BGH Urteil v. - 3 StR 20/24

Instanzenzug: Az: 12 KLs 2090 Js 71063/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.                 wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Den Angeklagten T.         hat es der Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Veräußerung von Betäubungsmitteln in sechs Fällen, der versuchten Veräußerung von Betäubungsmitteln, der Einfuhr von Betäubungsmitteln sowie des Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen schuldig gesprochen und ihn mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von - ebenfalls - zwei Jahren und sechs Monaten belegt. Ferner hat es bei ihm den Wert von Taterträgen in Höhe von 1.365 € eingezogen.

2Gegen das Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten mit ihren jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind insgesamt begründet. Diejenigen der Angeklagten haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

31. Das Landgericht hat, in die Tatkomplexe I und II untergliedert, folgende Feststellungen getroffen:

4a) Der Angeklagte T.       erwarb über das Internet Drogen für den eigenen Konsum. Um den Mindestbestellwert von 100 € zu erreichen, der im Zusammenhang mit der von ihm genutzten App vorgegeben war, und so die für ihn kostengünstigere Bezugsquelle nutzen zu können, entschloss er sich, Rauschmittel für interessierte Freunde und Bekannte zum Selbstkostenpreis mitzubeziehen. Auf Anfrage kaufte er für sie Drogen zumindest durchschnittlicher Qualität. Nach den Lieferungen an ihn gab er jeweils den entsprechenden Anteil gegen Zahlung des vom Händler ihm gegenüber abgerechneten Geldbetrages an seinen Abnehmer weiter.

5Im Einzelnen bestellten verschiedene Chatkontakte bei T.           im Zeitraum vom 2. September bis zum einmal 1 Gramm Kokain, 7 Gramm Marihuana und fünf Ecstasytabletten (Tatkomplex I 2. unter II. der Urteilsgründe [fortan: Fall I 2]), viermal jeweils 1 Gramm Kokain (Fälle I 3, 5, 7 und 10), einmal 300 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 39 Gramm Base (Fall I 4), einmal 1 Gramm Amphetamin (Fall I 6) sowie einmal 1 Gramm Kokain und 1 Gramm MDMA (Fall I 9). In sieben dieser Fälle (I 2 bis 7 und 9) bezog T.           die Rauschmittel zusammen mit dem Eigenkonsumanteil und übergab sie für den vereinbarten Selbstkostenpreis an den Besteller. Im achten Fall (I 10) wickelte er die Bestellung nicht ab, weil er zuvor eingeschlafen war.

6Darüber hinaus verfügte T.          „per Zufall“ über aus einer anderen Bezugsquelle erlangte 18 Gramm Ketamin. Er entschloss sich, mit dessen Verkauf Gewinn zu erzielen. Dementsprechend veräußerte er den Handelsbestand in zwei Teilmengen an einen Bekannten, wobei er zur Abwicklung des späteren Geschäfts einen Dritten einschaltete (Fall I 11/12).

7b) Am führte T.           einen PKW mit Anhänger aus dem Ausland kommend auf deutsches Staatsgebiet über Tr.    nach M.        . Der Angeklagte K.                 war Beifahrer sowie Halter des Kraftfahrzeugs. In dem Fahrzeuginnenraum befanden sich insgesamt 16,5 Gramm Marihuana des K.                  und 19,3 Gramm Marihuana des T.        jeweils für den Eigenkonsum mit einer Wirkstoffmenge von im Ganzen etwas mehr als 2,48 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). In dem Anhänger waren insgesamt circa 3,8 Kilogramm Marihuana, 240 Gramm Cannabisöl und 85 Gramm Haschisch deponiert; diese Drogen mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 435,2 Gramm THC waren zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt. Entweder hatte K.                  das Cannabis in den Anhänger verladen, ohne dass T.     hiervon Kenntnis erlangte, oder dieser wollte es darin mit eigener Verkaufsabsicht nach Deutschland transportieren und jener ihn lediglich dabei unterstützen (Tatkomplex II unter II. der Urteilsgründe [Fall II]).

