BVerwG Urteil v. - 7 A 11/23

Tatbestand

1Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Bergamtes S. für die Errichtung und den Betrieb der Gasversorgungsleitung "Ostsee-Anbindungs-Leitung (OAL) Seeabschnitt Lubmin bis KP 26" vom in der Gestalt des ersten Planänderungsbeschlusses vom , ergänzt durch Bescheid vom , und des zweiten Planänderungsbeschlusses vom .

2Die OAL zwischen dem Hafen Mukran auf Rügen und Lubmin dient zum Transport regasifizierten Flüssigerdgases (Liquefied Natural Gas - LNG). Mit der OAL sollen zwei im Hafen von Mukran am immissionsschutzrechtlich genehmigte, schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheiten (Floating Storage and Regasification Units - FSRUs) an das bestehende Gasfernleitungsnetz angebunden werden. Die OAL gliedert sich in vier Abschnitte. Für die beiden Landabschnitte - Mukran und Lubmin - wurden Plangenehmigungen erteilt. Der zweite Seeabschnitt der OAL von Kilometerpunkt (KP) 26 bis Mukran wurde durch Planfeststellungsbeschluss vom zugelassen. Der erste Seeabschnitt der OAL von Lubmin bis KP 26 ist Gegenstand dieses Verfahrens.

3Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss hat der Senat mit Beschluss vom - 7 VR 6.23 - abgelehnt.

4Mit Planänderungsbeschluss vom ließ der Beklagte eine Bauzeitenerweiterung vom 1. Januar bis zum zur Wiederherstellung des Seebodens in bestimmten Bereichen des Rohrgrabens zu. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Planänderungsbeschluss hat der Senat mit Beschluss vom - 7 VR 2.24 - abgelehnt. Mit dem Planänderungsbeschluss vom wurde die Inbetriebnahme des streitgegenständlichen Planabschnitts der OAL vor Abschluss der vollständigen Rückverfüllung eines Teils des Rohrgrabens zugelassen. Die abschließende Rückverfüllung ist nunmehr ab dem , innerhalb der ersten Jahreshälfte 2024, vorgesehen. Eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung (UVP-Vorprüfung) wurde für den ersten Planänderungsbeschluss nachgeholt und vor Erlass des zweiten Planänderungsbeschlusses vorsorglich durchgeführt.

5Der Kläger rügt die formelle und materielle Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Die angefochtene Entscheidung sei wegen einer fehlenden UVP-Vorprüfung sowie einer unzureichenden Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung verfahrensfehlerhaft ergangen. § 4 LNGG sei nicht mit Unionsrecht vereinbar. Das zugelassene Vorhaben verstoße zudem gegen gebiets- und biotopschutzrechtliche Bestimmungen. Auch lägen Abwägungsfehler hinsichtlich der Alternativenprüfung und des Klimaschutzes vor.

6Der Kläger beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom für den Bau und Betrieb der LNG-Anbindungsleitung "Ostsee-Anbindungs-Leitung (OAL) Seeabschnitt Lubmin bis KP 26" in der Gestalt des 1. Planänderungsbeschlusses vom , ergänzt durch den Bescheid vom , und des 2. Planänderungsbeschlusses vom aufzuheben,

2. hilfsweise, den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,

3. weiter hilfsweise, den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, der Beigeladenen Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, welche die nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt ausschließen, mindern oder kompensieren.

7Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss und treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.

Gründe

9Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht als erstinstanzlich zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist zulässig, aber unbegründet.

10A. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. § 12 Satz 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz - LNGG) vom (BGBl. I S. 802), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I Nr. 184). Danach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 LNGG. Bei der Errichtung und dem Betrieb der "OAL Seeabschnitt Lubmin bis KP 26" handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 4.2 der Anlage zum LNGG. Die Leitung dient zur Anbindung der beiden FSRUs im Hafen von Mukran (zwei Anlagen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 LNGG i. V. m. Nr. 4.1 der Anlage zum LNGG) an das Gasfernleitungsnetz in Lubmin.

11B. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gegenstand der Prüfung ist der Planfeststellungsbeschluss vom in Gestalt der nachträglichen Änderungen, die der Kläger in das Verfahren einbezogen hat.

12Als eine nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannte Umweltvereinigung ist der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt. Die Feststellung des Planes für den Bau und Betrieb einer LNG-Anbindungsleitung ist ein unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften ergehender Verwaltungsakt zur Zulassung eines Vorhabens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG; das dem Gesetzeswortlaut nach bestehende Exklusivitätsverhältnis zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 UmwRG steht einem Rückgriff auf Nr. 5 nicht entgegen, wenn - wie hier - eine nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) an sich bestehende UVP-Pflicht oder UVP-Vorprüfungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ausgeschlossen ist (vgl. 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 14 ff. und Beschluss vom - 7 VR 4.23 - juris Rn. 9; s. hierzu unter C. I. 1.). Der Kläger macht zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend, die für den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UmwRG).

13C. Die Klage ist unbegründet. Das Vorbringen des Klägers führt, soweit es den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO genügt, weder auf eine formelle noch auf eine materielle Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

14I. Der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erforderliche Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den geltend gemachten formellen Fehlern.

151. Das Vorhaben unterliegt mit einer Länge von 26 km und einem Durchmesser von 1 200 mm zwar grundsätzlich der Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVPG i. V. m. Ziff. 19.12.3 der Anlage 1 zum UVPG. Vor Erlass des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses, nur insoweit hat keine UVP-Vorprüfung stattgefunden, war jedoch entgegen der Auffassung des Klägers keine UVP-Vorprüfung durchzuführen. § 4 Abs. 1 LNGG bestimmt, dass abweichend von § 1 Abs. 4 UVPG die für die Zulassungsentscheidung zuständige Behörde bei Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 LNGG das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 des § 4 LNGG nicht anzuwenden hat, wenn eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. In § 4 Abs. 2 bis 5 LNGG hat der Gesetzgeber zusätzliche Regelungen für den Fall der Ausnahme von der Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LNGG tritt § 4 LNGG mit Ablauf des außer Kraft.

16a) § 4 LNGG steht mit Unionsrecht, namentlich mit der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung (ABl. L 26 S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 124 S. 1) geänderten Fassung (UVP-RL), im Einklang ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 23 ff.). Hieran hält der Senat auch im Hinblick auf das zweite Änderungsgesetz zum LNG-Beschleunigungsgesetz vom (BGBl. I Nr. 184), mit dem die OAL in Nr. 4.2 der Anlage LNGG als Vorhaben im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 in das Gesetz aufgenommen wurde, und unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers in diesem Verfahren fest (vgl. bereits 7 VR 4.23 - juris Rn. 19).

17Nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL können Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 7 der Richtlinie in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt von den Bestimmungen der Richtlinie ausnehmen, wenn sich die Anwendung dieser Bestimmungen nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele der Richtlinie verwirklicht werden. In diesem Fall müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 UVP-RL prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist (Buchst. a), der betroffenen Öffentlichkeit bestimmte Informationen zugänglich machen (Buchst. b) sowie die Europäische Kommission vor Erteilung der Genehmigung unterrichten (Buchst. c).

18Die Notwendigkeit, die Energieversorgungssicherheit eines Mitgliedstaats zu gewährleisten, kann einen Ausnahmefall im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL darstellen. Die Gefahr für die Energieversorgungssicherheit muss bei vernünftiger Betrachtung wahrscheinlich und das Projekt so dringlich sein, dass es das Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu rechtfertigen vermag (vgl. [ECLI:​EU:​C:​2019:​622] - Rn. 97, 101). Dies ist bei einer Krise der Gasversorgung, die es zu bewältigen oder abzuwenden gilt, wie sie § 4 Abs. 1 LNGG in Bezug nimmt, der Fall. Die Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG setzt überdies voraus, dass für jedes einzelne Vorhaben und damit für jedes "bestimmte Projekt" im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL geprüft wird, ob die beschleunigte Zulassung geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. Durch die Einzelfallprüfung, ob hinsichtlich des "konkreten Vorhabens" (so ausdrücklich § 4 Abs. 1 LNGG) eine Ausnahme von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung in Betracht kommt, wird sichergestellt, dass nur solche Vorhaben von der Anwendung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden, bei denen sich diese nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde. Daher ist die Regelung in § 4 Abs. 1 LNGG auch nicht mit einer Ausnahmeregelung vergleichbar, die pauschal an bestimmte Schwellenwerte anknüpft. Der vom Ausschluss ganzer Projektkategorien bzw. mehrerer Vorhaben einer Projektkategorie ausgehenden Vorlageanregung an den Gerichtshof der Europäischen Union war schon aus diesem Grunde nicht nachzugehen ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 25). Die Europäische Kommission hat im Rahmen einer beim Europäischen Parlament eingereichten Petition eines italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich des Projekts "Piombino FSRU und Anschluss an das nationale Gasnetz" darauf hingewiesen, dass die dortige Regelung, die ähnlich wie § 4 Abs. 1 LNGG eine Einzelfallprüfung vorsieht, mit Art. 2 Abs. 4 UVP-RL vereinbar ist (Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments, in: Mitteilung an die Mitglieder vom betr. Petition 0030/2023, PE752.927v01-00, S. 2 f.).

