BGH Beschluss v. - VIa ZR 623/21

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 218/21vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 17 O 3505/20nachgehend Az: VIa ZR 623/21 Revision zurückgewiesen

Gründe

I.

1Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines am von einem Fahrzeughändler erworbenen Seat Leon 1.6 TDI, der mit einem von der Beklagten hergestellten Motor des Typs EA 288 ausgerüstet ist. Die Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt.

2Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den das Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, und das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers mit dem angefochtenen Urteil zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein oben genanntes Begehren weiterverfolgt.

II.

3Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

4Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus den allein in Frage kommenden §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Der Kläger könne sich nicht auf das vorhandene Thermofenster stützen, weil dieses nicht zwischen Fahrbetrieb einerseits und Betrieb im Prüfstand andererseits unterscheide und deshalb nicht mit der "Umschaltlogik" verglichen werden könne. Der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass die verantwortlichen Personen auch insofern in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Schließlich habe der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte für eine weiterreichende Steuerung des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von Temperaturen dargetan. Auch auf die vorhandene Fahrkurvenerkennung könne eine sittenwidrige Schädigung nicht gestützt werden. Denn insofern sei das Verhalten der Beklagten in einer Gesamtschau zu würdigen, und in dem Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs habe die Beklagte ihr Verhalten bereits geändert gehabt. Sie habe seit Ende 2015 mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kooperiert. Im Übrigen habe sie nicht umgehend die Öffentlichkeit informieren müssen, sondern zunächst die Ergebnisse der Untersuchungen des KBA abwarten dürfen. Das KBA habe den Motor EA 288 nicht beanstandet, so dass kein Anlass für eine diesbezügliche Information der Öffentlichkeit bestanden habe. Soweit der Kläger eine an die Drehzahl des Motors, die Fahrgeschwindigkeit und den Lenkwinkeleinschlag anknüpfende Prüfstandserkennung und eine Manipulation des NOx-Speicherkatalysators behauptet habe, habe er keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen. Messungen der Deutschen Umwelthilfe seien dazu nicht geeignet, weil die Vergleichbarkeit der Messbedingungen mit den Bedingungen des Prüfstands nicht dargetan sei. Aus demselben Grund lägen auch in den Rückrufen anderer Fahrzeugmodelle keine greifbaren Anhaltspunkte. Soweit die Beklagte freiwillig Servicemaßnahmen unternommen habe, habe der Kläger den Zweck dieser Maßnahmen nicht vorgetragen. Die Ausführungen des Klägers zum Fahrzeugdiagnosesystem (OBD) seien nicht erheblich, weil in einem solchen System mangels Einflusses auf das Emissionskontrollsystem keine Abschalteinrichtung liege. Zudem sei dem Kläger wohl auch kein Schaden in Form eines ungewollten Vertragsschlusses entstanden. Anders als in den Fällen der "Umschaltlogik" im Zusammenhang mit den Motoren des Typs EA 189 stehe hier ex post fest, dass den Käufern eine Betriebsuntersagung nicht gedroht habe. Auch wenn der Bundesgerichtshof auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses abstelle, könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass das KBA die Fahrkurvenerkennung nicht beanstandet habe. Die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom zuzulassen (8 U 68/20, BeckRS 2021, 8880 Rn. 29; zwischenzeitlich aufgehoben durch , juris).

III.

5Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels nicht vorliegen und das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, § 552a ZPO.

61.    Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der revisionsgerichtlichen Entscheidung (, juris Rn. 3 mwN).

7a)    Divergenz setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung (vgl. etwa , juris Rn. 11 mwN). Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO bejaht hat. Die Entscheidung, von der es nach seiner Auffassung abgewichen ist, ist zwischenzeitlich aufgehoben worden, so dass eine Divergenz jedenfalls jetzt nicht mehr vorliegt.

8b)    Ein Zulassungsgrund ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Die gerügten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet.

91.    Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

10a)    Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gemäß §§ 826, 31 BGB zutreffend und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung verneint.

11Mangels Prüfstandsbezug indiziert das gerügte Thermofenster nicht die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten (vgl. , NJW 2021, 921 Rn. 13; Urteil vom - VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13). Andere Anhaltspunkte hat der Kläger insoweit nicht geltend gemacht.

12Auch die Fahrkurvenerkennung ist hier bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen nicht geeignet, einen Anspruch nach §§ 826, 31 BGB zu begründen. Da für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als (nicht) sittenwidrig in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln ist, ist ihr das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (vgl. , NJW 2020, 2798 Rn. 30).

13Hinsichtlich der weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen hat das Berufungsgericht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur "Behauptung ins Blaue hinein" und zur Notwendigkeit der Darlegung greifbarer Anhaltspunkte (, VersR 2021, 1252 Rn. 20 ff.) den Einbau der Abschalteinrichtungen im Klägerfahrzeug verneint.

14Das Berufungsgericht hat sich mit dem Fahrzeugdiagnosesystem und der darauf bezogenen Behauptung des Klägers auseinandergesetzt. Es hat zutreffend auf den Umstand abgestellt, dass das Fahrzeugdiagnosesystem keinen Einfluss auf das Emissionskontrollsystem habe und daher keine Abschalteinrichtung darstellen könne.

15Schließlich kann der Kläger von der Beklagten als Herstellerin des verwendeten Motors nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Ersatz eines Differenzschadens verlangen. Eine Haftung auf den Differenzschaden als bloßer Motorenhersteller wegen einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung setzt nicht nur eine vorsätzliche Tat des Fahrzeugherstellers, sondern auch doppelten Vorsatz des Motorenherstellers voraus. Dieser muss vorsätzlich sowohl hinsichtlich der fremden, rechtswidrigen Tat als auch in Bezug auf die eigene Unterstützungsleistung gehandelt haben. Die entsprechenden Umstände muss der Kläger als Anspruchsteller darlegen (vgl. VIa ZR 1119/22, NJW 2023, 3580 Rn. 20 ff.). Die Revision zeigt nicht auf, dass der Kläger dies unternommen und das Berufungsgericht diesbezügliches Vorbringen übergangen hat.

C. Fischer                      Möhring                      Götz

                    Rensen                   Vogt-Beheim

Hinweis:    Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisung der Revision erledigt worden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280524BVIAZR623.21.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-74638