BAG Urteil v. - 5 AZR 192/23

Einrichtungsbezogener Impfnachweis - Abmahnung

Leitsatz

Der Arbeitgeber war grundsätzlich nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer wegen Nichtvorlage eines Nachweises iSd. § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG aF eine Abmahnung zu erteilen.

Instanzenzug: Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen Az: 5 Ca 124/22 Teilurteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 11 Sa 51/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über restliche Vergütung für den Monat März 2022 und die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin. Hintergrund sind die Regelungen zum einrichtungsbezogenen Immunitätsnachweis nach § 20a IfSG in den - soweit vorliegend erheblich - im Wesentlichen gleichlautenden Fassungen vom und (iF IfSG aF).

2Die Klägerin ist seit dem bei dem Beklagten, der ein Altenpflegeheim betreibt, als Altenpflegerin beschäftigt. Sie arbeitet im Schichtdienst und verdient durchschnittlich 4.629,97 Euro brutto monatlich.

3Mit Schreiben vom wies der Beklagte die Klägerin unter der Überschrift „einrichtungsbezogene COVID-19-Impfpflicht ab “ darauf hin, Beschäftigte von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen müssten bis zum dem Arbeitgeber einen „Nachweis über eine abgeschlossene Impfung gegen COVID-19, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können, vorlegen“. Erfolge dies nicht, dürften sie nicht mehr beschäftigt werden und seien vom Beklagten „bis auf Widerruf von der Arbeit ohne Lohnausgleich freizustellen“.

4Die nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Klägerin legte dem Beklagten bis zum einen entsprechenden Nachweis nicht vor. Daraufhin erteilte ihr dieser unter dem eine Abmahnung und stellte sie widerruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. In dem Schreiben heißt es ua.:

5Mit ihrer am anhängig gemachten Klage hat die Klägerin - soweit für die Revision von Belang - restliche Vergütung für den Monat März 2022 in rechnerisch unstreitiger Höhe sowie die Entfernung der Abmahnung vom aus ihrer Personalakte verlangt. Ihre Forderung hat sie auf Vergütung wegen Annahmeverzugs sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gestützt und vorgetragen, sie sei vom 21. bis zum wegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 arbeitsunfähig krank gewesen. Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte habe sich nach der Freistellung im Annahmeverzug befunden, sie sei leistungswillig und leistungsfähig gewesen und hätte - weil schon vor dem beim Beklagten tätig (sog. Bestandskraft) - bis zu einer entsprechenden Untersagung durch die zuständige Behörde auch arbeiten dürfen. Für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit schulde der Beklagte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die ihr erteilte Abmahnung sei unberechtigt, es habe neben der öffentlich-rechtlichen Pflicht aus § 20a Abs. 2 IfSG aF keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht bestanden, dem Arbeitgeber den Impf- oder Genesenenstatus nachzuweisen. Zudem habe der Beklagte über das Verlangen eines Impfnachweises nicht erzwingen dürfen, dass sie sich impfen lasse.

6Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

7Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen gemeint, er sei berechtigt gewesen, die ungeimpfte Klägerin von der Arbeit unbezahlt freizustellen. § 20a IfSG aF liege die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass grundsätzlich keine Personen, die nicht über die gesetzlich vorgesehenen Nachweise verfügten, in Pflegeeinrichtungen wie der vom Beklagten betriebenen beschäftigt werden sollen. Dem sei er gefolgt. Entgeltfortzahlung wegen Krankheit schulde er nicht, weil das Unterlassen einer möglichen Impfung gegen das Coronavirus einen erheblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Eigeninteresse darstelle, zudem fehle es an der erforderlichen Monokausalität. Die streitgegenständliche Abmahnung sei berechtigt, weil die Klägerin objektiv gegen ihre Pflicht zur Vorlage eines Nachweises gemäß § 20a Abs. 2 IfSG aF verstoßen habe. Ob ihr dabei Verschulden zur Last gelegt werden könne, sei unerheblich.

8Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil dem Zahlungsantrag stattgegeben und die Klage gegen die Abmahnung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin auch der Klage gegen die Abmahnung stattgegeben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Zahlungsklage weiter und begehrt hinsichtlich der Klage gegen die Abmahnung die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

9Die zulässige Revision des Beklagten ist hinsichtlich der Zahlungsklage begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe für die Zeit ihrer Freistellung im März 2022 Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Klage auf Entfernung der Abmahnung vom aus der Personalakte der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht hingegen im Ergebnis zu Recht stattgegeben, so dass sich insoweit die Revision des Beklagten als unbegründet erweist.

10I. Die Klage auf die „restliche Vergütung“ für den Monat März 2022, deren Höhe zwischen den Parteien außer Streit steht, ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unbegründet. Die Klägerin hat für die Zeit ihrer Freistellung und der vom Beklagten nicht bestrittenen Arbeitsunfähigkeit infolge einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 weder Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs noch Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

111. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs, weil sie im Streitzeitraum aus in ihrer Person liegenden Gründen außer Stande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken, § 297 BGB.

12a) Im Ausgangspunkt noch zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Annahmeverzug des Beklagten scheitere nicht an einem fehlenden Angebot der Arbeitsleistung durch die Klägerin. Denn es war aufgrund des Schreibens des Beklagten vom offenkundig, dass er ohne einen der dort angesprochenen Nachweise auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharren würde (vgl.  - Rn. 19 mwN, BAGE 168, 25). Zudem hat der Beklagte durch die einseitige Freistellung auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet (vgl.  - Rn. 12 mwN) und mit der Abmahnung vom zu erkennen gegeben, dass er ohne einen Nachweis gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG aF die Arbeitsleistung der Klägerin nicht annehmen werde.

13b) Unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen gerät der Arbeitgeber gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken (st. Rspr., vgl.  - Rn. 9 mwN). Leistungswille und Leistungsfähigkeit sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 18 mwN, BAGE 178, 293). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist. Deren Aufhebung bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein. Ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf einer - im Streitfall nicht existierenden - ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien (vgl.  - Rn. 22, BAGE 153, 85).

14aa) Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich und rechtlich zur geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage ist (MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 32; MHdB ArbR/Tillmanns 6. Aufl. Bd. 1 § 76 Rn. 31). Ob Leistungsfähigkeit besteht, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Grundsätzlich unerheblich ist die Ursache für eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie zB Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt ( - Rn. 22 mwN, BAGE 178, 293). In diesen Fällen steht der Erbringung der Arbeitsleistung ein objektives Leistungshindernis entgegen.

15bb) Leistungswille setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den ernstlichen Willen hat, die Arbeitsleistung in dem geschuldeten Umfang zu erbringen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer es selbst in der Hand hat, den Hinderungsgrund, welcher der Erbringung der Arbeitsleistung entgegensteht, zu beseitigen (vgl.  - Rn. 20, BAGE 178, 150).

16cc) Leistungsunfähigkeit und Leistungsunwillen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können nach den Umständen des Einzelfalls auch nebeneinander bestehen. Ein Arbeitnehmer kann zugleich zur Erbringung der Arbeitsleistung nicht bereit und nicht dazu in der Lage sein.

17dd) Bei Anwendung des § 297 BGB ist zwischen den Fällen abzugrenzen, in denen die Nichtannahme der Arbeit ausschließlich auf dem Willen des Arbeitgebers beruht, so dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist, und den Konstellationen, in denen mangels Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs besteht ( - Rn. 18 und 24 mwN, BAGE 178, 293). Handelt es sich um Leistungshindernisse, die ihre Ursache in dem vom Arbeitgeber bereitzustellenden Sachsubstrat oder der von ihm zu regelnden Arbeitsorganisation haben, ist er deshalb grundsätzlich zur Zahlung der Annahmeverzugsvergütung verpflichtet (vgl. Staudinger/Fischinger [2022] BGB § 615 Rn. 90).

18ee) Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug auf dessen Leistungsunfähigkeit oder Leistungsunwilligkeit iSd. § 297 BGB, erhebt er eine Einwendung, für deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt ( - Rn. 11).

