BGH Beschluss v. - I ZB 9/24

Instanzenzug: Az: 2 W 31/23vorgehend LG Tübingen Az: 4 O 158/22

Gründe

1I. Am erließ die 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen eine Beschlussverfügung, mit welcher der Antragsgegnerin verschiedene vom Antragsteller als wettbewerbswidrig beanstandete geschäftliche Handlungen untersagt wurden. Mit ihrem Widerspruch beantragte die Antragsgegnerin die Abgabe des Verfahrens an die Kammer für Handelssachen. Nach erfolgter Verweisung nahm sie ihren Widerspruch zurück.

2Am stellte der Antragsteller bei der 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen einen Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Zuwiderhandlungen gegen die Beschlussverfügung. Auf den Hinweis des Gerichts, das Verfahren sei an die Kammer für Handelssachen abgegeben worden, erklärte der Antragsteller, die Zivilkammer sei zur Entscheidung über die Zwangsvollstreckung berufen, weil sie den Vollstreckungstitel erlassen habe. Er rügte die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen und beantragte die Abgabe an die Zivilkammer.

3Die 4. Zivilkammer hat den Ordnungsmittelantrag daraufhin als unzulässig zurückgewiesen, weil er bei der Zivilkammer und damit beim unzuständigen Gericht gestellt worden sei. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Beschwerdegericht den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Landgericht Tübingen - Kammer für Handelssachen - zur Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag zurückgegeben.

4Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Verweisung an die Kammer für Handelssachen. Er begehrt insoweit die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Rückgabe der Sache an die 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

5II. Das Beschwerdegericht hat, soweit für die Rechtsbeschwerde relevant, angenommen, das Landgericht sei mit Recht von der Unzuständigkeit der 4. Zivilkammer für den Ordnungsmittelantrag ausgegangen.

6Nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO habe das Prozessgericht des ersten Rechtszugs über den Antrag eines Gläubigers auf Verhängung von Ordnungsmitteln zu entscheiden. Prozessgericht sei das Gericht erster Instanz des Rechtsstreits, in dem der Titel geschaffen worden sei. Das sei nicht notwendigerweise die Kammer, die die Entscheidung erlassen habe. Das Gesetz stelle nur auf das Gericht als solches ab. Welche Kammer über den Ordnungsmittelantrag zu befinden habe, bestimme sich nach der Geschäftsverteilung beziehungsweise nach dem Gesetz, wenn ein besonderer Spruchkörper kraft Gesetzes über den Rechtsstreit zu entscheiden habe. Danach sei im Streitfall die Kammer für Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5, § 98 Abs. 1, § 101 GVG für das Verfahren zuständig.

7Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage zugelassen, ob eine Zivilkammer für die Entscheidung über einen Ordnungsmittelantrag nach § 890 ZPO zuständig sei, wenn das Verfahren nach Erlass der einstweiligen Verfügung an die Kammer für Handelssachen abgegeben worden sei und sich dort durch Rücknahme des Widerspruchs erledigt habe.

8III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

91. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht, an die der Senat nach § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gebunden ist, statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Ihrer Statthaftigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass mit dem Ordnungsmittelantrag eine Unterlassungsverfügung vollstreckt werden soll. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs zwar auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen. Diese Begrenzung gilt aber nicht für das Ordnungsmittelverfahren, das als selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (, GRUR 2024, 486 [juris Rn. 10] = WRP 2024, 490 mwN).

102. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil sie sich entgegen § 576 Abs. 2 ZPO allein darauf stützt, das Beschwerdegericht habe zu Unrecht angenommen, die Kammer für Handelssachen und nicht die Zivilkammer sei für die Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag zuständig (vgl. , NJW 2009, 1974 [juris Rn. 2]; zur Unzulässigkeit von gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerden im Fall einer solchen unzulässigen Rüge vgl. , NZI 2005, 184 [juris Rn. 1] mwN; Beschluss vom - IX ZB 66/17, ZVI 2018, 278 [juris Rn. 2]; vgl. auch Lohmann in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 576 Rn. 3).

11a) Nach § 576 Abs. 2 ZPO kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Die Vorschrift schließt, wie § 545 Abs. 2 ZPO für das Revisionsverfahren, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung des Rechtsbeschwerdegerichts jede Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs - mit Ausnahme der internationalen Zuständigkeit - aus (vgl. , BGHZ 236, 277 [juris Rn. 84] mwN; zu § 545 Abs. 2 ZPO vgl. , WRP 2017, 179 [juris Rn. 14 f.] mwN). Das gilt auch - wie hier - für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen der Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen (zu § 545 Abs. 2 ZPO vgl. , BGHZ 153, 82 [juris Rn. 11]; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl., § 545 Rn. 13; MünchKomm.ZPO/Krüger, 6. Aufl., § 545 Rn. 16; BeckOK.ZPO/Kessal-Wulf, 53. Edition [Stand ], § 545 Rn. 17).

12Eine Zuständigkeitsprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht findet daher nicht statt. Dem steht nicht entgegen, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zugelassen hat (zu § 545 Abs. 2 ZPO vgl. , NJW-RR 2006, 930 [juris Rn. 11]; BGH, WRP 2017, 179 [juris Rn. 15] mwN; , NJOZ 2019, 1265 [juris Rn. 12]). Die vom Gesetz festgelegte Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts kann durch die Zulassungsentscheidung nicht erweitert werden (BGH, NJW 2009, 1974 [juris Rn. 4]; zu § 545 Abs. 2 ZPO vgl. , GE 2022, 531 [juris Rn. 6]; BeckOK.ZPO/Kessal-Wulf aaO § 545 Rn. 16).

13b) Ob eine Zuständigkeitsprüfung durch das Rechtsmittelgericht ausnahmsweise dann stattzufinden hat, wenn die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs oder des Beschwerdegerichts über die Zuständigkeitsfrage auf Willkür oder auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht und aus diesem Grund ein Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO nicht bindend wäre (vgl. BGH, ZVI 2018, 278 [juris Rn. 3]; zum Streitstand vgl. , WM 2015, 819 [juris Rn. 19]), bedarf keiner Entscheidung. Dass die Annahme des Landgerichts und des Beschwerdegerichts, nicht die 4. Zivilkammer, sondern die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Tübingen sei für den Ordnungsmittelantrag des Antragstellers zuständig, willkürlich sei oder gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoße, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.

14IV. Die Rechtsbeschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Koch                  Löffler                Schwonke

         Feddersen             Schmaltz

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250724BIZB9.24.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-74150