BAG Urteil v. - 6 AZR 3/24

Corona-Sonderzahlung - Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell

Leitsatz

Zur Bestimmung der Höhe der Corona-Sonderzahlung nach § 2 Abs. 2 des Tarifvertrags über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom (TdL) ist im Fall einer Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell der Anteil der individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter zugrunde zu legen. Dabei gilt für die gesamte Zeit im Blockmodell eine einheitliche Teilzeitquote, auch wenn die Arbeitszeit in der Anspar- und der Freistellungsphase ungleichmäßig verteilt ist.

Gesetze: § 1 TVG, § 24 Abs 2 TV-L, § 4 Abs 1 TzBfG

Instanzenzug: Az: 3 Ca 745/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 6 Sa 81/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf eine tarifliche Corona-Sonderzahlung.

2Die Klägerin ist seit dem Jahr 1997 beim beklagten Land als Grundschullehrerin beschäftigt. Der zugrundeliegende schriftliche Arbeitsvertrag regelt ua.:

3Das beklagte Land vergütete die Klägerin zuletzt nach der Entgeltordnung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).

4Mit Änderungsvertrag vom (iF Änderungsvertrag) einigten sich die Parteien auf eine Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell und vereinbarten ua.:

5Im Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des beklagten Landes mit dem Titel „Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell für Lehrkräfte im Tarifbeschäftigungsverhältnis und beamtete Lehrkräfte; Änderung“ vom - 21-05 Nr. 13 - (iF Runderlass Blockmodell) heißt es ua.:

6In der Zeit vom bis zum übte die Klägerin ihre Tätigkeit im Umfang von 23 Wochenstunden aus. In diesem Zeitraum zahlte ihr das beklagte Land eine Vergütung auf Basis von 11,5 Wochenstunden.

7Am schlossen die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und der dbb beamtenbund und tarifunion den Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung (TV Corona-Sonderzahlung), der ua. regelt:

8Der im TV Corona-Sonderzahlung in Bezug genommene § 24 Abs. 2 TV-L lautet:

9Im Februar 2022 zahlte das beklagte Land an die Klägerin eine Corona-Sonderzahlung iHv. 533,91 Euro. Der Berechnung legte es die auf der Grundlage des Teilzeitumfangs von 11,5/28 Wochenstunden ermittelten Entgeltbezüge zugrunde, woraus sich eine anteilige Zahlung von 41,07 Prozent errechnete.

10Die Klägerin erhob Zahlungsklage auf weitere Corona-Sonderzahlung. Seit dem befindet sich die Klägerin in der Freistellungsphase der Teilzeit im Blockmodell.

11Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung in einer Gesamthöhe von 1.067,82 Euro. Zugrunde zu legen sei der Umfang ihrer am Stichtag des tatsächlich ausgeübten Tätigkeit von 23 Wochenstunden. Sie sei in der Ansparphase der Teilzeit im Blockmodell mit ihrer Arbeitsleistung im Hinblick auf die sich anschließende Freistellungsphase in Vorleistung getreten. Während der Ansparphase werde ein Wertguthaben erarbeitet, in das die Hälfte aller Entgeltbestandteile einfließe, die dem Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zustünden, was auch Einmalzahlungen umfasse. Diese andere Hälfte sei dem Wertguthaben zuzuführen, das nunmehr zur Auszahlung fällig sei.

12Die Klägerin hat beantragt,

13Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

14Es hat die Auffassung vertreten, die Höhe des Anspruchs richte sich nach dem Verhältnis der individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit zu der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter. Der durch den Änderungsvertrag in Bezug genommene Runderlass Blockmodell sehe für den gesamten Bewilligungszeitraum eine einheitliche Teilzeitquote vor. Deshalb sei die Höhe des Anspruchs nach dem relativen Umfang der vereinbarten und nicht der tatsächlichen Beschäftigung zu bemessen.

15Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

16Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Corona-Sonderzahlung.

17I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Zahlungsantrag ist nach dem Vorbringen der Klägerin abschließend auf eine konkrete Vergütungsdifferenz vor dem Hintergrund der einmaligen Corona-Sonderzahlung gerichtet.

18II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung in Höhe weiterer 533,91 Euro aus § 2 Arbeitsvertrag iVm. § 2 Abs. 1, Abs. 2 TV Corona-Sonderzahlung iVm. § 24 Abs. 2 TV-L.