19c) Dies zugrunde gelegt besteht der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nicht. Der Beklagte hat mit Erfolg eingewandt, dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum iSv. § 297 BGB außer Stande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken.

20aa) Für die Klägerin bestand allerdings kein unmittelbares Beschäftigungsverbot kraft Gesetzes. Den Regelungen in § 20a IfSG aF lässt sich ein solches für Bestandskräfte, die über keinen Immunitätsnachweis verfügten, nicht entnehmen.

21(1) Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG aF mussten Personen, die wie die als Altenpflegerin arbeitende Klägerin in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen tätig waren, ab dem entweder geimpfte oder genesene Personen iSd. § 2 Nr. 2 oder 4 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der jeweils geltenden Fassung sein (§ 20a Abs. 1 IfSG idF vom ) bzw. über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1 oder 2 IfSG aF verfügen, sofern nicht eine medizinische Kontraindikation vorlag, aufgrund derer eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht erfolgen konnte (§ 20a Abs. 1 IfSG idF vom ). § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG aF sah weiter vor, dass Personen, die in den in Abs. 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen (bereits) tätig waren (Bestandskräfte), der Leitung der jeweiligen Einrichtung bis zum Ablauf des einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis über die medizinische Kontraindikation vorlegen mussten. Kamen sie dem nicht nach, hatte die Einrichtungsleitung das jeweils zuständige Gesundheitsamt darüber zu benachrichtigen (§ 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG aF). Dieses konnte nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF solchen Mitarbeitern gegenüber ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen. Demgegenüber mussten Personen, die ab dem (erstmals) in einer der im Gesetz genannten Einrichtungen tätig werden sollten, nach § 20a Abs. 3 IfSG aF vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Immunitätsnachweis vorlegen. Taten sie dies nicht, durften sie nach § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG aF in den entsprechenden Einrichtungen nicht beschäftigt werden.

22(2) Bei der in § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF aufgestellten Anforderung handelte es sich um eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung (vgl.  - Rn. 244, BVerfGE 161, 299; Berneith COVuR 2022, 135, 136; Oberthür ArbRB 2022, 80, 81; Seel öAT 2022, 155). Dies kommt in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG aF, wonach Mitarbeiter, die in den im Einzelnen aufgeführten Einrichtungen tätig sind, über einen Immunitätsnachweis „verfügen müssen“, hinreichend klar zum Ausdruck (vgl. zu dieser Anforderung  - Rn. 15, BAGE 130, 29).

23(3) Die vom Gesetz aufgestellte Tätigkeitsvoraussetzung bedurfte, soweit Bestandskräfte sie nicht erfüllten, der Umsetzung durch weitere Maßnahmen. Dies wird durch den Vergleich von § 20a Abs. 2 iVm. Abs. 5 IfSG aF und § 20a Abs. 3 IfSG aF verdeutlicht. Für Bestandskräfte war - anders als in § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG aF für neu einzustellende Mitarbeiter - ein unmittelbares Tätigkeits- oder Betretungsverbot im Gesetz nicht vorgesehen (vgl.  - Rn. 215, 253, BVerfGE 161, 299; Gerhardt 6. Aufl. IfSG § 20a Rn. 49). Ein solches ergab sich auch nicht über eine analoge Anwendung aus § 20a Abs. 3 IfSG aF (Weigert NZA 2022, 166, 169 f.). Unter Berücksichtigung der Gesamtregelung des § 20a IfSG aF mit der darin vorgenommenen Differenzierung zwischen Bestandskräften und neu eingestellten Mitarbeitern lag keine planwidrige Regelungslücke vor. Zudem verbliebe bei einem solchen Gesetzesverständnis für Betretungs- und Tätigkeitsverbote durch Anordnung des Gesundheitsamts nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF kein Anwendungsbereich mehr (Christ/Jeck DStR 2022, 944, 945; Schmidt/Schneider NZA-RR 2022, 121, 122).