82. Das Landgericht hat die zum zweiten Tatkomplex alternativ getroffenen Feststellungen - auf der Grundlage des bei Urteilsverkündung gültigen Rechts vor Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes am  - nach dem Zweifelssatz zugunsten des jeweils betroffenen Angeklagten gewürdigt: Der Angeklagte K.                   habe hinsichtlich des Cannabis im Fahrzeuginnenraum Betäubungsmittel besessen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) und hinsichtlich des Cannabis im Anhänger Hilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB). Ein weitergehendes täterschaftliches Handeln habe nicht nachgewiesen werden können. Der Angeklagte T.        habe lediglich Betäubungsmittel eingeführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG), und zwar ausschließlich die in der Fahrgastzelle befindlichen. Nur auf diese habe sich sein Vorsatz bezogen. Das Cannabis im Anhänger könne ihm hingegen nicht „zugerechnet“ werden.

9Die zum ersten Tatkomplex getroffenen Feststellungen hat die Strafkammer dahin beurteilt, dass der Angeklagte T.        im Fall I 4 Betäubungsmittel in nicht geringer Menge abgegeben (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), in den Fällen I 2, 3, 5 bis 7 und 9 Betäubungsmittel veräußert (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG), dies im Fall I 10 versucht (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 BtMG, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) sowie im Fall I 11/12 mit neuen psychoaktiven Stoffen Handel getrieben habe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG). In den nach dem Betäubungsmittelgesetz beurteilten Fällen hat sie die Tathandlungsform des Handeltreibens verneint, weil der Angeklagte die Drogen „nicht mit Gewinn veräußert, sondern zum Selbstkostenpreis ... weitergegeben“ habe. In dem weiteren Fall hat sie das Qualifikationsmerkmal der gewerbsmäßigen Tatbegehung im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a NpSG mit der Begründung abgelehnt, dass es für den Angeklagten „bei dieser einmaligen Gelegenheit geblieben“ sei und er von weiteren Geschäften „Abstand genommen“ habe.

II.

10Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind in vollem Umfang erfolgreich.

111. Die Verurteilung der Angeklagten hält - ungeachtet des nach der Urteilsverkündung in Kraft getretenen Cannabisgesetzes - sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

12a) Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes erweisen sich die Schuldsprüche als zum Vorteil der Angeklagten rechtsfehlerhaft, weil die in den Urteilsgründen dargestellte Beweiswürdigung eine durchgreifende Lücke aufweist (allgemein zu den Maßstäben der revisionsgerichtlichen Prüfung für den Fall, dass das Tatgericht Zweifel am Tatvorwurf nicht zu überwinden vermag, vgl. , StV 2022, 486 Rn. 23 f. mwN; vom - 3 StR 249/23, NStZ 2024, 186 Rn. 9). Denn das Landgericht hat die zum Fall II getroffenen alternativen Feststellungen unter Anwendung des Zweifelssatzes zugunsten eines jeden Angeklagten auf dessen Einlassung gestützt und nicht die naheliegende Möglichkeit bedacht, dass beide Schilderungen von sich einander im Kern widersprechenden Sachverhaltsvarianten wahrheitswidrig gewesen sind.

13aa) An die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Das Tatgericht ist aufgrund des Zweifelssatzes nicht gehalten, Bekundungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, ohne Weiteres als unwiderlegt hinzunehmen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Vielmehr hat es sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit solcher Angaben zu bilden (s. , NStZ 2016, 154, 155; Urteil vom - 5 StR 434/22, juris Rn. 31). Dies gilt umso mehr, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen den Wahrheitsgehalt der Einlassung des Angeklagten sprechen (s. , NStZ-RR 2014, 344, 345). Wertet das Tatgericht Teile der Angaben als unzu­treffende Schutzbehauptung, sind die weiteren Teile als möglicherweise ebenfalls wahrheitswidriges Verteidigungsvorbringen besonders kritisch zu betrachten (vgl. , NStZ-RR 2007, 321).

14bb) Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung werden die schriftlichen Urteilsgründe nicht gerecht. Dort ist ausgeführt, die Einlassungen der Angeklagten schlössen sich gegenseitig aus. Daher könne zwar jede von ihnen für sich gesehen, indes könnten nicht beide den Tatsachen entsprechen. Da keine weiteren Ansätze vorhanden gewesen seien, entweder die eine oder die andere Einlassung nachzuprüfen und zu verifizieren, sei keine von ihnen der jeweils anderen vorzuziehen.

