BGH Urteil v. - 2 StR 28/24

Instanzenzug: Az: 118 KLs 6/23

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Brandstiftung in Tateinheit mit „fahrlässiger Brandstiftung“ sowie wegen dreier Fälle der Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten greifen das Urteil jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts an. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft beanstandet zu Ungunsten der Angeklagten den Schuldspruch in allen vier Fällen. Die Staatsanwaltschaft verfolgt im Fall B.II.1. der Urteilsgründe eine Verurteilung der Angeklagten wegen Brandstiftung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) schwerer Brandstiftung und in den übrigen drei Fällen jeweils eine Verurteilung wegen tateinheitlich zur Sachbeschädigung hinzutretender versuchter schwerer Brandstiftung. Zudem beanstandet sie zu Gunsten der Angeklagten, das Landgericht habe in den Fällen B.II.2. bis B.II.4. der Urteilsgründe jeweils den Strafrahmen unzutreffend bestimmt. Der Generalbundesanwalt vertritt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit es sich zu Ungunsten der Angeklagten gegen die Schuldsprüche in den Fällen B.II.2. und B.II.4. richtet und soweit es zu Gunsten der Angeklagten eingelegt ist. Die Rechtsmittel erzielen die aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolge und erweisen sich im Übrigen als unbegründet.

I.

2Das Landgericht ist zu folgenden Feststellungen und Wertungen gelangt:

31. In der Nacht auf den legte die Angeklagte Feuer in einem Geräteschuppen der Kindertagesstätte, in der sie beschäftigt war. Das Feuer zerstörte den Schuppen mitsamt den in ihm und daneben gelagerten Sachen. Es griff auf die Fassade des Gebäudes der Kindertagesstätte über, indem unter dem Putz als Dämmschicht angebrachte Platten aus Polystyrol sich derart entzündeten, dass sie auch nach Entfernung aller sonstigen brennbaren Gegenstände selbständig weitergebrannt hätten. Die durch Nachbarn verständigte Feuerwehr löschte das Feuer am Gebäude. Ohne deren Eingreifen hätte es sich weiter auf zwei im zweiten Obergeschoss des Gebäudes befindliche Wohnungen ausbreiten können (Fall B.II.1. der Urteilsgründe).

4Die Strafkammer hat einen Brandstiftungsvorsatz der Angeklagten in Bezug auf das Gebäude der Kindertagesstätte verneint und die Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Geräteschuppen nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit „fahrlässiger Brandstiftung“ an dem Gebäude nach § 306d Abs. 1 Var. 2, § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt.

52. Am Abend des zündete die Angeklagte im Treppenhaus des von ihr bewohnten Mehrfamilienhauses ein Schuhregal gegenüber der Wohnung eines Nachbarn im zweiten Obergeschoss an. Nachdem sie selbst zunächst in ihre eigene Wohnung im Erdgeschoss zurückgekehrt war, lief sie nach Entdeckung des Feuers durch andere Bewohner wieder zurück zur Brandstelle und verständigte den Nachbarn von dem Brand vor seiner Wohnung, der darauf gemeinsam mit ihr das Gebäude verließ. Die durch einen anderen Nachbarn inzwischen alarmierte Feuerwehr löschte den Brand.

6Das Feuer zerstörte das Regal samt Inhalt und daneben stehenden Sachen. Hitze und Ruß beschädigten im Treppenhaus einen Fensterrahmen eines Fensters, das die Feuerwehr bei den Löscharbeiten danach ganz zerstörte, sowie Wände, Decken und Fußböden und die Tür zur Wohnung des Nachbarn, ohne dass diese Teile des Gebäudes brannten. In der Wohnung wiesen lediglich die Wände des Flurs geringfügige Verrußungen auf. Ob die Platte oder der Rahmen einer Dachluke über dem Feuer durch heiße Brandgase derart entzündet wurden, dass sie selbständig hätten weiterbrennen können, konnte die Strafkammer nicht feststellen. Auch ohne Eingreifen der Feuerwehr hätte das Feuer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf die Wohnung übergegriffen. Die Wände und Decken des Treppenhauses hätten ohnedies nicht brennen können, da der aufgetragene Strukturputz nicht brennbar war. Die Wohnung und das Treppenhaus blieben benutzbar; der Nachbar kehrte am Mittag des Folgetages in die Wohnung zurück (Fall B.II.2. der Urteilsgründe).