24bb) Im Fall der Klägerin ordnete das zuständige Gesundheitsamt keine Maßnahmen zur Umsetzung der in § 20a Abs. 1 IfSG aF vorgesehenen Tätigkeitsvoraussetzung an. Es verhängte ihr gegenüber im streitgegenständlichen Zeitraum kein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF. Die Umsetzung der in § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF geregelten beruflichen Tätigkeitsvoraussetzung konnte für Bestandskräfte jedoch auch durch den Arbeitgeber erfolgen.

25(1) Arbeitsrechtlich wurzelte die Befugnis der Arbeitgeber, für die (weitere) Beschäftigung der Arbeitnehmer in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG aF genannten Einrichtungen befristet für die Dauer der Geltung dieser Vorschrift einen der dort in Abs. 2 aufgeführten Nachweise zu verlangen, in § 106 Satz 1 GewO. Hiernach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. In diesem Rahmen konnte der Arbeitgeber die in § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF gesetzlich vorgesehene berufliche Tätigkeitsanforderung für die Dauer ihrer Geltung im Wege des Weisungsrechts auch zur Voraussetzung für eine weitere Beschäftigung der unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer machen.

26(2) Diese in § 106 Satz 1 GewO iVm. § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF gründende Befugnis des Arbeitgebers wird durch die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes für Bestandskräfte nicht ausgeschlossen (iE ebenso Sangs/Eibenstein/Sangs IfSG § 20a Rn. 76; Bonitz/Schleiff NZA 2022, 233, 238; Christ/Jeck DStR 2022, 944, 947; Peisker/Bleckmann BB 2022, 635, 638; Thüsing/Bleckmann/Rombey COVuR 2021, 66, 70; Singer FS Henssler 2023 S. 613, 624; Sangs NVwZ 2021, 1481, 1485; nur bei bestimmten Personengruppen Fischinger SR 2022, 37, 42; aA: Harländer/Otte NZA 2022, 160, 163; Chama/Noll MDR 2022, 406, 407; Stach NZA 2023, 83, 85; wohl auch Gerhardt 6. Aufl. IfSG § 20a Rn. 49).

27(a) Dem Wortlaut von § 20a IfSG aF lässt sich nicht entnehmen, dass eine Umsetzung der dort geregelten Tätigkeitsvoraussetzung auf privatrechtlicher Ebene durch den Arbeitgeber unzulässig sein sollte. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG aF verpflichtete den Arbeitgeber, das zuständige Gesundheitsamt zu unterrichten, wenn Bestandskräfte bis zum Ablauf des den gesetzlich vorgesehenen Immunitätsnachweis nicht vorlegten. Diese Regelung befasste sich insoweit - wie auch § 20a Abs. 3 Satz 2 IfSG aF - nur mit den (Informations-)Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Gesundheitsamt (so auch Bonitz/Schleiff NZA 2022, 233, 237), ohne Anhaltspunkte dafür, dass damit eine abschließende Regelung getroffen sein sollte. § 20a Abs. 5 IfSG aF regelte das weitere Vorgehen des Gesundheitsamts, darunter seine Befugnis, Personen, die trotz Anforderung keinen Immunitätsnachweis vorlegten, das Betreten der im Gesetz genannten Einrichtungen oder eine Tätigkeit in diesen zu untersagen. Die Regelungen in § 20a IfSG aF bezogen sich insgesamt auf die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, Befugnisse und verfahrensrechtlichen Vorgaben. Eine ausdrückliche Pflicht zur Weiterbeschäftigung von Bestandskräften ohne Immunitätsnachweis oder ein Verbot arbeitsrechtlicher Maßnahmen gegenüber diesen statuierte das Gesetz nicht.

28(b) Auch in der Gesetzesbegründung finden sich keine konkreten Aussagen zu den Auswirkungen des Fehlens der beruflichen Tätigkeitsvoraussetzung nach § 20a IfSG aF auf die arbeitsrechtlichen Vertragsbeziehungen. Weitere denkbare „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ werden dort hinsichtlich der Bestandskräfte lediglich mit Bezug zu einem vom Gesundheitsamt angeordneten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot angesprochen (BT-Drs. 20/188 S. 42). Den Fall, dass ein solches nicht oder zunächst (noch) nicht ausgesprochen wird, behandelt die Gesetzesbegründung nicht.

