EuGH Urteil v. - C-39/23

Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Besteuerung von Dividenden, die öffentlich-rechtliche Pensionsfonds erhalten – Unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Steuerbefreiung nur der gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – Vergleichbarkeit der Situationen – Rechtfertigung – Erfordernis, das mit der Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen – Erfordernis, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren

Leitsatz

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften an gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkassen an der Quelle besteuert werden, während die Dividendenausschüttungen an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds von einer solchen Besteuerung befreit sind.

Gesetze: AEUV Art. 63

Instanzenzug:

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV.

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einerseits der Keva, dem Landskapet Ålands pensionsfond (Pensionsfonds der Provinz Åland, Finnland) und dem Kyrkans Centralfond (kirchlicher Zentralfonds, Finnland), drei Rentenkassen des öffentlichen Rechts, die im Rahmen des finnischen Systems der betrieblichen Altersversorgung eingerichtet wurden, und andererseits dem Skatteverk (Finanzverwaltung, Schweden) betreffend die Frage, wie die von schwedischen Gesellschaften an die Kläger des Ausgangsverfahrens ausgeschütteten Dividenden in Schweden steuerlich zu behandeln sind.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

3 Der Rat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nahm am eine Empfehlung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung an und legte den Regierungen der Mitgliedstaaten nahe, sich beim Abschluss oder bei der Überarbeitung bilateraler Übereinkünfte an einem vom Steuerausschuss der OECD erarbeiteten „Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ im Anhang der Empfehlung (im Folgenden: OECD-Musterabkommen) zu orientieren. Das OECD-Musterabkommen wird regelmäßig überprüft und überarbeitet. Es gibt zu ihm einen vom Rat der OECD genehmigten Kommentar.

4 Art. 24 („Gleichbehandlung“) Abs. 1 des OECD-Musterabkommens bestimmt:

„Staatsangehörige eines Vertragsstaats dürfen im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung oder die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden können. …“

5 In Nr. 10 des Kommentars zu Art. 24 des OECD-Musterabkommens heißt es:

„… Die Bestimmungen von [Art. 24] Abs. 1 sind nicht dahin zu verstehen, dass ein Staat, der seinen eigenen öffentlichen Einrichtungen oder Dienststellen als solchen besondere Steuervorteile gewährt, verpflichtet ist, den öffentlichen Einrichtungen und Dienststellen des anderen Staates dieselben Vorteile zu gewähren“.

6 Nr. 12 dieses Kommentars bestimmt:

„… wenn ein Staat seinen eigenen öffentlichen Einrichtungen und Dienststellen Steuerfreiheit gewährt, ist dies dadurch gerechtfertigt, dass diese Einrichtungen und Dienststellen Teil des Staates sind und ihre Situation niemals mit derjenigen der öffentlichen Einrichtungen und Dienststellen des anderen Staates vergleichbar sein kann. …“

Steuerübereinkommen zwischen den nordischen Ländern

7 Nach Art. 10 Abs. 3 des am in Helsinki unterzeichneten Übereinkommens zwischen den nordischen Ländern zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und der Vermögensteuer (im Folgenden: Steuerübereinkommen zwischen den nordischen Ländern) werden Dividendenausschüttungen einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in einem anderen Vertragsstaat ansässige Person auch in dem Vertragsstaat besteuert, in dem die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz hat. Ist der tatsächliche Empfänger der Dividende eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person, so darf die einbehaltene Steuer nicht mehr als 15 % des Bruttobetrags der Dividende betragen.

8 Art. 25 des Steuerübereinkommens zwischen den nordischen Ländern sieht Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor. In Finnland ansässige Personen sind danach im Allgemeinen berechtigt, von der finnischen Einkommensteuer einen der gemäß den Rechtsvorschriften eines anderen Vertragsstaats und dem Übereinkommen entrichteten Einkommensteuer entsprechenden Betrag abzuziehen.