73. In der Nacht auf den legte die Angeklagte Feuer in einem Abstellraum im Erdgeschoss der Kindertagesstätte, der nur über eine Tür von außen betreten werden konnte und keine bauliche Verbindung zu den übrigen Räumen aufwies. Ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes löschte den Brand vor Eintreffen der Feuerwehr fast vollständig. Das Feuer wäre auch ohne Löscharbeiten von selbst verloschen, ohne sich auf Gebäudebestandteile oder andere Räume auszubreiten. Die im Raum gelagerten Gegenstände wurden zerstört oder zumindest beschädigt, ohne dass Gebäudebestandteile gebrannt hatten. Der Abstellraum war nach dem Brand für einige Wochen nicht benutzbar. Die Benutzbarkeit der übrigen Räume der Kindertagesstätte war nicht beeinträchtigt, lediglich in einem Büro war für einige Tage Brandgeruch zu bemerken (Fall B.II.3. der Urteilsgründe).

84. In der Nacht auf den entzündete die Angeklagte auf dem Balkon der von ihr gemieteten Wohnung im Erdgeschoss einen eigenen Teppich oder Tisch. Sie lief hinauf zur Wohnung zweier Nachbarn im ersten Obergeschoss, weckte sie und informierte sie von dem Brand. Danach kehrte sie in ihre eigene Wohnung zurück und betrachtete das Feuer durch die Balkontür, bis die beiden Nachbarn sie erfolgreich aufforderten, gemeinsam das Haus zu verlassen. Zuvor verständigte die Angeklagte selbst telefonisch die Feuerwehr, die den Brand löschte.

9Der Brand zerstörte neben eigenen Sachen der Angeklagten auch auf dem Boden des Balkons angeschraubte Holzdielen, die keine wesentlichen Bestandteile des Gebäudes waren. Andere Gebäudebestandteile brannten nicht. Die Hitze beschädigte ein Fenster der Wohnung der Angeklagten samt Rollladen, ein Regenfallrohr, die Unterseiten der Balkone der Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss und verschiedene Sachen ihrer Bewohner. Die Fassade verrußte großflächig vom Erd- bis zum ersten Obergeschoss.

10Ohne das Einschreiten der Feuerwehr hätte die Gefahr des Übergreifens des Feuers auf die Wohnung der Angeklagten und diejenige im ersten Obergeschoss bestanden (Fall B.II.4. der Urteilsgründe).

115. Die Strafkammer hat in den Fällen B.II.2. bis B.II.4. der Urteilsgründe einen Brandstiftungsvorsatz der Angeklagten in Bezug auf das jeweilige Gebäude verneint und sie wegen Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB verurteilt.

II.

12Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, soweit sie sich zu Ungunsten der Angeklagten gegen die Schuldsprüche in den Fällen B.II.2. und B.II.4. der Urteilsgründe richtet (II.1.). Die Schuldsprüche in den Fällen B.II.1. und B.II.3. halten dagegen revisionsrechtlicher Prüfung stand (II.2.). Jedoch bedarf der Tenor in Fall B.II.1. der Urteilsgründe der Korrektur durch den Senat (II.3.).

131. Die Beweiswürdigung der Strafkammer in den Fällen B.II.2. und B.II.4., mit der sie jeweils einen Brandstiftungsvorsatz verneint hat, weist Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf.

14a) Allerdings ist die Würdigung der Beweise grundsätzlich Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Gelangt es nur zu einem Schuldspruch in Bezug auf einzelne der tateinheitlich angeklagten Delikte, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Ihm ist es insbesondere verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur , juris Rn. 13 mwN).

15b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht, mit der es in Fall B.II.2. der Urteilsgründe einen Brandstiftungsvorsatz der Angeklagten verneint hat. Die Strafkammer hat allein darauf abgestellt, ob die Angeklagte einen selbständigen Brand von Gebäudebestandteilen für möglich hielt. Soweit es ein Übergreifen des Feuers auf die Wohnung betraf, hat sie dies mit Blick auf die eigenen Rettungsbemühungen der Angeklagten und die hier geringe Ausbreitungswahrscheinlichkeit zu ihrer Überzeugung ausgeschlossen und angesichts der objektiv nicht bestehenden Gefahr einer Ausbreitung des Feuers auf das Treppenhaus auch insofern eine solche Vorstellung der Angeklagten nicht feststellen können. Da die Angeklagte ein Übergreifen des Feuers auf die Wohnung nicht für möglich gehalten habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Möglichkeit einer zeitweiligen Unbenutzbarkeit der Wohnung erkannt habe.

