BVerwG Urteil v. - 7 A 9/23

Planfeststellung einer LNG-Anbindungsleitung

Leitsatz

1. Auch im Hinblick auf die mit dem zweiten Änderungsgesetz zum LNG-Beschleunigungsgesetz als Vorhaben aufgenommene Ostsee-Anbindungsleitung ist § 4 LNGG mit Unionsrecht vereinbar (Fortführung von 7 A 9.22 -).

2. Die gesetzgeberische Entscheidung, dass die zügige Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz der nationalen Energieversorgung dient und die hierzu erforderlichen Vorhaben für die sichere Gasversorgung Deutschlands besonders dringlich sind, ist für die gerichtliche Überprüfung des Bestehens einer Gasversorgungskrise in ähnlicher Weise bindend, wie es (andere) gesetzliche Bedarfsfestlegungen und Planrechtfertigungen sind.

Tatbestand

1Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Bergamtes S. für die Errichtung und den Betrieb der Gasversorgungsleitung "Ostsee-Anbindungs-Leitung (OAL) Seeabschnitt Lubmin bis KP 26" vom in der Gestalt des ersten Planänderungsbeschlusses vom , ergänzt durch Bescheid vom , und des zweiten Planänderungsbeschlusses vom .

2Die OAL zwischen dem Hafen Mukran auf Rügen und Lubmin dient zum Transport regasifizierten Flüssigerdgases (Liquefied Natural Gas - LNG). Mit der OAL sollen zwei im Hafen von Mukran am immissionsschutzrechtlich genehmigte, schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheiten (Floating Storage and Regasification Units - FSRUs) an das bestehende Gasfernleitungsnetz angebunden werden. Die OAL gliedert sich in vier Abschnitte. Für die beiden Landabschnitte - Mukran und Lubmin - wurden Plangenehmigungen erteilt. Der zweite Seeabschnitt der OAL von Kilometerpunkt 26 bis Mukran wurde durch Planfeststellungsbeschluss vom zugelassen. Der erste Seeabschnitt der OAL von Lubmin bis Kilometerpunkt 26 ist Gegenstand dieses Verfahrens.

3Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss hat der Senat mit Beschluss vom - 7 VR 4.23 - abgelehnt.

4Mit Planänderungsbeschluss vom ließ der Beklagte eine Bauzeitenerweiterung vom 1. Januar bis zum zur Wiederherstellung des Seebodens in bestimmten Bereichen des Rohrgrabens zu. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Planänderungsbeschluss hat der Senat mit Beschluss vom - 7 VR 1.24 - abgelehnt. Mit dem Planänderungsbeschluss vom wurde die Inbetriebnahme des streitgegenständlichen Planabschnitts der OAL vor Abschluss der vollständigen Rückverfüllung eines Teils des Rohrgrabens zugelassen. Die abschließende Rückverfüllung ist nunmehr ab dem , innerhalb der ersten Jahreshälfte 2024, vorgesehen. Eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung (UVP-Vorprüfung) wurde für den ersten Planänderungsbeschluss nachgeholt und vor Erlass des zweiten Planänderungsbeschlusses vorsorglich durchgeführt.

5Der Kläger rügt die formelle und materielle Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Die angefochtene Entscheidung sei, unter anderem wegen einer fehlenden UVP-Vorprüfung und einer unzureichenden Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung, verfahrensfehlerhaft ergangen. § 4 LNGG sei nicht mit Unionsrecht vereinbar. Das zugelassene Vorhaben sei planerisch nicht gerechtfertigt. Es sei mit den Vorschriften zur Anlagensicherheit nicht vereinbar und verstoße gegen Wasserrecht sowie gegen artenschutz-, gebiets- und biotopschutzrechtliche Bestimmungen. Auch sei das Abwägungsgebot verletzt. Alternativen seien nicht geprüft und in die planerische Abwägung eingestellt worden. Die vorgenommene Abschnittsbildung sei sachwidrig und werde dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht. Schließlich stehe das Vorhaben mit den Klimaschutzzielen nicht in Einklang.

6Der Kläger beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom für den Bau und Betrieb der LNG-Anbindungsleitung "Ostsee-Anbindungs-Leitung (OAL) Seeabschnitt Lubmin bis KP 26" in der Gestalt des 1. Planänderungsbeschlusses vom , ergänzt durch den Bescheid vom , und des 2. Planänderungsbeschlusses vom aufzuheben,

2. hilfsweise, den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

7Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss und treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.

Gründe

9Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht als erstinstanzlich zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist zulässig, aber unbegründet.

10A. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. § 12 Satz 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz - LNGG) vom (BGBl. I S. 802), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I Nr. 184). Danach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 LNGG. Bei der Errichtung und dem Betrieb der "OAL Seeabschnitt Lubmin bis KP 26" handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 4.2 der Anlage zum LNGG. Die Leitung dient zur Anbindung der beiden FSRUs im Hafen von Mukran (zwei Anlagen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 LNGG i. V. m. Nr. 4.1 der Anlage zum LNGG) an das Gasfernleitungsnetz in Lubmin.

11B. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gegenstand der Prüfung ist der Planfeststellungsbeschluss vom in Gestalt der nachträglichen Änderungen, die der Kläger in das Verfahren einbezogen hat.

12Als eine nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannte Umweltvereinigung ist der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt. Die Feststellung des Planes für den Bau und Betrieb einer LNG-Anbindungsleitung ist ein unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften ergehender Verwaltungsakt zur Zulassung eines Vorhabens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG; das dem Gesetzeswortlaut nach bestehende Exklusivitätsverhältnis zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 UmwRG steht einem Rückgriff auf Nr. 5 nicht entgegen, wenn - wie hier - eine nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) an sich bestehende UVP-Pflicht oder UVP-Vorprüfungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ausgeschlossen ist (vgl. 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 14 ff. und Beschluss vom - 7 VR 4.23 - juris Rn. 9; s. hierzu unter C. I. 1.). Der Kläger macht zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend, die für den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UmwRG).

13C. Die Klage ist unbegründet. Das Vorbringen des Klägers führt, soweit es den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO genügt und er rügebefugt ist, weder auf eine formelle noch auf eine materielle Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

14I. Der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erforderliche Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den geltend gemachten formellen Fehlern.

151. Das Vorhaben unterliegt mit einer Länge von 26 km und einem Durchmesser von 1 200 mm zwar grundsätzlich der Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVPG i. V. m. Ziff. 19.12.3 der Anlage 1 zum UVPG. Vor Erlass des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses, nur insoweit hat keine UVP-Vorprüfung stattgefunden, war jedoch entgegen der Auffassung des Klägers keine UVP-Vorprüfung durchzuführen. § 4 Abs. 1 LNGG bestimmt, dass abweichend von § 1 Abs. 4 UVPG die für die Zulassungsentscheidung zuständige Behörde bei Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 LNGG das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 des § 4 LNGG nicht anzuwenden hat, wenn eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. In § 4 Abs. 2 bis 5 LNGG hat der Gesetzgeber zusätzliche Regelungen für den Fall der Ausnahme von der Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LNGG tritt § 4 LNGG mit Ablauf des außer Kraft.

16Der Auffassung des Klägers, § 4 Abs. 1 LNGG beziehe sich nur auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, nicht jedoch auf die Vorprüfung, kann angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift, wonach das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht anzuwenden ist, nicht gefolgt werden. Die UVP-Vorprüfung ist ein Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sich insbesondere aus § 7 UVPG ergibt, der die Vorprüfung von Neuvorhaben in dem mit "Umweltverträglichkeitsprüfung" überschriebenen Teil 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung als Verfahrensschritt regelt. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zum LNG-Beschleunigungsgesetz nennt ausdrücklich den Verzicht auf Verfahrensschritte nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung als von der Ausnahmeregelung erfasst (BT-Drs. 20/1742 S. 18). Damit wird auch in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass nicht nur die Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern auch die UVP-Vorprüfung als Verfahrensschritt nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 LNGG entfällt.

17a) § 4 LNGG steht mit Unionsrecht, namentlich mit der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung (ABl. L 26 S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 124 S. 1) geänderten Fassung (UVP-RL), im Einklang ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 23 ff.). Hieran hält der Senat auch im Hinblick auf das zweite Änderungsgesetz zum LNG-Beschleunigungsgesetz vom (BGBl. I Nr. 184), mit dem die OAL in Nr. 4.2 der Anlage LNGG als Vorhaben im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 in das Gesetz aufgenommen wurde, und unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers in diesem Verfahren fest (vgl. bereits 7 VR 4.23 - juris Rn. 19).

18Nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL können Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 7 der Richtlinie in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt von den Bestimmungen der Richtlinie ausnehmen, wenn sich die Anwendung dieser Bestimmungen nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele der Richtlinie verwirklicht werden. In diesem Fall müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 UVP-RL prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist (Buchst. a), der betroffenen Öffentlichkeit bestimmte Informationen zugänglich machen (Buchst. b) sowie die Europäische Kommission vor Erteilung der Genehmigung unterrichten (Buchst. c).

19Die Notwendigkeit, die Energieversorgungssicherheit eines Mitgliedstaats zu gewährleisten, kann einen Ausnahmefall im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL darstellen. Die Gefahr für die Energieversorgungssicherheit muss bei vernünftiger Betrachtung wahrscheinlich und das Projekt so dringlich sein, dass es das Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu rechtfertigen vermag (vgl. [ECLI:​EU:​C:​2019:​622] - Rn. 97, 101). Dies ist bei einer Krise der Gasversorgung, die es zu bewältigen oder abzuwenden gilt, wie sie § 4 Abs. 1 LNGG in Bezug nimmt, der Fall. Die Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG setzt überdies voraus, dass für jedes einzelne Vorhaben und damit für jedes "bestimmte Projekt" im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 UVP-RL geprüft wird, ob die beschleunigte Zulassung geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. Durch die Einzelfallprüfung, ob hinsichtlich des "konkreten Vorhabens" (so ausdrücklich § 4 Abs. 1 LNGG) eine Ausnahme von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung in Betracht kommt, wird sichergestellt, dass nur solche Vorhaben von der Anwendung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden, bei denen sich diese nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde. Daher ist die Regelung in § 4 Abs. 1 LNGG auch nicht mit einer Ausnahmeregelung vergleichbar, die pauschal an bestimmte Schwellenwerte anknüpft ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 25). Die Europäische Kommission hat im Rahmen einer beim Europäischen Parlament eingereichten Petition eines italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich des Projekts "Piombino FSRU und Anschluss an das nationale Gasnetz" darauf hingewiesen, dass die dortige Regelung, die ähnlich wie § 4 Abs. 1 LNGG eine Einzelfallprüfung vorsieht, mit Art. 2 Abs. 4 UVP-RL vereinbar ist (Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments, in: Mitteilung an die Mitglieder vom betr. Petition 0030/2023, PE752.927v01-00, S. 2 f.).