19Die Regelungen des § 4 LNGG setzen, entgegen der Auffassung des Klägers (Anlagen 4 und 5 zum Protokoll), die Anforderungen des Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 UVP-RL unionsrechtskonform um. Dies gilt insbesondere für die Anforderung, zu prüfen, ob eine andere Form der Umweltverträglichkeitsprüfung angemessen ist. Dieser an die Mitgliedstaaten gerichteten Anforderung ist das LNG-Beschleunigungsgesetz in den Absätzen 3 bis 5 des § 4 LNGG nachgekommen. So bleiben etwa die weiteren Zulassungsvoraussetzungen nach den fachrechtlichen Vorschriften grundsätzlich unberührt (§ 4 Abs. 3 LNGG). Das Schutzniveau für die Umwelt bleibt auf diese Weise gewahrt. Zugleich wird sichergestellt, dass durch die Inanspruchnahme der Ausnahmemöglichkeit nach Art. 2 Abs. 4 UVP-RL die Ziele der Richtlinie - d. h. der Schutz der Rechtsgüter dieser Richtlinie - auch ohne die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen Berücksichtigung finden (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 19). Aus den Regelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit vor Erteilung der Zulassung in § 4 Abs. 4 Satz 1 LNGG ergibt sich zugleich, dass in diesem Zeitpunkt der Entwurf der Zulassungsentscheidung einschließlich Begründung bereits vorliegen muss (Nr. 1), ebenso die wesentlichen Antragsunterlagen einschließlich der Unterlagen, mit denen die wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt dargestellt werden (Nr. 2). Zudem sind die Gründe für die Gewährung der Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG zugänglich zu machen (§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 LNGG). Damit sind die unionsrechtlichen Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber, sowohl zu prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist, als auch die betroffene Öffentlichkeit zu beteiligen, erfüllt. Hierdurch wird der Wegfall der eigentlichen Umweltverträglichkeitsprüfung teilweise kompensiert. Ebenso wird ein Mindestmaß an Transparenz auch in der Ausnahmekonstellation hergestellt (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 19). Schließlich hat nach § 4 Abs. 5 Satz 1 LNGG das zuständige Bundesministerium die Europäische Kommission vor Erteilung der Zulassungsentscheidung über die Gründe der Gewährung der Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG zu unterrichten und ihr die Informationen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, zu übermitteln (vgl. Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 Buchst. c UVP-RL).

20Soweit der Kläger anregt, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorzulegen, ob es mit Art. 2 Abs. 4 der UVP-RL vereinbar sei, dass die einzelfallbezogene Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen nicht zu Beginn des Zulassungsverfahrens, sondern spätestens bis zu vier Tage vor der Zulassungsentscheidung erfolgen muss, geht er von einem unzutreffenden Verständnis des Verfahrensablaufs aus. § 4 Abs. 4 Satz 2 LNGG bestimmt, dass die Zugänglichmachung der in Satz 1 genannten Informationen für die Öffentlichkeit für die Dauer von vier Tagen mittels Auslegung in Räumen der Zulassungsbehörde und mittels Veröffentlichung auf der Internetseite der Zulassungsbehörde vor Erteilung der Zulassung zu erfolgen hat. Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 LNGG muss aber, wie insbesondere § 4 Abs. 4 Satz 1 LNGG zeigt, bereits zu Beginn des Zulassungsverfahrens erfolgen, weil hiervon das weitere Verfahren und die wesentlichen Antragsunterlagen hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung abhängen. Ebenso verhindert das LNG-Beschleunigungsgesetz nicht den teilweisen Verzicht auf eine Umweltverträglichkeits(vor)prüfung eines in der Anlage genannten Vorhabens, wie die hier praktizierte Abschnittsbildung zeigt, und steht auch insoweit mit Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL ("ganz oder teilweise") in Einklang. Daher bedurfte es auch insoweit nicht der vom Kläger angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

21b) Die in § 4 Abs. 1 LNGG genannten Voraussetzungen für die Ausnahme von der Anwendung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung waren in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses erfüllt. Die beschleunigte Zulassung des ersten Seeabschnitts der OAL im August 2023 war, wie der Senat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden hat (Beschluss vom - 7 VR 6.23 - juris Rn. 15 f.), geeignet, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen. Bei diesen tatbestandlichen Voraussetzungen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

22aa) Eine zu bewältigende Krise der Gasversorgung lag entgegen der Auffassung des Klägers im August 2023 weiterhin vor (zur Lage im August 2022: 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 21).

23(1) Im Mai 2022 wurden noch 40 % der nationalen Gasversorgung, bei einem Gesamtverbrauch von rund 1 000 TWh oder 96 Mrd. m³ pro Jahr, durch russische Erdgaslieferungen gedeckt. Mit dem am begonnenen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hatte sich die energie- und sicherheitspolitische Bewertung der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen unvorhergesehen kurzfristig und fundamental geändert. Hierdurch war eine außergewöhnliche und äußerst volatile Lage am Gasmarkt entstanden. Vor diesem Hintergrund und der nur geringen Substituierbarkeit von Gas durch andere Energieträger hat sich der Gesetzgeber mit dem am in Kraft getretenen LNG-Beschleunigungsgesetz dafür entschieden, zur Sicherstellung der Versorgung Gas aus anderen Quellen zu beschaffen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 1). Nach der Beendigung der russischen Gaslieferungen an Deutschland am und dem Anschlag auf die Nord Stream Pipelines am ist, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs vom Mai 2022 bereits vorausgesehen, eine wichtige Aufkommensquelle für Deutschland auf unabsehbare Zeit weggefallen. Auch im Sommer 2023 lag noch ein Ausbleiben bzw. eine gravierende Reduzierung von Gasströmen an wichtigen physischen Einspeisepunkten vor (vgl. BT-Drs. 20/7279 S. 10). Dies führte zum zweiten Änderungsgesetz zum LNG-Beschleunigungsgesetz, das am in Kraft getreten ist und mit dem zur Sicherung der Energieversorgung mit Mukran auf Rügen ein neuer Anlagenstandort aufgenommen wurde, der durch die OAL an das Gasfernleitungsnetz angeschlossen werden soll.

24(2) Die Sicherung der Energieversorgung ist ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang ( - BVerfGE 134, 242 Rn. 286), der sowohl unionsrechtlich als auch im nationalen Recht geregelt ist.

25Nach Art. 194 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verfolgt die Energiepolitik der Union das Ziel, die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten. Gestützt auf Art. 194 Abs. 2 AEUV haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2017/1938 vom über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 (ABl. L 280 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2022/1032 vom (ABl. L 173 S. 17, L 245 S. 70), - SOS-VO -, erlassen. Art. 8 SOS-VO regelt die Aufstellung eines Notfallplans durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und Art. 11 Abs. 1 SOS-VO bestimmt drei Krisenstufen bei Ausrufung einer Krise: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Im Fall der Frühwarnstufe liegen konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf vor, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Ausrufung der Alarm- oder der Notfallstufe führt (Art. 11 Abs. 1 Buchst. a SOS-VO). Bei Ausrufung der Alarmstufe liegt eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt (Art. 11 Abs. 1 Buchst. b SOS-VO).

26Nach dem auf dieser Grundlage erstellten Notfallplan Erdgas für die Bundesrepublik Deutschland, der alle vier Jahre aktualisiert wird, zuletzt unter dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), rechtfertigen unter anderem die gravierende Reduzierung von Erdgasströmen an wichtigen physischen Einspeisepunkten, der Ausfall von wichtigen Aufkommensquellen und der längere technische Ausfall wesentlicher Infrastrukturen, z. B. Leitungen, die Ausrufung der Alarmstufe. Dabei kann dieser Ausfall durch Redundanzen kompensiert werden. Das BMWK hat am die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Sie galt im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses und sie gilt weiterhin. Nach § 30 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz - EnSiG) in der Fassung vom (BGBl. I S. 2102) liegt eine unmittelbare Gefährdung oder Störung der Energieversorgung insbesondere im Fall einer drohenden Knappheit unter anderem von Erdgas vor. Eine drohende Knappheit ist nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 EnSiG insbesondere schon dann anzunehmen, wenn im Sektor Erdgas die Frühwarnstufe nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und Art. 11 Abs. 1 SOS-VO in Verbindung mit dem Notfallplan Gas ausgerufen wird.

