Ertragsteuerliche Hinweise zum Betrieb einer Photovoltaikanlage nach § 3 Nr. 72 EstG
- aktualisierte Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2024/12 -
Diese Einkommensteuer-Kurzinformation ersetzt die (interne) Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2023 /004 vom .
Umfang einer Photovoltaikanlage und Umfang der Steuerbefreiung:
Eine Photovoltaikanlage i. S. d. § 3 Nr. 72 EStG („eine“ im mathematischen Sinne) besteht aus Solarmodul(en), Wechselrichter(n) und einem Einspeisezähler („einem“ im mathematischen Sinne).
Für die Frage, ob die Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage insgesamt steuerfrei nach § 3 Nr. 72 EStG sind, ist die Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen maßgeblich, auf, an oder in denen sich die Photovoltaikanlage befindet.
Auf einer landwirtschaftlichen Hofstelle befinden sich ein Einfamilienhaus, ein Stallgebäude für den Tierbestand und eine Maschinenhalle. Es ist lediglich ein Einspeisezählervorhanden. Die Solarmodule verteilen sich wie folgt:
Einfamilienhaus 20 kw (peak)
Stallgebäude 30 kw (peak)
Maschinenhalle 30 kw (peak)
Ergebnis: Die Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage (insgesamt 80kw (peak)) sind nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei, da bei gebäudebezogener Betrachtungsweise die Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen nicht überschritten werden.
Eine Photovoltaikanlage kann nicht teilweise steuerbegünstigt sein.
Auf einer landwirtschaftlichen Hofstelle befinden sich ein Einfamilienhaus, ein Stallgebäude für den Tierbestand und eine Maschinenhalle. Es ist lediglich ein Einspeisezähler vorhanden. Die Solarmodule verteilen sich wie folgt:
Einfamilienhaus 20 kw (peak)
Stallgebäude 30 kw (peak)
Maschinenhalle 40 kw (peak) [hier die Abweichung zu Beispiel 1]
Ergebnis: Die Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage (insgesamt 90 kw (peak)) sind nicht nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei, da
ein Einspeisezähler vorhanden ist und es sich somit um eine (im mathematischen Sinne) Photovoltaikanlage handelt und
bei gebäudebezogener Betrachtungsweise die für die Maschinenhalle geltende Leistungsgrenze von 30 kw (peak) überschritten wird.
Dies gilt auch dann, wenn sich Teile dieser einen Anlage nicht auf, an oder in einem Gebäude befinden (z. B. einige Solarmodule auf der Gartenfläche). Es wird aber hinsichtlich der Steuerbefreiung nicht beanstandet, wenn sich Solarmodule mit einer installierten kw (peak) Leistung von bis zu 10 % der Gesamtleistung der Photovoltaikanlage nicht auf, an oder in einem Gebäude befinden.
Auf einem Einfamilienhaus befinden sich Solarmodule mit 20 kw (peak). Im Nachgang werden weitere Solarmodule im Garten mit einer Leistung von 2 kw (peak) installiert.
Ergebnis:
Die
Photovoltaikanlage ist insgesamt nach
§ 3 Nr. 72
EStG steuerfrei. Die im Nachgang installierten Solarmodule
im Garten überschreiten nicht 10 % der gesamten auf, an oder in einem Gebäude
installierten Photovoltaikanlage.
Zur „Liebhabereiprüfung“:
Dem Sinn und Zweck einer Liebhabereiprüfung folgend ist abweichend von der Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2018/23 (zur Bewertung einer Privatentnahme) der eigenverbrauchte Strom mit den Herstellungskosten anzusetzen. Diese werden über die prognostizierten Gesamtkosten der voraussichtlich erzeugten Gesamtstrommenge in 20 Jahren errechnet.
prognostizierte Gesamtstrommenge in 20 Jahren: 250.000 kwh
prognostizierte Betriebsausgaben in 20 Jahren: 30.000 €
Im Ergebnis betragen die Herstellungskosten 0,12 €/kwh. Bei einem Anteil des nicht eingespeisten
(„selbstgenutzten“ Stromes i. H. v. 40 % ergibt sich daraus eine für Zwecke der Liebhabereiprüfung anzusetzende Betriebseinnahme i. H. v. 12.000 € über 20 Jahre, die zusätzlich zur Einspeisevergütung zu berücksichtigen ist.
Berücksichtigung eines Betriebsausgabenüberhanges nach § 3c EStG:
In Fällen, in denen ausschließlich nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie Einnahmen und Entnahmen erzielt werden, sind Betriebsausgabenüberhänge aufgrund der veranlagungszeitraumübergreifenden Betrachtung des § 3c Abs. 1 EStG nicht zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig vom Inbetriebnahmezeitpunkt der Photovoltaikanlage.
Gehen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von nachlaufenden Betriebsausgaben bei ab dem Veranlagungszeitraum 2022 steuerfrei gestellten Photovoltaikanlagen Einsprüche ein, steht zur Erfassung dieser ein neuer Massenrechtsbehelfsgrund in DB-Rb zur Verfügung (ID 7559 „Nachlaufende Betriebsausgaben bei PV-Anlagen“). Die Einsprüche sind ausschließlich unter dem Massenrechtsbehelfsgrund ID 7559 zu erfassen. Zuvor mit einem freien Ruhensgrund gespeicherte Einsprüche sind umzuspeichern.
