Instanzenzug: LG Mainz Az: 1 KLs 3300 Js 25498/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung, bewaffneten „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit „vorsätzlichem Besitz eines gemäß § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. Anlage 2 Nr. 1.4.3 verbotenen Gegenstandes (Butterflymesser)“ sowie wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet er sich mit der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Beschränkung des Verfahrens (§ 154a Abs. 2 StPO) und zu einer Änderung sowie Neufassung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den vom Landgericht im hier bedeutsamen Fall 2 unter II. der Urteilsgründe (im Folgenden: Fall 2) getroffenen Feststellungen beschaffte sich der Angeklagte flüssige Amphetaminbase, Schwefelsäure und Alkohol, um daraus konsumfähiges Amphetamin zu produzieren. Bis Mitte Oktober 2021 stellte er „erhebliche Mengen“ her. Von diesen lagerte er in seinem Schlafzimmer neben einem griffbereiten Butterflymesser 86,2 Gramm (28,7 Gramm Base), die er selbst konsumieren, und 190 Gramm (15 Gramm Base), die er veräußern wollte. Knapp 320 Milliliter unverarbeitete Amphetaminflüssigkeit (162 Gramm Base), aus der noch Amphetaminpulver hergestellt werden sollte, das je zur Hälfte zum Verkauf und Eigenverbrauch bestimmt war, verwahrte er ebenfalls dort. Auf dem Dachboden baute er sieben Cannabispflanzen für seinen Konsum an.
3Das Landgericht hat die Tat als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie mit Besitz eines verbotenen Gegenstands (Butterflymesser) gewürdigt und eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt.
II.
41. Auf Antrag des Generalbundesanwalts und mit dessen Zustimmung hat der Senat den Anbau der sieben Cannabispflanzen von der Verfolgung ausgenommen (§ 154a Abs. 2 StPO).
52. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Prüfung des Urteils führt - ungeachtet dessen - zur teilweisen Änderung und Neufassung des Schuldspruchs im Fall 2.
6a) Die Lagerung der beiden Handelsmengen - 190 Gramm Amphetamin und knapp 160 Milliliter Amphetaminflüssigkeit mit zusammen 96 Gramm Base - hat das Landgericht angesichts des griffbereiten Butterflymessers zutreffend als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewürdigt. Das Herstellen von Betäubungsmitteln in eigennütziger Verkaufsabsicht tritt als Teilakt des Handeltreibens hinter diesem zurück (, BGHR AntiDopG § 4 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 1 Rn. 22, 23; Urteil vom - 5 StR 366/21, juris Rn. 19). Allerdings sind die Zusätze „unerlaubt“ und „in nicht geringer Menge“ beim bewaffneten Handeltreiben entbehrlich (s. etwa , juris Rn. 2 mwN).
7Der tateinheitlich ausgeurteilte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat ebenfalls Bestand, entgegen den Ausführungen des Landgerichts aber nur in Bezug auf die zum Eigenverbrauch bestimmte Hälfte der Amphetaminflüssigkeit. Dass diese noch nicht konsumfähig war, ist für die Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz ohne Belang; nach § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2 BtMG kommt es nur darauf an, ob das Produkt - unabhängig vom Aggregatzustand - einen in den Anlagen I bis III zu § 1 BtMG aufgeführten Stoff enthält (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 2 Rn. 47 und Vor §§ 29 ff. Rn. 206).
8Das bereits vom Angeklagten für seinen Eigenkonsum produzierte und von ihm verwahrte Amphetamin begründet darüber hinaus eine Strafbarkeit wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 148). Denn diese Begehungsvariante ist spezieller als der Auffangtatbestand des Besitzes (, NStZ-RR 2015, 14, 15; vom - 1 StR 242/19, StV 2021, 427, 429). Insoweit ist der Schuldspruch zu ergänzen.
9Schließlich hat die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten zutreffend als Besitz eines verbotenen Gegenstands nach § 52 Abs. 3 Nr. 1 Variante 2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3 gewürdigt. Die Entscheidungsformel kann hierzu lediglich knapper und anschaulicher gefasst werden (vgl. etwa , juris Rn. 2 mwN; ferner BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 436/93, juris Rn. 9; vom - 3 StR 120/23, juris Rn. 15, 17).
10b) § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
113. Die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung (Fall 1 unter II. der Urteilsgründe) und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 3 unter II. der Urteilsgründe) weisen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Es empfiehlt sich aber, den Schuldspruch zu Fall 2 - wie nunmehr geschehen - an den Beginn der Entscheidungsformel zu stellen, weil er im Vergleich zu den anderen verwirklichten Tatbeständen das schwerste Delikt enthält (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 459/06, juris Rn. 9; vom - 3 StR 308/20, juris Rn. 2; vom - 3 StR 120/23, juris Rn. 14).
124. Der Strafausspruch hat Bestand. Denn es ist auszuschließen, dass das Landgericht ohne Berücksichtigung der Cannabispflanzen und bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Geschehens im Fall 2 auf eine geringere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hätte. Weder die Verfolgungsbeschränkung noch die Ergänzung des Schuldspruchs um das tateinheitliche Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wirken sich auf den herangezogenen Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG aus. Strafschärfend hat das Landgericht außerdem allein die deutliche Grenzwertüberschreitung beim Amphetamin erwogen, nicht dagegen die daneben vorrätig gehaltenen sieben Cannabispflanzen. Dass eine weitere Begehungsform des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG tateinheitlich hinzutritt, ist sogar im Grundsatz geeignet, den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zu erhöhen (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 256 mwN).
135. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230724B3STR216.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-74212