15Zu der sich aufdrängenden Möglichkeit, dass sich beide Angeklagten zur Sache wahrheitswidrig eingelassen haben, um sich in Ansehung der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse möglichst zu entlasten, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Eine solche Erörterung wäre insbesondere in Anbetracht dessen zu erwarten gewesen, dass die Strafkammer die Angeklagten als überführt erachtet hat, teilweise - entgegen dem Ergebnis eines Zeugen- beziehungsweise Urkundenbeweises - Unzutreffendes bekundet zu haben. Ebenso wenig ist ersichtlich, ob das Landgericht eine für die - eigennützige - gemeinschaftliche Tatbegehung potentiell bedeutsame Indizwirkung zahlreicher festgestellter äußerer Umstände erwogen hat. Vielmehr geht die in den Urteilsgründen dargelegte Beweiswürdigung im Wesentlichen nicht über die schrittweise Angabe von jede einzelne Feststellung unmittelbar stützenden Belegen hinaus (zu einem solchen regelmäßig untunlichen Aufbau vgl. etwa , juris Rn. 8; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 350).

16All dies lässt besorgen, dass die Strafkammer an ihre Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen gestellt hat.

17b) Hinsichtlich des ersten Tatkomplexes hat der Schuldspruch gegen den Angeklagten T.          ebenfalls keinen Bestand.

18aa) In den Fällen I 2 bis 7, 9 und 10 ist schon nicht auszuschließen, dass sich der den zweiten Tatkomplex betreffende Beweiswürdigungsmangel auf diese Taten ausgewirkt hat.

19Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte T.          habe die Drogen zum Selbstkostenpreis weitergegeben, unter anderem damit begründet, dass - mit Ausnahme des Falls I 11/12 - auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für ein Gewinnstreben beim Umgang mit Drogen gegeben seien, und dabei auf das gesamte Beweisergebnis Bezug genommen. Es kommt danach in Betracht, dass die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten zur kostenneutralen Weitergabe der Rauschmittel anders gewürdigt hätte, wenn sie von einem gemeinschaftlichen Cannabishandel im Fall II ausgegangen wäre.

20Deshalb kann dahinstehen, ob sich die Beweiswürdigung zu den Fällen I 2 bis 7, 9 und 10 isoliert betrachtet als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat, sind allerdings insbesondere die festgestellte Veräußerungsfrequenz und -menge sowie bei einzelnen Taten der festgestellte zeitliche Abstand zwischen Bestellung und Übergabe nicht ohne Weiteres mit den Angaben des Angeklagten in Einklang zu bringen. Dass sich das Urteil hierzu nicht verhält, stößt auf Bedenken.

21bb) Hinsichtlich des Falls I 11/12 weist der Schuldspruch insoweit einen Rechtsfehler auf, als die zugehörigen Feststellungen eine weitergehende Strafbarkeit des Angeklagten T.          zu begründen vermögen und dieser nicht nur den Grundtatbestand des Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen, sondern auch das Qualifikationsmerkmal des gewerbsmäßigen Handelns verwirklicht haben kann (§ 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a NpSG).

22(1) Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a NpSG bedeutet, dass der Täter die Absicht hat, sich durch die wiederholte Vornahme von nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG strafbaren Handlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Das Merkmal setzt nicht voraus, dass mehrere Taten begangen werden. Vielmehr genügt bereits eine Tat, wenn sie auf einem auf Wiederholung gerichteten Willen beruht. Die Einnahmen brauchen nicht die Haupteinkunftsquelle zu sein; ein Nebenerwerb reicht aus, sofern die daraus erwarteten Erträge die beschriebenen Voraus­setzungen erfüllen (s. , juris Rn. 22; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 1544 ff., § 30 Rn. 78, § 4 NpSG Rn. 41).