20Die Regelungen des § 4 LNGG setzen auch die Anforderungen des Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 UVP-RL unionsrechtskonform um. Dies gilt insbesondere für die Anforderung, zu prüfen, ob eine andere Form der Umweltverträglichkeitsprüfung angemessen ist. Dieser an die Mitgliedstaaten gerichteten Anforderung ist das LNG-Beschleunigungsgesetz in den Absätzen 3 bis 5 des § 4 LNGG nachgekommen. So bleiben etwa die weiteren Zulassungsvoraussetzungen nach den fachrechtlichen Vorschriften grundsätzlich unberührt (§ 4 Abs. 3 LNGG). Das Schutzniveau für die Umwelt bleibt auf diese Weise gewahrt. Zugleich wird sichergestellt, dass durch die Inanspruchnahme der Ausnahmemöglichkeit nach Art. 2 Abs. 4 UVP-RL die Ziele der Richtlinie - d. h. der Schutz der Rechtsgüter dieser Richtlinie - auch ohne die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen Berücksichtigung finden (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 19). Aus den Regelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit vor Erteilung der Zulassung in § 4 Abs. 4 Satz 1 LNGG ergibt sich zugleich, dass in diesem Zeitpunkt der Entwurf der Zulassungsentscheidung einschließlich Begründung bereits vorliegen muss (Nr. 1), ebenso die wesentlichen Antragsunterlagen einschließlich der Unterlagen, mit denen die wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt dargestellt werden (Nr. 2). Zudem sind die Gründe für die Gewährung der Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG zugänglich zu machen (§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 LNGG). Damit sind die unionsrechtlichen Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber, sowohl zu prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist, als auch die betroffene Öffentlichkeit zu beteiligen, erfüllt. Hierdurch wird der Wegfall der eigentlichen Umweltverträglichkeitsprüfung teilweise kompensiert. Ebenso wird ein Mindestmaß an Transparenz auch in der Ausnahmekonstellation hergestellt (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 19). Schließlich hat nach § 4 Abs. 5 Satz 1 LNGG das zuständige Bundesministerium die Europäische Kommission vor Erteilung der Zulassungsentscheidung über die Gründe der Gewährung der Ausnahme nach § 4 Abs. 1 LNGG zu unterrichten und ihr die Informationen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, zu übermitteln (vgl. Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 Buchst. c UVP-RL).

21b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist kein Verstoß gegen das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen vom festzustellen. Das Übereinkommen von Espoo wurde unionsrechtlich durch die UVP-Richtlinie umgesetzt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 UVP-RL; - Rn. 93, 161). Die Ausnahme eines einzelnen Projekts von den Bestimmungen der UVP-Richtlinie durch einen Mitgliedstaat ergeht danach unbeschadet des Art. 7 UVP-RL, der die Benachrichtigungspflichten regelt, die einem Mitgliedstaat obliegen, in dessen Hoheitsgebiet ein Projekt durchgeführt werden soll, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaats haben kann. Dies ist bei dem streitgegenständlichen Vorhaben schon deshalb nicht der Fall, weil es nach Anhang I UVP-RL keiner UVP-Pflicht unterliegt (vgl. Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Nr. 16 Buchst. a Anhang I UVP-RL: Länge von mehr als 40 km). Abgesehen davon befindet sich das Vorhaben ausschließlich im Küstengebiet der Bundesrepublik Deutschland. Auswirkungen auf das Gebiet anderer Staaten sind nicht zu erkennen und werden von dem Kläger nicht substantiiert dargetan. Jedenfalls deshalb bestand auch nach §§ 54 ff. UVPG, mit denen die Espoo-Konvention im nationalen Recht umgesetzt wurde, keine Verpflichtung zur Benachrichtigung anderer Staaten.

22c) Die in § 4 Abs. 1 LNGG genannten Voraussetzungen für die Ausnahme von der Anwendung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung waren in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses erfüllt. Die beschleunigte Zulassung des ersten Seeabschnitts der OAL im August 2023 war, wie der Senat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden hat (Beschluss vom - 7 VR 4.23 - juris Rn. 14 f.), geeignet, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen. Bei diesen tatbestandlichen Voraussetzungen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

23aa) Eine zu bewältigende Krise der Gasversorgung lag entgegen der Auffassung des Klägers im August 2023 weiterhin vor (zur Lage im August 2022: 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 21).

24(1) Im Mai 2022 wurden noch 40 % der nationalen Gasversorgung, bei einem Gesamtverbrauch von rund 1 000 TWh oder 96 Mrd. m³ pro Jahr, durch russische Erdgaslieferungen gedeckt. Mit dem am begonnenen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hatte sich die energie- und sicherheitspolitische Bewertung der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen unvorhergesehen kurzfristig und fundamental geändert. Hierdurch war eine außergewöhnliche und äußerst volatile Lage am Gasmarkt entstanden. Vor diesem Hintergrund und der nur geringen Substituierbarkeit von Gas durch andere Energieträger hat sich der Gesetzgeber mit dem am in Kraft getretenen LNG-Beschleunigungsgesetz dafür entschieden, zur Sicherstellung der Versorgung Gas aus anderen Quellen zu beschaffen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 1). Nach der Beendigung der russischen Gaslieferungen an Deutschland am und dem Anschlag auf die Nord Stream Pipelines am ist, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs vom Mai 2022 bereits vorausgesehen, eine wichtige Aufkommensquelle für Deutschland auf unabsehbare Zeit weggefallen. Auch im Sommer 2023 lag noch ein Ausbleiben bzw. eine gravierende Reduzierung von Gasströmen an wichtigen physischen Einspeisepunkten vor (vgl. BT-Drs. 20/7279 S. 10). Dies führte zum zweiten Änderungsgesetz zum LNG-Beschleunigungsgesetz, das am in Kraft getreten ist und mit dem zur Sicherung der Energieversorgung mit Mukran auf Rügen ein neuer Anlagenstandort aufgenommen wurde, der durch die OAL an das Gasfernleitungsnetz angeschlossen werden soll.

25(2) Die Sicherung der Energieversorgung ist ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang ( - BVerfGE 134, 242 Rn. 286), der sowohl unionsrechtlich als auch im nationalen Recht geregelt ist.

26Nach Art. 194 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verfolgt die Energiepolitik der Union das Ziel, die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten. Gestützt auf Art. 194 Abs. 2 AEUV haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2017/1938 vom über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 (ABl. L 280 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2022/1032 vom (ABl. L 173 S. 17, L 245 S. 70), - SOS-VO -, erlassen. Art. 8 SOS-VO regelt die Aufstellung eines Notfallplans durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und Art. 11 Abs. 1 SOS-VO bestimmt drei Krisenstufen bei Ausrufung einer Krise: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Im Fall der Frühwarnstufe liegen konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf vor, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Ausrufung der Alarm- oder der Notfallstufe führt (Art. 11 Abs. 1 Buchst. a SOS-VO). Bei Ausrufung der Alarmstufe liegt eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt (Art. 11 Abs. 1 Buchst. b SOS-VO).

27Nach dem auf dieser Grundlage erstellten Notfallplan Erdgas für die Bundesrepublik Deutschland, der alle vier Jahre aktualisiert wird, zuletzt unter dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), rechtfertigen unter anderem die gravierende Reduzierung von Erdgasströmen an wichtigen physischen Einspeisepunkten, der Ausfall von wichtigen Aufkommensquellen und der längere technische Ausfall wesentlicher Infrastrukturen, z. B. Leitungen, die Ausrufung der Alarmstufe. Dabei kann dieser Ausfall durch Redundanzen kompensiert werden. Das BMWK hat am die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Sie galt im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses und sie gilt weiterhin. Nach § 30 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz - EnSiG) in der Fassung vom (BGBl. I S. 2102) liegt eine unmittelbare Gefährdung oder Störung der Energieversorgung insbesondere im Fall einer drohenden Knappheit unter anderem von Erdgas vor. Eine drohende Knappheit ist nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 EnSiG insbesondere schon dann anzunehmen, wenn im Sektor Erdgas die Frühwarnstufe nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und Art. 11 Abs. 1 SOS-VO in Verbindung mit dem Notfallplan Gas ausgerufen wird.

28(3) Danach kommt der ausgerufenen Alarmstufe des Notfallplans Gas eine besondere Bedeutung im Sinne einer starken Indizwirkung oder Vermutungsregelung zu, die wegen der Aktualität sowohl der Krise als auch der jeweils unverzüglich darauffolgenden Reaktionen des Gesetzgebers nicht widerlegt ist. Die durch den Ausfall der russischen Gaslieferungen und die Zerstörung der Pipelineinfrastruktur verursachte Krise der Gasversorgung ist nicht zwischenzeitlich durch andere neu hinzugekommene sichere Bezugsquellen dauerhaft weggefallen (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 18). Für die dauerhafte Sicherung der Energieversorgung sowohl der Bürger als auch der Wirtschaft ist, anders als der Kläger meint, nicht allein die Versorgungssituation in der Heizperiode 2023/2024 maßgeblich. Ebenso wenig ist entscheidend, in welchem Umfang die Gaslieferungen kurzfristig substituiert werden konnten bzw. können und welche aktuellen Füllstände die Gasspeicher aufweisen. Maßgebend ist vielmehr, dass der Gesetzgeber durch das LNG-Beschleunigungsgesetz zur Sicherung der nationalen Gasversorgung die zügige Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz gesetzlich angeordnet und die schnellstmögliche Durchführung dieser Vorhaben als zentrales Interesse einer sicheren und diversifizierten Gasversorgung festgelegt hat. Diese durch den Gesetzgeber getroffene Grundsatzentscheidung ist für die gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gasversorgungskrise in ähnlicher Weise bindend, wie es andere gesetzliche Bedarfsfestlegungen und Planrechtfertigungen sind. Es ist zuallererst eine energiepolitische Entscheidung des Bundesgesetzgebers, wie er eine zuverlässige Energieversorgung sicherstellen will. Hierbei steht ihm ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zur Verfügung (vgl. - BVerfGE 134, 242 Rn. 287).

29Der Kläger, der stattdessen sein eigenes Konzept der Energieversorgung an die Stelle einer parlamentarischen Entscheidung setzen will, kann damit nicht durchdringen (vgl. auch Reinhardt, Anm. zu 7 VR 1.24 - NVwZ 2024, 500). Dass die Einschätzung und Entscheidung des Gesetzgebers im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses offensichtlich unvertretbar waren und ihnen deshalb keine Bindungswirkung zukam, ist vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Angesichts der überragenden Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl sind sowohl worst-case-Szenarien, wie extreme Wetterlagen, zu berücksichtigen, als auch Redundanzen und sonstige Vorsorgegesichtspunkte, einschließlich möglicher Auswirkungen des Ausfalls von Gaslieferungen in anderen europäischen Ländern, in die Betrachtung einzubeziehen.