16Mit dieser Vorsatzprüfung hat die Strafkammer aber der Sache nach nur die erste der beiden Tatbestandsalternativen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, nämlich das Inbrandsetzen des Gebäudes, in den Blick genommen. Sie hat sich durch diesen rechtlich zu kurz greifenden Ansatz den Blick dafür versperrt, dass der Tatbestand auch durch die andere Alternative der Vorschrift, die gänzliche oder teilweise Zerstörung des Gebäudes, verwirklicht werden kann. Teilweise zerstört ist ein Gebäude u.a. dann, wenn für eine nicht nur unerhebliche Zeit ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner wesentlichen Zweckbestimmungen unbrauchbar wird. Danach liegt eine teilweise Zerstörung auch dann vor, wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Tatobjekts zerstört wird, etwa indem eine Wohnung als „Untereinheit“ eines Mehrfamilienhauses für beträchtliche Zeit für Wohnzwecke insgesamt ungeeignet wird (, NJW 2020, 942 Rn. 8).

17Insofern hat die Strafkammer festgestellt, dass die Angeklagte die Möglichkeit erkannt hatte, dass die Wände des Flurs, der Fensterrahmen und das Fenster im Treppenhaus und die Wohnungstür im zweiten Obergeschoss beschädigt und Fußboden, Wände und Decke im Treppenhaus und die Wände der Wohnung im zweiten Obergeschoss verrußt werden konnten. Mit diesen Folgen habe sie sich um des erstrebten Brandes des Schuhregals und der Schuhe willen abgefunden. Angesichts dieser Feststellungen entbehrt die Wertung des Landgerichts einer tragfähigen Tatsachengrundlage, was die Vorstellung der Angeklagten von der Möglichkeit einer zeitweisen Unbenutzbarkeit der Wohnung nicht durch Inbrandsetzung, sondern infolge der teilweisen Zerstörung durch Verrußung ihrer Wände angeht. Das Landgericht übergeht zudem gänzlich ihr Vorstellungsbild von der Möglichkeit einer zeitweisen Unbenutzbarkeit des Treppenhauses aufgrund der Brandschäden mit der Folge der Unerreichbarkeit und damit wiederum Unbenutzbarkeit der Wohnung. Welches Ausmaß die von der Angeklagten in Betracht gezogenen Schäden in Wohnung oder Treppenhaus nach ihrer Vorstellung hätten erreichen können, hätte das Landgericht unabhängig von der Möglichkeit des unmittelbaren Inbrandsetzens beleuchten müssen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass es auf diesem Weg zu einer Verurteilung wegen des Versuchs einer schweren Brandstiftung nach der zweiten Tatbestandsvariante des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB gelangt wäre.

18c) Auch in Fall B.II.4. der Urteilsgründe hält die Beweiswürdigung des Landgerichts einer Überprüfung anhand des vorbezeichneten Maßstabs nicht stand.

19aa) Allerdings ist, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer die in Brand geratenen Holzdielen, die auf dem Balkonboden nur verschraubt waren und leicht zu entfernen gewesen wären, nicht als wesentlichen Bestandteil des Gebäudes angesehen hat.

20bb) Die Erwägungen zur subjektiven Tatseite greifen aber in diesem Fall zu kurz, was die Möglichkeit eines Übergreifens des Feuers auf die Fassade angeht. Die Strafkammer hat als für Laien nicht naheliegend die Möglichkeit angesehen, dass das Feuer auf die Wohnungen hätte übergreifen oder sonst Gebäudebestandteile hätten brennen oder dass Wohnungen zeitweise hätten unbenutzbar werden können. Sie hat deswegen den Schluss auf eine solche Vorstellung der Angeklagten nicht gezogen, auch nicht unter Berücksichtigung des von der Angeklagten durch die vorherigen drei Taten gewonnenen Erfahrungsschatzes. Diese abstrakt gehaltene Begründung des Landgerichts lässt aber eine Auseinandersetzung mit der Feststellung vermissen, dass die Angeklagte in Fall B.II.1. der Urteilsgründe entgegen ihrer eigenen Vorstellung eine verputzte Fassade eines anderen Gebäudes in Brand gesetzt und hieraus ein Sonderwissen über die Möglichkeit einer Brandausbreitung in einem solchen Fall erlangt hatte. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer, hätte sie das Sonderwissen der Angeklagten aus der ersten ihrer Taten in den Blick genommen, zu dem Schluss gelangt wäre, dass die Angeklagte die Möglichkeit eines Übergreifens des Feuers vom Balkon auf die Fassade erkannte – zumal angesichts des Vorhandenseins mehrerer weiterer Balkone mit zusätzlicher Brandlast – und zu einer Verurteilung wegen versuchter schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB gelangt wäre.

