Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern Az: 4 LB 293/18 OVG Urteilvorgehend VG Schwerin Az: 15 A 3092/17 As SN
Gründe
1Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensmangels gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
2Ein Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom - 4 B 32.21 - juris Rn. 18). Das Bezeichnungserfordernis schließt die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit ein (vgl. 1 B 62.21 - juris Rn. 2).
3Der Vortrag der Beschwerde, die angefochtene Entscheidung sei auf eine mündliche Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 55 VwGO i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG) verletzt worden seien, weil die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am mangels eines Wiederaufrufs der Sache nach Wiedereröffnung der Verhandlung für die Dauer einer Minute - zur Aufnahme der Verzichtserklärung der Klägerin zu 1 auf nochmalige Rückübersetzung ihrer Angaben - nur teilweise öffentlich geführt worden sei, führt nicht auf einen Verfahrensfehler.
4Ob die Öffentlichkeit während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zeitweise ausgeschlossen war, kann vorliegend dahinstehen. Der für die Kläger zum Termin erschienene Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwalt H., hat sich nach dem Beschwerdevorbringen rügelos auf die Verhandlung eingelassen. Damit ist nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO ein Rügeverlust eingetreten, der die Kläger hindert, nachträglich einen Verstoß gegen § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG geltend zu machen. Die Befolgung der genannten Vorschrift ist nach § 295 Abs. 1 ZPO verzichtbar; denn auch auf die mündliche Verhandlung kann nach § 101 Abs. 2 VwGO verzichtet werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 C 71.77 - Buchholz 303 § 295 ZPO Nr. 1 und vom - 10 B 64.04 - juris Rn. 2; OVG Schleswig, Beschluss vom - 6 LA 168/24 - juris Rn. 22).
5Dafür, dass sich Rechtsanwalt H. erst nach Abschluss der Verhandlung darüber klargeworden wäre, während eines zeitlich begrenzten Teils der Berufungsverhandlung am habe die Sitzungsöffentlichkeit möglicherweise nicht bestanden, fehlt es an einem hinreichenden Beschwerdevortrag. Die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit bei einer mündlichen Verhandlung gemäß § 169 GVG ist nämlich nur dann hinreichend dargelegt, wenn angegeben wird, dass die Rüge bereits in der mündlichen Verhandlung angebracht worden ist oder dass und aus welchen Gründen dies nicht möglich war ( - BFH/NV 1995, 893). An beidem fehlt es hier.
6Unabhängig vom Vorstehenden ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass - wie hier - geltend gemachte Zugangshindernisse, sei es, dass sie auf eigenmächtigem oder versehentlichem Fehlverhalten eines Bediensteten, sei es, dass sie auf technische Ursachen (zugefallene Außentür) zurückzuführen sind, im Übrigen nur dann eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes darstellen, wenn sie dem Gericht bekannt waren oder bei Beachtung der nötigen Sorgfalt bekannt sein mussten (vgl. 6 C 14.77 - juris und vom - 5 C 89.79 - juris Rn. 9; - NJW 1966, 1570 <1571> und Beschluss vom - 5 StR 245/11 - NJW 2011, 3800; - juris Rn. 8). Eine tatsächlich vorhandene Beschränkung der Öffentlichkeit, die das Gericht trotz aufmerksamer Beachtung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht bemerkt hat, begründet keinen Verfahrensfehler, denn das Vertrauen der Allgemeinheit oder des Einzelnen in die Objektivität der Rechtspflege wird dadurch nicht gefährdet (vgl. 9 CB 444.81 - BayVBl. 1984, 349; Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom - 25/21 - juris Rn. 18).
7Dass der erkennende Richter des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Kenntnis oder sorgfaltswidrige Unkenntnis von einer (hier unterstellten) Beschränkung der Öffentlichkeit gehabt haben könnte, hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dargetan oder erkennbar.
8Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:100624B1B48.23.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-74738