30Auch die Annahmen in der Begründung des zweiten Änderungsgesetzes, dass mit der Einspeisung von vier FSRUs an der Nordseeküste das nachgelagerte Gasnetz in Nordwest-Deutschland und die von dort bestehende Transportachse nach Süden und Osten ausgelastet werde, der Aufbau zusätzlicher Importkapazitäten im erforderlichen Umfang an der Nordseeküste kurzfristig nicht möglich sei und nach Fertigstellung der OAL die geplanten FSRUs in Mukran durch eine Einspeisung in das Gasfernleitungsnetz in Lubmin, das über hohe Kapazitätsreserven verfügt, kurzfristig genutzt werden und so zur Stabilisierung der Energieversorgungslage beitragen könnten (BT-Drs. 20/7279 S. 18 f.), sind mindestens vertretbar (vgl. auch bereits 7 VR 4.23 - juris Rn. 16). Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Antwort der Bundesregierung vom auf die schriftliche Frage eines Bundestagsabgeordneten zu den Kapazitäten (pro Stunde und Jahreskapazität) zur Weiterleitung von Methan von West nach Ost innerhalb Deutschlands (Anlage 1 zum Protokoll). Aus der Antwort, wonach eine genaue Angabe zur Kapazität nach Auskunft der Bundesnetzagentur nicht möglich sei, lässt sich keineswegs ableiten, dass der Abtransport aus Lubmin zur tschechischen Grenze und über das tschechische Erdgasnetz nach Süddeutschland netztechnisch keine Bedeutung hat. Der Präsident der Bundesnetzagentur hatte in einem Schreiben an den damaligen Staatssekretär im BMWK vom ausgeführt, dass die Route von Lubmin in Situationen mit kalten Temperaturen und hohem Verbrauch in Mittelosteuropa und Süddeutschland netztechnisch wichtig sei. Aus dem Nordwesten Deutschlands gebe es hingegen keine direkte engpassfreie Verbindung nach Tschechien oder Süddeutschland (Anlage Bg 1, S. 3 f.). Auch insoweit setzt der Kläger sein eigenes Konzept, das auf der Annahme bereits bestehender Überkapazitäten bei der Gasversorgung und des ungestörten Funktionierens aller überkommenen Komponenten beruht, an die Stelle der Entscheidung des Gesetzgebers.

31bb) Die zur Anbindung geplanten FSRUs im Hafen von Mukran weisen eine jährliche Regasifizierungskapazität von insgesamt 10 bis 15 Mrd. m³ auf und sind damit geeignet, zur Sicherung der Gasversorgung insbesondere über das Gasnetz im Osten Deutschlands beizutragen (vgl. 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 20 und Beschluss vom - 7 VR 4.23 - juris Rn. 17). Den für den Fall der Klagabweisung gestellten Beweisanträgen (Anlagen 2 und 3 zum Protokoll) war nicht zu entsprechen. Ob die Vernehmung der Geschäftsführer der D. GmbH & Co. KGaA, K. und W., als Zeugen ergeben würde, dass die FSRUs Neptune und Transgas Power (jetzt: Energos Power) frühestens im April 2024, eventuell erst im Sommer 2024, in den kommerziellen Betrieb in Mukran gehen würden und dies dem Beklagten und/​oder der Beigeladenen im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses auch mitgeteilt worden war, ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Dies gilt gleichermaßen für die Behauptung, die als Zeugin benannte Abteilungsleiterin im Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern, B., habe am gegenüber dem Beklagten klargestellt, dass die Genehmigungsfähigkeit von Bau und Betrieb der FSRUs in Mukran vollständig offen sei und der Bau der OAL erst erfolgen solle, wenn Klarheit über die Genehmigungsreife aller Verfahrensschritte bestehe. Auch für die Relevanz des ersten Seeabschnitts der OAL zur Bewältigung der Gasversorgungskrise ist nicht allein die Heizsaison 2023/2024, sondern die dauerhafte Energieversorgung in den Blick zu nehmen. Dieser dienen die FSRUs. Die Energos Power liegt inzwischen im Hafen von Mukran und läuft seit Anfang März dieses Jahres im Probebetrieb. Mit Bescheid vom wurde die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines LNG-Terminals, bestehend aus zwei schwimmenden FSRU-Anlagen, erteilt. Spätestens am soll der Regelbetrieb beginnen.

32cc) Der Verzicht auf die UVP-Vorprüfung vor Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses war auch geeignet, den ersten Seeabschnitt der OAL beschleunigt zuzulassen. Unter den in § 4 Abs. 1 LNGG genannten Voraussetzungen gilt es nach Einschätzung des Gesetzgebers auch eine in Monaten oder Wochen gemessene Verfahrensverzögerung und daraus potentiell resultierende Gasversorgungslücken unbedingt zu vermeiden ( 7 VR 4.23 - juris Rn. 13 unter Hinweis auf BT-Drs. 20/1742 S. 18). Die Begründung des Gesetzentwurfs zum zweiten Änderungsgesetz des LNG-Beschleunigungsgesetzes führt konkret zum Vorhabenstandort Mukran aus, dass ohne eine Beschleunigung der Zulassung das reguläre Genehmigungsverfahren sowie der Bau der erforderlichen Infrastruktur zur Gaseinspeisung voraussichtlich erst in 2025 erfolgen würden. Zur Sicherstellung der nationalen Energieversorgung sei, selbst wenn die Gasspeicher im Sommer 2023 vollständig gefüllt werden sollten, für das darauffolgende Jahr mit Blick auf mögliche bevorstehende Extremwetterlagen die Einspeisung durch entsprechende FSRUs an der Ostseeküste erforderlich (BT-Drs. 20/7279 S. 19). Ohne Beschleunigung wäre eine Inbetriebnahme des streitgegenständlichen Vorhabens jedenfalls nicht mit Aufnahme des Probebetriebs im März 2024 erfolgt. Eine Vorprüfung des 26 km langen Abschnitts hätte - nach den Erfahrungen des erkennenden Fachplanungssenats - mit Sicherheit zu einer mehrwöchigen, wahrscheinlich mehrmonatigen Verzögerung geführt. Dies gilt umso mehr als sich hier aus der allgemeinen Vorprüfung durchaus eine UVP-Pflicht hätte ergeben können (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG).

33dd) Eine kumulative Betrachtung des ersten Seeabschnitts mit den weiteren Leitungsabschnitten der OAL als auch mit den FSRUs war entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach Art. 2 Abs. 1, Abs. 4 UVP-RL geboten. Wie ausgeführt, unterlag die Zulassung dieses Vorhabens gemäß § 4 Abs. 1 LNGG nicht der Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung, so dass die isolierte Zulassung nicht zu einer Umgehung dieser Pflicht führt (so aber die Konstellation der unzulässigen "Aufsplitterung" des Projekts in [ECLI:​EU:​C:​2008:​445] - Rn. 44 und vom - C-205/08 [ECLI:​EU:​C:​2009:​767] - Rn. 53).

342. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf Fehler bei der Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung berufen.

35a) Die Rügen des Klägers, er sei nachteilig betroffen, weil Auslegungs- und Einwendungsfristen maßgeblich, nämlich zusammen auf insgesamt nur eine Woche, verkürzt worden seien und eine Entscheidung über die Durchführung eines Erörterungstermins zur weiteren Vertiefung von Einwendungen nicht getroffen bzw. die Durchführung einer nunmehr erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen worden sei, sind nicht berechtigt.

36Zutreffend ist, dass vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine Planänderung stattgefunden hat. Ursprünglich war eine Leitung mit einer Gesamtlänge von 37 km von Lubmin aus bis zu einem sog. Risertower östlich vor Rügen vorgesehen. Die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens erfolgte nach Vorlage der vollständigen Planunterlagen am . Insgesamt wurden 37 Träger öffentlicher Belange und 9 anerkannte Umweltvereinigungen um Stellungnahme gebeten. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden die vollständigen Planunterlagen in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, für die Dauer von einer Woche ausgelegt (PFB S. 54 ff.). Am wurde durch die Beigeladene, nachdem ein Vorhabenträgerwechsel stattgefunden hatte, ein Antrag auf Planänderung eingereicht. Mit diesem Antrag wurde das ursprüngliche Vorhaben OAL Seeabschnitt in der Streckenlänge bis zum KP 26 eingekürzt. Mit Schreiben des Beklagten vom wurden die im Rahmen des Änderungsantrags eingereichten Unterlagen den Trägern öffentlicher Belange und anerkannten Umweltvereinigungen, deren Aufgabenbereich durch die Planänderung betroffen sein könnte, übermittelt und diesen unter Setzung einer Wochenfrist, beginnend mit dem Zugang des Schreibens, Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen gegeben (PFB S. 58). Dieses Vorgehen entspricht den gesetzlichen Vorgaben.

37Für das Anhörungsverfahren galt § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d LNGG i. V. m. § 73 Abs. 8 VwVfG, weil für das Vorhaben gemäß § 4 Abs. 1 LNGG keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden musste. Danach ist, wenn ein ausgelegter Plan geändert werden soll und dadurch der Aufgabenbereich einer Behörde oder einer anerkannten Vereinigung oder Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher berührt werden, diesen die Änderung mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen binnen einer Woche zu geben. So ist der Beklagte, wie soeben ausgeführt, im Streitfall verfahren. Dieses Vorgehen war zulässig, weil die Änderungen das Gesamtkonzept der Planung nicht berührt und die Identität des Vorhabens gewahrt haben. Sie haben nicht zu einem Vorhaben geführt, das nach Gegenstand, Art, Größe und Betriebsweise im Wesentlichen andersartig ist (vgl. 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <145 f.> und vom - 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 27).

38Eine Identitätsänderung ergibt sich nicht daraus, dass die ursprüngliche Planung der Anbindung einer seeseitigen LNG-Importanlage aufgegeben wurde und stattdessen nunmehr eine Anbindung zweier im Hafen von Mukran festvertäuter FSRUs erfolgt. Bei der Frage der Identitätsänderung ist nicht in erster Linie das unter Umständen aus vielen Abschnitten bestehende Gesamtvorhaben in den Blick zu nehmen, sondern auf den ausgelegten und aufgrund dieser Auslegung geänderten Abschnitt abzustellen. Dieser bildet das Vorhaben, das zu betrachten und bei einer wesentlichen Änderung erneut offenzulegen ist. Änderungen des Konzepts des Gesamtvorhabens spielen hierbei nur insoweit eine Rolle, als sie sich auf den zu betrachtenden Abschnitt identitätsändernd auswirken. Dies ist hier nicht der Fall. Der planfestgestellte Abschnitt der Gasleitung von Lubmin bis KP 26 entspricht bis auf geringfügige Änderungen zwischen KP 1.5 und KP 3.9 nach seiner Lage, der Größe und Beschaffenheit der zu verlegenden Röhren, der beabsichtigten Verlegungsart und schließlich auch der Betriebsweise vollständig der Planung, wie sie im ausgelegten ursprünglichen Planentwurf vorgesehen war (vgl. bereits 7 VR 4.23 - juris Rn. 23). § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d LNGG steht in Einklang mit Art. 6 Abs. 3 der Aarhus-Konvention bzw. Art. 3 und 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom , die keine Fristen für die Öffentlichkeitsbeteiligung festlegen, sondern nur einen angemessenen zeitlichen Rahmen bestimmen. Von einem Erörterungstermin durfte der Beklagte schließlich nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c LNGG absehen.

39b) Ein erheblicher Verfahrensmangel liegt auch nicht in der Nichtbeteiligung des Klägers nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Vorfeld des Planänderungsbeschlusses vom . Unabhängig von der Frage, ob der Kläger im Schwerpunkt Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert und damit - wie für die Beteiligungsrechte nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG erforderlich - überhaupt die Voraussetzungen einer anerkannten Naturschutzvereinigung erfüllt (vgl. zu den Anforderungen 7 C 2.21 - BVerwGE 174, 385 Rn. 12 ff. und 19 ff.), hält der Senat an seiner im vorläufigen Rechtsschutz vertretenen Auffassung, dass die Beteiligung nach § 63 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG wegen der Eilbedürftigkeit der Änderung im öffentlichen Interesse unterbleiben durfte, fest.

