Ertragsteuerrechtliche Behandlung von digital agierenden Steuerpflichtigen (Influencer)
- Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2024/9 -
Bezug: BStBl 2010 II S. 672
Bezug: BStBl 2020 II S. 3
Bezug:
Durch verschiedene soziale Plattformen (wie z. B. YouTube, Instagram, TikTok oder twitch) können Meinungen, Erfahrungen und Informationen ausgetauscht und geteilt werden. Vermehrt werden durch diese Aktivitäten Einnahmen generiert.
Influencer („influence“ bedeutet beeinflussen) nutzen ihr Netzwerk um eigene Produkte oder die von Werbepartnern zu vermarkten. Zeitweise folgen zahlreiche Nutzer (Follower) den regelmäßig eingestellten Inhalten und vertrauen in ihrem Konsumverhalten den Aussagen der Influencer. Die Influencer haben dadurch vielfältige Möglichkeiten Einnahmen, z. B. als Werbepartner oder aus Provisionen, zu erzielen.
1 Einkunftsart
Inhaltlich sind die den Followern zur Verfügung gestellten Inhalte (z. B. Reisen, Mode, Ernährung, Sport, Satire) breit gefächert. Das Prinzip ist jedoch gleichbleibend. Einerseits werden Einnahmen durch so genannte Affiliate- oder auch Partner-Links erzielt. Hierbei handelt es sich um hinterlegte Verknüpfungen (Link), über die die verwendeten, getesteten oder gezeigten Produkte oder auch vergleichbare Produkte gekauft werden können. Wenn die Follower diesen Link nutzen um auf die entsprechende Homepage des Werbepartners zu gelangen oder ein entsprechendes Produkt kaufen, erhalten die Influencer eine vorher vereinbarte Provision.
Eine weitere Einnahmequelle ist das Schalten von Werbung vor, zwischen oder während der von den Influencern zur Verfügung gestellten Inhalte.
Influencer erhalten oftmals auch Produkte zur Verfügung gestellt, damit diese ihre Erfahrungen durch die Nutzung der Produkte in den sozialen Medien teilen. Auch die Nutzung von Dienstleistungen und die Berichterstattung über diese können eine Einnahmequelle darstellen.
Als weitere denkbare Einnahmequellen kommen der Verkauf eigener Produkte oder auch eine Beratungstätigkeit (z. B. Lifecoach, Finanztipps) in Betracht.
Da zahlreiche Influencer in einem Bereich tätig werden, der eine besondere Nähe zur persönlichen Lebensführung aufweist und oftmals vor allem zu Beginn der Betätigung noch keine hohen Einnahmen generiert werden, muss wie üblicherweise die Gewinnerzielungsabsicht zu einem geeignetem Zeitpunkt überprüft werden.
1.1 Gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG)
Eine gewerbliche Tätigkeit liegt vor, soweit nicht ausnahmsweise eine selbständige Arbeit gegeben ist. Regelmäßig liegen hinsichtlich der Werbeeinnahmen Einnahmen aus Gewerbebetrieb vor. Die Influencer erhalten für das Dulden von Werbeanzeigen im Zusammenhang mit ihren Beiträgen bzw. für das Bewerben von Produkten Geld und nicht für die Veröffentlichung von Inhalten, beispielsweise als Ausdruck einer künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit nach § 18 EStG. Weitere Abgrenzungsdetails werden im Folgenden unter 1.2 Selbständige Arbeit erläutert.
Der Handel mit eigenen Produkten wie z. B. Kleidung, Schmuck oder Kosmetikprodukte stellt einen typischen Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG dar.
1.2 Selbständige Einkünfte (§ 18 EStG)
1.2.1 Katalogberuf oder vergleichbare Qualifikation
Bei der Tätigkeit als Berater muss darauf geachtet werden, ob der Influencer aufgrund seiner Ausbildung einen Katalogberuf i. S. d. § 18 EStG mit seiner Tätigkeit ausübt oder eine vergleichbare Qualifikation vorweist. Eine für die Ausübung dieser Tätigkeit qualifizierte Ausbildung dürfte nur im Ausnahmefall vorliegen. Oftmals wird lediglich die eigene Erfahrung aus dem eigenen Werdegang oder auch die eigene Anlagestrategie dargestellt. Eine entsprechende berufliche Qualifikation liegt dann regelmäßig nicht vor.
Ein Finfluencer, der über seine eigene Anlagestrategie berichtet, jedoch über keine entsprechende berufliche Qualifikation verfügt, erzielt gewerbliche Einkünfte, wohingegen eine Anwältin, die die sozialen Medien nutzt um beispielsweise Verbraucher über ihre Rechte zu informieren, eine freiberufliche Tätigkeit ausübt. Werbeeinnahmen stellen gewerbliche Einkünfte dar.