27(3) Danach kommt der ausgerufenen Alarmstufe des Notfallplans Gas eine besondere Bedeutung im Sinne einer starken Indizwirkung oder Vermutungsregelung zu, die wegen der Aktualität sowohl der Krise als auch der jeweils unverzüglich darauffolgenden Reaktionen des Gesetzgebers nicht widerlegt ist. Die durch den Ausfall der russischen Gaslieferungen und die Zerstörung der Pipelineinfrastruktur verursachte Krise der Gasversorgung ist nicht zwischenzeitlich durch andere neu hinzugekommene sichere Bezugsquellen dauerhaft weggefallen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 18). Für die dauerhafte Sicherung der Energieversorgung sowohl der Bürger als auch der Wirtschaft ist, anders als der Kläger meint, nicht allein die Versorgungssituation in der Heizperiode 2023/2024 maßgeblich. Ebenso wenig ist entscheidend, in welchem Umfang die Gaslieferungen kurzfristig substituiert werden konnten bzw. können und welche aktuellen Füllstände die Gasspeicher aufweisen. Maßgebend ist vielmehr, dass der Gesetzgeber durch das LNG-Beschleunigungsgesetz zur Sicherung der nationalen Gasversorgung die zügige Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz gesetzlich angeordnet und die schnellstmögliche Durchführung dieser Vorhaben als zentrales Interesse einer sicheren und diversifizierten Gasversorgung festgelegt hat. Diese durch den Gesetzgeber getroffene Grundsatzentscheidung ist für die gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gasversorgungskrise in ähnlicher Weise bindend, wie es andere gesetzliche Bedarfsfestlegungen und Planrechtfertigungen sind. Es ist zuallererst eine energiepolitische Entscheidung des Bundesgesetzgebers, wie er eine zuverlässige Energieversorgung sicherstellen will. Hierbei steht ihm ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zur Verfügung (vgl. - BVerfGE 134, 242 Rn. 287).

28Der Kläger, der stattdessen sein eigenes Konzept der Energieversorgung an die Stelle einer parlamentarischen Entscheidung setzen will, kann damit nicht durchdringen (vgl. auch Reinhardt, Anm. zu 7 VR 1.24 - NVwZ 2024, 500). Dass die Einschätzung und Entscheidung des Gesetzgebers im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses offensichtlich unvertretbar waren und ihnen deshalb keine Bindungswirkung zukam, ist vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Angesichts der überragenden Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl sind sowohl worst-case-Szenarien, wie extreme Wetterlagen, zu berücksichtigen, als auch Redundanzen und sonstige Vorsorgegesichtspunkte, einschließlich möglicher Auswirkungen des Ausfalls von Gaslieferungen in anderen europäischen Ländern, in die Betrachtung einzubeziehen.

29Auch die Annahmen in der Begründung des zweiten Änderungsgesetzes, dass mit der Einspeisung von vier FSRUs an der Nordseeküste das nachgelagerte Gasnetz in Nordwest-Deutschland und die von dort bestehende Transportachse nach Süden und Osten ausgelastet werde, der Aufbau zusätzlicher Importkapazitäten im erforderlichen Umfang an der Nordseeküste kurzfristig nicht möglich sei und nach Fertigstellung der OAL die geplanten FSRUs in Mukran durch eine Einspeisung in das Gasfernleitungsnetz in Lubmin, das über hohe Kapazitätsreserven verfügt, kurzfristig genutzt werden und so zur Stabilisierung der Energieversorgungslage beitragen könnten (BT-Drs. 20/7279 S. 18 f.), sind mindestens vertretbar (vgl. auch bereits 7 VR 6.23 - juris Rn. 17 f.). Der Abtransport aus Lubmin zur tschechischen Grenze und über das tschechische Erdgasnetz nach Süddeutschland hat demnach Bedeutung für die Versorgung. Der Präsident der Bundesnetzagentur hatte in einem Schreiben an den damaligen Staatssekretär im BMWK vom ausgeführt, dass die Route von Lubmin in Situationen mit kalten Temperaturen und hohem Verbrauch in Mittelosteuropa und Süddeutschland netztechnisch wichtig sei. Aus dem Nordwesten Deutschlands gebe es hingegen keine direkte engpassfreie Verbindung nach Tschechien oder Süddeutschland (Anlage Bg 1, S. 3 f.). Auch insoweit setzt der Kläger sein eigenes Konzept, das auf der Annahme bereits bestehender Überkapazitäten bei der Gasversorgung und des ungestörten Funktionierens aller überkommenen Komponenten beruht, an die Stelle der Entscheidung des Gesetzgebers. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 der Verordnung zur Anpassung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen vom (Gasspeicherfüllstandsverordnung - GasSpFüllstV, BAnz AT V1). Hierdurch werden lediglich abweichend von § 35b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EnWG für die Betreiber von Gasspeicheranlagen die Füllstandsvorgaben an den Stichtagen 1. Oktober und 1. November um jeweils 5 % erhöht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GasSpFüllstV). Allein das Erreichen dieser Füllstandsvorgaben führt nicht zu einer stabilen Versorgungssicherheit. Eine normative Aussage dahingehend, dass bei Erreichen der vorgeschriebenen Füllstände keine Krise der Gasversorgung vorliege, lässt sich den zitierten Vorschriften nicht entnehmen (vgl. bereits 7 VR 6.23 - juris Rn. 18).

30bb) Die zur Anbindung geplanten FSRUs im Hafen von Mukran weisen eine jährliche Regasifizierungskapazität von insgesamt 10 bis 15 Mrd. m³ auf und sind damit geeignet, zur Sicherung der Gasversorgung insbesondere über das Gasnetz im Osten Deutschlands beizutragen (vgl. 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 20 und Beschluss vom - 7 VR 6.23 - juris Rn. 14).

31cc) Der Verzicht auf die UVP-Vorprüfung vor Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses war auch geeignet, den ersten Seeabschnitt der OAL beschleunigt zuzulassen. Unter den in § 4 Abs. 1 LNGG genannten Voraussetzungen gilt es nach Einschätzung des Gesetzgebers auch eine in Monaten oder Wochen gemessene Verfahrensverzögerung und daraus potentiell resultierende Gasversorgungslücken unbedingt zu vermeiden (BT-Drs. 20/1742 S. 18). Die Begründung des Gesetzentwurfs zum zweiten Änderungsgesetz des LNG-Beschleunigungsgesetzes führt konkret zum Vorhabenstandort Mukran aus, dass ohne eine Beschleunigung der Zulassung das reguläre Genehmigungsverfahren sowie der Bau der erforderlichen Infrastruktur zur Gaseinspeisung voraussichtlich erst in 2025 erfolgen würden. Zur Sicherstellung der nationalen Energieversorgung sei, selbst wenn die Gasspeicher im Sommer 2023 vollständig gefüllt werden sollten, für das darauffolgende Jahr mit Blick auf mögliche bevorstehende Extremwetterlagen die Einspeisung durch entsprechende FSRUs an der Ostseeküste erforderlich (BT-Drs. 20/7279 S. 19). Vor diesem Hintergrund verfängt die Argumentation des Klägers nicht, es mache keinen Unterschied für die Sicherung der nationalen Gasversorgung, ob die Inbetriebnahme der Leitung im Februar 2024 oder im Sommer 2024 erfolge (vgl. bereits 7 VR 6.23 - juris Rn. 18). Ohne Beschleunigung wäre eine Inbetriebnahme des streitgegenständlichen Vorhabens jedenfalls nicht mit Aufnahme des Probebetriebs im März 2024 erfolgt. Eine Vorprüfung des 26 km langen Abschnitts hätte - nach den Erfahrungen des erkennenden Fachplanungssenats - mit Sicherheit zu einer mehrwöchigen, wahrscheinlich mehrmonatigen Verzögerung geführt. Dies gilt umso mehr als sich hier aus der allgemeinen Vorprüfung durchaus eine UVP-Pflicht hätte ergeben können (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG), wovon der Kläger im Übrigen ausgeht. Angesichts dessen war auch nicht der in diesem Zusammenhang vom Kläger unterbreiteten weiteren Vorlageanregung, ob es mit Art. 2 Abs. 4 UVP-RL vereinbar sei, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf zeitliche Besorgnisse einer unterstellt nötigen vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung schon eine UVP-Vorprüfung unterlassen dürfen, nachzugehen. Der Kläger unterstellt insoweit, dass die Vorprüfung "regelhaft zu keiner nennenswerten Zeitverzögerung" führen würde. Dies trifft - wie dargelegt - nicht zu.

322. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf Fehler bei der Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung berufen.

33a) Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung wurde nach der ersten Planänderung nicht fehlerhaft unterlassen.

34Zutreffend ist, dass vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine Planänderung stattgefunden hat. Ursprünglich war eine Leitung mit einer Gesamtlänge von 37 km von Lubmin aus bis zu einem sog. Risertower östlich vor Rügen vorgesehen (vgl. Nr. 6.2 Anlage zu § 2 LNGG in der Fassung vom , BGBl. I S. 809). Die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens erfolgte nach Vorlage der vollständigen Planunterlagen am . Insgesamt wurden 37 Träger öffentlicher Belange und 9 anerkannte Umweltvereinigungen um Stellungnahme gebeten. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden die vollständigen Planunterlagen in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, für die Dauer von einer Woche ausgelegt (PFB S. 54 ff.). Am wurde durch die Beigeladene, nachdem ein Vorhabenträgerwechsel stattgefunden hatte, ein Antrag auf Planänderung eingereicht. Mit diesem Antrag wurde das ursprüngliche Vorhaben OAL Seeabschnitt in der Streckenlänge bis zum KP 26 eingekürzt. Mit Schreiben des Beklagten vom wurden die im Rahmen des Änderungsantrags eingereichten Unterlagen den Trägern öffentlicher Belange und anerkannten Umweltvereinigungen, deren Aufgabenbereich durch die Planänderung betroffen sein könnte, übermittelt und diesen unter Setzung einer Wochenfrist, beginnend mit dem Zugang des Schreibens, Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen gegeben (PFB S. 58). Dieses Vorgehen entspricht den gesetzlichen Vorgaben.