21Da der Schuldspruch bereits damit der Aufhebung unterliegt, kommt es auf die weitere Beanstandung nicht mehr an, die Strafkammer habe auch versäumt, den objektiven Grad der Gefahr einer Ausbreitung des Feuers in die Wohnungen im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss hinein zu ermitteln, und ihren Rückschluss auf die Erkenntnismöglichkeiten bautechnischer Laien daher nicht auf eine tragfähige objektive Grundlage gestellt.

22d) Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und deshalb aufrechtzuerhalten. Das neue Tatgericht kann wie stets ergänzende, hierzu nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen. Im Übrigen hebt der Senat die Feststellungen zum Schuldspruch in den beiden Fällen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

232. In den Fällen B.II.1. und B.II.3. der Urteilsgründe hält die Beweiswürdigung hingegen revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

24a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Strafkammer im Fall B.II.1. der Urteilsgründe zu dem Schluss gelangt ist, die Angeklagte habe die (tatsächlich eingetretene) Inbrandsetzung oder teilweise Zerstörung des Gebäudes der Kindertagesstätte nicht für möglich gehalten. Das Landgericht hat dies entgegen der Auffassung der Revision beweiswürdigend tragfähig begründet.

25Die Strafkammer hat darauf abgestellt, die Angeklagte habe bei der ersten abgeurteilten Tat (noch) nicht über Sonderwissen über Baustoffe und deren Brennbarkeit verfügt und deshalb nicht gewusst, ob die Außenfassade unter dem Einfluss eines Feuers hätte in Brand geraten können. Da das brennbare Dämmmaterial nicht sichtbar unter Putz verbaut war und der Lebenslauf der Angeklagten, einer ausgebildeten Bürokauffrau und Kinderpflegerin, keine Anhaltspunkte für bautechnisches Sonderwissen zum Tatzeitpunkt aufweist, ist gegen diese Würdigung nichts zu erinnern.

26Auch die Abgrenzung zwischen dem kognitiven Element des bedingten Vorsatzes und der von der Strafkammer bejahten unbewussten Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Inbrandsetzung der Fassade weist entgegen der Ansicht der Revision keinen Widerspruch auf. Die Strafkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass zur Bejahung bedingten Vorsatzes kein positives Wissen um die Brennbarkeit der Fassade erforderlich gewesen wäre. Sie hat richtigerweise untersucht, ob die Angeklagte die bloße Möglichkeit der Brennbarkeit in ihr Vorstellungsbild aufgenommen hatte, und hat das mit tragfähiger Begründung verneint. Dass die Angeklagte bei genügender Anspannung ihrer individuellen Fähigkeiten die Möglichkeit des Verbaus brennbarer Materialien hätte erkennen müssen, steht dazu nicht im Widerspruch.

27b) Auch im Fall B.II.3. der Urteilsgründe weist die Beweiswürdigung, mit der die Strafkammer zu der Ablehnung eines Brandstiftungsvorsatzes gelangt ist, keinen Rechtsfehler auf. Der Brand in dem von den restlichen Räumen abgeschiedenen Abstellraum aus nicht brennbaren Baumaterialien trug objektiv keine Gefahr einer Ausbreitung auf das Gebäude in sich. Dass die Strafkammer ein davon abweichendes Vorstellungsbild der Angeklagten beweiswürdigend verneint hat, ist auch angesichts deren Erfahrung mit der Brandausbreitung bei der ersten abgeurteilten Tat von dem offen vor dem Gebäude stehenden Geräteschuppen auf die Hausfassade nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat angesichts der fehlenden Verbindung des Abstellraums zu den anderen Räumen auch einen Vorsatz auf die Möglichkeit von deren teilweiser Zerstörung durch zeitweilige Unbenutzbarkeit tragfähig verneint.

283. Allerdings ist der Schuldspruch in Fall B.II.1. der Urteilsgründe klarzustellen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, setzte die Angeklagte durch das Entzünden der Fassade ein Gebäude in Brand, das der Wohnung von Menschen diente. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass es zu dessen vollendeter Inbrandsetzung ausreicht, dass zwar nur solche Gebäudebestandteile brannten, die für die gewerbliche Nutzung wesentlich waren, aber eine Ausbreitung des Feuers auf für die Wohnnutzung wesentliche Teile nicht auszuschließen war (, BGHSt 48, 14, 19; Beschlüsse vom – 3 StR 392/09, NStZ-RR 2010, 279; und vom – 3 StR 442/09, NStZ 2010, 452). Dass die Tat ein Objekt im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB betraf, ist auch bei einer fahrlässigen Tatbegehung nach § 306d Abs. 1 StGB im Urteilstenor durch die Bezeichnung als schwere Brandstiftung zum Ausdruck zu bringen (, NStZ 2022, 168 Rn. 14).

