BGH Beschluss v. - 2 StR 148/24

Instanzenzug: Az: 8811 Js 49746/22 2 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig gesprochen. Es hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 116.470 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

2Soweit Gegenstand des abgeurteilten Handeltreibens auch oder ausschließlich Cannabis war, ist der Schuldspruch an die Änderungen durch das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO als im konkreten Fall milder bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist.

3Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte in den Fällen II.3. und II.4. der Urteilsgründe, im letzteren Fall drei selbständige Taten betreffend, und im Fall II.5. der Urteilsgründe (insofern in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht. Dass sich die Taten auf eine nicht geringe Menge an Cannabis bezogen (zum Grenzwert für THC nach dem seit dem geltenden Recht vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, und vom – 4 StR 50/24, Rn. 6 ff.), stellt gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG keine Qualifikation, sondern ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG dar und bedarf deshalb nach dem nunmehr anwendbaren Recht keiner Kennzeichnung im Tenor. Auch einer Kennzeichnung als „verbotene“ Tatbegehung bedarf es nicht. Dass die Straftatbestände des KCanG den verbotenen Umgang mit Cannabis betreffen, versteht sich von selbst (BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 153/24, aaO, und vom – 2 StR 98/24, Rn. 8).

4Der Senat ändert den Schuldspruch demgemäß ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

II.

5Die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II.3. bis II.5. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafenausspruch halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

61. Zum Einzelstrafausspruch in Fall II.5. der Urteilsgründe hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt:

„Im Fall II.5. der Urteilsgründe hat die Strafkammer auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten erkannt, die zugleich die Einsatzstrafe bildet. Soweit in diesem Fall von 1.116,02 Gramm Kokain die Rede ist , während die Addition der beprobten Teilmengen lediglich 1.075,66 Gramm Kokain ergibt , ist dies im Hinblick auf die übereinstimmenden Angaben in den Urteilsgründen zur Wirkstoffmenge von 908,12 Gramm Kokainhydrochlorid noch ohne durchgreifende Bedeutung für den Bestand der Strafe. Angesichts der Sicherstellung des gesamten Kokains und eines – wenn auch verhältnismäßig geringen – Teils des Marihuanas ist die Höhe der Strafe im Vergleich zu den milderen Einzelstrafen, denen der Verkauf des gesamten Kokains zu Grunde lag (Fälle II.1, 6, 7 und 8 der Urteilsgründe), jedoch nicht mehr nachvollziehbar begründet. Hinzu kommt, dass die Strafkammer zu seinen Lasten berücksichtigt hat, dass der Angeklagte ´bei der Tat am tateinheitlich den Tatbestand eines weiteren Verbrechens des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt und dadurch höheres Unrecht verwirklicht hat` , verbotenes Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG aber auch bei Annahme eines besonders schweren Falls im Sinne des § 34 Abs. 3 KCanG nur ein Vergehen ist (§ 12 StGB). Der neue Tatrichter wird außerdem zu beachten haben, dass die Strafkammer die Wirkstoffmengen der beiden Betäubungsmittel addiert hat, dies jedoch bei Tateinheit und damit vorliegend – anders als bei einer Bewertungseinheit – rechtsfehlerhaft ist (vgl. Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn. 175).“

7Dem schließt sich der Senat an.

82. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts haben auch die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II.3. und II.4. der Urteilsgründe keinen Bestand.

9a) Der Bemessung dieser Einzelstrafen ist nach den Feststellungen des Landgerichts der Strafrahmen aus § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG zu Grunde zu legen. Ein Entfallen der Regelwirkung liegt in den betreffenden Fällen zwar angesichts der festgestellten Tatumstände fern. Auch wenn dieser Strafrahmen dem vom Landgericht zur Anwendung gebrachten des § 29a Abs. 2 BtMG entspricht, kann der Senat aber angesichts der milderen gesetzgeberischen Bewertung des Umgangs mit Cannabis nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des neuen Rechts in den betreffenden Fällen (noch) niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte.

10b) Das gilt für die in Fall II.4. der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei festgestellten drei selbständigen Taten umso mehr, als das Landgericht hier Einzelstrafen von jeweils fünf Monaten verhängt hat, ohne sich, wie es § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO vorschreibt, in den Urteilsgründen mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 und 2 Satz 1 StGB auseinanderzusetzen.

11Die Festsetzung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnender Umstände als unverzichtbar erweist und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (, Rn. 11 mwN). Die gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen Freiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 453/89, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 4, und vom – 3 StR 135/20, NStZ-RR 2020, 273).

123. Die Aufhebung der Einsatzstrafe und vier weiterer Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

134. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Weitere Feststellungen sind wie stets möglich, soweit sie zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

III.

14Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen benachteiligt den Angeklagten in rechtsfehlerhafter Weise, soweit er einen Betrag von 107.145 Euro übersteigt.

15Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift ausgeführt:

„Ausweislich der Feststellungen auf UA S. 103 hat der Angeklagte auf die Herausgabe der in seinem Fahrzeug insgesamt gefundenen und sichergestellten 11.865 Euro und der in seinem Kinderzimmer gefundenen und sichergestellten 2.360 Euro verzichtet. Während die Strafkammer den in der Mittelkonsole seines Fahrzeugs gefundenen Teilbetrag in Höhe von 4.900 Euro rechtsfehlerfrei als Erlös aus dem Verkauf von verabredeten 900 Gramm und tatsächlich gelieferten 855 Gramm Marihuana an seinen Abnehmer bewertet und insoweit von einer Einziehung abgesehen hat, hat sie die weiteren Beträge in Höhe von 6.965 Euro sowie 2.360 Euro nicht angerechnet, weil sie diese keiner der abgeurteilten Straftaten zuzurechnen vermochte. Diese Bewertung ist rechtsfehlerhaft, da sie in Höhe von 9.325 Euro zu einer Doppelbelastung des Angeklagten führen würde. Die – wie die Strafkammer hinsichtlich der Tenorierung zutreffend erkannt hat – insoweit einschlägige Einziehung des Werts von Taterträgen setzt gerade voraus, dass die Tatbeute als solche – hier also das als Kaufpreis erlangte Bargeld – etwa wegen Vermischung mit anderem Bargeld nicht mehr eingezogen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 371/23 –, juris Rn. 4). Die in einem solchen Fall mögliche Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB ist ausgeschlossen, soweit der Angeklagte – außer auf die in die Berechnung nicht eingeflossenen 4.900 Euro aus der Mittelkonsole seines Fahrzeugs – auch auf den weiteren Bargeldbetrag von 9.325 Euro verzichtet hat; der staatliche Zahlungsanspruch ist insoweit erloschen (vgl. Senat, aaO.). Die Einziehung des Werts von Taterträgen ist daher auf einen Betrag von 107.145 Euro zu reduzieren.“

16Auch dem schließt sich der Senat an.

IV.

17Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180724B2STR148.24.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-74409