191. Der TV Corona-Sonderzahlung findet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

20a) Nach § 2 Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Diese Abrede enthält eine dynamische Bezugnahme, die den jeweiligen BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge erfasst (vgl.  - Rn. 19). Von der Bezugnahme wird nach ihrem Wortlaut, der sich nicht auf ersetzende Tarifverträge bezieht, der ab dem geltende TV-L, der nach § 2 TVÜ-Länder den BAT im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder abgelöst hat, nicht erfasst (vgl.  - Rn. 13; - 4 AZR 796/08 - Rn. 18, BAGE 134, 283). Die Vertragsregelung ist zeitdynamisch, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, auch die „ersetzenden“ Tarifverträge sollten Anwendung finden (vgl. dazu zB  - Rn. 38; - 4 ABR 14/08 - Rn. 25 mwN, BAGE 130, 286), fehlt.

21b) Die durch den Abschluss des TV-L entstandene Regelungslücke ist jedoch durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (vgl.  - Rn. 25 f.; ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben  - Rn. 20, BAGE 141, 150). Aus der zeitdynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf den BAT ergibt sich der Wille der Parteien, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie dynamisch an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst der Länder anzupassen. Dies ist der TV-L, der im Arbeitsverhältnis der Klägerin auch zur Anwendung gebracht wurde. Anderes haben die Parteien auch nicht im Änderungsvertrag vereinbart, wonach - neben der Vereinbarung der Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell - die übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags unberührt bleiben. Darüber hinaus haben sie in § 1 Abs. 5 Satz 1 Änderungsvertrag ausdrücklich auf die Regelungen zur Teilzeit in § 11 TV-L Bezug genommen.

222. Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung. Sie unterfällt iSv. § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung dem Geltungsbereich des TV-L und damit auch demjenigen des TV Corona-Sonderzahlung (§ 1 Buchst. a TV Corona-Sonderzahlung). Ihr Arbeitsverhältnis bestand am und sie hat im Zeitraum vom bis zum an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt gehabt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Parteien unstreitig.

233. Soweit das Landesarbeitsgericht jedoch angenommen hat, der Anspruch der Klägerin bestehe nach § 2 Abs. 2 TV Corona-Sonderzahlung iHv. insgesamt 1.067,82 Euro, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Rechtsfehlerhaft ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Berechnung sei die verdiente durchschnittliche Entgelthöhe zugrunde zu legen. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann auf Grundlage der getroffenen Feststellungen in der Sache endentscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

24a) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TV Corona-Sonderzahlung beträgt die Höhe der Corona-Sonderzahlung für Beschäftigte im Geltungsbereich des TV-L 1.300,00 Euro. Satz 2 der Vorschrift ordnet die entsprechende Geltung des § 24 Abs. 2 TV-L an. Demnach sollen Teilzeitbeschäftigte die Corona-Sonderzahlung nur in dem Umfang erhalten, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 TV Corona-Sonderzahlung sind die Verhältnisse am maßgeblich.

25b) Nach diesem im Wortlaut der Bestimmung unmissverständlich zum Ausdruck kommenden Willen der Tarifvertragsparteien ist der Berechnung des Anspruchs weder der tatsächliche Tätigkeitsumfang am Stichtag des von 23 Wochenstunden zugrunde zu legen - wie es das Arbeitsgericht getan hat - noch ist auf die „verdiente durchschnittliche Entgelthöhe zum Stichtag“ abzustellen - wie vom Berufungsgericht entschieden -. Maßgeblich ist vielmehr die individuell vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit der Klägerin. An die vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte durchschnittliche Entgelthöhe haben die Tarifvertragsparteien gerade nicht anknüpfen wollen.

26aa) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 TV Corona-Sonderzahlung erhält die am nicht vollzeitbeschäftigte Klägerin von der Corona-Sonderzahlung nur den Teil, der dem Maß der mit ihr vereinbarten - am Stichtag gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 TV Corona-Sonderzahlung geltenden - durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Dies folgt aus dem Verweis auf § 24 Abs. 2 TV-L, dessen Berechnungsgrundsätze des Entgelts für Teilzeitbeschäftigte entsprechend gelten sollen. Für die Ermittlung der „durchschnittlichen Arbeitszeit“ ist auf die Gesamtdauer des Teilzeitmodells im Blockmodell und nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, auf die aktive Phase abzustellen.