40II. Der Planfeststellungsbeschluss weist die vom Kläger gerügten materiellen Fehler nicht auf.

411. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben. Sie folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung in § 3 Satz 2 LNGG. Danach wird unter anderem für die in der Anlage zu § 2 LNGG als Nr. 4.2 bezeichnete OAL die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der Bedarf zur Gewährleistung der Versorgung der Allgemeinheit mit Gas festgestellt. Nach der Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs handelt es sich hierbei um die gesetzliche Planrechtfertigung (BT-Drs. 20/1742 S. 17). Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und vom Gericht nur darauf zu überprüfen, ob der Gesetzgeber den ihm insoweit zukommenden weiten Gestaltungs- und Prognosespielraum überschritten hat, weil die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, es also für das Vorhaben offensichtlich keinen Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (vgl. nur 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 17). Der Gesetzgeber bemisst den von der Bedarfsfeststellung nach § 3 Satz 2 LNGG umfassten Vorhaben eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit bei, weil sie in besonderem Maße zur Verwirklichung der politischen Ziele der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der Schaffung einer zukunftsoffen diversifizierten Gasversorgung beitragen könnten (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 17). Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung für die hier in Rede stehende LNG-Anbindungsleitung entfallen ist, sind nicht ersichtlich (so bereits 7 VR 4.23 - juris Rn. 26 und oben I. 1. c) aa).

42Soweit der Kläger darauf hinweist, dass nach der Begründung des Gesetzentwurfs eine Verpflichtung zur Realisierung der Vorhaben durch die Aufnahme in die Anlage zu § 2 LNGG nicht bestehe und es sich lediglich um eine Verfahrenserleichterung handele (BT-Drs. 20/1742 S. 18), ist dies nicht maßgeblich. Die fehlende Realisierungspflicht ist der Regelfall der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im Bereich privater Vorhabenträger. Die Auffassung des Klägers, die Ausbaupläne in dem BMWK-"Bericht zu Planungen und Kapazitäten der schwimmenden und festen Flüssigerdgasterminals" vom (Anlage K 17) seien mit 54 Mrd. m³ im Jahr 2030 deutlich überdimensioniert, vermag die Verbindlichkeit der Bedarfsfeststellung durch den Gesetzgeber nicht in Frage zu stellen. Abgesehen von dem erheblichen Einschätzungsspielraum des Bundes wird das "Szenario" hinsichtlich der Gasbedarfe und Importkapazitäten in dem Bericht detailliert beschrieben (S. 2 f.) und den Berechnungen (S. 7 ff.) zugrunde gelegt. Soweit der Kläger hieraus zitiert und dies knapp kommentiert, hat er die von ihm behauptete, weitaus geringere Versorgungslücke zudem nicht nachvollziehbar dargelegt. Schließlich hat sich die jeweilige Begründung der Gesetzentwürfe im Hinblick auf die Energieversorgung mit Flüssigerdgas durchaus mit den Themen Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität beschäftigt (BT-Drs. 20/1742 S. 16, 20 f.; BT-Drs. 20/7279 S. 2, 3, 10, 19).

43Die gesetzliche Bedarfsfeststellung für das Vorhaben ist nicht nur für den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss, sondern auch für die Planänderungsbeschlüsse verbindlich.

442. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den einschlägigen Vorgaben zur Anlagensicherheit. Eine Rügebefugnis nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG ist dem Kläger, entgegen der Auffassung der Beigeladenen, insoweit nicht generell abzusprechen. Umweltbezogene Rechtsvorschriften sind nach § 1 Abs. 4 UmwRG Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG beziehen. Umweltbestandteile nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG sind unter anderem Wasser, natürliche Lebensräume, Küstengebiete sowie die Artenvielfalt und ihre Bestandteile. § 49 EnWG i. V. m. §§ 2 ff. der Verordnung über Gashochdruckleitungen (Gashochdruckleitungsverordnung - GasHDrLtgV) vom (BGBl. I S. 928), zuletzt geändert durch Art. 24 des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom (BGBl. I S. 706), deren Geltungsbereich hier eröffnet ist (§ 1 Abs. 1 GasHDrLtgV), sind in diesem Sinne umweltbezogene Rechtsvorschriften. Nach § 2 Abs. 1 GasHDrLtgV müssen Gashochdruckleitungen nach dem Stand der Technik so errichtet und betrieben werden, dass die Sicherheit der Umgebung nicht beeinträchtigt wird und schädliche Einwirkungen auf den Menschen und die Umwelt vermieden werden. Demgegenüber dient § 8a des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz - BSIG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1122), auf den sich der Kläger ebenfalls beruft, bereits nach seinem eindeutigen Wortlaut allein der Funktionsfähigkeit der betriebenen Kritischen Infrastrukturen. Die Vorschrift richtet sich ausschließlich an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und nicht an die jeweilige Planfeststellungsbehörde.

45a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GasHDrLtgV müssen Gashochdruckleitungen so beschaffen sein, dass sie den zu erwartenden Beanspruchungen sicher standhalten und dicht bleiben. Hierzu sind sie in einem Schutzstreifen zu verlegen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 GasHDrLtgV). Gemäß § 3 Abs. 3 GasHDrLtgV sind Gashochdruckleitungen gegen äußere Einwirkungen zu schützen. Bei unterirdischer Verlegung muss die Höhe der Erddeckung den örtlichen Verhältnissen angepasst werden. Insbesondere muss gesichert sein, dass die Leitungen durch die im Schutzstreifen zulässige Nutzung nicht gefährdet werden. Die Erddeckung muss dauernd erhalten bleiben. Diesen Vorgaben entspricht der Planfeststellungsbeschluss, wie der Senat bereits bei summarischer Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden hat ( 7 VR 4.23 - juris Rn. 28 - 33). An den dortigen Ausführungen hält der Senat mit den nachfolgenden Ergänzungen fest.

46b) Bereits in der gutachterlichen Äußerung des unabhängigen Sachverständigen Kö. (T. H.) vom war gemäß § 5 Abs. 1 GasHDrLtgV festgestellt worden, dass die vorgesehene Bauart und Betriebsweise der OAL den Anforderungen der §§ 2, 3 GasHDrLtgV und mithin, entgegen der Auffassung des Klägers, dem Stand der Technik entsprechen (Bl. 4510 ff. VV Bd. 12). Dass die Regelungen des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses im Hinblick auf die Anlagensicherheit hinter den technischen Forderungen in der gutachterlichen Äußerung zurückgeblieben sind, ist nicht ersichtlich. Gesichert werden diese zudem durch weitere Prüfungs-, Überwachungs- und Berichtspflichten, insbesondere vor der Inbetriebnahme der Leitung, auf die die gutachterliche Äußerung hinweist. Auch entspricht die Nebenbestimmung Ziff. A. des Planfeststellungsbeschlusses, wonach die Rohrleitung im Bereich der Kreuzung von Fahrwassern und Schifffahrtswegen mindestens 2,55 m, im Bereich des Landtiefwassers parallel zur Boddenrandschwelle mindestens 0,50 m und in den übrigen Bereichen mindestens 1,00 m einzugraben und mit festen Sanden bzw. geeigneten Materialien zu überdecken ist, exakt der Forderung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Schreiben vom , S. 7 (Bl. 5025 VV Bd. 13), die aus gefahrenabwehrtechnischer und schifffahrtspolizeilicher Sicht erhoben wurde. Die ordnungsgemäße Überdeckung der Leitung ist schließlich nach Nebenbestimmung Ziff. A. dauerhaft zu gewährleisten und nach Nebenbestimmung Ziff. A. durch regelmäßige Überprüfungen nachzuweisen. Die Auffassung des Klägers, die konkrete gegenwärtige und zu erwartende Küstenmorphologie und Strömungssituation vor Ort entlang der konkreten Trasse habe ermittelt und bewertet werden müssen, kann sich vor diesem Hintergrund weder auf eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage stützen. Schließlich gibt es keine gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen, die eine Berücksichtigung terroristischer Anschlagsszenarien für ein Vorhaben der hier zu prüfenden Art im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens vorschreiben (vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 752).

47c) Die Anlagensicherheit wird auch durch die Regelungen des zweiten Planänderungsbeschlusses vom nicht in Frage gestellt. Hierdurch wurde der festgestellte Plan geändert und eine Inbetriebnahme des ersten Seeabschnitts der OAL vor vollständiger Verfüllung des Rohrgrabens zwischen KP 18,61 und KP 23,65 zugelassen. Bei Erlass des Planänderungsbeschlusses war die Rückverfüllung auch in diesem Abschnitt bis auf eine Höhe von mindestens 50 % des Rohrdurchmessers erfolgt. Die Restverfüllung des Rohrgrabens bis zum ursprünglichen Seebodenniveau wird ab Mitte Mai 2024 vorgenommen werden und voraussichtlich Ende Juni 2024 abgeschlossen sein. Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.2 wird bis zum Abschluss der restlichen Rückverfüllungsarbeiten der unvollständig überdeckte Abschnitt durch ein Verkehrssicherungsschiff lokal überwacht. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat als betroffener Träger öffentlicher Belange der Planänderung auf Grundlage der von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen mit Schreiben vom zugestimmt (Bl. 26 VV 2. PÄB Bd. 23). In ihren Antragsunterlagen hat die Beigeladene ausgeführt, dass einer Ausfertigung der Bescheinigung nach § 6 GasHDrLtgV (Vorabbescheinigung) nach Auskunft des Sachverständigen (T.-S.) keine Belange entgegenstünden (Bl. 5 VV 2. PÄB Bd. 23). Ob der Beklagte dieser Mitteilung weiter nachgegangen ist, kann dahinstehen. Eine Inbetriebnahme der Leitung ohne Erteilung der Vorabbescheinigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 GasHDrLtgV durch einen anerkannten Sachverständigen (§ 11 GasHDrLtgV) ist nicht zulässig. Allein die Zulassung des Änderungsvorhabens im Planänderungsbeschluss reicht hierfür nicht aus. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte sich mit der Information der Beigeladenen vor Erlass des Planänderungsbeschlusses begnügen. Angesichts der gutachterlichen Äußerung vom und der nur geringfügigen und vorübergehenden Planänderung war eine Ablehnung der Vorabbescheinigung zumindest nicht derart wahrscheinlich, dass die Zulassung durch den Beklagten ins Leere gegangen wäre. Für die Befürchtung des Klägers, die Rückverfüllung könnte erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden, fehlt jede Grundlage. Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.4 zum zweiten Planänderungsbeschluss hat die Beigeladene zugesagt, dass die Rückverfüllung des Rohrgrabens entsprechend der Nebenbestimmung Ziff. A.3.7.2 des Planfeststellungsbeschlusses und innerhalb der ersten Jahreshälfte ohne schuldhaftes Zögern abgeschlossen wird. Diese Zusage wurde für verbindlich erklärt. Abgesehen davon hat der Betreiber einer Gashochdruckleitung nach § 4 Abs. 1 GasHDrLtgV sicherzustellen, dass diese in ordnungsgemäßem Zustand erhalten sowie überwacht und überprüft wird.

483. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger sich gegen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit umweltrechtlichen Anforderungen wendet.