Schwedisches Recht

9 Nach § 1 Abs. 1 des Kupongskattelag (1970:624) (Gesetz [1970:624] über die Dividendensteuer) ist die Dividendensteuer im Allgemeinen für alle auf Anteile an schwedischen Aktiengesellschaften ausgeschütteten Dividenden an den Staat zu entrichten.

10 Nach § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes unterliegen ausländische juristische Personen dieser Steuer, wenn sie Anspruch auf Dividenden haben, sofern die ausbezahlten Dividenden nicht mit Einkünften aus einer wirtschaftlichen oder gewerblichen Tätigkeit verbunden sind, die mittels einer festen Betriebsstätte in Schweden ausgeübt wird.

11 § 5 dieses Gesetzes sieht vor, dass auf die Dividenden eine Steuer in Höhe von 30 % der ausgeschütteten Dividenden erhoben wird. Nach § 27 Abs. 1 des Gesetzes besteht jedoch für den Fall, dass die Steuer mit einem höheren als dem in einem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Satz erhoben worden ist, ein Anspruch des Dividendenempfängers auf Erstattung des zu viel gezahlten Betrags.

12 Kapitel 6 §§ 3 und 4 des Inkomstskattelag (1999:1229) (Gesetz [1999:1229] über die Einkommensteuer) bestimmt, dass juristische Personen schwedischen Rechts im Allgemeinen mit ihren gesamten in Schweden und im Ausland erzielten Einkünften der Einkommensteuer unterliegen.

13 Nach Kapitel 6 § 7 dieses Gesetzes sind ausländische juristische Personen beschränkt einkommensteuerpflichtig, d. h. sie unterliegen der Steuer nur mit ihren Einkünften im Sinne von Kapitel 6 § 11 Abs. 1, wonach diese beschränkte Steuerpflicht u. a. die Einkünfte aus einer in Schweden belegenen festen Betriebsstätte oder Immobilie umfasst.

14 Der Staat ist gemäß Kapitel 7 § 2 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes vollkommen von der Steuerpflicht ausgenommen. Diese Ausnahme gilt für den schwedischen Staat als solchen, nicht aber für öffentliche Unternehmen.

15 Kapitel 2 § 2 Abs. 1 des Gesetzes (1999:1229) über die Einkommensteuer bestimmt, dass die in diesem Gesetz verwendeten Begriffe und Ausdrücke auch vergleichbare Auslandssachverhalte umfassen, soweit nicht angegeben ist oder sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass es nur um schwedische Sachverhalte geht. Nach § 2 Abs. 2 findet Abs. 1 auf die den Staat betreffenden Bestimmungen keine Anwendung.

16 Kapitel 6 § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor, dass ausländische Staaten und Körperschaften wie ausländische Gesellschaften zu behandeln sind.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17 In Schweden sind die öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds Teil des Staates und genießen die für staatliche Einkünfte gewährte Steuerbefreiung. Die Hauptaufgabe dieser Pensionsfonds besteht in der Verwaltung des Kapitals, das einen Teil der einkommensbezogenen Altersrenten darstellt und ein Baustein der schwedischen Altersrente ist. Das allgemeine System der Altersrenten ist seinerseits Teil des verpflichtenden öffentlichen Systems der sozialen Sicherheit.

18 Keva ist die Rentenkasse, die in Finnland die Pensionen der im kommunalen Sektor Beschäftigten verwaltet. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Verwaltung der Mittel der gesetzlich vorgesehenen betrieblichen Altersversorgung. Keva zieht die Rentenbeiträge ein und zahlt die Renten aus. Sie ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts nach finnischem Recht und in Finnland von der Steuer befreit.

19 Der Pensionsfonds der Provinz Åland ist die für die Verwaltung der Pensionen der Beschäftigten der Provinz Åland zuständige Rentenkasse. Seine Hauptaufgabe ist die Verwaltung der Mittel des gesetzlichen Versicherungssystems der betrieblichen Altersversorgung. Verantwortlich für u. a. die Auszahlung der Renten an die Beschäftigten ist jedoch die Provinz Åland. Die Mittel des Pensionsfonds der Provinz Åland sind von denen des Haushalts dieser Provinz getrennt. Der Fonds hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern ist Teil der Provinz Åland. Er ist in Finnland teilweise von der Steuerpflicht befreit und zahlt keine Steuer auf Dividenden, die er von Aktiengesellschaften erhält.

