertragsfreiheit der Beschäftigten im beruflichen Bereich. Das Grundrecht garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes und schützt den Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen, ein Arbeitsverhältnis beizubehalten oder es aufzugeben. Der Gesetzgeber beschränkt diese Freiheit durch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, der die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags verbietet, wenn „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber bestanden hat (vgl.  ua. - Rn. 38 f. mwN, BVerfGE 149, 126). Im Bereich öffentlicher Arbeitgeber berührt § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG darüber hinaus den verfassungsrechtlichen Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG, weil Bewerber von vornherein nicht in das Auswahlverfahren um sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse einbezogen werden, sowie das öffentliche Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes (vgl.  - Rn. 18, BVerfGE 143, 22).

32bb) Die Beeinträchtigung der Bewerberinnen und Bewerber wiegt schwer, weil den Schutzinteressen derjenigen, die Erwerbsarbeit suchen, ein hoher Stellenwert zukommt. Der Arbeitsplatz ist in aller Regel die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Lebenszuschnitt und Wohnumfeld werden davon ebenso bestimmt wie gesellschaftliche Stellung und Selbstwertgefühl, gesellschaftliche Teilhabe und Zukunftschancen. Auch eine nur befristete Erwerbsarbeit ist für die soziale Absicherung der Beschäftigten in einem sozialversicherungsrechtlichen System, das sich maßgeblich aus im Arbeitsverhältnis erwirtschafteten Beitragszahlungen finanziert, von erheblicher Bedeutung ( ua. - Rn. 56, BVerfGE 149, 126; vgl. auch  - Rn. 24). Im Bereich der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes beeinträchtigt § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die Bewerberinnen und Bewerber zusätzlich, weil sie ihr spezielles Gleichheitsrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht ausüben können.

33cc) In der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen erweisen sich die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verbundenen Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch als zumutbar (vgl.  ua. - Rn. 53, BVerfGE 149, 126). Sie sollen die Gefahr einer Kettenbefristung ausschließen. Sie sollen zudem eine für die soziale Absicherung der Beschäftigten wichtige unbefristete Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform im Normalfall sichern. Die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf Fälle der erstmaligen Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem jeweiligen Arbeitgeber soll diesen veranlassen, „den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiterhin bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen“ ( ua. - Rn. 41, 48, aaO; BT-Drs. 14/4374 S. 14).

34dd) Jedoch ist ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten ( ua. - Rn. 62, BVerfGE 149, 126). Das sich aus § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ergebende Verbot der sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrags kann insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So liegt es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit (vgl. Bauer NZA 2011, 241, 243; Löwisch BB 2001, 254; Rudolf BB 2011, 2808, 2810), bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu  - Rn. 2, 12, BAGE 137, 275) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (vgl. Staudinger/Temming [2022] BGB § 620 Rn. 184a; ähnlich Löwisch BB 2001, 254 f.; siehe dazu insgesamt:  ua. - Rn. 63, aaO).

35c) Das beklagte Land ist nicht deswegen gehalten, die Klägerin in die Auswahl um ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis einzubeziehen, weil in Erwägung gezogen werden könnte, bei der während ihres Studiums ausgeübten Tutorentätigkeit handele es sich um für die Wirksamkeit einer späteren sachgrundlosen Befristung unbeachtliche Vorbeschäftigungen.

36aa) Mit der Regelung zur sachgrundlosen Befristung für die Dauer von bis zu zwei Jahren nach § 14 Abs. 2 TzBfG wollte der Gesetzgeber eine erleichterte Möglichkeit der Befristung schaffen (BT-Drs. 14/4374 S. 19). Entscheidet sich der öffentliche Arbeitgeber eine Stelle zur Besetzung im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses auszuschreiben, ist er nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in einer Weise auszuüben, die die naheliegende Möglichkeit begründet, dass sich die Befristung im Rahmen einer Befristungskontrollklage aufgrund einer Vorbeschäftigung als unwirksam erweist. Das gilt jedenfalls in Fallgestaltungen, in denen die Vorbeschäftigung nicht eindeutig für die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses unbeachtlich ist, weil sie sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (vgl.  ua. - Rn. 63, BVerfGE 149, 126).

37bb) Bei der Tutorentätigkeit der Klägerin während ihres Studiums handelt es sich nicht eindeutig um eine für die Wirksamkeit einer späteren sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses als sozialpädagogische Fachkraft in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung unbeachtliche Vorbeschäftigung. Die Vorbeschäftigungen lagen weder sehr lange zurück (vgl. dazu  - Rn. 25, BAGE 167, 334) noch können sie - jedenfalls in Summe - als solche von sehr kurzer Dauer angesehen werden (vgl.  - Rn. 25). Als Grund für eine mögliche Herausnahme der Tutorentätigkeit aus dem Kreis der für die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses beachtlichen Vorbeschäftigungen iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG kommt in Betracht, dass diese „ganz anders geartet“ gewesen sein könnte als die Tätigkeit einer sozialpädagogischen Fachkraft in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung. Ob das der Fall ist, lässt sich für den Arbeitgeber in der Bewerbungssituation jedoch nicht hinreichend rechtssicher beantworten. Es besteht die naheliegende Möglichkeit, dass die Befristung wegen der Vorbeschäftigungen unwirksam wäre. Zwar verweist das Bundesverfassungsgericht ( - 1 BvL 7/14 ua. - Rn. 63, BVerfGE 149, 126) unter Hinweis auf das Urteil des Siebten Senats des - 7 AZR 716/09 - BAGE 137, 275) darauf, dass bei studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung eine für die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht beachtliche Vorbeschäftigung gegeben sein könnte. Jedoch handelte es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen Fallgestaltung um eine Tätigkeit, die mit Textkorrekturen sowie Kopierarbeiten inhaltlich derjenigen der ausgeschriebenen Stelle als Lehrerin nicht besonders ähnlich war. Sie ist mit der Tutorentätigkeit der Klägerin an der Universität V nicht zu vergleichen. Die Vorbeschäftigungen der Klägerin weisen einen engen fachlichen Bezug zu den vom beklagten Land ausgeschriebenen Stellen im Bereich der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung auf. Auch sonst ergeben sich aus der Rechtsprechung weder des Bundesverfassungsgerichts noch des Bundesarbeitsgerichts Grundsätze, aufgrund derer sich die Vorbeschäftigungen der Klägerin hinreichend rechtssicher als für die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht beachtlich einordnen ließen.

38V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:250724.U.8AZR24.24.0

Fundstelle(n):
Nr. 45/2024 S. 2769
NJW 2024 S. 10 Nr. 52
XAAAJ-75779