23(2) Gemessen daran hat die Strafkammer im Fall I 11/12 ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten T.         mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt. Nach den Darlegungen in den Urteilsgründen war der Handel mit Ketamin bereits auf den Absatz in zwei Teilmengen angelegt; zudem stellte der Angeklagte seinem Abnehmer in Aussicht, für ihn zusätzliche 100 Gramm zu beschaffen. Die Strafkammer hat allerdings angenommen, sie könne offenlassen, ob der Angeklagte beabsichtigte, mit solchen psychoaktiven Stoffen weiter gewinnbringenden Handel zu treiben, obgleich er „zumindest“ den „Eindruck erweckt“ habe. Die Annahme erweist sich als nicht zutreffend. Die ihr zugrundeliegende Wertung, bereits die Abstandnahme von einem weiteren Umsatzgeschäft nach der Veräußerung der 18 Gramm Ketamin stehe der Gewerbsmäßigkeit entgegen, widerspricht den aufgezeigten Maßstäben, wonach die einmalige Tatbegehung mit der erforderlichen Wiederholungsabsicht genügt.

24Das Landgericht hätte sich deshalb damit befassen müssen, ob es auf der Grundlage der Beweisergebnisse, namentlich des wiedergegebenen Chatverkehrs, die Überzeugung hat gewinnen können, dass der Angeklagte anfänglich mit einer derartigen Intention vorging.

252. Nach alledem sind auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft die Schuldsprüche aufzuheben. Die zugehörigen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern betroffen und haben ebenso wenig Bestand (s. § 353 Abs. 2 StPO); dies gilt auch für die defizitären Feststellungen im Fall I 11/12, deren Aufrechterhaltung einer in sich stimmigen und widerspruchsfreien Beweiswürdigung entgegenstehen könnte. Der Wegfall der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der gesamten Rechtsfolgenaussprüche - einschließlich des gegen den Angeklagten K.                 ergangenen Maßregelausspruchs und des den Angeklagten T.        betreffenden Einziehungsausspruchs - mit den übrigen Feststellungen nach sich.

III.

26Die Revision des Angeklagten K.                  ist weitgehend begründet.

271. Der Schuldspruch gegen ihn kann unabhängig von dem ihn begünstigenden Beweiswürdigungsmangel nicht bestehen bleiben. Denn nach der Urteilsverkündung ist das Konsumcannabisgesetz in Kraft getreten. Nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO ist dieses Gesetz anzuwenden, weil sich das neue Recht bei dem gebotenen konkreten Vergleich im Einzelfall (vgl. , BGHSt 20, 74, 75; Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 5; vom - 3 StR 159/24, juris Rn. 10) für den Angeklagten gegenüber dem alten Recht als milder erweist:

28a) Auf der Grundlage der zum zweiten Tatkomplex getroffenen Feststellungen machte sich der Angeklagte K.                  nach aktueller Gesetzeslage wegen Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) strafbar.

29Hinter die Einfuhr der im Fahrzeuginnenraum befindlichen, zum Eigenkonsum bestimmten Rauschmittel tritt die vom Landgericht ausgeurteilte Tathandlungsform des Besitzes zurück (vgl. , BGHSt 25, 385; Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1010). Der Umstand, dass die Beihilfe zum Handeltreiben die im Anhänger deponierte nicht geringe Menge Cannabis zum Gegenstand hatte, erfüllt lediglich das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für einen besonders schweren Fall (s. , juris Rn. 12). Die Einfuhr der Handelsmenge geht, auch für den jeweils Hilfeleistenden, als unselbständiger Teilakt in der Bewertungseinheit des Handeltreibens auf, weil das Verbringen ins Inland dem gewinnbringenden Umsatz dient (vgl. , BGHSt 31, 163, 165). Zwar besteht bei Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes in Fällen, in denen eine nicht geringe Menge betroffen ist, ausnahmsweise Tateinheit zwischen der Einfuhr und dem Handeltreiben. Dies liegt jedoch allein darin begründet, dass § 30 Abs. 1 BtMG eine höhere Mindeststrafe als § 29a Abs. 1 BtMG androht und somit als schwereres Delikt erscheint (s. , BGHSt 40, 73, 74 f.; Weber aaO, § 29 Rn. 1011 ff., § 30 Rn. 281). In § 34 Abs. 1 und 3 Satz 1 KCanG sind demgegenüber für beide Handlungsformen identische Strafrahmen vorgesehen (vgl. , juris Rn. 5 ff.).