20 Der kirchliche Zentralfonds war bis zum die Rentenkasse für die Beschäftigten der evangelisch-lutherischen Kirche in Finnland. Er verwaltete die im Rahmen des gesetzlichen Versicherungssystems der betrieblichen Altersversorgung eingezahlten Mittel. Die Auszahlung von Renten verwaltete Keva für ihn. Der kirchliche Zentralfonds hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern ist Teil der evangelisch-lutherischen Kirche in Finnland. Er ist in der Praxis von der in Finnland erhobenen Einkommensteuer befreit.

21 Zwischen 2003 und 2016 erhielten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens von schwedischen Gesellschaften Dividenden, die in Schweden der Dividendensteuer unterlagen. Da diese Dividenden in Finnland nicht besteuert wurden, konnte die in Schweden entrichtete Dividendensteuer nicht wie im Steuerübereinkommen zwischen den nordischen Ländern vorgesehen angerechnet werden.

22 Infolgedessen beantragten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens bei der schwedischen Finanzverwaltung, ihnen die in Schweden entrichtete Dividendensteuer zu erstatten. Zur Begründung ihrer Anträge machten sie geltend, dass die Erhebung der Dividendensteuer gegen den in Art. 63 AEUV verankerten freien Kapitalverkehr verstoße, da sie mit den öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden vergleichbar und diese in Schweden von der Steuerpflicht befreit seien.

23 Die Finanzverwaltung lehnte diese Anträge mit der Begründung ab, dass die Lage der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens nicht objektiv mit derjenigen der öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden vergleichbar sei.

24 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens klagten beim Förvaltningsrätt i Falun (Verwaltungsgericht Falun, Schweden) gegen die Entscheidungen der Finanzverwaltung. Diese Klagen wurden jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass zwischen den finnischen Rentenkassen und den öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden in Bezug auf ihre Aufgaben und ihre Organisation gewisse Unterschiede bestünden. Zudem sei die Steuerbefreiung der öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden gerechtfertigt, weil sie Teil des schwedischen Staates seien. Da es sich um eine Befreiung aus Gründen nicht nur steuerlicher Art handele, sei die Erhebung der Dividendensteuer nicht als diskriminierend im Sinne von Art. 63 AEUV anzusehen.

25 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens legten gegen diese Urteile Berufung beim Kammarrätt i Sundsvall (Oberverwaltungsgericht Sundsvall, Schweden) ein. Diese Berufungen wurden mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Unionsrecht Schweden nicht verpflichte, einen anderen Mitgliedstaat oder eine gebietsfremde öffentliche Einrichtung steuerlich genauso wie den schwedischen Staat zu behandeln. Überdies werde durch die dem schwedischen Staat gewährte Steuerbefreiung lediglich ein Umlauf von Mitteln innerhalb des öffentlichen Sektors vermieden. Die öffentlich-rechtlichen Rentenkassen in Finnland und die öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden befänden sich daher nicht in objektiv vergleichbaren Situationen.

26 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens legten gegen diese Urteile beim Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden), dem vorlegenden Gericht, ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel ein. Dieses Gericht ließ ein Rechtsmittel in Bezug auf die Frage zu, ob die Erhebung der Steuer auf die Dividen

27 Erstens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Behandlung gebietsfremder öffentlich-rechtlicher Rentenkassen, an die von gebietsansässigen Gesellschaften Dividenden ausgeschüttet werden, weniger günstig ist als die Behandlung gebietsansässiger öffentlich-rechtlicher Pensionsfonds.