49a) Der mit Errichtung und Betrieb des ersten Seeabschnitts der OAL verbundene Eintrag von Anodenmaterial verstößt nicht gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot nach §§ 27 Abs. 1 Nr. 1, 44, 45a Abs. 1 Nr. 1 WHG. Die Pipeline erhält einen Korrosionsschutz, der die Rohrwand dauerhaft vor externer Korrosion schützen soll. Dieser besteht aus einer Rohrumhüllung als "Primärschutz" und zusätzlich aus einem Sekundärschutz, nämlich dem von galvanischen Anoden (Opferanoden) erbrachten kathodischen Korrosionsschutz. Bei dem kathodischen Schutzsystem handelt es sich um eine sekundäre Barriere zum Schutz vor Außenkorrosion der Stahlrohre in den Bereichen, in denen die Umhüllung möglicherweise nicht die gesamte, auf 50 Jahre ausgelegte Lebensdauer übersteht, z. B. aufgrund von Beschädigungen. Die Opferanoden bestehen zu ca. 95 % aus Aluminium (vgl. Antragsunterlage 4 h, S. 17 f.). Durch den Einsatz von Opferanoden wird zwar langfristig Aluminium freigesetzt. Hierbei kommt es zur Ausfällung von Aluminium als Hydroxid, welches wasserunlöslich ist, und sich daher im Sedimentkörper ablagern kann. Für Aluminium existiert jedoch weder eine Umweltqualitätsnorm (vgl. § 2 Nr. 3 der Oberflächengewässerverordnung - OGewV - und Anlage 8 OGewV) noch sind überhaupt Werte etabliert, die einen unbedenklichen Gehalt (predicted no-effect concentration - PNEC) in marinen Sedimenten beschreiben (European Chemicals Agency - ECHA, Stand November 2022). Auch ist Aluminium bei der ECHA nicht als ökotoxisch gelistet (vgl. Fachstellungnahme der U. GmbH S., Anlage B 9, S. 6). Unter der "worst-case"-Annahme, dass die zunächst ins Sediment freigesetzten Metalle herausgespült werden und vollständig ins Wasser gelangen könnten und sich dort in einem Wasservolumen von etwa 26 km Länge (entlang der Rohrleitung), 2 km Breite und 10 m Tiefe verteilen, wird sich die Aluminiumkonzentration im betroffenen Wasser rein rechnerisch um 2,54 µg l-1 erhöhen (vgl. Antragsunterlage 4 h, S. 76). Dieser Wert liegt jedenfalls deutlich unter den für Zink (7,2 µg l-1) und Indium (40,6 µg l-1) nach der PNEC als unbedenklich geltenden Konzentrationen. Danach ist anzunehmen, dass die für das Vorhaben prognostizierten Einträge von Aluminium(verbindungen) nicht relevant in Bezug auf den ökologischen und chemischen Zustand der betroffenen Gewässer sind (PFB S. 180, 182). Dieses Ergebnis wird durch die bloße Behauptung des Klägers, wonach wissenschaftliche Studien, die er nicht einmal benennt, nahelegten, dass Aluminium in der Meeresumwelt schädlich wirke oder mindestens wirken könne, nicht erschüttert. Wasserrahmenrichtlinie und Wasserhaushaltsgesetz verlangen auch nicht, bei der Vorhabenzulassung die kumulierenden Wirkungen anderer Vorhaben zu berücksichtigen ( 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 594). Abgesehen davon wurde in den Antragsunterlagen durchaus das Zusammenwirken der Gesamtmasse der installierten Opferanoden der Nord Stream Pipelines mit der OAL betrachtet, wobei die umweltfachliche Bewertung zu der Einschätzung gelangt, die Auswirkungen seien lokal, langfristig und von geringer Intensität (Antragsunterlage 4 k, S. 193). Schon weil der Planfeststellungsbeschluss von einer "worst-case"-Annahme ausgeht, mussten die konkreten küstenmorphologischen und strömungsdynamischen Prozesse vor Ort nicht ermittelt werden.

50Die Freisetzung von Aluminium bedarf entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht der wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG. Hier ist keine gezielte Inanspruchnahme eines Gewässers gegeben (vgl. Pape, in: Landmann/​Rohmer, Umweltrecht, Stand März 2024, § 9 WHG Rn. 42; Sanden/​Posser, in: BeckOK Umweltrecht, Stand , § 45 WHG Rn. 9). Vielmehr wird durch den Einsatz der Opferanoden ein Korrosionsschutz der Leitung bezweckt.

51b) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Regelungen des Artenschutzrechts berufen.

52aa) Der Planfeststellungsbeschluss schließt den Eintritt von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nach § 44 Abs. 1 BNatSchG im Hinblick auf den Baltischen Stör, einer streng geschützten Art (§ 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG), aus. Die Art werde den Bautätigkeiten bzw. den Verlege- und Serviceschiffen aktiv ausweichen und die primär durch Baggerarbeiten und Schiffsverkehr erzeugten Schallemissionen meiden (PFB S. 156; vgl. auch Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag, Antragsunterlage 4 a, S. 360).

53Die Klagebegründung macht geltend, dass die Wahrscheinlichkeit von Kontakten, insbesondere bei juvenilen und subadulten Stören, durch die aufgrund der kurzfristigen Erhöhung des Nahrungsdargebotes bei Sedimentabtragung und Freispülung von Nahrungsorganismen beruhenden Attraktivität und damit korrelierender mangelnder Fluchtreaktion grundlegend erhöht werde. Dieser Vortrag lässt die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vermissen (zur Erforderlichkeit: 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17). Der Planfeststellungsbeschluss führt aus, dass sich die Jungfische vorwiegend im Unteren Odertal und Stettiner Haff aufhalten, während Tiere ab einer Größe von etwa einem Meter ausgedehnte Wanderungen durch die westliche Ostsee entlang der Küsten unternehmen, und beruft sich hierfür auf eine mündliche Äußerung des Sachverständigen G. (PFB S. 156). Dass diese - hier zu betrachtenden - Störe keine Ausweichreaktionen gegenüber Baggern zeigen und sogar ihre Schwimmgeschwindigkeit reduzieren, legt der Kläger nicht dar. Vielmehr nimmt er selbst auf wissenschaftliche Studien aus 2017 am James River Bezug, die ergeben hätten, dass adulte Störe ihre Schwimmgeschwindigkeit in der Nähe von Baggern erhöhen konnten. Hierauf bezieht sich auch das vom Kläger eingereichte Gutachten des Sachverständigen G. vom August 2023 (Anlage K 18, S. 11), das im Übrigen in seinen Ausführungen wiederum keinen Bezug zum planfestgestellten Vorhaben, geschweige denn zum Planfeststellungsbeschluss erkennen lässt.

54bb) Entgegen der Auffassung des Klägers bewirkt das Vorhaben durch Hydroschallemissionen während der Bauphase für Schweinswale kein signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisiko (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 BNatSchG) und verstößt nicht gegen das Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Hinsichtlich der Schwellenwerte für Belastungen von Schweinswalen durch den hier in Rede stehenden Dauerlärm in der Ostsee existieren weder normative Konkretisierungen noch eine allgemein anerkannte fachliche Meinung. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass der Planfeststellungsbeschluss die für Impulsschall anerkannten Grenzwerte von 160 dB re 1µPa2s (Schallereignispegel) bzw. von 190 dB re 1µPa (Spitzenschalldruckpegel in 750 m Entfernung) nach dem "Konzept für den Schutz der Schweinswale vor Schallbelastungen bei der Errichtung von Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee - Schallschutzkonzept" (in der Fassung von 2013, nunmehr: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2021, S. 22) vorsorglich zugrunde gelegt hat (PFB S. 149 f.). Ungeachtet der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit ist es Ziel dieses Schallschutzkonzepts, eine Hilfestellung zur Auslegung der Anforderungen des Schweinswalschutzes im Rahmen der einschlägigen Naturschutznormen, unter anderem im Sinne der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote, zu bieten (vgl. 9 A 12.19 - juris Rn. 451 f., insoweit in BVerwGE 170, 33 nicht abgedruckt). Aufgrund der ihm vorliegenden Monitorings für den Planfeststellungsbeschluss der Nord Stream 2 Pipeline hat der Beklagte hier bei 750 m Entfernung einen Wert von ~ 143 dB re 1µPa ermittelt, der erheblich unter der Schädlichkeitsgrenze liegt, die für Impulsschall angenommen wird. Die vom Beklagten hierfür angewendete Methode ist nach allem rechtmäßig. Weshalb stattdessen nicht näher erläuterte Untersuchungen eines Pipelinebaus vor der Küste Irlands hätten herangezogen werden sollen, wie der Kläger meint, erschließt sich nicht. Allein die Behauptung in der Kurz-Expertise von We./​Ga. vom August 2023, Schiffslärm, mit hochfrequenten Anteilen, über 96 dB re 1µPA führe zu deutlichen Verhaltensänderungen (Unterbrechung der Futtersuche, Abbruch der Echoortung, Verringerung der Beutefangversuche) von Schweinswalen (Anlage K 19, S. 16), vermag Bedenken gegen die Plausibilität des von dem Beklagten angenommenen Schwellenwerts nicht zu begründen. Abgesehen davon geht auch der Planfeststellungsbeschluss von einer Vergrämung der Schweinswale aus dem Baustellenbereich, verbunden mit einem temporären Habitatverlust aus. Da das durch Verlegearbeiten gestörte Gebiet auf räumlicher und zeitlicher Skala sehr klein sei und die Schallpegel nur in unmittelbarer Nähe der Verlegeflotte erhöht seien, werde die ökologische Funktion der von dem Vorhaben betroffenen Gebiete im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden, zumal sich weder der Kläger noch die Kurz-Expertise hiermit auseinandersetzen.

55Auch der erste Planänderungsbeschluss schließt die Verwirklichung eines artenschutzrechtlichen Verbots nach § 44 Abs. 1 BNatSchG im Hinblick auf die Schweinswale durch die Erweiterung des Bauzeitenfensters im Januar und Februar 2024 aus (1. PÄB S. 18). Aus den nur unwesentlichen restlichen Verfüllungsarbeiten ab ergibt sich nichts anderes.

56cc) Die Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population der Meeresenten begründet der Kläger mit der (Zer-)Störung des Wander- und Laichgeschehens des Herings, der selbst keine Art nach Anhang IV der FFH-Richtlinie ist. Aus diesem Vortrag folgt schon keine unmittelbare Störung von europäischen Vogelarten (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Jedenfalls werden Hering und Heringslaich als charakteristische Art in Natura 2000-Gebieten nicht erheblich beeinträchtigt (hierzu unten c) bb), so dass sie als Nahrungsgrundlage für die Meeresenten erhalten bleiben.

57dd) Durch die Nebenbestimmung Ziff. A.3.2 zum zweiten Planänderungsbeschluss vom , wonach bis zum Abschluss der vollständigen Rückverfüllung des Rohrgrabens ein Verkehrssicherungsfahrzeug im Trassenbereich von KP 18,61 bis KP 23,65 einzusetzen ist, wird kein artenschutzrechtliches Verbot hinsichtlich des Seeadlers verletzt (2. PÄB S. 15). Zwar beginnt dessen Brutzeit bereits im Februar. Das gegenständliche, marine Vorhaben hat jedoch keinen Bezug zu Nahrungs-, Aufzucht- und Brutgebieten (Antragsunterlage 4 a, Kap. 14.2, Tab. 9, S. 406). Der Einsatz eines Verkehrssicherungsschiffes zwischen Februar und Mai führt daher nicht zu einer Änderung der ursprünglichen Bewertung (Antragsunterlage 1, Kap. 2.1.2.1, S. 7). Die pauschalen Hinweise des Klägers, der Seeadler ernähre sich maßgeblich auch von Fischen und der Greifswalder Bodden sei Nahrungsrevier, vermögen die Annahme der Planfeststellungsbehörde nicht in Frage zu stellen.

