Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 30 KLs 16/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, Inverkehrbringen zulassungspflichtiger Fertigarzneimittel, Inverkehrbringen von Arzneimitteln geminderter Qualität, Inverkehrbringen gefälschter Arzneimittel und Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung einen Beutel mit 212,33 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 38 Gramm THC, wovon jeweils die Hälfte zum Eigenkonsum und zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war. Ferner hielt er in dem Beutel apotheken- und verschreibungspflichtige potenzsteigernde Arzneimittel mit dem Wirkstoff Sildenafil zu Verkaufszwecken vorrätig. Diese waren von minderer Qualität, in der Europäischen Union nicht zugelassen, hatten eine von der Kennzeichnung abweichende Zusammensetzung und wiesen keine Informationen zur Einnahme auf, was der Angeklagte jeweils billigend in Kauf nahm.
II.
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- sowie Aufhebung des Strafausspruchs.
31. Der Schuldspruch hat im Hinblick auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Bestand, da nach Urteilsverkündung das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom mit Wirkung vom in Kraft getreten ist (BGBI. I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat, soweit es um das Handeltreiben mit und den Besitz von Marihuana geht, nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom – 6 StR 24/24, juris Rn. 5).
4Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes der Umgang des Angeklagten mit Marihuana als Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit Besitz von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) zu werten. Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis" erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG / § 1 Nr. 5 KCanG). Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen - diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC erreicht (BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 153/24, juris Rn. 11 ff.; vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; ebenso BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 8) -, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. , juris Rn. 5; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).
5Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 ff.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN) angesichts der milderen einschlägigen Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
6Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
72. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat ansonsten im Hinblick auf die tateinheitliche Verurteilung wegen strafbewehrter Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend ausgeführt ist, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen den Schuldspruch nach § 95 Abs. 1 und § 96 AMG.
8Auch die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, dass der Angeklagte wegen einer einzigen Tat zu verurteilen ist, ist ohne einen diesen belastenden Rechtsfehler getroffen. Die im Schuldspruch genannten Tatbestandsvarianten des § 95 Abs. 1 und § 96 AMG stehen hier in Tateinheit zueinander, da bei der Annahme von Gesetzeseinheit der Unrechtsgehalt nicht vollständig erfasst würde (, NStZ RR 2020, 84, 87 mwN; MüKoStGB/Freund, 4. Aufl., § 95 AMG Rn. 74; Weber, BtMG, 6. Aufl., § 95 AMG Rn. 21). Mit Blick auf die einheitliche Verwahrung der Arzneimittel und des Marihuanas in einem Beutel besteht im Übrigen Idealkonkurrenz zwischen den Verstößen gegen das Konsumcannabisgesetz und das Arzneimittelgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 408/22, juris Rn. 6; vom - 3 StR 88/18, BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 6 Rn. 5 ff. mwN).
9Der Senat hat den Schuldspruch zum Arzneimittelgesetz klarstellend neu gefasst (vgl. zur Tenorierung: , NStZ-RR 2020, 84; Beschlüsse vom - 1 StR 302/07, NStZ 2008, 530; vom - 2 StR 92/21, NStZ-RR 2023, 52; vom - 5 StR 57/22; wistra 2023, 40).
103. Der Strafausspruch bedarf der Aufhebung, weil § 34 Abs. 3 KCanG einen erheblich milderen Strafrahmen vorgibt als § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist ungeachtet der unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. , juris Rn. 5) strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Marihuana („weiche Droge") durch das Landgericht nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des einschlägigen Strafrahmens dieses Gesetzes eine niedrigere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).
11Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handele, ist dies keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
Schäfer Anstötz Erbguth
Kreicker Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260624B3STR82.24.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-73834