28 Einerseits seien die öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden Teil des schwedischen Staates in seiner Eigenschaft als Rechtssubjekt, und bei dem von ihnen gehaltenen Vermögen handele es sich um staatliche Mittel. Durch die Steuerbefreiung zugunsten der Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften an diese Fonds werde vermieden, dass es zu einem Kreislauf dieser Mittel ohne echten wirtschaftlichen Vorteil für den Staat komme. Daher könne nicht angenommen werden, dass die anderen Mitgliedstaaten dadurch, dass der schwedische Staat von seinem Recht Gebrauch mache, die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen zu besteuern, ohne sich selbst der Steuer zu unterwerfen, davon abgehalten würden, über ihre öffentlich-rechtlichen Rentenkassen Investitionen in Schweden zu tätigen.

29 Andererseits lasse sich die Auffassung vertreten, dass, wenn nur die an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Rentenkassen ausgeschütteten Dividenden von der Steuer befreit würden, während die an ähnliche, aber gebietsfremde Einrichtungen ausgeschütteten Dividenden besteuert würden, letztere Einrichtungen benachteiligt würden, was eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV darstellen könnte.

30 Zweitens hegt das vorlegende Gericht Zweifel in Bezug auf die Frage, ob sich im vorliegenden Fall die gebietsansässigen und die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in objektiv vergleichbaren Situationen befinden.

31 Einerseits dienten die gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds innerhalb des schwedischen Systems der sozialen Sicherheit als Stabilisierungsfonds für den Staat in Bezug auf die einkommensbezogene Altersrente. So gebe es keine Situation, in der einer gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkasse de facto die gleiche Aufgabe übertragen werde wie den gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds. Folglich könne eine gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkasse sich nie in einer objektiv vergleichbaren Situation wie der schwedische Staat und dessen öffentlich-rechtliche Pensionsfonds befinden.

32 Andererseits sei zwar eine verwaltungstechnische Vereinfachung erklärtes Ziel der Steuerbefreiung des schwedischen Staates und seiner öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds, doch bestehe deren Ziel auch darin, die Notwendigkeit gering zu halten, den Behörden die Beträge zuzuweisen, die den Steuern entsprächen, die sie entrichten müssten, wenn sie bei der Erfüllung ihrer im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht von der Steuer befreit wären. Was dieses letztgenannte Ziel angehe, befänden sich die den gleichen Regelungen unterliegenden und mit demselben Auftrag befassten Einrichtungen in anderen Mitgliedstaaten in einer objektiv vergleichbaren Situation.

33 Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Vergleich mit dem schwedischen Staat als solchem oder nur mit den öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds selbst zu erfolgen hat. Bestimmte von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erfüllte Aufgaben unterschieden sich nämlich von denen, die die öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden erfüllten. Insbesondere zögen diese weder Rentenbeiträge ein noch zahlten sie Renten aus, sondern ihre einzige Aufgabe bestehe darin, die Mittel des einkommensbezogenen Systems der Altersversorgung zu verwalten. Diese anderen Aufgaben erfüllten im schwedischen Staat andere Einrichtungen, die ebenfalls von der Steuer befreit seien.

34 Drittens schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine etwaige Beschränkung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könnte.

35 Auch insoweit seien zwei Ansätze denkbar. Einerseits könnte die in Rede stehende Ungleichbehandlung durch das Erfordernis gerechtfertigt sein, das mit der schwedischen Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen und zu finanzieren. Würden die gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds besteuert, so müsste der schwedische Staat diesen Fonds die entsprechenden Steuereinnahmen zuweisen, um zu verhindern, dass sie ihre eigenen Mittel verwendeten. Andererseits seien Einnahmeausfälle oder verwaltungstechnische Schwierigkeiten keine triftigen Gründe, die eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV rechtfertigen könnten.

36 Vor diesem Hintergrund hat der Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Geht die Tatsache, dass die von einheimischen Unternehmen an ausländische öffentliche Rentenkassen ausgeschütteten Dividenden mit Quellensteuer belegt werden, während die entsprechenden Dividenden nicht der Besteuerung unterliegen, wenn sie dem Quellenstaat durch seine allgemeinen Pensionsfonds zufallen, mit einer benachteiligenden Ungleichbehandlung einher, die eine gemäß Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt?