35Für das Anhörungsverfahren galt § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d LNGG i. V. m. § 73 Abs. 8 VwVfG, weil für das Vorhaben gemäß § 4 Abs. 1 LNGG im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden musste. Danach ist, wenn ein ausgelegter Plan geändert werden soll und dadurch der Aufgabenbereich einer Behörde oder einer anerkannten Vereinigung oder Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher berührt werden, diesen die Änderung mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen binnen einer Woche zu geben. So ist der Beklagte, wie soeben ausgeführt, im Streitfall verfahren. Dieses Vorgehen war zulässig, weil die Änderungen das Gesamtkonzept der Planung nicht berührt und die Identität des Vorhabens gewahrt haben. Sie haben nicht zu einem Vorhaben geführt, das nach Gegenstand, Art, Größe und Betriebsweise im Wesentlichen andersartig ist (vgl. 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <145 f.> und vom - 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 27).

36Eine Identitätsänderung ergibt sich, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht daraus, dass die ursprüngliche Planung der Anbindung einer seeseitigen LNG-Importanlage aufgegeben wurde und stattdessen nunmehr eine Anbindung zweier im Hafen von Mukran festvertäuter FSRUs erfolgt. Bei der Frage der Identitätsänderung ist nicht in erster Linie das unter Umständen aus vielen Abschnitten bestehende Gesamtvorhaben in den Blick zu nehmen, sondern auf den ausgelegten und aufgrund dieser Auslegung geänderten Abschnitt abzustellen. Dieser bildet das Vorhaben, das zu betrachten und bei einer wesentlichen Änderung erneut offenzulegen ist. Änderungen des Konzepts des Gesamtvorhabens spielen hierbei nur insoweit eine Rolle, als sie sich auf den zu betrachtenden Abschnitt identitätsändernd auswirken. Dies ist hier nicht der Fall. Der planfestgestellte Abschnitt der Gasleitung von Lubmin bis KP 26 entspricht bis auf geringfügige Änderungen zwischen KP 1.5 und KP 3.9 nach seiner Lage, der Größe und Beschaffenheit der zu verlegenden Röhren, der beabsichtigten Verlegungsart und schließlich auch der Betriebsweise vollständig der Planung, wie sie im ausgelegten ursprünglichen Planentwurf vorgesehen war (vgl. bereits 7 VR 6.23 - juris Rn. 23).

37b) Soweit der Kläger eine Verletzung der ihm als einer anerkannten Naturschutzvereinigung zustehenden Mitwirkungsrechte gemäß § 63 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 BNatSchG i. V. m. § 30 Abs. 2 des Gesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes (Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V) vom (GVOBl. M-V S. 66) geltend macht, führt dies nicht zum Erfolg der Klage.

38aa) Nach § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG ist einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, in Planfeststellungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben, wenn es sich um Vorhaben im Gebiet des anerkennenden Landes handelt, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind und soweit sie durch das Vorhaben in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. Die danach erforderliche Beteiligung des Klägers ist nach Maßgabe von § 43 Abs. 4, § 43a EnWG, § 73 VwVfG, § 8 LNGG erfolgt. Das Bundesnaturschutzgesetz regelt - abgesehen von der Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten - keine darüberhinausgehenden Anforderungen und Fristen für die Verbandsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren. Zwar bestimmt § 30 Abs. 2 NatSchAG M-V, dass anerkannte Naturschutzvereinigungen am Verfahren beteiligt werden, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Vorhabens mitteilen, sich am Verfahren beteiligen zu wollen. Der zu beteiligenden Naturschutzvereinigung ist innerhalb einer angemessenen, mindestens jedoch vierwöchigen Frist nach Übersendung der Unterlagen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Naturschutzvereinigung hat Anspruch auf Übersendung aller für das Vorhaben bedeutsamer Unterlagen, soweit sie nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten. Diese landesrechtlichen Bestimmungen zur Beteiligung von Naturschutzvereinigungen sind jedoch im Planfeststellungsverfahren nicht anwendbar.

39Die Konzentrationswirkung, die der Planfeststellungsbeschluss nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG entfaltet, äußert sich in einer Zuständigkeits-, einer Verfahrens- und einer Entscheidungskonzentration. Die Konzentrationswirkung erfasst auch das den Entscheidungen zugrunde liegende Verwaltungsverfahren. Sofern nicht spezialgesetzlich ausdrücklich anders geregelt, richtet sich das Verfahren allein nach den Vorschriften, die für die Planfeststellungsbehörde und das Planfeststellungsverfahren selbst gelten. Soweit die Naturschutzgesetze der Länder Beteiligungsrechte anerkannter Naturschutzvereinigungen bestimmen, handelt es sich um Regelungen des Verwaltungsverfahrens; sie gelten nur, soweit Bundesrecht nicht entgegensteht (vgl. 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 54 m. w. N.). Dies ist hier in Gestalt des bundesrechtlich geregelten Planfeststellungsverfahrens in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4, § 43a EnWG, § 8 LNGG der Fall. Mithin waren Anforderungen und Fristen nach § 30 Abs. 2 NatSchAG M-V vorliegend nicht einzuhalten.

40bb) Weder im Rahmen des § 73 VwVfG noch des § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG waren die Monitoringberichte zum Nord Stream 2-Projekt auszulegen. Zwar sind ggf. auch Fachgutachten auszulegen, dies jedoch nur dann, wenn sie entscheidungserheblich sind. Hieran fehlt es unter anderem, wenn auf sie - wie hier - in anderen, ihrerseits ausgelegten Gutachten Bezug genommen wird (vgl. 9 A 7.19 - juris Rn. 48, insoweit in BVerwGE 170, 138 nicht abgedruckt). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass der Kläger die Unterlagen im Wege des Umweltinformationszugangsrechts erhalten hat. Der Kläger musste im Rahmen der einschlägigen Vorschriften zur zweiten Planänderung (PFB S. 118, 126) nicht noch einmal beteiligt werden. Eine wesentliche Planänderung im Sinne des § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG behauptet der Kläger selbst nicht; sie ist auch sonst nicht ersichtlich. Auf einen Verstoß gegen § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG kann sich der Kläger hier - abgesehen davon, dass dessen Voraussetzungen nicht vorliegen - wegen der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens (s. oben Rn. 39) ebenso wenig berufen wie auf § 30 Abs. 2 NatSchAG M-V.

41c) Ob der Beklagte den Kläger in dem von ihm durchgeführten vereinfachten Änderungsverfahren nach § 43 Abs. 4 EnWG i. V. m. § 76 Abs. 3 VwVfG vor Erlass des ersten Planänderungsbeschlusses ausreichend beteiligt hat, kann letztlich dahinstehen. Wenngleich solche Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung keines Anhörungsverfahrens bedürfen, musste der Beklagte den Kläger bei der Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens grundsätzlich nach § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG beteiligen. Zwar ist fraglich, ob es sich bei der zugelassenen Erweiterung des Bauzeitenfensters um die Monate Januar und Februar 2024 für die Rückverfüllung des Rohrgrabens um - wie in § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG vorausgesetzt - einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes handelt. Denn die Rückverfüllung und die Wiederherstellung der Steinabdeckung in den Riffabschnitten sind Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen (vgl. §§ 14, 15 BNatSchG), mit denen die bauzeitlichen Beeinträchtigungen von marinen Biotopen und Arten minimiert werden sollen (LBP Anlage 2 Maßnahme M 3). Andererseits diente die ursprüngliche Bauzeitenbeschränkung auf die Zeit bis 31. Dezember gerade der Minimierung bauzeitlicher Beeinflussungen von marinen Arten (Maßnahme M 5). Dass sich angesichts dessen keine naturschutzrechtlichen Fragen stellen, zu deren Beantwortung der sachverständige Rat der Naturschutzverbände geboten erscheint, wie der Beklagte vorträgt, erscheint zumindest zweifelhaft. Es spricht allerdings viel dafür, dass gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände abgesehen werden konnte. Die Anhörung ist nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten, wenn eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Davon ist bei Vorhaben nach § 2 Abs. 2 LNGG unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 3 LNGG grundsätzlich auszugehen (vgl. bereits 7 VR 2.24 - juris Rn. 21).