27(1) Während der Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell gilt für den gesamten Bewilligungszeitraum eine einheitliche Teilzeitquote, lediglich die Arbeitszeit ist ungleichmäßig verteilt. Während sie im ersten Teil des Bewilligungszeitraums bis - maximal - zur regelmäßigen Arbeitszeit erhöht ist (Ansparphase), wird die Erhöhung im anschließenden zweiten Teil durch Ermäßigung der Arbeitszeit oder durch ununterbrochene Freistellung ausgeglichen (Ermäßigungs- oder Freistellungsphase). Dies folgt aus Ziff. I des individualvertraglich durch § 1 Abs. 2 Änderungsvertrag einbezogenen Runderlasses Blockmodell, auf den für die Teilzeitbeschäftigung in Form der Jahresfreistellung verwiesen wird. Mit dieser arbeitsvertraglichen Bezugnahme haben die Parteien die Bestimmungen des Runderlasses Blockmodell zum Inhalt des - geänderten - Arbeitsverhältnisses gemacht.

28(2) Die Parteien haben eine Ansparphase mit einer Wochenstundenzahl von 23 und eine daran anschließende Phase der völligen Freistellung vereinbart (§ 1 Abs. 3 Änderungsvertrag). Damit liegt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin während der Gesamtdauer des Teilzeitverhältnisses im Blockmodell bei 11,5 Wochenstunden. Wie die Arbeitszeit innerhalb dieses Zeitraums verteilt wird, ist dabei ohne Belang (vgl. zu einem Beamtenverhältnis in Altersteilzeit im Blockmodell  2 C 15.15 - Rn. 16; dagegen voller Anspruch nach § 4 Corona-Sonderzahlungsgesetz NRW aufgrund anderer Zielsetzung des Gesetzes:  - Rn. 58 ff., 72). Ihre durchschnittliche Arbeitszeit beträgt auch während der Freistellungsphase die Hälfte ihrer bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden. Sie arbeitet in der Ansparphase für die spätere Freistellungsphase vor (vgl. zu einer Altersteilzeit im Blockmodell  - Rn. 31). Damit korrespondiert auch die vereinbarte Vergütung nach § 1 Abs. 4 Satz 2 Änderungsvertrag.

29(3) Danach steht der Klägerin nur eine Corona-Sonderzahlung iHv. 533,91 Euro brutto zu. Dies entspricht 41,07 Prozent einer Vollzeittätigkeit, ausgehend vom vereinbarten Umfang von 11,5/28 nach § 1 Abs. 4 Satz 2 Änderungsvertrag. Diesen Anspruch hat das beklagte Land durch Zahlung im Februar 2022 erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

30bb) Der vom Landesarbeitsgericht angenommenen „sinngemäßen Anwendung“ des § 24 Abs. 2 TV-L mit der Folge der Anknüpfung an die durchschnittliche Entgelthöhe steht die eindeutig in der Tarifnorm formulierte Berechnungsregelung auf Basis des Anteils der individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entgegen. Aus der Möglichkeit, von der Formulierung einer „entsprechenden“ Geltung der Tarifnorm deren sinngemäße Anwendung abzuleiten und damit unterschiedliche Regelungssysteme in Übereinstimmung zu bringen (vgl. hierzu  - Rn. 18), könnte nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn der Inhalt der Tarifnorm dies zulässt. Das ist bei § 24 Abs. 2 TV-L, der lediglich auf die Berechnungsbasis „Arbeitszeit“ und nicht auf das „Entgelt“ abstellt, nicht der Fall.

31cc) Entgegen der Annahme der Klägerin folgt nichts anderes daraus, dass sie in der Ansparphase der Teilzeit im Blockmodell mit ihrer Arbeitsleistung im Hinblick auf die sich anschließende Freistellungsphase in Vorleistung getreten ist, sie also während der Ansparphase ein Wertguthaben erarbeitet hat, in das die Hälfte aller Entgeltbestandteile eingeflossen ist, die ihr während der Arbeitsphase zustanden. Der TV Corona-Sonderzahlung enthält keinerlei Regelung dazu, einen Teil der Sonderzahlung aus der Arbeitsphase dem Wertguthaben für die Freistellungsphase zuzuführen, womit sich auch kein Fälligkeitszeitpunkt für die Auszahlung eines solchen bestimmen lässt. Vielmehr wurde die Corona-Sonderzahlung gerade unabhängig von einer bestimmten Arbeitsleistung gewährt und stand damit außerhalb des in der Ruhephase auszuzahlenden Wertguthabens (vgl.  - Rn. 16).

32III. Die im Tarifvertrag vorgesehene Berechnung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere steht sie im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG (dazu bereits  - Rn. 24 ff.; - 9 AZR 106/22 - Rn. 21 ff.; - 9 AZR 132/22 - Rn. 21 ff.).

33IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:040724.U.6AZR3.24.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 2099 Nr. 37
VAAAJ-73950