  2. Falls Frage 1 bejaht wird: Welche Kriterien sind bei der Prüfung zu beachten, ob sich eine ausländische öffentliche Rentenkasse in einer Situation befindet, die objektiv mit der Situation des Quellenstaates und seiner allgemeinen Pensionsfonds vergleichbar ist?

  3. Kann eine etwaige Beschränkung als durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt angesehen werden?

Zu den Vorlagefragen

37 Das vorlegende Gericht möchte mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften an gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkassen an der Quelle besteuert werden, während die Dividendenausschüttungen an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds von einer solchen Besteuerung befreit sind.

38 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse im Bereich der direkten Steuern unter Wahrung des Unionsrechts und insbesondere der vom AEU‑Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten ausüben (Urteile vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Cartrans Preda, C‑461/21, EU:C:2023:632, Rn. 61).

39 Zum freien Kapitalverkehr hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Bestimmungen des Vertrags über diese Grundfreiheit nicht zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Italien, C‑174/04, EU:C:2005:350, Rn. 32). Diese Bestimmungen schließen folglich den öffentlichen Sektor nicht von ihrem Anwendungsbereich aus.

40 Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Zu den Maßnahmen, die diese Bestimmung als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, gehören solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteile vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , JD [Wohnsitzerfordernis], C‑562/22, EU:C:2024:55, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41 Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV allerdings nicht das Recht der Mitgliedstaaten, „die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“.

42 Diese Bestimmung ist, da sie eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs darstellt, eng auszulegen. Daher kann sie nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Staat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem AEU‑Vertrag vereinbar wäre. Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Art. 65 Abs. 3 AEUV eingeschränkt, wonach die in Art. 65 Abs. 1 AEUV genannten nationalen Vorschriften „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63 [AEUV] darstellen [dürfen]“ (Urteile vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , BA [Erbschaft – Soziale Wohnungspolitik in der Union], C‑670/21, EU:C:2023:763, Rn. 54).

43 Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass deshalb die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen von den durch Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen Diskriminierungen unterschieden werden müssen. Eine nationale Steuerregelung kann aber nur dann als mit den Bestimmungen des AEU‑Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteile vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , BA [Erbschaft – Soziale Wohnungspolitik in der Union], C‑670/21, EU:C:2023:763, Rn. 55).

44 Somit ist zunächst zu prüfen, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, sodann ist die etwaige Vergleichbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situationen und gegebenenfalls schließlich die Möglichkeit einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu prüfen.

Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

45 In Bezug auf die in Kapitel 7 § 2 Abs. 1 des Gesetzes (1999:1229) über die Einkommensteuer vorgesehene steuerliche Behandlung der Dividendenausschüttungen von in Schweden ansässigen Gesellschaften ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds von der für diese Art von Dividenden vorgesehenen Quellensteuer befreit sind, während gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkassen nicht in den Genuss einer solchen Befreiung kommen.

46 Eine solche steuerliche Ungleichbehandlung führt zu einer ungünstigeren Behandlung der an die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen ausgeschütteten Dividenden, die geeignet ist, diese Einrichtungen von Investitionen in Gesellschaften mit Sitz in Schweden abzuhalten (vgl. entsprechend Urteil vom , AllianzGI-Fonds AEVN, C‑545/19, EU:C:2022:193, Rn. 39).

47 Dies wird nicht durch das Vorbringen der schwedischen Regierung in Frage gestellt, mit dem diese geltend macht, der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Sinne von Art. 24 des OECD-Musterabkommens bedeute nicht, dass ein Staat, der seinen eigenen öffentlichen Einrichtungen spezielle Steuervorteile einräume, verpflichtet sei, dieselben Vorteile auch den öffentlichen Einrichtungen eines anderen Staates zu gewähren; dies gehe aus den Nrn. 10 und 12 des Kommentars zu diesem Art. 24 hervor.