42Ein Beteiligungsmangel wäre jedenfalls unerheblich (vgl. § 4 Abs. 1a UmwRG i. V. m. § 46 VwVfG), weil er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Kläger hat sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren und im Klageverfahren mit der Erweiterung des Bauzeitenfensters auseinandergesetzt. Der Beklagte hat seinerseits klar zum Ausdruck gebracht, dass er die in diesem Rahmen vorgebrachten Einwände des Klägers als nicht stichhaltig erachtet und in ihnen keinen Anlass sieht, von seiner Beurteilung abzurücken. Angesichts dessen fehlt es an der konkreten Möglichkeit, dass die behördliche Entscheidung nach einer Beteiligung des Klägers in der Sache anders ausgefallen wäre.

43II. Der Planfeststellungsbeschluss weist die vom Kläger gerügten materiellen Fehler nicht auf.

441. Das Vorhaben verstößt nicht gegen Vorgaben des Gebietsschutzes. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen. Ergibt die Überprüfung, dass das Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigt wird, ist es gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG grundsätzlich unzulässig und darf nur nach einer Abweichungsprüfung gemäß § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG zugelassen werden.

45a) Maßstab für die Bewertung der Erheblichkeit von Gebietsbeeinträchtigungen sind die für das Gebiet jeweils festgelegten Erhaltungsziele. Im vorliegenden Kontext besteht das Erhaltungsziel gemäß § 6 der Landesverordnung über die Natura 2000-Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern (Natura 2000-Gebiete-Landesverordnung - Natura 2000-LVO M-V) vom (GVOBl. M-V S. 462) in Verbindung mit Anlage 4 dieser Verordnung darin, einen günstigen Erhaltungszustand des Lebensraumtyps (LRT) "Riffe" (EU-Code 1170 nach Anhang I der FFH-Richtlinie) zu erhalten oder wiederherzustellen. Die lebensraumtypischen Elemente und Eigenschaften für einen günstigen Erhaltungszustand dieses Lebensraumtyps werden in Anlage 4 der Natura 2000-LVO M-V wie folgt beschrieben: "natürlicher exponierter Hartboden aus Blöcken der eiszeitlichen Geschiebe, meist freigelegt durch natürliche Küstendynamik"; "häufig Mosaik aus Hartböden und Sanden"; "Besiedlung durch lebensraumtypisches benthisches Pflanzen- und Tierinventar sowie Arten des Lückensystems". Das maßgebliche (vgl. 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 364) Beurteilungskriterium des günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraums im Sinne der Legaldefinition des Art. 1 Buchst. e der FFH-Richtlinie umfasst auch die für seinen langfristigen Fortbestand notwendigen Strukturelemente und spezifischen Funktionen sowie einen günstigen Erhaltungszustand der für ihn charakteristischen Arten.

46Danach schließt der Planfeststellungsbeschluss zu Recht erhebliche Beeinträchtigungen der FFH-Gebiete "Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" (DE 1747-301) sowie "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" (DE 1749-302) im Hinblick auf den LRT 1170 - Riffe aus.

47aa) Durch den Rohrgraben wird der FFH-LRT Riffe im Gebiet "Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" auf einer Fläche von 8 ha und im Gebiet "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" auf einer Fläche von ca. 2,2 ha in Anspruch genommen (PFB S. 103, 111). Soweit der Kläger geltend macht, der flächenmäßige Umfang der Inanspruchnahme sei damit unzureichend ermittelt, trifft dies nicht zu. Der Planfeststellungsbeschluss hat die erforderlichen Ankerpunkte und die flächenmäßigen Auswirkungen der Ankerketten gesehen und berücksichtigt. Er führt aus, dass auf die Hartböden bei der Ausplanung der Ankerpositionen Rücksicht genommen werde, indem dort möglichst wenige Ankerpunkte vorgesehen seien. Durch Ankerpfähle und Ankerspuren sei mit keiner relevanten Beseitigung oder Unterpflügung von Hartsubstraten wie Steinen und Blöcken zu rechnen (PFB S. 135). Damit setzt sich der Kläger nicht auseinander. Der pauschale Verweis auf sein Vorbringen im Eilverfahren genügt den Anforderungen an die Substantiierung von Prozessvortrag gemäß § 6 UmwRG i. V. m. § 67 Abs. 4 VwGO nicht. Eine Klagebegründung muss aus sich heraus hinreichend verständlich sein, den Gegenstand der Rüge deutlich machen und rechtlich einordnen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus beigefügten oder - hier - sogar nur in Bezug genommenen Unterlagen den Inhalt der Kritik des Klägers selbst zusammenzusuchen und zu erschließen (vgl. 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 24). Dies gilt umso mehr, als der Senat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren einen Fehler bei der Beschränkung des Ankerkorridors als nicht dargetan angenommen hat ( 7 VR 6.23 - juris Rn. 33).

48bb) Auch die Kritik an der Art und Weise der Ermittlung des temporären Funktionsverlustes führt nicht auf einen Fehler der Verträglichkeitsprüfung. Zwar ist es zutreffend, dass im Bereich der Riffe insoweit keine vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Strukturen erfolgt, als ausbeißender Geschiebemergel durch Block- und Steingründe ersetzt wird (PFB S. 103, 111, 133). Nach dem Managementplan stellen jedoch Steine und Blöcke eine typische Ausprägung des LRT 1170 dar. Vorgesehene Schutz- und Kompensationsmaßnahmen dürfen zugunsten eines Projekts berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden ( 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 364 m. w. N.). Die abiotischen Strukturen der Riffe werden bereits während der Bautätigkeit unmittelbar nach der Rohrverlegung wiederhergestellt (Maßnahmenblatt M 3 und Bauzeitenplan) und stehen daher ohne Zeitverzug mit Abschluss der Bauarbeiten, die bei Baubeginn Ende August/​Anfang September 2023 und Beendigung der Arbeiten im Riffbereich im Februar 2024 die Dauer von sechs Monaten nicht überschritten haben, über die ganze Länge des Abschnitts zur Wiederbesiedlung zur Verfügung. Dies rechtfertigt einen nur graduellen Funktionsverlust des LRT 1170 für das Jahr der Bauausführung in die Umrechnung einzustellen. Bestätigt wird diese Annahme durch die im Planfeststellungsbeschluss wiedergegebenen Ergebnisse des Nord Stream 2-Regenerationsmonitorings. Danach sind bereits im ersten Jahr nach Abschluss der Bauarbeiten Aufwuchsorganismen an allen Riffbereichen feststellbar gewesen. Für die vollständige Regeneration ist von einem Zeitraum von längstens vier Jahren auszugehen (PFB S. 134). Die Aussagen des Nord Stream 2-Monitorings sind auch belastbar. Methodenstandards für die Benthos-Erfassung im marinen Bereich sehen den Einsatz eines van Veen-Greifers in einem Stationsraster von max. 1 x 1 sm (1 sm = 1 852 m) bei einer Mindestzahl von 20 Stationen vor (unter anderem Empfehlungen zu Mindestanforderungen an die projektbezogene Untersuchung möglicher bau- und betriebsbedingter Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt der Nord- und Ostsee - BMU/UBA Forschungsvorhaben 2001; Standard-Untersuchung der Auswirkungen von Offshore Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt [StUK 4] – BSH 2013). Diesen Standards wurde entsprochen. Bei einer Länge der Nord Stream Pipelines von etwa 17 km im Greifswalder Bodden und 10 Stationen ist demnach ca. alle 1,7 km (mithin ein Abstand von < 1 sm) eine Station angeordnet worden. Die Anzahl der Stationen auf der Trasse korreliert mit der Differenzierung der Biotoptypen, die sich im Bereich der Trasse befinden (etwa 7 verschiedene Biotoptypen). Hinzu kommen 11 Stationen auf Referenzflächen, womit sich eine Gesamtzahl von 21 Stationen ergibt (Fachstellungnahme der U. GmbH S., Anlage B 5, S. 14).

49cc) Der Beklagte legt in der Verträglichkeitsprüfung auch einen zutreffenden Bewertungsmaßstab an. Die Orientierungswerte nach der Konvention von Lambrecht/​Trautner (2007) geben Relevanzschwellen für dauerhafte Beeinträchtigungen an (a. a. O. S. 10), während die Auswirkungen hier - wie dargelegt - als temporär zu qualifizieren sind. Der Ansatz von Bernotat (2013) bzw. BfN (2012) entwickelt den Konventionsvorschlag von Lambrecht/​Trautner weiter und berücksichtigt auch temporäre (also vor allem baubedingte) Beeinträchtigungen. Zwar betrifft die Methode von Bernotat den gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 BNatSchG. Die für den Gebietsschutz relevanten LRT entsprechen jedoch weitgehend den gesetzlich geschützten Biotopen und das Schutzziel ist identisch. Hier wurde aus beiden Ansätzen eine eigenständige Methode entwickelt, um graduelle Funktionsverluste sachgerecht zu ermitteln. Die Herleitung eigenständiger Bewertungsansätze ist unter den vorliegenden Umständen zulässig (vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 374). Damit gelangt der Planfeststellungsbeschluss vertretbar zu dem Ergebnis, dass die Bagatellschwelle bzw. der Orientierungswert nach Lambrecht/​Trautner von 5 ha in beiden FFH-Gebieten stets unterschritten wird (PFB S. 104: 0,43 ha, S. 112: 0,2 ha). Danach ist das Vorhaben nicht geeignet, die Gebiete erheblich zu beeinträchtigen. Die Anwendung dieser Bagatellschwelle nach Lambrecht/​Trautner ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich vorliegend um eine besondere Ausprägung des LRT Riffe - biogene Riffe - handelt. Für die betroffenen Riffbereiche werden in den Antragsunterlagen ausschließlich geogene Riffe beschrieben (s. etwa Antragsunterlage 4 j, S. 26 f., 42 f.). Nach dem Planfeststellungsbeschluss handelt es sich gemäß der marinen Biotopkartieranleitung M-V um die "Riff-Biotoptypen" Geröllgrund (NOG/NIG), Blockgrund (NOR/NIR) sowie Mergel- und Kreideplatten (NON). Ist demnach die Ausprägung der betroffenen Riffe bekannt, kann ausgeschlossen werden, dass es sich um besondere Ausprägungen handelt.