58c) Das Vorhaben verstößt nicht gegen Vorgaben des Gebietsschutzes. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen. Ergibt die Überprüfung, dass das Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigt wird, ist es gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG grundsätzlich unzulässig und darf nur nach einer Abweichungsprüfung gemäß § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG zugelassen werden.

59aa) Maßstab für die Bewertung der Erheblichkeit von Gebietsbeeinträchtigungen sind die für das Gebiet jeweils festgelegten Erhaltungsziele. Im vorliegenden Kontext besteht das Erhaltungsziel gemäß § 6 der Landesverordnung über die Natura 2000-Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern (Natura 2000-Gebiete-Landesverordnung - Natura 2000-LVO M-V) vom (GVOBl. M-V S. 462) in Verbindung mit Anlage 4 dieser Verordnung darin, einen günstigen Erhaltungszustand des Lebensraumtyps (LRT) "Riffe" (EU-Code 1170 nach Anhang I der FFH-Richtlinie) zu erhalten oder wiederherzustellen. Die lebensraumtypischen Elemente und Eigenschaften für einen günstigen Erhaltungszustand dieses Lebensraumtyps werden in Anlage 4 Natura 2000-LVO M-V wie folgt beschrieben: "natürlicher exponierter Hartboden aus Blöcken der eiszeitlichen Geschiebe, meist freigelegt durch natürliche Küstendynamik"; "häufig Mosaik aus Hartböden und Sanden"; "Besiedlung durch lebensraumtypisches benthisches Pflanzen- und Tierinventar sowie Arten des Lückensystems". Das maßgebliche (vgl. 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 364) Beurteilungskriterium des günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraums im Sinne der Legaldefinition des Art. 1 Buchst. e der FFH-Richtlinie umfasst auch die für seinen langfristigen Fortbestand notwendigen Strukturelemente und spezifischen Funktionen sowie einen günstigen Erhaltungszustand der für ihn charakteristischen Arten.

60Danach schließt der Planfeststellungsbeschluss zu Recht erhebliche Beeinträchtigungen der FFH-Gebiete "Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" (DE 1747-301) sowie "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" (DE 1749-302) im Hinblick auf den LRT 1170 - Riffe aus.

61(1) Durch den Rohrgraben wird der FFH-LRT Riffe im Gebiet "Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" auf einer Fläche von 8 ha und im Gebiet "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" auf einer Fläche von ca. 2,2 ha in Anspruch genommen (PFB S. 103, 111). Soweit der Kläger geltend macht, der flächenmäßige Umfang der Inanspruchnahme sei damit unzureichend ermittelt, trifft dies nicht zu. Der Planfeststellungsbeschluss hat die erforderlichen Ankerpunkte und die flächenmäßigen Auswirkungen der Ankerketten gesehen und berücksichtigt. Er führt aus, dass auf die Hartböden bei der Ausplanung der Ankerpositionen Rücksicht genommen werde, indem dort möglichst wenige Ankerpunkte vorgesehen seien. Durch Ankerpfähle und Ankerspuren sei mit keiner relevanten Beseitigung oder Unterpflügung von Hartsubstraten wie Steinen und Blöcken zu rechnen (PFB S. 135). Damit setzt sich der Kläger nicht auseinander.

62(2) Auch die Kritik an der Art und Weise der Ermittlung des temporären Funktionsverlustes führt nicht auf einen Fehler der Verträglichkeitsprüfung. Zwar ist es zutreffend, dass im Bereich der Riffe insoweit keine vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Strukturen erfolgt, als ausbeißender Geschiebemergel durch Block- und Steingründe ersetzt wird (PFB S. 103, 111, 133). Nach dem Managementplan stellen jedoch Steine und Blöcke eine typische Ausprägung des LRT 1170 dar. Vorgesehene Schutz- und Kompensationsmaßnahmen dürfen zugunsten eines Projekts berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden ( 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 364 m. w. N.). Die abiotischen Strukturen der Riffe werden bereits während der Bautätigkeit unmittelbar nach der Rohrverlegung wiederhergestellt (Maßnahmenblatt M 3 und Bauzeitenplan) und stehen daher ohne Zeitverzug mit Abschluss der Bauarbeiten, die bei Baubeginn Ende August/​Anfang September 2023 und Beendigung der Arbeiten im Riffbereich die Dauer von sechs Monaten nicht überschritten haben, über die ganze Länge des Abschnitts zur Wiederbesiedlung zur Verfügung. Dies rechtfertigt einen nur graduellen Funktionsverlust des LRT 1170 für das Jahr der Bauausführung in die Umrechnung einzustellen. Bestätigt wird diese Annahme durch die im Planfeststellungsbeschluss wiedergegebenen Ergebnisse des Nord Stream 2-Regenerationsmonitorings. Danach sind bereits im ersten Jahr nach Abschluss der Bauarbeiten Aufwuchsorganismen an allen Riffbereichen feststellbar gewesen. Für die vollständige Regeneration ist von einem Zeitraum von längstens vier Jahren auszugehen (PFB S. 134). Die Aussagen des Nord Stream 2-Monitorings sind auch belastbar. Methodenstandards für die Benthos-Erfassung im marinen Bereich sehen den Einsatz eines van Veen-Greifers in einem Stationsraster von max. 1 x 1 sm (1 sm = 1 852 m) bei einer Mindestzahl von 20 Stationen vor (unter anderem Empfehlungen zu Mindestanforderungen an die projektbezogene Untersuchung möglicher bau- und betriebsbedingter Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt der Nord- und Ostsee - BMU/UBA Forschungsvorhaben 2001; Standard-Untersuchung der Auswirkungen von Offshore Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt [StUK 4] – BSH 2013). Bei einer Länge der Nord Stream Pipelines von etwa 17 km im Greifswalder Bodden und 10 Stationen ist demnach ca. alle 1,7 km (mithin ein Abstand von < 1 sm) eine Station angeordnet worden. Die Anzahl der Stationen auf der Trasse korreliert mit der Differenzierung der Biotoptypen, die sich im Bereich der Trasse befinden (etwa 7 verschiedene Biotoptypen). Hinzu kommen 11 Stationen auf Referenzflächen, womit sich eine Gesamtzahl von 21 Stationen ergibt (Fachstellungnahme der U. GmbH S., Anlage B 9, S. 11).

63(3) Der Beklagte legt in der Verträglichkeitsprüfung auch einen zutreffenden Bewertungsmaßstab an. Die Orientierungswerte nach der Konvention von Lambrecht/​Trautner (2007) geben Relevanzschwellen für dauerhafte Beeinträchtigungen an (a. a. O. S. 10), während die Auswirkungen hier - wie dargelegt - als temporär zu qualifizieren sind. Der Ansatz von Bernotat (2013) bzw. BfN (2012) entwickelt den Konventionsvorschlag von Lambrecht/​Trautner weiter und berücksichtigt auch temporäre (also vor allem baubedingte) Beeinträchtigungen. Zwar betrifft die Methode von Bernotat den gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 BNatSchG. Die für den Gebietsschutz relevanten LRT entsprechen jedoch weitgehend den gesetzlich geschützten Biotopen und das Schutzziel ist identisch. Hier wurde aus beiden Ansätzen eine eigenständige Methode entwickelt, um graduelle Funktionsverluste sachgerecht zu ermitteln. Die Herleitung eigenständiger Bewertungsansätze ist unter den vorliegenden Umständen zulässig (vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 374). Damit gelangt der Planfeststellungsbeschluss vertretbar zu dem Ergebnis, dass die Bagatellschwelle bzw. der Orientierungswert nach Lambrecht/​Trautner von 5 ha in beiden FFH-Gebieten stets unterschritten wird (PFB S. 104: 0,43 ha, S. 112: 0,2 ha). Danach ist das Vorhaben nicht geeignet, die Gebiete erheblich zu beeinträchtigen. Die Anwendung dieser Bagatellschwelle nach Lambrecht/​Trautner ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich vorliegend um eine besondere Ausprägung des LRT Riffe - biogene Riffe - handelt. Für die betroffenen Riffbereiche werden in den Antragsunterlagen ausschließlich geogene Riffe beschrieben (s. etwa Antragsunterlage 4 j, S. 26 f., 42 f.). Nach dem Planfeststellungsbeschluss handelt es sich gemäß der marinen Biotopkartieranleitung M-V um die "Riff-Biotoptypen" Geröllgrund (NOG/NIG), Blockgrund (NOR/NIR) sowie Mergel- und Kreideplatten (NON). Ist demnach die Ausprägung der betroffenen Riffe bekannt, kann ausgeschlossen werden, dass es sich um besondere Ausprägungen handelt.

64(4) Soweit der Kläger vorträgt, das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern (StALU VP) sei in seinem Schreiben vom an den Beklagten von einer erheblichen Beeinträchtigung des LRT 1170 im FFH-Gebiet "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" durch die Errichtung der geplanten OAL ausgegangen (VV Bl. 4939), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zum einen wurde diese Einschätzung aufgrund der "aktuell vorliegenden Datenlage" getroffen. Zum anderen lässt sie sich dem Schreiben des StALU VP vom nicht mehr ohne Weiteres entnehmen (VV Bl. 4871 ff.). Dort wird auf die Antragsunterlagen zum ersten Seeabschnitt der OAL Bezug genommen, wonach es vorhabenbedingt zu einer graduellen Beeinträchtigung des LRT 1170 - Riffe komme. Abgesehen davon obliegt der Planfeststellungsbehörde auch die gebietsschutzrechtliche Prüfung des Vorhabens und dessen Zulassung; sie ist an die fachliche Stellungnahme der Naturschutzbehörde nicht gebunden (vgl. 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 54). Die Befürchtung des Klägers, dass bodenlebende Organismen, sofern sie sich in den Riffen wieder ansiedeln, bald nach Einsetzen der chemischen Abbauprozesse beim anodischen Korrosionsschutz mit den in die Umgebung diffundierenden Aluminiumionen in Kontakt kommen und geschädigt werden, ist nicht begründet. Der kathodische Korrosionsschutz mittels Opferanoden aus Aluminium greift erst dann, wenn die dreifache PE-Ummantelung beschädigt wird. Es handelt sich um ein sekundäres Schutzsystem, das nicht dauerhaft ab Betriebsbeginn in Funktion ist. Für den Fall, dass das sekundäre Schutzsystem greift, sind die für das Vorhaben prognostizierten Einträge von Aluminium(verbindungen) für den ökologischen und chemischen Zustand der betroffenen Gewässer nicht relevant (s. hierzu oben 3. a) Rn. 49). Der Planfeststellungsbeschluss hat sich mit den vier Klappstellen im FFH-Gebiet "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe ( 7 A 2.15 - NVwZ-Beilage 2017, 101 Rn. 115, 220 und vom - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 49 ff.) auseinandergesetzt. Er verneint eine erhebliche Beeinträchtigung des LRT 1170 auch unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens (PFB S. 115 ff.). Die Klagebegründung geht hierauf nicht ein, so dass die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nicht erfüllt sind. Bergbauberechtigungen liegen nach einer vom Beklagten eingeholten Auskunft nicht vor (Anlage B 10), so dass dadurch LRT 1170 nicht belastet sein kann.

