Instanzenzug: LG Landshut Az: Ks 102 Js 19220/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler aufgedeckt. Jedoch hält der Maßregelausspruch revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„2. Eine Substanzkonsumstörung im Sinne des § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB setzt voraus, dass infolge des Hangs eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Dass eine derartige Beeinträchtigung vorliegt, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
a) Hinsichtlich seiner Arbeitsfähigkeit ist es zwar zu ‚Leistungseinbußen‘ und Abmahnungen des Angeklagten gekommen, weil er - nach seinen Angaben - aufgrund seines Alkoholkonsums verschlafen habe (UA S. 31). Jedoch hätte das Landgericht dabei den Umstand in den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte seit Mai 2022 bis zu seiner Festnahme im Juni 2023 einer geregelten Arbeit in den Thermen in E. nachging (UA S. 4), was im Hinblick auf die rund einjährige Beschäftigungsdauer darauf schließen lässt, dass er seinen Arbeitspflichten grundsätzlich nachgekommen ist. Demgegenüber fallen die nicht näher beschriebenen Leistungseinbußen kaum ins Gewicht, zumal sie offensichtlich nicht zu einer Kündigung des Angeklagten seitens des Arbeitgebers geführt haben.
Gegen eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit spricht zudem, dass der Angeklagte trotz seines Alkoholkonsums in der Lage war, eine Ausbildung als Tapezierer zu absolvieren und sich anschließend im europäischen Ausland Arbeit zu suchen. Er hat keine Schulden (UA S. 4).
b) Eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung ist ebenso wenig hinreichend belegt.
aa) Zwar deutet auf einen konsumbedingten Verlust persönlicher Beziehungen der Umstand hin, dass die vorherigen Partnerschaften des Angeklagten an seinem Alkoholkonsum gescheitert sind (UA S. 31), und sein Alkoholkonsum auch in der – zu Beginn intimen – Beziehung mit der Zeugin B. zu Problemen führte (UA S. 4),[.] Allerdings ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu sehen, dass der Angeklagte einen gemeinsamen Grillabend mit der Zeugin B. , zu der der seit November 2022 bestehende Kontakt trotz der Probleme nicht abgebrochen ist, und den weiteren Zeugen P. und I. organisierte. Diesen gegen die Annahme, dass der Angeklagte seine sozialen Kontakte wegen des Alkoholkonsums vernachlässigt hat, sprechenden Umstand hat die Kammer nicht erörtert.
bb) Soweit das Landgericht an dieser Stelle ergänzend auf die Vorstrafen und langjährige Hafterfahrung des Angeklagten verweist, wird dies den Begründunganforderungen nicht gerecht. Insoweit konnte das Landgericht keine näheren Feststellungen zu den Taten treffen und auch die vage Angabe des Angeklagten, bei den Taten habe Alkohol ‚zumeist eine Rolle gespielt‘ (UA S. 11), weder verifizieren noch den konkreten (alkoholbedingten) Anlass der Taten beleuchten.
Die Angaben des Sachverständigen, wonach der Angeklagte laut eigener Aussage in betrunkenem Zustand mehrmals wegen Schlägereien in Erscheinung getreten ist, ist wenig aussagekräftig, weil sich dies auf seinen vergangenen Aufenthalt in Rumänien bezieht, der mindestens sieben Jahre (Haftentlassung im Jahr 2016 oder 2017) zurückliegt.
Die vom Angeklagten an seiner damaligen Freundin verübten Ohrfeige (UA S. 5) bewegt sich mangels weiterer Feststellungen eher im unteren Bereich des Unrechtsgehalts einer Tat und ist als Grundlage für eine belastbare Beurteilung der Voraussetzungen des § 64 StGB ebenso wenig geeignet.
Zudem liegen die Verurteilungen des Angeklagten nunmehr längere Zeit zurück (laut seiner Einlassung erfolgte die letzte Verurteilung im Jahr 2018 in Spanien; UA S. 11), weshalb die Kammer die nun […] seit sechs Jahren bestehende Straffreiheit des Angeklagten hätte erörtern müssen.
c) Eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Gesundheit des Angeklagten ist ebenfalls nicht hinreichend belegt. Zwar gab der Angeklagte an, unter einer chronischen Gastritis zu leiden (UA S. 5 [4]), was laut dem Sachverständigen mit dessen Alkoholkonsum in Einklang zu bringen ist (UA S. 22 [23]), allerdings wurden keine Feststellungen zu dem Umfang und den Auswirkungen der - allein auf den Angaben des Angeklagten angenommenen - chronischen Gastritis getroffen.
3. Im Übrigen bestehen Bedenken, ob die Tat überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurückzuführen ist. Denn vor der Tat ist es zu einem Streitgespräch zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten gekommen (vgl. UA S. 13 und 15 f.). Bei derartigen Konflikttaten liegt die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs eher fern (BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 168/21, BeckRS 2021, 25472, und vom - 2 StR 380/21, NStZ-RR 2022, 41). Insoweit bleibt unklar, ob der Hang des Angeklagten für die Tat mehr ausschlaggebend war als das vorangegangene Streitgespräch. Eine reine Mitursächlichkeit genügt jedenfalls nicht (, BeckRS 2023, 31366).
4. Das Urteil verhält sich zudem nicht zu der nach § 64 StGB geforderten Gefahrenprognose und enthält keinerlei Angaben, ob und inwieweit von dem Angeklagten infolge seines Hangs die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Straftaten ausgeht, was im Hinblick auf die seit sechs Jahren bestehende Straffreiheit näher zu erörtern gewesen wäre.“
3Dem schließt sich der Senat an.
4Da nicht auszuschließen ist, dass das Landgericht noch Feststellungen treffen kann, die die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen, bedarf die Sache insoweit – naheliegend unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung.
5Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
Jäger Wimmer Bär
Leplow Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:210824B1STR345.24.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-75570