1.2.2 Künstlerische Tätigkeit
Eine künstlerische Tätigkeit liegt vor, wenn die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen (EStH 15.6 „Künstlerische Tätigkeit“ EStH).
Wird der Influencer im Rahmen der Produktplatzierung tätig, indem er die positiven Eigenschaften des Produktes hervorhebt, liegt keine künstlerische Tätigkeit vor. Die Werbetätigkeit bietet regelmäßig einen zu geringen Spielraum für die Entfaltung einer eigenen schöpferischen Leistung von künstlerischem Rang.
1.2.3 Schriftstellerische Tätigkeit
Eine schriftstellerische Tätigkeit liegt vor, wenn die steuerpflichtige Person für die Öffentlichkeit schreibt und es sich dabei um den Ausdruck der eigenen Gedanken handelt. Es ist nicht erforderlich, dass das Geschriebene einen wissenschaftlichen oder künstlerischen Inhalt hat (EStH 15.6 „Schriftstellerische Tätigkeit“ EStH).
Für die Annahme von Einkünften aus selbständiger Arbeit ist es zwingend erforderlich, dass der Influencer die Einnahmen unmittelbar für die Berichterstattung erzielt und nicht nur mittelbar über Werbung.
Ein Travel-Influencer kann folglich nur eine selbständige Tätigkeit ausüben, wenn die Reiseberichte objektiv und kritisch erfolgen. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn dieser für einen Auftraggeber im Rahmen einer Vertrauenswerbung tätig wird, z. B. wenn Reise- oder Übernachtungskosten übernommen werden.
2 Einkünfteermittlung
2.1 Betriebseinnahmen
Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst (und keine Einlagen) sind.
2.1.1 Werbeeinnahmen
Durch das Hinterlegen von Links zu kommerziellen (wie z. B. Amazon) und nichtkommerziellen Anbietern auf der eigenen Webseite oder in Videobeiträgen erhalten Influencer regelmäßige Umsatzbeteiligungen, die als Betriebseinnahme zu erfassen sind.
2.1.2 Sachzuwendungen und erhaltene Dienstleistungen
Oftmals erhalten Influencer von anderen Unternehmen zu bewerbende Produkte oder Dienstleistungen. Hierbei handelt es sich nicht um Geschenke, sondern um ein Entgelt für die Tätigkeit des Bewerbens. Die ersparten Aufwendungen für die erhaltene Dienstleistung sind Entgelt für die Leistungen des Influencers (Berichterstattung über die Inanspruchnahme der Dienstleistung). Erhält eine Beauty-Influencerin beispielsweise eine kostenlose Maniküre und berichtet darüber, sind die üblicherweise zu zahlenden Entgelte für diese Behandlung als Gegenleistung für die Tätigkeit der Influencerin zu sehen.
Hinsichtlich der überlassenen Produkte ist danach zu differenzieren, ob diese behalten werden dürfen oder ob sie an den Auftraggeber zurückgegeben werden müssen. Der zugewendete Vermögenswert bleibt ohne Gewinnauswirkung, wenn die durch ihn ersparten Aufwendungen durch den Betrieb veranlasst sind. Es liegt hierbei ein betrieblicher Aufwand in Form eines betrieblichen Werteverzehrs vor, so dass sich der Wert der Zuwendung mit den ersparten Betriebsaufwendungen ausgleicht.
Werden Produkte mit dem Ziel überlassen diese im Rahmen eines Preisausschreibens an die Follower weiterzugeben, handelt es sich ebenfalls um Betriebseinnahmen.
Bei den Dienstleistungen oder Produkten, die der Influencer behalten darf, handelt es sich um Einnahmen in Geldeswert, die als Betriebseinnahme (§ 4 EStG) mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind. Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bildet dieser die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung für Abnutzung.
Gibt der Influencer beispielsweise Kleidung, Lebensmittel oder Kosmetik an gemeinnützige Körperschaften ab oder entnimmt diese für seinen privaten Haushalt oder andere betriebsfremde Zwecke, handelt es sich hierbei ertragsteuerrechtlich um eine Entnahme i. S. d. § 4 Abs.1 Satz 2 EStG. Die Entnahme ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG gewinnerhöhend mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme zu erfassen. Wahlweise kann die Entnahme davon abweichend mit dem Buchwert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG bewertet werden, wenn diese Wirtschaftsgüter unmittelbar nach der Entnahme an eine gemeinnützige Körperschaft zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke gespendet wird.
2.2 Betriebsausgaben
Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Typische Betriebsausgaben können Kosten für die Ausstattung eines Büros, Reisekosten, Miet- und Leasingkosten oder auch Lizenzgebühren sein.