III.

29Die Revisionen der Angeklagten und in dem insofern nach Aufhebung zweier Schuldsprüche noch verbleibenden Umfang diejenige der Staatsanwaltschaft sind erfolgreich, soweit es die Strafrahmenwahl in den Fällen B.II.2. bis B.II.4. der Urteilsgründe betrifft.

301. Die Strafkammer hat in den Fällen B.II.2. bis B.II.4. der Urteilsgründe jeweils den Strafrahmen zum Nachteil der Angeklagten unzutreffend bestimmt. Sie ist, wie sie bei der Absetzung der schriftlichen Urteilsgründe selbst erkannt hat, versehentlich davon ausgegangen, dass der Straftatbestand der Sachbeschädigung in § 303 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren anstatt richtig von bis zu zwei Jahren vorsieht. Folgerichtig hat sie im Fall B.II.4. der Urteilsgründe, in dem sie den Strafrahmen nach §§ 21, 49 StGB verschoben hat, fälschlich ein Höchstmaß von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe zugrunde gelegt anstatt richtig von einem Jahr und sechs Monaten.

31Angesichts der erheblichen Überschreitung der richtigen Strafrahmen, die sich im Fall B.II.2. der Urteilsgründe sogar in der Verhängung einer Einzelfreiheitsstrafe über dem gesetzlich angedrohten Höchstmaß niedergeschlagen hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler zur Verhängung niedrigerer Einzelstrafen als zwei Jahren und sechs Monaten (B.II.2.), zehn Monaten (B.II.3.) und einem Jahr und sechs Monaten (B.II.4.) gelangt wäre.

322. Die Aufhebung der drei Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

333. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem Fehler bei der Strafrahmenwahl nicht betroffen und können daher aufrechterhalten werden.

IV.

34Im Übrigen hat die umfassende revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils auch unter Berücksichtigung des Verteidigungsvorbringens in der Revisionshauptverhandlung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil der Angeklagten ergeben.

35Allerdings hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft als Indiz für die Täterschaft der Angeklagten behandelt, dass diese polizeilich verdächtigt worden war, eine Reihe anderer Brandlegungen an ihrem früheren Wohnort begangen zu haben. Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung im Übrigen jedoch aus, dass die Strafkammer nicht zu einer Verurteilung gelangt wäre, hätte sie den unbestätigten bloßen Verdacht früherer gleichartiger Straftaten – den sie ausdrücklich mit nur geringem Gewicht in ihre Würdigung eingestellt hat – außer Betracht gelassen.

V.

36Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

37Sollte das neue Tatgericht im Fall B.II.4. der Urteilsgründe zu der Annahme eines Brandstiftungsvorsatzes gelangen, so wird es zu prüfen haben, ob die Angeklagte von dem Versuch der besonders schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB strafbefreiend nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 2, Satz 2 StGB zurückgetreten ist. Nach den Feststellungen bewirkte das Einschreiten der von der Angeklagten alarmierten Feuerwehr, dass sich die Gefahr eines Übergreifens des Brandes auf die Wohnungen im Erd- und ersten Obergeschoss nicht realisierte. Was die Möglichkeit eines Übergreifens auf die Fassade angeht, lässt sich den Feststellungen zwar nicht entnehmen, ob eine solche Gefahr ohne das Eingreifen der Feuerwehr objektiv überhaupt bestanden hätte. Wird die Tat aber ohne Zutun des Täters nicht vollendet, also auch im Fall des Versuchs mit untauglichen Mitteln (MüKo-StGB/Hoffmann-Holland, 4. Aufl., § 24 Rn. 139), so genügt nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB zur Straflosigkeit, dass der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern. Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls Feststellungen zur Freiwilligkeit des Rettungshandelns der Angeklagten zu treffen haben. Die Angeklagte alarmierte zwar die Feuerwehr erst auf eine Bemerkung ihrer Nachbarin. Sie selbst hatte die Nachbarin aber zuvor ohne erkennbaren äußeren Anstoß sofort nach der Tat geweckt und von dem Brand auf ihrem eigenen Balkon informiert.

Menges                         Meyberg                           Grube

                 Schmidt                        Zimmermann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:030724U2STR28.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-73963