29(c) Nicht maßgeblich für die Interpretation von § 20a IfSG aF und in der Sache unzutreffend ist die Handreichung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten vom , in der ausgeführt wird, ein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung sei nicht begründet (S. 21 - zuletzt abgerufen am unter https://www.bsn-ev.de/site/assets/files/63723/faqs_zu_20a_ifsg-1_2022-02-22.pdf [der Link führt auf die Seite des Behinderten Sportverbands Niedersachsen, auf der Internetseite des BMG findet sich die Handreichung nicht mehr]). Das BMG ist als Teil der Exekutive nicht zur verbindlichen Auslegung von Gesetzen berechtigt (vgl. auch Chama/Noll MDR 2022, 406, die aber dennoch eine Berechtigung zur Freistellung ablehnen).

30(d) Der aus der Gesetzesbegründung hinreichend deutlich erkennbare Zweck der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht nach § 20a IfSG aF spricht klar dafür, dass Arbeitgeber nach § 106 Satz 1 GewO die Tätigkeit als Altenpflegerin in einer Einrichtung wie dem vom Beklagten betriebenen Altenpflegeheim vom Vorliegen der in § 20a Abs. 2 IfSG aF geregelten Tätigkeitsvoraussetzung abhängig machen konnten. Die gesetzliche Regelung sollte dem Schutz der sog. vulnerablen Personengruppen dienen, bei denen aufgrund ihres Gesundheitszustands und/oder Alters ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen COVID-19-Krankheitsverlauf besteht, die zudem häufig weniger gut auf die Impfung ansprechen bzw. bei denen sonstige Schutzmaßnahmen weniger gut umgesetzt werden können (vgl. BT-Drs. 20/188 S. 1 ff., 37 f.). Mit der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht wurde eine Erhöhung der Impfquote der Beschäftigten in den in § 20a IfSG aF aufgeführten Einrichtungen angestrebt (vgl. BT-Drs. 20/188 S. 4, 37). Betretungs- und Tätigkeitsverbote sollten vulnerable Personen darüber hinaus auch dann schützen, wenn sich die von der Nachweispflicht Betroffenen gegen eine Impfung entschieden und gleichwohl ihre Tätigkeit fortsetzen wollten; zugleich sollten die Verbote Zwecken des öffentlichen Gesundheitsschutzes dienen (BT-Drs. 20/188 S. 42).

31(e) Ausgehend hiervon können § 20a Abs. 2, 3 und 5 IfSG aF auch im Zusammenhang nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Arbeitgeber bis zu einer Entscheidung des Gesundheitsamts zu einer Weiterbeschäftigung von Bestandskräften verpflichtet gewesen wären, die keinen Immunitätsnachweis vorgelegt hatten. Die unterbliebene Anordnung eines unmittelbaren gesetzlichen Betretungs- und Tätigkeitsverbots auch für Bestandskräfte verfolgte im Rahmen des gesetzlichen Gesamtkontextes ersichtlich einen anderen Zweck. Der Gesetzgeber sah bei diesem Personenkreis ein Bedürfnis für eine - gebundene - Ermessensentscheidung, bei der dem Gesundheitsamt jedoch - vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle - kein relevanter Spielraum verblieb. Der § 20a Abs. 5 IfSG aF zugrundeliegende Regelungszweck, vulnerable Personen zu schützen, legte vielmehr den Erlass einer Anordnung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF im Regelfall nahe (vgl.  - Rn. 85, BVerfGE 161, 299). Bestandskräften sollte nicht ein dem Gesetzeszweck zuwiderlaufender Beschäftigungsanspruch aufrechterhalten bleiben, sondern es sollte allein die Berücksichtigung besonders gelagerter Einzelfälle möglich bleiben. Dabei sollte insbesondere der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens Rechnung getragen werden.