30b) Danach ist die Anwendung des Konsumcannabisgesetzes für den Angeklagten K.                  günstiger. Für ihn käme als höchste Strafandrohung der nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen nach § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG anstatt - wie von der Strafkammer angenommen - § 30 Abs. 1 BtMG in Betracht. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Landgericht bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes hinsichtlich der Eigenkonsummenge einen unbenannten besonders schweren Fall bejaht hätte, wenngleich die strafmildernde Erwägung, bei Marihuana handele es sich um eine „weiche“ Droge, im Rahmen des § 34 KCanG nicht statthaft ist (vgl. , juris Rn. 10 mwN).

312. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten K.                  unterliegt somit auch auf dessen Revision der Aufhebung; seine Änderung analog § 354 Abs. 1 StPO kommt, da er bereits auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben ist, nicht in Betracht. Damit ist dem Straf- und Maßregelausspruch die Grundlage entzogen. Die Feststellungen sind ohne einen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler getroffen, so dass sich die auf sein Rechtsmittel anzuordnende Urteilsaufhebung - für die Hauptsacheentscheidung im zweiten Rechtsgang ohne Bedeutung - nicht auf sie erstreckt.

IV.

32Die Revision des Angeklagten T.         hat teilweise Erfolg.

331. Auf dieses Rechtsmittel hält der Schuldspruch in den Fällen I 2, 10 und II revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.

34a) Im Fall I 10 tragen die - nicht zu Lasten des Angeklagten T.         rechtsfehlerhaften - Urteilsfeststellungen nicht die Verurteilung wegen versuchter Veräußerung von Betäubungsmitteln.

35aa) Allerdings hat das Landgericht den Angeklagten in diesem Fall und den Fällen I 2 bis 7 und 9 zutreffend nicht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt, was die Tathandlungsform der Veräußerung ebenso wie diejenige der Abgabe ausgeschlossen hätte (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG: „ohne Handel zu treiben“; ferner , NStZ-RR 2024, 249, 250).

36(1) Die betäubungsmittelrechtliche Abgabe ist die Übertragung eigener tatsächlicher Verfügungsgewalt (s. Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1117). Zur - spezielleren - Veräußerung wird sie, wenn sie gegen Entgelt aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung vorgenommen wird. Eine eigennützige Tätigkeit unterfällt indes dem Handeltreiben; so liegt es, wenn der Täter von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 507/22, NStZ-RR 2023, 210, 211; vom - 5 StR 20/24, juris Rn. 10).

37Die Eigennützigkeit ist allerdings bezogen auf das konkret in Frage stehende Umsatzgeschäft zu beurteilen. Gerade aus diesem muss sich für den Täter ein eigener Vorteil ergeben; dass ihm aus den Umständen des Erwerbs der umzusetzenden Betäubungsmittel ein Nutzen erwächst, genügt für sich alleine nicht. Daher liegt kein Handeltreiben vor, wenn der Täter zur Erzielung eines günstigeren Einkaufspreises auch für andere Abnehmer einkauft und ihnen die Betäubungsmittel dann zum Einstandspreis überlässt (s. , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 79 Rn. 5 mwN; Urteil vom - 2 StR 46/17, NStZ 2019, 93 Rn. 10; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 297; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 414).

38(2) Nach diesen Maßstäben trieb der Angeklagte T.         in den Fällen I 2 bis 7, 9 und 10 mit den von ihm verkauften Drogen keinen Handel. Soweit in den Urteilsgründen dargelegt ist, dass er sich durch die Veräußerung die Möglichkeit verschaffen wollte, die zum Eigenkonsum bestimmten Rauschmittel günstiger zu beziehen, indem er beabsichtigte, durch Erreichen des Mindestbestellwerts für sich selbst eine bessere Preisgestaltung zu erzielen, betrifft dies nicht das jeweilige Umsatzgeschäft, sondern allein den Erwerb für den Eigenkonsum.

39bb) Im Fall I 10 hatte die beabsichtigte Veräußerung des Kokains jedoch noch nicht das strafbare Versuchsstadium im Sinne des § 22 StGB i.V.m. § 23 Abs. 1 StGB, § 29 Abs. 2 BtMG erreicht. Denn die Schwelle zum Versuchsbeginn wird erst überschritten, wenn der Täter - anders als hier - unmittelbar zur Überlassung der Betäubungsmittel ansetzt. Die bloße Vereinbarung, sie später zu übergeben, reicht hingegen nicht aus (s.  4 St RR 59/93, StV 1993, 478; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 804, 855 f.; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 812, jeweils mwN; zur Tatvollendung beim Handeltreiben vgl. demgegenüber BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 479/99, NStZ 2000, 207, 208; vom - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu aaO, Rn. 246 ff.).