48 Insoweit genügt der Hinweis, dass die schwedische Regierung aus diesen Nummern des Kommentars zu Art. 24 des OECD-Musterabkommens keine Einwände herleiten kann, um ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag zu entgehen (vgl. entsprechend Urteil vom , Damseaux, C‑128/08, EU:C:2009:471, Rn. 34).

49 Was das Vorbringen der schwedischen Regierung angeht, dass es in Ermangelung einer entsprechenden Harmonisierung des Unionsrechts keine gemeinsame Verpflichtung der Mitgliedstaaten gebe, zur Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit der anderen Mitgliedstaaten beizutragen, ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht zwar die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lässt, die Mitgliedstaaten aber bei der Ausübung dieser Zuständigkeit gleichwohl das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU‑Vertrags zu den Grundfreiheiten beachten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Gerencia Regional de Salud de Castilla y León, C‑86/21, EU:C:2022:310, Rn. 18, und vom , INSS [Kombination von Renten wegen vollständiger Berufsunfähigkeit], C‑625/20, EU:C:2022:508, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

Zur Vergleichbarkeit der Situationen

51 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zum einen die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels sowie ihres Zwecks und ihres Inhalts zu prüfen und sind zum anderen für die Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung aufgrund einer derartigen Regelung einem objektiven Unterschied der Situationen entspricht, nur die von der betreffenden Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien zu berücksichtigen (Urteile vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , BA [Erbschaft – Soziale Wohnungspolitik in der Union], C‑670/21, EU:C:2023:763, Rn. 59).

52 Was erstens die Ziele und den Zweck des schwedischen Systems der Besteuerung von Dividenden angeht, so ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass durch die Steuerbefreiung der Dividenden, die von Gesellschaften an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds ausgeschüttet werden, der Kreislauf öffentlicher Mittel des schwedischen Staates vermieden werden soll.

53 Die schwedische Regierung bestätigt insoweit, dass durch die Befreiung im Sinne von Kapitel 7 § 2 Abs. 1 des Gesetzes (1999:1229) über die Einkommensteuer ein Kreislauf öffentlicher Mittel des schwedischen Staates vermieden werden soll, und führt weiter aus, dass diese Befreiung die Förderung der Stabilität und des Fortbestands des schwedischen Rentensystems bezwecke.

54 Die Europäische Kommission dagegen macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass diese Befreiung nicht dazu diene, einen Beitrag zur Finanzierung des schwedischen Systems der sozialen Sicherheit zu leisten, in der Tat aber dazu, eine zu einem Kreislauf öffentlicher Mittel führende Besteuerung der Dividenden zu vermeiden, die von Gesellschaften an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds ausgeschüttet würden. Implizit solle durch diese Befreiung vermieden werden, dass öffentlichen Einrichtungen wie den schwedischen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds Mittel aus dem Staatshaushalt als Ausgleich für die anderenfalls von ihnen zu entrichtende Steuer zur Verfügung gestellt werden müssten.

55 In diesem Kontext ist, sofern durch das schwedische System der Steuerbefreiung der von öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds bezogenen Dividenden ein Kreislauf öffentlicher Mittel des schwedischen Staates vermieden werden soll, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, dass sich ein solcher Pensionsfonds allein dadurch, dass er Teil des schwedischen Staates ist, nicht zwangsläufig in einer anderen Situation befindet als eine gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkasse.

56 Das fragliche Ziel könnte nämlich auch dann erreicht werden, wenn in Schweden die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen genauso von der Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften befreit würden wie die gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds.

57 Zum Vorbringen der schwedischen Regierung und der Finanzverwaltung, die im Wesentlichen ausführen, dass im Hinblick auf das Ziel, die Stabilität und den Fortbestand des schwedischen Rentensystems zu fördern, der Zweck der gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen – anders als bei den gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds – nicht darin bestehe, die finanzielle Stabilität und den Fortbestand des schwedischen Systems der sozialen Sicherheit zu fördern, genügt der Hinweis, dass, wie auch vom Generalanwalt in Nr. 30 seiner Schlussanträge der Sache nach ausgeführt, zwar jeder Fonds definitionsgemäß dazu dient, die Stabilität und den Fortbestand eines bestimmten nationalen Rentensystems sicherzustellen, dies aber den grenzüberschreitenden Vergleich von Pensionsfonds nicht unmöglich macht.