32(f) Dieser Regelungszweck erforderte es, auch dem Arbeitgeber eine Ermessensentscheidung zu ermöglichen (vgl. auch  - Rn. 245, BVerfGE 161, 299, wonach „insbesondere“ die Gesundheitsämter entsprechend befugt waren). Die Gesundheitsämter arbeiteten „am Rand der Belastbarkeit bzw. deutlich darüber hinaus“ und waren ersichtlich zur Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots zeitnah nach Eingang der Arbeitgebermeldungen nicht in der Lage (vgl. die Stellungnahme Deutscher Landkreistag vom [S. 2] und die Stellungname Deutscher Städtetag vom [S. 3] im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, beide zuletzt abgerufen am unter https://www.bundestag.de/ausschuesse/hauptausschuss/anhoerungen/870414-870414). Ein bloßes Abstellen auf das Tätigwerden der Gesundheitsämter hätte demzufolge zu einem weitgehenden Leerlaufen der Regelung in § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF führen können, einer Vorschrift, die mit dem erstrebten Schutz von Gesundheit und Leben der besonders gefährdeten, vulnerablen Personen überragend wichtigen Rechtsgütern diente ( - Rn. 256, aaO). Darüber hinaus kommt es für die Beurteilung, ob ein besonders gelagerter Einzelfall vorliegt und ob eine Beschäftigung nicht geimpfter Mitarbeiter für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit einer bestimmten Einrichtung erforderlich ist, aufgrund seiner Sachnähe und Kenntnis der persönlichen und betrieblichen Gegebenheiten ohnehin primär auf die Einschätzung des Arbeitgebers an.

33cc) Hiervon ausgehend hat der Beklagte mit dem Schreiben vom die von der Klägerin geschuldete Arbeitsleistung wirksam dahingehend konkretisiert, dass er die in § 20a Abs. 1 IfSG aF geregelte Tätigkeitsvoraussetzung für das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin für die Zeit ab dem bis zum Ablauf der gesetzlichen Regelung verbindlich verlangte.

34(1) Die streitgegenständliche Konkretisierung der Arbeitsleistung war trotz des dadurch mittelbar auf eine Impfentscheidung gerichteten Entscheidungs- und Handlungsdrucks zulässiger Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Weisung. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist zwar grundsätzlich dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen, in den durch das Weisungsrecht in der Regel nicht eingegriffen werden darf ( - Rn. 24 mwN, BAGE 143, 62). Mit der von ihm vorgenommenen Konkretisierung der Arbeitspflicht hat der Beklagte jedoch diesen besonders geschützten Bereich nicht verletzt. Die in das Arbeitsverhältnis umgesetzte gesetzliche Tätigkeitsanforderung zielte in erster Linie darauf ab, dass sich die Klägerin für eine Impfung entscheidet, um ungehindert weiter arbeiten zu können (vgl.  - Rn. 86, BVerfGE 161, 299). Da die Klägerin in einem Heil- und Pflegeberuf arbeitete, wusste sie, dass mit ihrer Tätigkeit eine besondere Verantwortung gegenüber den von ihr betreuten Personen bestand. Sie musste damit rechnen, dass zum Schutz der Heimbewohner neue Tätigkeitsanforderungen geschaffen werden, was auch der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht hervorgehoben hat (vgl. BT-Drs. 20/188 S. 2;  - Rn. 265, aaO).

35(2) Der gesetzliche Anknüpfungspunkt, § 20a IfSG aF, unterlag keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (sh. im Einzelnen  - BVerfGE 161, 299). Die in § 20a IfSG aF geregelte einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht griff zwar in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte körperliche Unversehrtheit ein. Der Eingriff war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl.  - Rn. 109 ff., aaO). Die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG war nicht verletzt (vgl.  - Rn. 243 ff., aaO).

36(3) Die vom Beklagten gestellte Anforderung an eine pflegerische Tätigkeit genügt dem Erfordernis billigen Ermessens gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.

37(a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen trägt der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr.,  - Rn. 38 f.; - 5 AZR 28/22 - Rn. 27, BAGE 178, 150; - 9 AZR 343/20 - Rn. 68).