40b) In den Fällen I 2 und II führt das zwischenzeitlich in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz bei Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen zu einer Neubewertung der Strafbarkeit des Angeklagten T.         .

41aa) Im Fall I 2 verwirklichte er durch die gegen Zahlung vorgenommene Übergabe der 7 Gramm Marihuana tateinheitlich den Straftatbestand der Abgabe von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 7 KCanG; das Konsumcannabisgesetz verbietet das - speziellere - Veräußern nicht ausdrücklich (vgl. Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 322). Der vom Landgericht angewendete Grundstrafrahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 BtMG ist im Vergleich zu dem in § 34 Abs. 1 KCanG vorgesehenen schwerer. Nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO ist somit das neue Recht anzuwenden, weil es trotz des im Hinblick auf den Umgang mit dem Kokain und Ecstasy gleichbleibenden Strafrahmens zu einem reduzierten Unrechts- und Schuldgehalt der gesamten Tat im materiellrechtlichen Sinne führt (vgl. , juris Rn. 5).

42bb) Im zweiten Tatkomplex machte sich der Angeklagte T.          nach derzeitiger Gesetzeslage wegen Einfuhr von Cannabis strafbar. Auch insoweit gilt nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO neues Recht. Denn § 34 Abs. 1 KCanG enthält eine mildere Strafandrohung als diejenige des § 29 Abs. 1 Satz 1 BtMG, welche die Strafkammer zugrunde gelegt hat; insoweit ist die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG auszuschließen.

432. Infolgedessen ist der Schuldspruch gegen den Angeklagten T.         auf dessen Revision hinsichtlich der Fälle I 2, 10 und II aufzuheben; eine Änderung analog § 354 Abs. 1 StPO kommt aufgrund des erfolgreichen Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ebenso wenig in Betracht. Dies bedingt die Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen in den benannten Fällen und die Gesamtstrafe. Der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist die Grundlage entzogen, soweit das Landgericht die Maßnahme über einen Geldbetrag von 1.220 € (die Höhe des nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB eingezogenen Wertersatzes in den Fällen I 3 bis 7, 9 und 11/12) hinaus angeordnet hat. Die jeweils zugehörigen Feststellungen sind ohne rechtlichen Mangel zu Un­gunsten des Angeklagten getroffen; die auf sein Rechtsmittel anzuordnende Urteilsaufhebung erfasst sie daher nicht.

443. Im Übrigen hat die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen sonstigen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

V.

45Im Umfang der jeweiligen Aufhebung bedarf die Sache neuer tatrichterlicher Prüfung. Für den zweiten Rechtsgang ist auf Folgendes hinzuweisen:

461. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung des zweiten Tatkomplexes dargelegt hat, der Angeklagte K.                   habe für seinen Eigenkonsum außerdem eine geringe Menge Kokain mit sich geführt, und im Rahmen der Strafzumessung dementsprechend angeführt hat, bei den tatgegenständlichen Drogen handele es sich - nur - „größtenteils um ... Marihuana“, mangelt es an tragfähigen Feststellungen. In der neuen Hauptverhandlung wird ein derartiges Tatgeschehen in den Blick zu nehmen sein.

472. Soweit die Strafkammer die Überzeugung gewonnen hat, beim Angeklagten K.                  bestehe eine Abhängigkeit von Cannabis sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit von Kokain und er habe ein typisches Suchtverhalten gezeigt, erfüllt dies noch nicht die Voraussetzungen der - nach § 2 Abs. 6 StGB im zweiten Rechtsgang anwendbaren - aktuell gültigen Fassung des § 64 Satz 1 StGB. Gegebenenfalls wird sich die neuerliche Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt darauf zu erstrecken haben, ob bei ihm dauernde und schwerwiegende störungsbedingte Beeinträchtigungen mindestens eines der in der Vorschrift genannten Bereiche der Lebensführung vorliegen (vgl. , juris Rn. 18 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:080824U3STR20.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-75085