65bb) Eine erhebliche Beeinträchtigung der für das FFH-Gebiet "Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" charakteristischen Art Hering durch das mit dem ersten Planänderungsbeschluss geänderte Vorhaben liegt ebenfalls nicht vor.

66Der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss enthielt die naturschutzrechtliche Nebenbestimmung Ziff. A.3.7.2, wonach die in den Antragsunterlagen benannten Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen (vgl. LBP Anlage 2) mit folgenden Modifikationen umzusetzen sind: "Die seeseitigen Bautätigkeiten (inkl. der Nutzung der Umlagerungsflächen und des marinen Zwischenlagers) im seeseitigen Bereich der OAL-Trasse (bis KP 26), also vor allem im Greifswalder Bodden und im Südwesten der Pommerschen Bucht, sind auf den Zeitraum vom bis beschränkt (vgl. Maßnahme M5)". Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.2.1 des Planänderungsbeschlusses vom findet die Nebenbestimmung Ziff. A.3.7.2 nunmehr mit der Maßgabe Anwendung, dass die Bauzeitenbeschränkung vom bis zum für die Wiederherstellung des Oberbodens im Kreuzungsbereich mit den 50Hertz Netzanbindungen (KP 5,2 bis KP 6,2) mittels Diffusor innerhalb von ca. 7 Arbeitstagen - Abschluss der Arbeiten im Januar 2024 –, die Wiederherstellung des Oberbodens im Bereich der Boddenrandschwelle (KP 14,7 bis KP 17) mittels Diffusor innerhalb von ca. 20 Arbeitstagen - Abschluss der Arbeiten im Februar 2024 - und die Wiederherstellung der Steinbedeckung in den Riffabschnitten (ca. 3,5 km zwischen KP 5,6 und KP 26) innerhalb von ca. 40 Arbeitstagen - Abschluss der Arbeiten im Februar 2024 - aufgehoben wird. Mit der Erweiterung des Bauzeitenfensters wurde dem Änderungsantrag der Beigeladenen entsprochen, der mit Verzögerungen im Bauablauf wegen des "Jahrhundertsturms Viktor" im Oktober 2023 begründet worden war.

67Die Bauzeitenerweiterung durch den Planänderungsbeschluss betrifft zunächst nicht den gesamten ersten Seeabschnitt. Die Änderung des festgestellten Planes lässt die Rückverfüllung auf 3,3 km und die Wiederherstellung der Steinbedeckung in den Riffabschnitten auf ca. 3,5 km, insgesamt also auf 6,8 km, im Januar und Februar 2024 zu. Soweit sich die Klagebegründung erneut (vgl. bereits 7 VR 1.24 - NVwZ 2024, 500 Rn. 25) auf Feststellungen des Thünen-Instituts für Ostseefischerei beruft, wonach sich der frühjahrslaichende Hering bereits im Dezember 2023 in der Sassnitzer Rinne gesammelt habe, liegt dieses Gebiet außerhalb des ersten Seeabschnitts. Im Übrigen ist jedenfalls die Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 des Planänderungsbeschlusses entgegen der Auffassung des Klägers geeignet, die Bauzeitenerweiterung auszugleichen und eine erhebliche Beeinträchtigung des Ostseeherings auszuschließen. Die Verträglichkeitsprüfung ist nicht auf ein - wissenschaftlich nicht nachweisbares – "Nullrisiko" auszurichten ( 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 53).

68Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 hat die Beigeladene tägliche Messungen der Wassertemperatur im Greifswalder Bodden in einer Tiefe von mindestens 1 m unter der Wasseroberfläche vor Arbeitsbeginn vorzunehmen. Die Messergebnisse sind tagesaktuell der Planfeststellungsbehörde zu übermitteln. Sobald an zwei aufeinander folgenden Tagen die Wassertemperatur einen Wert von ≥ + 3,5 C erreicht hat, sind alle seeseitigen Arbeiten unverzüglich einzustellen, sofern bei vorgeschriebenen Kontrollfängen eine bestimmte Zahl von Heringen eines bestimmten Reifegrades gefangen werden. Die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der genannten Kriterien ist der Planfeststellungsbehörde tagesaktuell nachzuweisen.

69Der Planänderungsbeschluss stützt sich hierbei insbesondere auf eine Untersuchung von P. u. a. aus dem Jahr 2021, wonach das Laichgeschehen im Greifswalder Bodden erst beginnt, wenn in der ersten Märzhälfte die Auslöser-Temperatur von + 4 °C überschritten wird (1. PÄB S. 31). Auch hat das Thünen-Institut für Ostseefischerei in einer E-Mail vom dem Beklagten bestätigt, dass der Text der Nebenbestimmung Ziff. A.3.1 den Absprachen mit der Beigeladenen und dem Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern entspricht (Bl. 233 VV 1. PÄB und 1. PÄB S. 14). Selbst wenn den festgelegten Maßnahmen, wie der Kläger meint, keine wissenschaftliche Evidenz zukommen sollte, scheiden rein theoretische Besorgnisse als Grundlage für die Annahme erheblicher Beeinträchtigungen aus (vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 397). Allein die Behauptung des Klägers, als Auslösetemperatur für das Laichgeschehen komme auch schon eine Bandbreite von 3 bis 4,5 °C in Betracht, weist nicht auf weitere Erkenntnisquellen hin, die möglicherweise zu einer anderen Bewertung führen. Dies gilt umso mehr, als sich die Nebenbestimmung nicht auf die Regelung zur Wassertemperatur beschränkt.

70Die weiteren Nebenbestimmungen zum ersten Planänderungsbeschluss sind geeignet, die vom Kläger befürchteten Schäden für Macrophyten als Laichsubstrat durch Trübungen sowie Beeinträchtigungen des Laichgeschehens durch Unterwasserschallemissionen möglichst gering zu halten. Nach der Nebenbestimmung Ziff. A.3.2.3 darf die Anzahl von drei Wanderbaustellen nicht überschritten werden. Weiter dürfen in Abstimmung mit einem anderen Vorhabenträger in den Natura 2000-Gebieten nie mehr als zehn Arbeitsschiffe bezogen auf die dort insgesamt vorhandenen seeseitigen Baustellen eingesetzt werden (Ziff. A.3.2.4) und schließlich sind die Tätigkeiten im Bereich der Boddenrandschwelle vorrangig durchzuführen (Ziff. A.3.2.5). Zudem führt der Planänderungsbeschluss aus, dass es sich um sehr trübungsarme Arbeitsschritte handele und Unterwasserschallemissionen von Schiffen sehr lokal blieben (1. PÄB S. 31 f.). Daher schließt der Beklagte eine erhebliche Beeinträchtigung des Ostseeherings durch die Erweiterung des Bauzeitenfensters auch insoweit aus. Weder auf die genannten Nebenbestimmungen noch auf die Begründung im Planänderungsbeschluss geht der Kläger ein.

71cc) Auch das von der Planänderung betroffene EU-Vogelschutzgebiet "Greifswalder Bodden und südlicher Strelasund" (DE 1747-402) wird nicht erheblich beeinträchtigt. Der Kläger stützt seine Befürchtung ausschließlich auf das Vorkommen von Heringslaich bzw. Heringen als saisonale Nahrungsgrundlage für Rastvögel, die - nach seiner Auffassung - durch die zugelassenen Bauarbeiten zerstört werde. Nachdem keine erhebliche Beeinträchtigung des Heringslaichgeschehens vorliegt, tritt auch ein Verlust des Nahrungsangebots für Rastvögel nicht ein. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Senats im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ( 7 VR 1.24 - NVwZ 2024, 500 Rn. 33) Bezug genommen, auf die der Kläger nicht eingeht.

72dd) Der Beklagte hat im ersten Planänderungsbeschluss klargestellt, dass - abgesehen von der geregelten Ausnahme - seeseitige Arbeiten nur innerhalb des festgesetzten Bauzeitenfensters vom 15. Mai bis 31. Dezember eines jeden Jahres stattfinden dürfen (1. PÄB S. 6, 13). Die naturschutzrechtlichen Auswirkungen der Aufhebung der Bauzeitenbeschränkung im Januar und Februar 2024 für die konkreten Wiederherstellungsarbeiten am Rohrgraben sind im Planänderungsbeschluss detailliert dargelegt. Welche Auswirkungen der Rückverfüllungsmaßnahmen darüber hinaus hätten ermittelt und bewertet werden müssen, erschließt sich aus dem pauschalen Vorbringen des Klägers nicht. Auch hat der Beklagte im zweiten Planänderungsbeschluss die beiden Verkehrssicherungsschiffe, die im zweiten Seeabschnitt der OAL KP 26 bis Mukran zum Einsatz kommen sollen, in die Betrachtung einbezogen (2. PÄB S. 11). Weitere kumulierende Auswirkungen, die im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss für den Fall der Wiederaufnahme der Rückverfüllungsarbeiten ab Mitte Mai 2024 noch nicht berücksichtigt wurden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

73d) Der Planfeststellungsbeschluss hat auch die rechtlichen Vorgaben zum gesetzlichen Biotopschutz beachtet. Eine erhebliche Beeinträchtigung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG liegt nicht vor, wenn sich das Biotop in absehbarer Zeit von den Folgen der Einwirkung erholt ( 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 636). Hiervon ist nach den vorstehenden Ausführungen zum FFH-LRT 1170 - Riffe (s. oben II. 3. c) aa) (2) Rn. 62) auszugehen. Wie bereits erläutert, ist eine Rekonstruktion von Mergel- und Kreideplatten durch autochthones Geschiebe zur Schaffung von anstehendem Hartsubstrat vorgesehen. Der Beklagte nimmt an, dass dies zur Rekonstruktion des geschützten Biotops "Riffe" führt. Der Charakter als vom Meeresboden aufragende mineralische Hartsubstrate werde weiterhin gegeben sein (PFB S. 133). Ob nicht dies bereits ausreicht, um eine erhebliche Beeinträchtigung der Riff-Biotope durch das zugelassene Vorhaben auszuschließen, kann hier letztlich offenbleiben. Der Planfeststellungsbeschluss verneint eine erhebliche Beeinträchtigung jedenfalls mit der Begründung, es sei durch die Wiederherstellung des Seebodens von einer vollständigen Regeneration der Riffe und ihrer Funktionen in einem Zeitraum von längstens vier Jahren nach Beendigung der Bauarbeiten auszugehen (PFB S. 134 f.). Der im Termin zur mündlichen Verhandlung angehörte Sachbeistand der Beigeladenen, Dr. Ku., hat dies bestätigt und betont, dass die Ansiedlung benthischer Lebensgemeinschaften unmittelbar nach Wiederherstellung des Hartsubstrats beginne. Der Beklagte beruft sich für seine Annahme außerdem auf Beschreibungen in der Literatur sowie auf die Ergebnisse des Nord Stream 2-Regenerationsmonitorings der wiederhergestellten Riffe auf der Boddenrandschwelle (vgl. Materialband der Antragsunterlagen der Beigeladenen). Hierdurch wären zumindest die Voraussetzungen der von dem Beklagten vorsorglich erteilten Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG (PFB S. 8, 142) erfüllt, weil als Ausgleich (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) keine identische, aber eine gleichartige Wiederherstellung erforderlich ist (vgl. 9 A 17.21 - juris Rn. 41). Auch die Frage der Gleichartigkeit, die der Kläger bestreitet, kann hier letztlich dahinstehen. Denn der Beklagte hat höchstvorsorglich auch eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt (PFB S. 8, 143). Danach kann von den Verboten des Bundesnaturschutzgesetzes Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist. Die Durchführung der Vorhaben nach § 2 Abs. 2 LNGG ist aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses erforderlich (§ 3 Satz 3 LNGG). Eine Alternative zu der planfestgestellten Trassenführung, die den Eingriff vermieden hätte, drängte sich nicht auf (hierzu sogleich 4. a) Rn. 75).

744. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem erheblichen Abwägungsmangel.

75a) Die Alternativenprüfung ist nicht zu beanstanden. Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 43 Abs. 3 EnWG) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen ( 7 VR 3.23 - BVerwGE 179, 226 Rn. 29). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen ( 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117 und vom - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 67 ff.).

76Der Planfeststellungsbeschluss kommt zu dem Ergebnis, dass der von der Beigeladenen gewählte Trassenverlauf des ersten Seeabschnitts der OAL, Lubmin bis KP 26, die raum- und umweltverträglichste Alternative für das Vorhaben darstellt (PFB S. 209). Die Trassenführung des Rohrleitungsstranges basiert auf den Planungsgrundsätzen des Bündelungsgebots (§ 1 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG) und der möglichst geringen Trassenlänge zur Vermeidung von Kapazitätsverlusten und der Kreuzung anderer Infrastrukturen. Dem Kriterium der möglichst geringen Trassenlänge durfte entgegen der Auffassung des Klägers auch mit Blick auf die besondere Dringlichkeit des Vorhabens und die Verfügbarkeit des Baumaterials - Lagerbestände der Rohre, die ehemals im Eigentum der Nord Stream 2 AG standen - ein besonderes Gewicht beigemessen werden. Hierzu passen die Regelungen des § 23a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EnSiG, wonach Administrativenteignungen von beweglichen Sachen, die für die Errichtung von Erdgasleitungen erforderlich sind, auch zugunsten privater Unternehmen, die Erdgasleitungen errichten, zulässig sind. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient die neugeschaffene Norm dazu, den Zugriff auf nicht verbautes Material und Komponenten, die zur Herstellung von LNG-Infrastruktur Verwendung finden können, zu sichern (BT-Drs. 20/4328 S. 16 f.). Insbesondere vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Wertung drängt sich die vom Kläger favorisierte Verwendung von neu zu beschaffenden Rohren mit geringerem Durchmesser nicht als vorzugswürdige Alternative gegenüber der vorgegebenen Planung auf (vgl. 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 80).

77Die Alternative einer längeren Trassenführung als 51 km, östlich um das marine Vorranggebiet "Prorer Wiek" herum, betrifft, wie der Kläger selbst einräumt, den zweiten Seeabschnitt der OAL von KP 26 bis Mukran. Einwände gegen die Trassierung im zweiten Seeabschnitt sind ausschließlich gegen den Planfeststellungsbeschluss zu erheben, mit dem dieses Vorhaben zugelassen wurde. Die gegen diesen Planfeststellungsbeschluss erhobene Klage (BVerwG 7 A 13.23) hat der Kläger zurückgenommen.

78b) Der Kläger macht ohne Erfolg die Fehlerhaftigkeit der Abschnittsbildung geltend. Dies hat der Senat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angenommen ( 7 VR 4.23 - juris Rn. 49 ff.). Dass der Abschnittsbildung sachwidrige Erwägungen zugrunde lagen, wie der Kläger behauptet, hat er nicht dargelegt. Der Kläger übersieht hierbei, dass auch bei der Zulassung des gesamten, ca. 50 km langen Seeabschnitts der OAL in nur einem Planfeststellungsbeschluss, das Vorhaben nach § 4 Abs. 1 LNGG nicht UVP-pflichtig gewesen wäre. Der Verwirklichung des Gesamtvorhabens standen auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen (vgl. 7 VR 4.23 - juris Rn. 51). Dass diese Prognose nicht zu beanstanden ist, zeigt sich an der zwischenzeitlichen Aufnahme des Probebetriebs der OAL.

79c) Schließlich hat der Planfeststellungsbeschluss die Belange des Klimaschutzes hinreichend gewürdigt.

80Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes - KSG - vom (BGBl. I S. 2513), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I S. 3905), haben die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Dies betrifft den in § 1 KSG niedergelegten Zweck des Gesetzes und insbesondere die Auswirkungen des Vorhabens auf die nationalen Klimaschutzziele, die in § 3 Abs. 1 KSG näher definiert werden. Der Behörde kommt insoweit eine Pflicht zu, die zu erwartende Menge an Treibhausgasen, welche aufgrund des Projekts emittiert werden, mit einem vertretbaren Aufwand zu ermitteln und die Ermittlungsergebnisse in die Entscheidungsfindung einzustellen ( 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 82). Vor diesem Hintergrund ist die Abwägungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.

81aa) In die Betrachtung wurde einbezogen, dass das Vorhaben in der Bauphase eine emissionserhöhende Wirkung hat und damit kurzfristig nicht zum Klimaschutz beiträgt, sondern diesem vielmehr entgegenwirkt. Eine Quantifizierung der baubedingten Emissionen wurde ausgehend von den Berechnungen im Rahmen der Planung des Nord Stream 2 Projekts vorgenommen. Danach legt der Beklagte baubedingte Emissionen von schätzungsweise 24 000 t CO2 und 1 000 t CO2 bei der Inbetriebnahme zugrunde und stellt diese in die Abwägung ein (PFB S. 226). Diese Quantifizierung ist anhand der Angaben im Erläuterungsbericht nachvollziehbar, wonach im Vergleich zum Nord Stream 2 Projekt signifikant geringere Emissionen zu erwarten sind, weil es sich vorliegend jedenfalls nicht um zwei 1 200 km lange Pipelines handelt (S. 132). Die Planfeststellungsbehörde musste sich die in den Antragsunterlagen der Vorhabenträgerin erwähnten Dokumente - die Berechnungen der Emissionen für das Nord Stream 2 Projekt - nicht vorlegen lassen. Auf die Aussage, dass diese Unterlagen von der Vorhabenträgerin eingesehen werden konnten, durfte sie vertrauen, weil Anhaltspunkte für eine falsche Angabe nicht vorliegen. Angesichts dessen durfte sich die Planfeststellungsbehörde auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken und musste keine Nachermittlungen anstellen (vgl. 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 25). Im Übrigen wurde, entgegen der Behauptung des Klägers, auch die Berechnung der vorhabenbedingten Schiffsverkehre aus Sedimenttransporten und die Schiffsbewegungen der Baggerflotte in den Planunterlagen, nämlich im Erläuterungsbericht (S. 124) und in der Umweltfachlichen Bewertung (Antragsunterlage 4 k, S. 143; PFB S. 269), dargestellt. Seegraswiesen sind von dem Vorhaben nicht betroffen (PFB S. 141 f.) und waren daher im Rahmen der Abwägung nicht zu berücksichtigen. Der Sachbeistand der Beigeladenen, Dr. Ku., hat auch insoweit die Annahmen im Planfeststellungsbeschluss näher erläutert und bestätigt. Konkrete Ansatzpunkte für die Betroffenheit von Seegraswiesen in der Umgebung des Vorhabens werden demgegenüber vom Kläger nicht benannt. Nach allem unterliegt weder die Quantifizierung noch die Annahme, dass diese baubedingten Emissionen im Verhältnis zu den zulässigen Jahresemissionsmengen des § 4 KSG i. V. m. Anlage 2 zum KSG kaum ins Gewicht fallen, durchgreifenden Bedenken. Es war auch zulässig zu beachten, dass das Vorhaben entsprechend der gesetzgeberischen Vorstellung (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 16) geeignet ist, in Zukunft Wasserstoff zu transportieren, der nach gegenwärtigem Kenntnisstand ein wichtiger Baustein der angestrebten Klimaneutralität sein wird.

82bb) Zu den abwägungserheblichen Umweltauswirkungen einer LNG-Anbindungsleitung gehören hingegen nicht die Treibhausgasemissionen, die beim späteren Verbrauch des transportierten Gases entstehen. Es fehlt insoweit an dem nach § 43 Abs. 3 EnWG erforderlichen Vorhabenbezug. Danach sind nur "die von dem Vorhaben" berührten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Die bestimmungsgemäße Nutzung der Anbindungsleitung liegt im Gastransport und erschöpft sich darin. Der spätere Verbrauch des Gases findet an anderer Stelle statt und unterliegt eigenen Regelungen gerade auch mit dem Ziel einer Reduktion damit verbundener Treibhausgasemissionen, insbesondere durch das einschlägige Anlagenzulassungsrecht, das Treibhausgas-Emissionshandelsrecht sowie rechtliche Vorgaben für den Energieeinsatz in Gebäuden ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 39 und Beschluss vom - 7 VR 3.23 - BVerwGE 179, 226 Rn. 45). Auch § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ändert nichts an dem Vorhabenbezug der Abwägung. Die Vorschrift begründet selbst keine neuen Handlungs- und Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume aufgrund gesetzlicher Regelungen voraus (vgl. 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 61 f.).

83cc) Auch das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot zwingt nicht zu einer anderen Sichtweise ( 7 A 9.22 - BVerwGE 179, 239 Rn. 46). Art. 20a GG verpflichtet den Staat - auch in Verantwortung für künftige Generationen - zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen; dies umfasst auch die Verpflichtung zum Klimaschutz einschließlich des Ziels der Herstellung von Klimaneutralität (vgl. grundlegend , 78/20, 96/20 und 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 197 f.). Konkretisierung und Ausgestaltung des Klimaschutzgebots obliegen in erster Linie dem Gesetzgeber, dem sich dabei ein erheblicher Gestaltungsspielraum eröffnet (BVerfG, a. a. O. Rn. 205, 207, 213, 249). Auch die Regelungen im Klimaschutzgesetz richten sich in erster Linie an den Gesetzgeber selbst, in dessen Entscheidung es liegt, wie er innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit in den einzelnen Sektoren die Klimaschutzziele erreichen will ( 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 97). Auf bestimmte einzelne Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele ist er von Verfassungs wegen nicht festgelegt (vgl. - NVwZ 2023, 158 Rn. 5). Der Gesetzgeber überschreitet seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er - wie hier für einen befristeten Zeitraum bis (§ 14 Abs. 2 Satz 1 LNGG) - das Ziel einer sukzessiven Minderung von Treibhausgasemissionen aufgrund des Verbrauchs fossilen Gases nicht durch einschränkende Vorgaben für die Zulassung von Anlagen der Gasversorgungsinfrastruktur verfolgt, sondern regulatorisch weiterhin am Gasverbrauch ansetzt.

84Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:250424U7A9.23.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-74506