38(b) Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, wobei es nicht auf die vom Arbeitgeber angestellten Erwägungen, sondern darauf ankommt, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Eine solche Kontrolle hat das Landesarbeitsgericht in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Trotz des den Tatsacheninstanzen bei der Ausübungskontrolle zustehenden, vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums (vgl.  - Rn. 39), kann der Senat über die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Konkretisierung der Arbeitsleistung selbst entscheiden. Denn vorliegend ergibt sich die Wahrung billigen Ermessens ausnahmsweise schon daraus, dass der Beklagte sich im Rahmen des gesetzlich Vorgesehenen bewegt und lediglich den vom Gesetzgeber mit § 20a IfSG aF primär bezweckten Schutz besonders vulnerabler Personen während der Corona-Pandemie verwirklicht hat. Dabei durfte er davon ausgehen, dass der Gesetzgeber bei seiner Normsetzung die Interessen der betroffenen Beschäftigten ausreichend abgewogen hat. Besondere Umstände, die dem vom Gesetzgeber unterstellten Regelfall der Nichtbeschäftigung entgegenstünden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

39dd) Schließlich war vorliegend kein Fall gegeben, in dem die Nichtannahme der Arbeit ausschließlich auf dem Willen des Arbeitgebers beruhte, so dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet bliebe (anders im Verfahren  - BAGE 178, 293). Die über die Freistellung erfolgte Konkretisierung der geschuldeten Arbeitsleistung (§ 106 Satz 1 GewO) für die Zeit bis zum entsprach dem aus der Gesetzesbegründung klar ersichtlichen primären Sinn und Zweck des § 20a IfSG aF. Der Beklagte hat eine vom Gesetz geleitete Ermessensentscheidung getroffen. Der Klägerin fehlte in der Folge eine vom Beklagten in Übereinstimmung mit dem Gesetz verlangte Tätigkeitsvoraussetzung. Ursache hierfür war ihre persönliche und freie Entscheidung, sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Insoweit war sie sowohl leistungsunfähig wie auch leistungsunwillig iSd. § 297 BGB.

402. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kann die Klägerin ihren Zahlungsanspruch für die Zeit vom 21. bis zum nicht auf § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG stützen. Nach dieser Bestimmung hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

41a) Zwar ist die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 - unabhängig davon, ob sie zu Symptomen führt oder symptomlos bleibt - ein regelwidriger Körperzustand und damit eine Krankheit iSv. § 3 Abs. 1 EFZG ( - Rn. 11 mwN), die Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben kann. Unbeschadet der vom Beklagten aufgeworfenen, vom Landesarbeitsgericht ohne nähere Begründung verneinten Frage, ob die Klägerin die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch eine unterlassene Corona-Schutzimpfung schuldhaft iSd. § 3 Abs. 1 EFZG verursacht hat (sh. - allg. zum Problem Verschulden durch unterlassene Corona-Schutzimpfung - ausführlich  - Rn. 22 ff. mwN), steht - worauf die Revision zu Recht hinweist - dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall jedenfalls der Grundsatz der Monokausalität entgegen.

42b) Danach besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist und der Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen ist. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt somit voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte, den § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 EFZG aufrechterhalten ( - Rn. 26 mwN). Deshalb besteht nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung im Schrifttum grundsätzlich kein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer im Fall der Nichterkrankung aus anderen Gründen nicht gearbeitet und kein Entgelt erhalten hätte (sh. zuletzt  - Rn. 16 mit zahlreichen weiteren Nachw.).

43So liegt der Fall hier. Die Erkrankung der Klägerin war wegen des zugleich fehlenden Immunitätsnachweises nicht die alleinige Ursache für den Verdienstausfall. Auch ohne Erkrankung hätte sie keinen Anspruch auf Vergütung gehabt, weil sie außer Stande war, im Streitzeitraum die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken und der Beklagte deshalb trotz der Nichtbeschäftigung der Klägerin nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug geraten konnte.

