BGH Beschluss v. - 3 StR 313/24

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 1 KLs 47/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Daneben hat es angeordnet, dass ein Monat der Strafe als verbüßt gilt, und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Straf- und Kompensationsausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Einziehungsausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

32. Das Urteil hält jedoch hinsichtlich der vier Einzelstrafen von je vier Monaten Freiheitsstrafe sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat es - entgegen § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO - versäumt, sich in den Urteilsgründen mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Es gilt:

4Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (st. Rspr.; s. etwa , BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 7; vom - 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554; Beschlüsse vom - 3 StR 135/20, NStZ-RR 2020, 273; vom - 3 StR 455/23, juris Rn. 9 ff.). Die gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen weiteren Freiheitsstrafe oder - wie hier - zu einer sechs Monate erreichenden oder übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 4; vgl. ferner , BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 9).

5Die Verurteilung zu kurzen Freiheitsstrafen war vorliegend nicht derart offensichtlich geboten, dass das Urteil auf der unterbliebenen Erörterung nicht beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Es drängt sich weder auf, dass Freiheitsstrafen unverzichtbar sind, weil die - über 13 Jahre zurückliegenden - Taten ein auffällig hohes Maß an krimineller Energie oder einen Seriencharakter aufweisen, noch liegt auf der Hand, dass besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten eine solche Einwirkung auf ihn unerlässlich machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 382/08, juris; vom - 1 StR 16/23, NStZ 2024, 476 Rn. 4 f.). Der 69-jährige Angeklagte ist vielmehr unbestraft sowie nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen durch die lange Verfahrensdauer psychisch belastet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat angesichts seiner positiven Sozialprognose „ohne Weiteres“ zur Bewährung ausgesetzt werden können (zu besonderen Begründungsanforderungen bei Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unter gleichzeitiger Strafaussetzung zur Bewährung s. etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom - 1 OLG 2 Ss 66/21, NStZ-RR 2022, 111, 112).

6Nach allem ist die Festsetzung von Einzelgeldstrafen (vgl. auch , BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 9) nicht sicher ausgeschlossen. Deshalb unterliegen die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe der Aufhebung.

73. Die Entscheidung über die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung bleibt von der Aufhebung des Strafausspruchs an sich unberührt (, BGHSt 54, 135 Rn. 8; vom - 3 StR 349/23, juris Rn. 26). Sie begegnet hier jedoch eigenen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil auch sie an einem Erörterungsmangel leidet. Angesichts des unter dem Gesichtspunkt der Verzögerung festgestellten zeitlichen Abstands von fast sechseinhalb Jahren zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung sowie der weiteren Feststellung, dass die lange Verfahrensdauer den Angeklagten psychisch besonders belastet hat, hätte näherer Darlegung bedurft, warum das Landgericht eine Kompensation von nur einem für vollstreckt erklärten Monat als angemessen erachtet hat. Dies findet hier auf die Sachrüge Beachtung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 99/19, juris Rn. 24; vom - 3 StR 378/21, NStZ-RR 2022, 122 mwN). Hinzu kommt, dass mittlerweile eine zusätzliche Verzögerung eingetreten ist; denn nach Begründung der Revision am ist die Akte erst am beim Generalbundesanwalt eingegangen.

84. Die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben von den aufgezeigten Erörterungsmängeln unberührt und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Weitergehende Feststellungen, die den aufrechterhaltenen nicht widersprechen, sind möglich.

Berg                                  Anstötz                                  Erbguth

                   Kreicker                         Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070824B3STR313.24.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-74840