50dd) Eine Vernachlässigung der Sedimentation und Trübung bei der habitatschutzrechtlichen Beurteilung des Vorhabens im Planfeststellungsbeschluss liegt nicht vor. Der Planfeststellungsbeschluss führt dazu unter Bezugnahme auf die Planungsunterlagen zu den FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen für die beiden betroffenen Gebiete aus, im Rahmen des umfangreichen baubegleitenden Monitorings während der Nord Stream 2-Bauarbeiten sei zu keinem Zeitpunkt eine Überschreitung von 50 mg/l suspendiertem partikulärem Material über dem natürlichen Hintergrundwert für die Dauer von 24 Stunden in einem Abstand von 500 m beiderseits des Rohrgrabens festgestellt worden. Eine geringmächtige Überdeckung beiderseits des Rohrgrabens mit Sand im Zuge der Verfüllung sei beim FFH-LRT "Riffe" nicht zu erwarten, da Grobsand und Kies nicht zu Verflüssigung neigten. Eine Sedimentation von feinkörnigem Sediment werde durch Wellengang und Strömung verhindert. Es sei somit davon auszugehen, dass durch Trübungsfahnen und Sedimentation bei der Verlegung der Pipeline nur eine lokale kurzfristige Beeinträchtigung geringer Intensität im FFH-LRT 1170 erfolgen werde, welche für benthische Wirbellose und Fische keinesfalls erheblich sei (PFB S. 105, 112 und Antragsunterlagen 4 e, S. 76 ff., 94, 4 c, S. 59 ff.). Diese auf den konkreten und aktuellen Erfahrungen beim Bau der Nord Stream 2-Leitung beruhende Bewertung ist plausibel und nachvollziehbar. Der erste Seeabschnitt der OAL Lubmin bis KP 26 verläuft größtenteils parallel zur Nord Stream 2-Pipeline und somit innerhalb deren Untersuchungskorridors. Die baubegleitenden Monitoringberichte, die auch Wellengang und Sedimentationsprozesse berücksichtigt haben (Anlage B 2, S. 83, 96, 99; Monitoringbericht S. 6, 19, 22 Abb. 3-3), sind daher belastbar und legen entgegen der Auffassung des Klägers auch keine andere Beurteilung der Auswirkungen nahe. Die allgemeine Methode zur Eingriffsbewertung nach Bernotat (2012) stellt hier im Vergleich keine besseren Erkenntnismittel zur Verfügung. Eine Prognose der Sedimentationshöhen im Umfeld des Rohrgrabens war vor diesem Hintergrund entbehrlich.

51b) Eine erhebliche Beeinträchtigung der für das FFH-Gebiet "Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" charakteristischen Art Hering durch das mit dem ersten Planänderungsbeschluss geänderte Vorhaben liegt ebenfalls nicht vor.

52Der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss enthielt die naturschutzrechtliche Nebenbestimmung Ziff. A.3.7.2, wonach die in den Antragsunterlagen benannten Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen (vgl. LBP Anlage 2) mit folgenden Modifikationen umzusetzen sind: "Die seeseitigen Bautätigkeiten (inkl. der Nutzung der Umlagerungsflächen und des marinen Zwischenlagers) im seeseitigen Bereich der OAL-Trasse (bis KP 26), also vor allem im Greifswalder Bodden und im Südwesten der Pommerschen Bucht, sind auf den Zeitraum vom bis beschränkt (vgl. Maßnahme M 5)". Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.2.1 des Planänderungsbeschlusses vom findet die Nebenbestimmung Ziff. A.3.7.2 nunmehr mit der Maßgabe Anwendung, dass die Bauzeitenbeschränkung vom bis zum für die Wiederherstellung des Oberbodens im Kreuzungsbereich mit den 50Hertz Netzanbindungen (KP 5,2 bis KP 6,2) mittels Diffusor innerhalb von ca. 7 Arbeitstagen - Abschluss der Arbeiten im Januar 2024 -, die Wiederherstellung des Oberbodens im Bereich der Boddenrandschwelle (KP 14,7 bis KP 17) mittels Diffusor innerhalb von ca. 20 Arbeitstagen - Abschluss der Arbeiten im Februar 2024 - und die Wiederherstellung der Steinbedeckung in den Riffabschnitten (ca. 3,5 km zwischen KP 5,6 und KP 26) innerhalb von ca. 40 Arbeitstagen - Abschluss der Arbeiten im Februar 2024 - aufgehoben wird. Mit der Erweiterung des Bauzeitenfensters wurde dem Änderungsantrag der Beigeladenen entsprochen, der mit Verzögerungen im Bauablauf wegen des "Jahrhundertsturms Viktor" im Oktober 2023 begründet worden war.

53Die Bauzeitenerweiterung durch den Planänderungsbeschluss betrifft zunächst nicht den gesamten ersten Seeabschnitt. Die Änderung des festgestellten Planes lässt die Rückverfüllung auf 3,3 km und die Wiederherstellung der Steinbedeckung in den Riffabschnitten auf ca. 3,5 km, insgesamt also auf 6,8 km, im Januar und Februar 2024 zu. Soweit sich die Klagebegründung auf Feststellungen des Thünen-Instituts für Ostseefischerei beruft, wonach sich der frühjahrslaichende Hering bereits im Dezember 2023 in der Sassnitzer Rinne gesammelt habe, liegt dieses Gebiet außerhalb des ersten Seeabschnitts (vgl. bereits 7 VR 2.24 - juris Rn. 25). Daher erschließt sich schon nicht, welche kumulierenden Auswirkungen nach Auffassung des Klägers auf das hier zu betrachtende Gebiet insoweit hätten bewertet werden müssen. Im Übrigen ist jedenfalls die Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 des Planänderungsbeschlusses entgegen der Auffassung des Klägers geeignet, die Bauzeitenerweiterung auszugleichen und eine erhebliche Beeinträchtigung des Ostseeherings auszuschließen. Die Verträglichkeitsprüfung ist nicht auf ein - wissenschaftlich nicht nachweisbares - "Nullrisiko" auszurichten ( 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 53).

54Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 hat die Beigeladene tägliche Messungen der Wassertemperatur im Greifswalder Bodden in einer Tiefe von mindestens 1 m unter der Wasseroberfläche vor Arbeitsbeginn vorzunehmen. Die Messergebnisse sind tagesaktuell der Planfeststellungsbehörde zu übermitteln. Sobald an zwei aufeinander folgenden Tagen die Wassertemperatur einen Wert von ≥ + 3,5 °C erreicht hat, sind alle seeseitigen Arbeiten unverzüglich einzustellen, sofern bei vorgeschriebenen Kontrollfängen eine bestimmte Zahl von Heringen eines bestimmten Reifegrades gefangen werden. Die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der genannten Kriterien ist der Planfeststellungsbehörde tagesaktuell nachzuweisen.

55Der Planänderungsbeschluss stützt sich hierbei insbesondere auf eine Untersuchung von P. u. a. aus dem Jahr 2021, wonach das Laichgeschehen im Greifswalder Bodden erst beginnt, wenn in der ersten Märzhälfte die Auslöser-Temperatur von + 4 °C überschritten wird (1. PÄB S. 31). Auch hat das Thünen-Institut für Ostseefischerei in einer E-Mail vom dem Beklagten bestätigt, dass der Text der Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 den Absprachen mit der Beigeladenen und dem Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern entspricht (Bl. 233 VV 1. PÄB und 1. PÄB S. 14). Selbst wenn den festgelegten Maßnahmen, wie der Kläger meint, keine wissenschaftliche Evidenz zukommen sollte, scheiden rein theoretische Besorgnisse als Grundlage für die Annahme erheblicher Beeinträchtigungen aus (vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 397). Allein die Behauptung des Klägers, dass das Einsetzen des Laichgeschehens aufgrund solcher Temperaturmessungen nicht vorhersagbar sei, weist nicht auf weitere Erkenntnisquellen hin, die möglicherweise zu einer anderen Bewertung führen. Dies gilt umso mehr, als sich die Nebenbestimmung nicht auf die Regelung zur Wassertemperatur beschränkt.