44II. Die Klage auf Entfernung der Abmahnung vom aus der Personalakte der Klägerin ist begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

451. Mit einer Abmahnung übt der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in zweifacher Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf deren Verletzung aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) ( - Rn. 20 mwN, BAGE 142, 331; vgl. auch  - Rn. 66; zur kündigungsrechtlichen Entbehrlichkeit einer Abmahnung bei besonders schweren Pflichtverstößen wie zB dem Vortäuschen, nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden zu können, sh.  - Rn. 23, 29). Bei einer zu Unrecht erteilten Abmahnung kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht etwa, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 17; - 2 AZR 782/11 - Rn. 13, BAGE 142, 331, jeweils mwN; ebenso die hM im Schrifttum, sh. nur KR/Fischermeier/Krumbiegel 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 297; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 132 Rn. 31; APS/Vossen 7. Aufl. KSchG § 1 Rn. 415, jeweils mwN).

462. Davon ausgehend hat die Klägerin Anspruch auf Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnung aus ihrer Personalakte. In der unterlassenen Vorlage eines Immunitätsnachweises liegt keine abmahnfähige arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.

47a) Die auch die Klägerin treffende, in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG aF normierte Vorgabe, der Leitung der jeweiligen Einrichtung und damit dem Arbeitgeber bis zum einen der in der Vorschrift genannten Nachweise vorzulegen, begründete zunächst eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die der effizienten Implementierung der in § 20a Abs. 1 IfSG aF vorgesehenen Impfpflicht und damit unmittelbar dem Schutz von besonders vulnerablen Personengruppen dienen sollte (Regierungsbegründung, BT-Drs. 20/188 S. 30, 40; vgl. auch  - Rn. 154 f., BVerfGE 161, 299). Die öffentlich-rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen diese Pflicht waren in § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG aF (Benachrichtigung des Gesundheitsamts durch den Arbeitgeber) und § 20a Abs. 5 IfSG aF (Maßnahmen des Gesundheitsamts gegenüber den ihm gemeldeten Personen) geregelt.

48b) Wie oben (Rn. 25 ff.) ausgeführt, hat der Beklagte gemäß § 106 Satz 1 GewO die in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG aF normierte Tätigkeitsanforderung für die (weitere) Beschäftigung der Klägerin befristet für die Dauer der Geltung dieser Vorschrift verlangt und die von der Klägerin geschuldete Arbeitsleistung wirksam dahingehend konkretisiert. Die Klägerin war deshalb auch arbeitsvertraglich gehalten, die Nachweispflicht zu erfüllen.

49c) Indem sie diese Pflicht nicht erfüllt hat, hat die Klägerin zwar, wie die Revision geltend macht, objektiv gegen eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verstoßen. Gleichwohl ist diese Pflichtverletzung nicht abmahnfähig.

50aa) Das Unvermögen der Klägerin, dem Beklagten einen Impfnachweis iSd. § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 2 Nr. 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung bzw. § 22a Abs. 1 IfSG aF vorzulegen, war unmittelbare Folge der grundrechtlich geschützten Entscheidung der Klägerin, sich nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Denn trotz der vom Gesetzgeber angestrebten Impfung der Pflegekräfte erlaubten das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, und das außerdem in dieser Norm wurzelnde Selbstbestimmungsrecht es den im Pflegebereich Tätigen, auch im Zeitraum vom 16. März bis zum in freier Entscheidung eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 abzulehnen (vgl.  - Rn. 221, BVerfGE 161, 299). Dies hatten Arbeitgeber als höchstpersönliche Entscheidung der Arbeitnehmer zu respektieren.

51bb) Die Abmahnung einer eine solche Impfung ablehnenden Mitarbeiterin wegen Nichtvorlage eines Nachweises iSd. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG aF erweist sich deshalb als ungeeignetes Mittel zur Verhaltenssteuerung. Hinzu kommt, dass der Beklagte eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stellte, sofern die Klägerin auch fürderhin keinen Immunitätsnachweis vorlegen sollte. Damit hat er unangemessenen Druck auf die Klägerin ausgeübt, sich zum Erhalt des Arbeitsplatzes doch noch impfen zu lassen. Die streitgegenständliche Abmahnung erweist sich daher auch als unverhältnismäßig.

52III. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung und der Revision beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, über die erstinstanzlichen Kosten wird das Arbeitsgericht in seinem Schlussurteil mitentscheiden müssen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:190624.U.5AZR192.23.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-74705