58 Im Übrigen ist das Ziel, die Stabilität und den Fortbestand des schwedischen Rentensystems zu fördern, so umschrieben, dass es von den gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds erfüllt wird, während alle gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen von der Steuerbefreiung im Sinne von Kapitel 7 § 2 Abs. 1 des Gesetzes (1999:1229) über die Einkommensteuer automatisch ausgeschlossen sind (vgl. entsprechend Urteil vom , Kommission/Österreich, C‑10/10, EU:C:2011:399, Rn. 34).

59 Was zweitens die von der betreffenden nationalen Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien angeht, haben die schwedische Finanzverwaltung sowie die schwedische und die spanische Regierung geltend gemacht, dass das einzige in dieser Regelung festgelegte Unterscheidungskriterium nicht an den Sitz anknüpfe, sondern an die Tatsache, dass die gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds dieselbe Rechtspersönlichkeit wie der schwedische Staat hätten.

60 Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die allgemeinen Systeme der Altersversorgung in Schweden und in Finnland dasselbe soziale Ziel, dieselbe Funktion sowie dieselbe Art der rechtlichen Ausgestaltung haben. Die Art der Finanzierung ist dieselbe, und sie funktionieren ähnlich. Allerdings weisen die öffentlich-rechtlichen Rentenkassen in Finnland bestimmte Merkmale auf, die sich von denen der öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden dadurch unterscheiden, dass diese Einrichtungen unterschiedliche Rechtsformen aufweisen. Zudem ziehen die öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden weder die Rentenbeiträge ein noch zahlen sie die Renten aus; diese Aufgabe obliegt den schwedischen Behörden.

61 Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung jedoch im Wesentlichen ausgeführt hat, genügt insoweit der Hinweis, dass – vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen – der Einzug der Rentenbeiträge, die Auszahlung der Renten sowie die Rechtsform des betreffenden Fonds nicht unmittelbar mit der steuerlichen Behandlung der Dividendenausschüttungen schwedischer Gesellschaften zusammenzuhängen scheinen.

62 Demnach ist, da nur die gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds nach Kapitel 7 § 2 Abs. 1 des Gesetzes (1999:1229) über die Einkommensteuer steuerbefreit sind, während gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen diese Befreiung nicht gewährt wird, einziges Kriterium für eine Unterscheidung zwischen den öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds in Schweden und den gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen in Wirklichkeit der Ort, an dem diese Fonds ihren Sitz haben.

63 Nach alledem ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die in Rn. 46 des vorliegenden Urteils festgestellte Ungleichbehandlung von gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen und gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds objektiv vergleichbare Situationen betrifft.

Zum Bestehen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses

64 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zulässig sein, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteile vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Autoridade Tributária e Aduaneira [Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen], C‑472/22, EU:C:2023:880, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65 Im vorliegenden Fall macht die schwedische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass – angenommen, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung wäre eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs – die Tatsache, dass die Befreiung im Sinne von Kapitel 7 § 2 Abs. 1 des Gesetzes (1999:1229) über die Einkommensteuer nur gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds gewährt werde, durch zwei zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, nämlich zum einen durch das Erfordernis, das mit der schwedischen Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen und dessen Finanzierung sicherzustellen, sowie zum anderen durch das Territorialitätsprinzip in Verbindung mit dem Erfordernis, in Bezug auf das allgemeine System der einkommensbezogenen Altersversorgung eine ausgewogene Aufteilung der Befugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren.