56Weshalb der Kläger die ausführliche Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 als zu unbestimmt bezeichnet, erschließt sich nicht. Die Beigeladene als Vorhabenträgerin hat mindestens einmal täglich die Temperatur zu messen. Bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat der Senat erkannt, die Beigeladene habe plausibel dargelegt, dass es auf den genauen Messpunkt im Bodden nicht ankomme und die Messungen mit dem Thünen-Institut abgestimmt werden ( 7 VR 2.24 - juris Rn. 27 und nunmehr Anlage Bg 6). Angesichts der oben zitierten Absprachen zwischen der Beigeladenen und dem Thünen-Institut durfte der Beklagte auch bei der Durchführung des Planänderungsbeschlusses von einer Kooperation der Vorhabenträgerin mit dieser Einrichtung ausgehen, ohne dies in der Nebenbestimmung ausdrücklich zu regeln. Hierdurch und aufgrund der Pflicht der Beigeladenen, ihm die Messergebnisse tagesaktuell zu übermitteln, hat der Beklagte stets die notwendige Kontrolle über die Messungen. Dass es im Interesse der Vorhabenträgerin liegen könnte, unqualifiziertes Personal mit den Messungen zu beauftragen, liegt zudem fern.

57Die weiteren Nebenbestimmungen zum ersten Planänderungsbeschluss sind geeignet, die vom Kläger befürchteten Schäden für Macrophyten als Laichsubstrat durch Trübungen sowie Beeinträchtigungen des Laichgeschehens durch Unterwasserschallemissionen möglichst gering zu halten. Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.2.3 darf die Anzahl von drei Wanderbaustellen nicht überschritten werden. Weiter dürfen in Abstimmung mit einem anderen Vorhabenträger in den Natura 2000-Gebieten nie mehr als zehn Arbeitsschiffe bezogen auf die dort insgesamt vorhandenen seeseitigen Baustellen eingesetzt werden (Ziff. A.3.2.4) und schließlich sind die Tätigkeiten im Bereich der Boddenrandschwelle vorrangig durchzuführen (A.3.2.5). Zudem führt der Planänderungsbeschluss aus, dass es sich um sehr trübungsarme Arbeitsschritte handele und Unterwasserschallemissionen von Schiffen sehr lokal blieben (1. PÄB S. 31 f.). Daher schließt der Beklagte eine erhebliche Beeinträchtigung des Ostseeherings durch die Erweiterung des Bauzeitenfensters auch insoweit aus. Weder auf die genannten Nebenbestimmungen noch auf die Begründung im Planfeststellungsbeschluss geht der Kläger ein.

58c) Auch das betroffene EU-Vogelschutzgebiet "Greifswalder Bodden und südlicher Strelasund" (DE 1747-402) wird durch die Regelung der Bauzeitenerweiterung im ersten Planänderungsbeschluss nicht erheblich beeinträchtigt.

59Der Planänderungsbeschluss hat die Auswirkungen des baubedingt verlängerten Schiffsverkehrs in den Monaten Januar und Februar 2024 auf die Winterrast maßgeblicher Vogelarten berücksichtigt. Bereits im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss wurde angenommen, dass die betroffenen Bereiche (Fahrrinne und Ansteuerung des Landtiefs) nur eine geringe Bedeutung für das Rastgeschehen von Bergenten aufweisen (PFB S. 87). Zudem umfassen laut Planänderungsbeschluss die potentiell vergrämten Individuen für alle Arten stets weniger als 1 % der Rastbestände im Schutzgebiet. Der Schiffsverkehr wird durch die Nebenbestimmung Ziff. A.3.2.4 zum Planänderungsbeschluss begrenzt. Nach Nebenbestimmung Ziff. A.3.7.3 zum Planfeststellungsbeschluss ist durch die Vorhabenträgerin sicherzustellen, dass Vogelrastplätze bei der Wahl von Anfahrtswegen zum Baufeld gemieden werden, die Inanspruchnahme des Gewässers zeitlich und räumlich auf das unabdingbare Maß reduziert und Sedimentverfrachtungen und Trübstofffahnen durch die Nutzung geeigneter Technik minimiert werden. Sämtliche Bauverkehre haben dabei soweit wie möglich in bzw. in der Nähe von betonnten Fahrwassern stattzufinden und die Wege von den Fahrwassern zur Baustelle bzw. zu Zwischenlagern und Umlagerungsflächen so kurz wie möglich zu halten (Ziff. A.3.7.4 zum PFB). Schließlich hat die Vorhabenträgerin nach Nebenbestimmung Ziff. A.3.2.2 zum Planänderungsbeschluss das betroffene EU-Vogelschutzgebiet täglich auf Eisgang zu kontrollieren, die Kontrollergebnisse in geeigneter Weise zu dokumentieren und auf Verlangen der Planfeststellungsbehörde vorzulegen. Bei Eisgang sind die Arbeiten in dem betroffenen Natura 2000-Gebiet einzustellen, so dass in diesem Fall optische und akustische Reize nicht eintreten.

60Gründe, weshalb diese detaillierten Regelungen nicht geeignet sein könnten, eine erhebliche Beeinträchtigung des EU-Vogelschutzgebietes durch die Erweiterung des Bauzeitenfensters auszuschließen, legt der Kläger nicht dar. Hierfür hätte umso mehr Anlass bestanden, als der Senat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren deren Eignung positiv beurteilt hatte ( 7 VR 2.24 - juris Rn. 32).

612. Der Planfeststellungsbeschluss hat auch die rechtlichen Vorgaben zum gesetzlichen Biotopschutz beachtet. Eine erhebliche Beeinträchtigung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG liegt nicht vor, wenn sich das Biotop in absehbarer Zeit von den Folgen der Einwirkung erholt ( 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 636). Hiervon ist nach den vorstehenden Ausführungen zum FFH-LRT 1170 - Riffe (s. oben II. 1. a) bb) Rn. 48) auszugehen. Wie dort bereits angesprochen, ist eine Rekonstruktion von Mergel- und Kreideplatten durch autochthones Geschiebe zur Schaffung von anstehendem Hartsubstrat vorgesehen. Der Beklagte nimmt an, dass dies zur Rekonstruktion des geschützten Biotops "Riffe" führt. Der Charakter als vom Meeresboden aufragende mineralische Hartsubstrate werde weiterhin gegeben sein (PFB S. 133). Ob nicht dies bereits ausreicht, um eine erhebliche Beeinträchtigung der Riff-Biotope durch das zugelassene Vorhaben auszuschließen, kann hier letztlich offenbleiben. Der Planfeststellungsbeschluss verneint eine erhebliche Beeinträchtigung jedenfalls mit der Begründung, es sei durch die Wiederherstellung des Seebodens von einer vollständigen Regeneration der Riffe und ihrer Funktionen in einem Zeitraum von längstens vier Jahren nach Beendigung der Bauarbeiten auszugehen (PFB S. 134 f.). Der im Termin zur mündlichen Verhandlung angehörte Sachbeistand der Beigeladenen, Dr. Ku., hat dies bestätigt und betont, dass die Ansiedlung benthischer Lebensgemeinschaften unmittelbar nach Wiederherstellung des Hartsubstrats beginne. Der Beklagte beruft sich für seine Annahme außerdem auf Beschreibungen in der Literatur sowie auf die Ergebnisse des Nord Stream 2-Regenerationsmonitorings der wiederhergestellten Riffe auf der Boddenrandschwelle (vgl. Materialband der Antragsunterlagen der Beigeladenen). Hierdurch wären zumindest die Voraussetzungen der von dem Beklagten vorsorglich erteilten Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG (PFB S. 8, 142) erfüllt, weil als Ausgleich (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) keine identische, aber eine gleichartige Wiederherstellung erforderlich ist (vgl. 9 A 17.21 - juris Rn. 41). Auch die Frage der Gleichartigkeit, die der Kläger bestreitet, kann hier letztlich dahinstehen. Denn der Beklagte hat höchstvorsorglich auch eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt (PFB S. 8, 143). Danach kann von den Verboten des Bundesnaturschutzgesetzes Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist. Die Durchführung der Vorhaben nach § 2 Abs. 2 LNGG ist aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses erforderlich (§ 3 Satz 3 LNGG). Eine Alternative zu der planfestgestellten Trassenführung, die den Eingriff vermieden hätte, drängte sich nicht auf (hierzu sogleich 3. a) Rn. 63).

623. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem erheblichen Abwägungsmangel.

63a) Die Alternativenprüfung ist nicht zu beanstanden. Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 43 Abs. 3 EnWG) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen ( 7 VR 3.23 - BVerwGE 179, 226 Rn. 29). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen ( 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117 und vom - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 67 ff.).