Zu der Rechtsfrage sind Hauptsacheverfahren beim FG Nürnberg (Az. 4 K 1440/23), beim FG Münster (Az. 7 K 105/24, 7 K 219/24) und beim Niedersächsischen Finanzgericht (Az. 2 K 45/24, 5 K 52/24, 3 K 131/24) anhängig. Mit Zustimmung der Einspruchsführenden kann im Hinblick auf diese Klageverfahren ein Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO gewährt werden.
Investitionsabzugsbeträge gemäß § 7g Abs. 3 EStG nach Investition in eine nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreite Photovoltaikanlage:
Zur Fragestellung, ob die Rückgängigmachung eines in einem Veranlagungszeitraum vor 2022 in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 3 EStG nach Investition im Jahr 2022 in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage zu Recht erfolgt ist, gehen vermehrt Einsprüche ein. Zu dieser Rechtsfrage sind beim FG Rheinland-Pfalz (Az. 2 K 1110/24) und beim Hessischen FG (Az. 10 K 162/24) Hauptsacheverfahren anhängig. Mit Zustimmung der Einspruchsführenden kann im Hinblick auf diese Klageverfahren ein Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO gewährt werden.
Zur Erfassung der Einsprüche wurde der neue Massenrechtsbehelfsgrund ID 7606 „Rückgängigmachung IAB bei Investition in stfr PV-Anlage“ in DB-RB bereitgestellt. Dieser soll auch die Verfahren einschließen, in denen bei Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags in einem Veranlagungszeitraum vor 2022 der gewinnmindernde Abzug mit der Begründung versagt wurde, dass im Zeitpunkt der Durchführung der Veranlagung bereits in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage investiert wurde.
Die Einsprüche sind ausschließlich unter dem Massenrechtsbehelfsgrund ID 7606 zu erfassen. Zuvor mit einem freien Ruhensgrund gespeicherte Einsprüche sind umzuspeichern.
Besonderheiten bei zuvor gewerblich infizierten Mitunternehmerschaften:
Eine gewerbliche Infizierung bei ansonsten vermögensverwaltenden oder freiberuflichen Personengesellschaften findet aufgrund des Betreibens einer nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreiten Photovoltaikanlage nicht mehr statt.
Mit dem Anwendungsschreiben zu § 3 Nr. 72 EStG ( BStBl I S. 1494, Rz. 23) wurde eine Vertrauensschutzregelung eingeführt, nach der von einer Besteuerung der stillen Reserven abgesehen wird, wenn bis zum die steuerliche Verstrickung des (ehemaligen) Betriebsvermögens (z. B. durch Erweiterung der Anlage über die in § 3 Nr. 72 EStG genannten Grenzen hinaus oder durch die Aufnahme einer anderen gewerblichen Tätigkeit) wiederhergestellt wird. Sofern eine gewerbliche Infektion vorlag, ist die Übergangsregelung aus dem o. g. Anwendungsschreiben bereits bei der Feststellung für 2022 zu überprüfen.
Wenn bis zum keine gewerbliche Infizierung begründet wurde, liegt zum eine Betriebsaufgabe vor und sämtliche Wirtschaftsgüter (mit Ausnahme der PV-Anlage) sind zu entnehmen und die darauf entfallenden stillen Reserven sind der Besteuerung zu unterwerfen. Liegt weiterhin eine gewerbliche Infizierung vor, ist das gesamte Ergebnis als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.
Als Anhörungsschreiben kann
folgender Text verwendet werden:
„Der Betrieb einer
Photovoltaik-Anlage hat bei Ihnen bis zum Feststellungszeitraum 2021 dazu
geführt, dass die Tätigkeit Ihrer Gemeinschaft/Gesellschaft vollumfänglich als
gewerblich eingestuft wurde (§ 15 Absatz 3 Nummer 1
Einkommensteuergesetz (EStG)). Aufgrund einer Gesetzesänderung
führt der Betrieb einer steuerbefreiten Photovoltaik-Anlage im Sinne des
§ 3 Nummer 72
EStG nicht mehr zu einer gewerblichen Infektion. Dies hat
zur Folge, dass zum
eine Betriebsaufgabe vorliegt und alle stillen Reserven (mit
Ausnahme der Photovoltaik-Anlage) aufzudecken sind. Die Wirtschaftsgüter werden
mit der Betriebsaufgabe steuerrechtliches Privatvermögen.
Die mit ; Bundessteuerblatt I S. 1494 gewährte Übergangsregelung, dass bei einer Wiederherstellung der steuerlichen Verstrickung von der Besteuerung der stillen Reserven abgesehen wird, ist zum abgelaufen.
Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen (Aktenlage) liegt eine solche Wiederherstellung nicht vor.
Bitte teilen Sie mir die gemeinen Werte der in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter bis zum … mit.“
Finanzministerium des Landes
Schleswig-Holstein v. - VI 3010-S 2240-186
Fundstelle(n):
KAAAJ-75766