66 Was erstens das Erfordernis angeht, das mit der schwedischen Sozialpolitik verfolgte Ziel zu erreichen, macht die schwedische Regierung zum einen geltend, dass die Besteuerung gebietsansässiger öffentlich-rechtlicher Pensionsfonds bedeuten würde, dass die entsprechenden Steuereinnahmen im jährlichen Haushaltsentwurf diesen Fonds zugewiesen werden müssten, damit diese nicht ihre eigenen Mittel zur Finanzierung dieser Besteuerung aufbrächten. In diesem Fall könnten andere Ausgabenbereiche gegenüber dem allgemeinen System der einkommensbezogenen Altersversorgung bevorzugt werden, was die Fähigkeit dieser Fonds, ihren Aufgaben nachzukommen, schmälern würde.

67 Zum anderen betont die schwedische Regierung, dass die den gebietsansässigen öffentlich-rechtlichen Pensionsfonds gewährte Steuerbefreiung es ermögliche, insbesondere den eigenständigen Status des schwedischen Systems der einkommensbezogenen Altersversorgung zu gewährleisten. Sie beruft sich insoweit auf das Urteil vom , Essent u. a. (C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass eine nationale Regelung eine gerechtfertigte Beschränkung einer Grundfreiheit darstellen könne, wenn sie durch wirtschaftliche Überlegungen zur Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels vorgegeben werde. Überdies könne durch diese Befreiung ein unnötig schwerfälliger Kreislauf öffentlicher Mittel vermieden werden.

68 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass verwaltungstechnische Nachteile für sich genommen ein Hindernis für den freien Kapitalverkehr nicht rechtfertigen können (Urteil vom , Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69 Außerdem ist festzustellen, dass die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs in der vorliegenden Rechtssache, anders als in der ein Privatisierungsverbot betreffenden Rechtssache, in der das Urteil vom , Essent u. a. (C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677), ergangen ist, nicht die Frage berührt, in wessen Eigentum die gebietsfremden öffentlich-rechtlichen Rentenkassen stehen.

70 Was zweitens das Territorialitätsprinzip in Verbindung mit der Notwendigkeit angeht, in Bezug auf das allgemeine System der einkommensbezogenen Altersversorgung eine ausgewogene Aufteilung der Befugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, macht die schwedische Regierung geltend, dass ein Mitgliedstaat gemäß diesem Prinzip berechtigt sei, die in seinem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte zu besteuern. Zudem schreibe das Unionsrecht einem Mitgliedstaat nicht vor, zur Finanzierung der nationalen allgemeinen Systeme der Altersversorgung anderer Mitgliedstaaten beizutragen.

71 Die schwedische Regierung bringt damit in Wirklichkeit zum Ausdruck, dass die in Rede stehende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs durch das Erfordernis, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, gerechtfertigt sei.

72 Insoweit kann nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die aus der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten hergeleitete Rechtfertigung anerkannt werden, wenn die betreffende Regelung bezweckt, Verhaltensweisen vorzubeugen, die das Recht eines Mitgliedstaats, seine Besteuerungsbefugnis in Bezug auf Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet auszuüben, beeinträchtigen könnten (Urteil vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73 Allerdings kann sich ein Mitgliedstaat, wenn er sich wie in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation dafür entscheidet, die inländischen Einkünfte gebietsansässiger Fonds nicht zu besteuern, nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung gebietsfremder Fonds, die derartige Einkünfte haben, zu rechtfertigen (Urteil vom , L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74 Demnach greift auch die Rechtfertigung mit der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nicht durch.

75 Folglich kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nicht mit der Begründung, dass sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, als mit den Bestimmungen des AEU‑Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden.

76 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften an gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkassen an der Quelle besteuert werden, während die Dividendenausschüttungen an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds von einer solchen Besteuerung befreit sind.

Kosten

77 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Dividendenausschüttungen gebietsansässiger Gesellschaften an gebietsfremde öffentlich-rechtliche Rentenkassen an der Quelle besteuert werden, während die Dividendenausschüttungen an gebietsansässige öffentlich-rechtliche Pensionsfonds von einer solchen Besteuerung befreit sind.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2024:648

Fundstelle(n):
JAAAJ-74028