64Der Planfeststellungsbeschluss kommt zu dem Ergebnis, dass der von der Beigeladenen gewählte Trassenverlauf des ersten Seeabschnitts der OAL, Lubmin bis KP 26, die raum- und umweltverträglichste Alternative für das Vorhaben darstellt (PFB S. 209). Die Trassenführung des Rohrleitungsstranges basiert auf den Planungsgrundsätzen des Bündelungsgebots (§ 1 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG) und der möglichst geringen Trassenlänge zur Vermeidung von Kapazitätsverlusten und der Kreuzung anderer Infrastrukturen. Der im Anhörungsverfahren vorgebrachten Anregung, die bereits vorhandene Nord Stream 2-Pipeline zu nutzen und sie zu diesem Zweck entweder freihändig zu erwerben oder zu enteignen, musste der Beklagte nicht weiter nachgehen. Der Planfeststellungsbeschluss weist zum einen auf technische Schwierigkeiten dieser Option bei der Umsetzung der - im Zeitpunkt seines Erlasses - mit Gas befüllten und betriebsbereiten Gasleitung hin (PFB S. 210). Vor allem trägt aber die Überlegung, dass der Umbau und die Umnutzung einer solchen im Eigentum eines Dritten stehenden Infrastruktur nicht ohne dessen Einverständnis möglich seien. Soweit der Kläger geltend macht, es hätte ein freihändiger Erwerb geprüft werden müssen, zeigt er damit keinen Fehler der Alternativenprüfung auf. Angesichts des von Anfang an bestehenden außergewöhnlichen Zeitdrucks bei der Planung und Realisierung des im überragenden öffentlichen Interesse stehenden Vorhabens einerseits und der Tatsache, dass sich die Nord Stream 2-AG, ein 100%iges G.-Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, seit dem Frühjahr 2023 in einem Nachlassverfahren nach Schweizer Recht befand, konnte der Beklagte abwägungsfehlerfrei den freihändigen Erwerb bereits im Rahmen der Grobprüfung ausscheiden. Entsprechendes gilt für das vom Kläger angeregte Enteignungsverfahren. Der Planfeststellungsbeschluss weist zu Recht darauf hin, dass § 23a EnSiG keine Rechtsgrundlage für die Enteignung einer bereits bestehenden Gasversorgungsleitung biete (PFB S. 256). Dies steht mit dem Wortlaut des § 23a Abs. 1 Nr. 1 EnSiG ("die Enteignung von beweglichen Sachen, die für die Errichtung von Erdgasleitungen erforderlich sind") und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/4328 S. 16 f.) in Einklang, wonach die neugeschaffene Norm dazu dient, den Zugriff auf nicht verbautes Material und Komponenten, die zur Herstellung von LNG-Infrastruktur Verwendung finden können, zu sichern. Insbesondere vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Wertung drängt sich die vom Kläger favorisierte Nachnutzung eines Teils der Nord Stream 2-Pipeline nicht als vorzugswürdige Alternative gegenüber der vorgegebenen Planung auf (vgl. 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 80).

65b) Schließlich hat der Planfeststellungsbeschluss die Belange des Klimaschutzes hinreichend gewürdigt.

66Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes - KSG - vom (BGBl. I S. 2513), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I S. 3905), haben die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Dies betrifft den in § 1 KSG niedergelegten Zweck des Gesetzes und insbesondere die Auswirkungen des Vorhabens auf die nationalen Klimaschutzziele, die in § 3 Abs. 1 KSG näher definiert werden. Der Behörde kommt insoweit eine Pflicht zu, die zu erwartende Menge an Treibhausgasen, welche aufgrund des Projekts emittiert werden, mit einem vertretbaren Aufwand zu ermitteln und die Ermittlungsergebnisse in die Entscheidungsfindung einzustellen ( 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 82). Vor diesem Hintergrund ist die Abwägungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.

67aa) In die Betrachtung wurde einbezogen, dass das Vorhaben in der Bauphase eine emissionserhöhende Wirkung hat und damit kurzfristig nicht zum Klimaschutz beiträgt, sondern diesem vielmehr entgegenwirkt. Eine Quantifizierung der baubedingten Emissionen wurde ausgehend von den Berechnungen im Rahmen der Planung des Nord Stream 2 Projekts vorgenommen. Danach legt der Beklagte baubedingte Emissionen von schätzungsweise 24 000 t CO2 und 1 000 t CO2 bei der Inbetriebnahme zugrunde und stellt diese in die Abwägung ein (PFB S. 226). Diese Quantifizierung ist anhand der Angaben im Erläuterungsbericht nachvollziehbar, wonach im Vergleich zum Nord Stream 2 Projekt signifikant geringere Emissionen zu erwarten sind, weil es sich vorliegend jedenfalls nicht um zwei 1 200 km lange Pipelines handelt (S. 132). Die Planfeststellungsbehörde musste sich die in den Antragsunterlagen der Vorhabenträgerin erwähnten Dokumente - die Berechnungen der Emissionen für das Nord Stream 2 Projekt - nicht vorlegen lassen. Auf die Aussage, dass diese Unterlagen von der Vorhabenträgerin eingesehen werden konnten, durfte sie vertrauen, weil Anhaltspunkte für eine falsche Angabe nicht vorliegen. Angesichts dessen durfte sich die Planfeststellungsbehörde auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken und musste keine Nachermittlungen anstellen (vgl. 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 25). Im Übrigen wurde auch die Berechnung der vorhabenbedingten Schiffsverkehre aus Sedimenttransporten und die Schiffsbewegungen der Baggerflotte in den Planunterlagen, nämlich im Erläuterungsbericht (S. 124) und in der Umweltfachlichen Bewertung (Antragsunterlage 4 k, S. 143; PFB S. 269), dargestellt. Nach allem unterliegt weder die Quantifizierung noch die Annahme, dass diese baubedingten Emissionen im Verhältnis zu den zulässigen Jahresemissionsmengen des § 4 KSG i. V. m. Anlage 2 zum KSG kaum ins Gewicht fallen, durchgreifenden Bedenken. Es war auch zulässig zu beachten, dass das Vorhaben entsprechend der gesetzgeberischen Vorstellung (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 16) geeignet ist, in Zukunft Wasserstoff zu transportieren, der nach gegenwärtigem Kenntnisstand ein wichtiger Baustein der angestrebten Klimaneutralität sein wird.

68bb) Zu den abwägungserheblichen Umweltauswirkungen einer LNG-Anbindungsleitung gehören hingegen nicht die Treibhausgasemissionen, die beim späteren Verbrauch des transportierten Gases entstehen. Nur dann wäre die Forderung des Klägers nach einem Klimaschutzfachbeitrag nachvollziehbar. Es fehlt insoweit allerdings an dem nach § 43 Abs. 3 EnWG erforderlichen Vorhabenbezug. Danach sind nur "die von dem Vorhaben" berührten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Die bestimmungsgemäße Nutzung der Anbindungsleitung liegt im Gastransport und erschöpft sich darin. Der spätere Verbrauch des Gases findet an anderer Stelle statt und unterliegt eigenen Regelungen gerade auch mit dem Ziel einer Reduktion damit verbundener Treibhausgasemissionen, insbesondere durch das einschlägige Anlagenzulassungsrecht, das Treibhausgas-Emissionshandelsrecht sowie rechtliche Vorgaben für den Energieeinsatz in Gebäuden ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 39 und Beschluss vom - 7 VR 3.23 - BVerwGE 179, 226 Rn. 45). Auch § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ändert nichts an dem Vorhabenbezug der Abwägung. Die Vorschrift begründet selbst keine neuen Handlungs- und Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume aufgrund gesetzlicher Regelungen voraus (vgl. 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 61 f.).

69cc) Auch das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot zwingt nicht zu einer anderen Sichtweise ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 46). Art. 20a GG verpflichtet den Staat - auch in Verantwortung für künftige Generationen - zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen; dies umfasst die Verpflichtung zum Klimaschutz einschließlich des Ziels der Herstellung von Klimaneutralität (vgl. grundlegend , 78/20, 96/20 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 197 f.). Konkretisierung und Ausgestaltung des Klimaschutzgebots obliegen in erster Linie dem Gesetzgeber, dem sich dabei ein erheblicher Gestaltungsspielraum eröffnet (BVerfG, a. a. O. Rn. 205, 207, 213, 249). Auch die Regelungen im Klimaschutzgesetz richten sich in erster Linie an den Gesetzgeber selbst, in dessen Entscheidung es liegt, wie er innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit in den einzelnen Sektoren die Klimaschutzziele erreichen will ( 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 97). Auf bestimmte einzelne Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele ist er von Verfassungs wegen nicht festgelegt (vgl. - NVwZ 2023, 158 Rn. 5). Der Gesetzgeber überschreitet seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er - wie hier für einen befristeten Zeitraum bis (§ 14 Abs. 2 Satz 1 LNGG) - das Ziel einer sukzessiven Minderung von Treibhausgasemissionen aufgrund des Verbrauchs fossilen Gases nicht durch einschränkende Vorgaben für die Zulassung von Anlagen der Gasversorgungsinfrastruktur verfolgt, sondern regulatorisch weiterhin am Gasverbrauch ansetzt.

70Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:250424U7A11.23.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-74507