Aufwendungen für Ernährung, Kleidung und Gesunderhaltung fallen grundsätzlich unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG. Eine Aufteilung der Kosten in einen privaten und einen beruflichen Anteil scheitert oftmals am Fehlen eines sachgerechten Aufteilungsmaßstabes.
Die Kosten für den Erwerb einer Internet-Domain sind nach § 5 Abs. 2 EStG als immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren. Eine Berücksichtigung als Betriebsausgabe über Absetzungen für Abnutzung ist nicht möglich, da es sich um ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut handelt. Erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme erfolgt die entsprechende Gewinnminderung.
2.2.1 Reisekosten
Reisekosten für ausschließlich betrieblich veranlasste Reisen (z. B. Messebesuche, Kundentermine) sind als Betriebsausgaben abziehbar.
Ist die Reise sowohl betrieblich als auch privat veranlasst, sind die fixen Kosten (insbesondere An- und Abreise) im Verhältnis der erwerbsbedingten und der privaten Veranlassungsbeiträge zueinander aufzuteilen (; GrS 1/06, BStBl 2010 II S. 672).
Sind Aufwendungen für eine Reise sowohl betrieblich als auch privat veranlasst und sind die getätigten Aufwendungen anhand objektiver Kriterien (z. B. Zeitanteile) aufteilbar, kann der betrieblich veranlasste Teil der Reisekosten als Betriebsausgabe berücksichtigt werden (, EFG 2024, 1014-1020).
Bei aufwendigeren Auslands- wie auch Inlandsreisen muss sorgfältig abgewogen werden, ob für die Größe des Betriebs und für die Art seiner Betätigung die Reise überhaupt betrieblich veranlasst sein kann. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere dann fraglich, wenn die Aufwendungen für die Reise im Verhältnis zur Größe und Bedeutung des Betriebs und auch im Hinblick auf die Reisedauer unangemessen erscheinen.
2.2.2 Kein Abzug für bürgerliche Kleidung und Accessoires
Nur Aufwendungen für typische Berufskleidung, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann, sind als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig.
Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind auch dann nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie ausschließlich bei der Berufsausübung getragen werden (; , EFG 2024, 1014-1020).
2.2.3 Kommerzialisierbarer Teil des Namensrechtes
Der kommerzialisierbare Teil des Namensrechts einer natürlichen Person stellt ertragsteuerrechtlich ein immaterielles Wirtschaftsgut dar, das eingelegt werden kann (; X R 20/17, BStBl II 2020 S. 3).
Von dem eingelegten Wirtschaftsgut ist das im Betrieb des Influencers geschaffene immaterielle Wirtschaftsgut, das nach § 5 Abs. 2 EStG weder einlagefähig noch abschreibbar ist, zu unterscheiden. Entscheidend hierfür ist der Zeitpunkt des Entstehens des Wirtschaftsgutes „Namensrecht“ und die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt schon ein Gewerbebetrieb besteht. Regelmäßig kommerzialisiert sich der Name des Influencers erst, wenn für die ausdrückliche Nutzung des Namens Geld gezahlt wird, d. h. der Gewerbebetrieb bereits besteht.
Ein bloßes „Influencer“-Profil zusammen mit den „Followern“ stellt noch kein (selbständiges) Wirtschaftsgut im steuerlichen Sinne dar (, juris). Das o.g. ist auf diesen Fall nicht anwendbar.
Sofern ein kommerzialisierter Teil des aufgrund einer Einlage zu aktivierenden Namensrechtes besteht, muss der Bilanzposten bewertet werden. Als Kriterien können hierbei die Reichweite des Influencers (Anzahl der Follower) und auch die Zusammensetzung des Gewinnes (Zahlung für Affiliate-Links, Dienstleistungen, eigene Produkte, geschaltete Werbung oder auch direkte Zahlungen für die Verwendung des Namens) herangezogen werden.
Weiterhin muss die Abschreibungsdauer festgelegt werden. Hierbei ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Namensrechtes entscheidend. D. h., wie lange hat der Name am Markt einen Wert, der sich in seiner Bekanntheit niederschlägt. Ausgehend von einer effektiven Schutzdauer von Patenten von 20 Jahren und von einer Abschreibungsdauer für Firmenwerte über 15 Jahre, erscheint ein Ansatz von 10 Jahren für die Nutzungsdauer eines kommerzialisierten Teils des Namensrecht als plausible Ausgangsgröße. Der Wegzug ins Ausland (Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechtes) steht gemäß § 16 Abs. 3a EStG einer Betriebsaufgabe gleich. Auch selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter sind in der Aufgabebilanz mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG) anzusetzen.
Finanzministerium des Landes
Schleswig-Holstein v. - VI 3010 - S
2240 - 190
Fundstelle(n):
EStB 2024 S. 325 Nr. 9
DAAAJ-74283