BAG Urteil v. - 4 AZR 195/23

Anwendungsbereich des TVöD/VKA - Beschäftigte in Gaststätten

Leitsatz

"Beschäftigte in Gaststätten" iSd. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA sind solche, die in einem Betrieb iSd. allgemeinen Betriebsbegriffs tätig sind, dessen arbeitstechnischer Zweck darauf gerichtet ist, Gästen Speisen und Getränke zum Verzehr vor Ort gegen Entgelt anzubieten.

Gesetze: § 1 Abs 2 Buchst r TVöD, § 12 TVöD, § 13 TVöD

Instanzenzug: ArbG Chemnitz Az: 3 Ca 984/21 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 485/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Geltung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) für ihr Arbeitsverhältnis und sich daraus ergebende Vergütungsansprüche des Klägers.

2Der Kläger, der über eine abgeschlossene Ausbildung als Assistent für Hotelmanagement verfügt und seit Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di ist, war von 2016 bis 2018 und vom bis zum bei der Beklagten, zuletzt als „Mitarbeiter Service“, beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein monatliches Festgehalt iHv. 2.000,00 Euro brutto vereinbart.

3Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e.V. Sie betreibt ein Eissportzentrum mit einer Eissporthalle und einer Eisschnelllaufbahn, das Golfbad „Gesundheitspark“ und verwaltet das Naherholungsgebiet am Stausee R. Für alle drei Liegenschaften hat sie den Betrieb eines Gaststättengewerbes der zuständigen Behörde angezeigt. Im Eissportzentrum und am Stausee R unterhält sie je eine Großküche. Die dort hergestellten Speisen werden über die gastronomischen Einrichtungen der Liegenschaften vertrieben. Im Eissportzentrum sind dies während der Wintersaison drei Imbissstände sowie drei Gasträume, die für Veranstaltungen genutzt werden können. Am Stausee R betreibt die Beklagte in der Sommersaison vier verschiedene Imbiss-, Grill- und Bareinrichtungen, die von den Badegästen genutzt werden können. Darüber hinaus existiert ein Bistro, welches sowohl von Gästen als auch von Dritten besucht werden kann und saisonunabhängig geöffnet ist. An den Imbisseinrichtungen können dort erworbene Speisen vor Ort verzehrt werden. Die Beklagte beschäftigt ca. 39 festangestellte Arbeitnehmer sowie einige Saisonkräfte.

4Der Kläger wurde seit September 2020 in den Wintermonaten überwiegend in den gastronomischen Einrichtungen im Bereich des Eissportzentrums und in den Sommermonaten überwiegend in denen des Stausees R eingesetzt. Dabei hatte er das Grillgut zuzubereiten, Speisen und Getränke zu verkaufen sowie diese jeweils zu kassieren. Zu seinen Aufgaben gehörten auch die Vorbereitung der Kasse und deren Abrechnung, die Annahme von Warenlieferungen und deren Verräumen, das Auffüllen von Beständen und Reinigungsarbeiten. In geringem Umfang war er auch als Ordner und Kassierer sowie bei der Schlittschuhausleihe tätig.

5Mit der Beklagten am zugegangenem Schreiben forderte der Kläger die Beklagte unter Berufung auf die Geltung des TVöD/VKA und das Tätigkeitsmerkmal „Fachangestellte für Bäderbetriebe mit Abschlussprüfung und entsprechender Tätigkeit“ auf, ihn ab dem nach Entgeltgruppe 5 Stufe 2 TVöD/VKA zu vergüten.

6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der TVöD/VKA habe im Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gegolten. Seine Tätigkeit habe eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert, so dass er eine Vergütung nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA beanspruchen könne.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der TVöD/VKA habe nicht für den Kläger gegolten, da er in einer „Gaststätte“ iSd. Bereichsausnahme nach § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA tätig gewesen sei. Der Begriff „Gaststätte“ sei unter Berücksichtigung der Regelungen in den Gaststättengesetzen weit auszulegen. Ausreichend sei, wenn hinsichtlich des gastronomischen Angebots eine abgrenzbare Organisationseinheit im Unternehmen bestehe, deren wirtschaftlicher Zweck über die Eigenversorgung, zB in Form einer Kantine, hinausgehe. Eine solche sei im Unternehmen der Beklagten unter der Leitung von Herrn S vorhanden. Dieser sei für die Gestaltung der Dienstpläne, den Einsatz der Mitarbeiter und die Gewährung von Urlaub zuständig. Es erfolge für die Organisationseinheit „Gastronomie/Service“ eine eigene betriebswirtschaftliche Kostenerfassung. Die Organisationseinheit werde wie ein externer Dienstleister der Gastronomiebranche tätig. Jedenfalls habe der Kläger nur einfache Tätigkeiten ausgeübt, so dass allenfalls eine Vergütungsverpflichtung nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA in Betracht komme.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit Gegenstand der Revision - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Gründe

10Die zulässige Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11I. Die Klage ist - nach gebotener Auslegung - zulässig.

121. Der Feststellungsantrag ist als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zu verstehen (vgl. hierzu  - Rn. 13; - 4 AZR 666/19 - Rn. 12). Der Kläger verfolgt ersichtlich das Ziel, die Vergütungsverpflichtung der Beklagten nach einer bestimmten Entgeltgruppe feststellen zu lassen. Soweit der Kläger neben der Entgeltgruppe auch eine bestimmte Stufe benennt, ist dies lediglich als Klarstellung bezogen auf den im Antrag genannten Zeitpunkt und nicht als selbstständiges Feststellungsbegehren zu verstehen. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass dem Kläger im Falle eines Obsiegens mit dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA ab dem die Stufe 2 zustehen würde.

132. Dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass sich der Antrag seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bezieht. Der erforderliche Gegenwartsbezug besteht, da der Kläger die (zukünftige) Erfüllung einer höheren, konkret bezeichneten Vergütung aus dem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstrebt (vgl.  - Rn. 12, BAGE 177, 338; - 6 AZR 321/19 - Rn. 20).

143. Der Zahlungsantrag ist ebenfalls zulässig, insbesondere als abschließende Gesamtklage hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

15a) Werden im Wege einer „Teilgesamtklage“ mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, hat der Kläger dem Grundsatz nach anzugeben, in welcher Höhe er aus den einzelnen Ansprüchen welche Teile einklagt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist die „abschließende Gesamtklage“. Erklärt der Kläger, die Klageforderung habe abschließenden Charakter, macht er weder eine Forderung teilweise noch Teile mehrerer Forderungen, sondern diese sämtlich und in voller Höhe geltend. In einem solchen Fall ist den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt ( - Rn. 12; grundlegend  - Rn. 20, BAGE 138, 360).

16b) Danach handelt es sich bei dem Zahlungsantrag um eine abschließende Gesamtklage für den Zeitraum von Oktober 2020 bis August 2021. Der Kläger begehrt zwar - worauf bereits das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung hingewiesen hat - statt der sich rechnerisch ergebenden Vergütungsdifferenz iHv. 5.937,88 Euro brutto lediglich die Zahlung eines Betrags iHv. 5.925,80 Euro brutto sowie aus einem Teil dieses Betrags die Zahlung von Zinsen. Bei dem geltend gemachten Betrag soll es sich aber nach Angaben des Klägers um die gesamte offene Vergütung für den streitgegenständlichen Zeitraum handeln. Er hat damit verdeutlicht, dass er mit dem Antrag sämtliche ihm seiner Auffassung nach für den Streitzeitraum zustehenden Vergütungsansprüche geltend macht.

17II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der TVöD/VKA habe für das Arbeitsverhältnis der Parteien trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG) nicht gegolten, da der Kläger nach § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA vom Geltungsbereich des TVöD/VKA nicht erfasst sei. Der Kläger ist kein Beschäftigter in einer Gaststätte iSd. tariflichen Bereichsausnahme.

181. Nach § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA gilt der TVöD/VKA nicht für „Beschäftigte in Bergbaubetrieben, Brauereien, Formsteinwerken, Gaststätten, Hotels, Porzellanmanufakturen, Salinen, Steinbrüchen, Steinbruchbetrieben und Ziegeleien“. „Beschäftigter in Gaststätten“ ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur, wer in einem Betrieb tätig wird, bei dem es sich seinem arbeitstechnischen Zweck nach um eine Gaststätte handelt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift (zu den Maßstäben der Tarifauslegung  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

19a) Die Herausnahme aus dem tariflichen Geltungsbereich betrifft nicht die Tätigkeit des Beschäftigten, sondern dessen Einsatzort und damit den fachlich-betrieblichen Geltungsbereich. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Danach sollen Beschäftigte „in“ Gaststätten vom Geltungsbereich ausgenommen sein, nicht aber solche mit einer bestimmten Tätigkeit. Zudem zeigt der Vergleich mit den weiteren Ausnahmetatbeständen, dass die Tarifvertragsparteien zwischen Tätigkeiten und Tätigkeitsorten differenziert haben. So sind zB aufgrund ihrer Tätigkeit „leitende Angestellte“ (Buchst. a), „künstlerisches Theaterpersonal“ (Buchst. n) und „Seelsorger“ (Buchst. o) vom Geltungsbereich ausgenommen. Mithin sind nicht alle Beschäftigten mit „gaststättentypischer Tätigkeit“ unabhängig von ihrem Arbeitsort vom Geltungsbereich ausgenommen, sondern alle „in einer Gaststätte“ tätigen Beschäftigten unabhängig von ihrer Tätigkeit (so auch Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand März 2024 Teil B 1 § 1 Erl. 4.16 Rn. 170 f.). Dies wird dadurch bestätigt, dass einige Tätigkeiten, die „typischerweise“ in Gaststätten anfallen, von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich als Tätigkeitsbeispiele in der Entgeltgruppe 1 TVöD/VKA aufgeführt sind (zB Essens- und Getränkeausgeber, Spülen, Gemüse putzen, Servierer). Hierfür gäbe es kein Bedürfnis, wenn Beschäftigte mit solchen Tätigkeiten vom Geltungsbereich des TVöD/VKA ausgenommen wären.

20b) Gaststätte iSv. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA ist ein Betrieb iSd. allgemeinen Betriebsbegriffs, dessen arbeitstechnischer Zweck darauf gerichtet ist, Gästen Speisen und Getränke zum Verzehr vor Ort gegen Entgelt anzubieten.

21aa) Der Wortlaut der tariflichen Regelung ließe sowohl ein enges Verständnis zu, nach dem es sich bei einer Gaststätte um einen „Betrieb“ handeln muss, als auch ein weitergehendes Verständnis im Sinne einer abgrenzbaren Organisationseinheit innerhalb eines Betriebs.

22(1) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der „Gaststätte“ nicht definiert. Es ist daher anzunehmen, dass sie ihn in dem Sinne verwendet haben, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ( - Rn. 50; - 4 AZR 363/18 - Rn. 47, BAGE 167, 78). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Gaststätte ein „Haus, in dem man gegen Entgelt Mahlzeiten einnehmen kann“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „Gaststätte“) oder ein „Betrieb mit einem oder mehreren Räumen für den Aufenthalt von Gästen, die dort gegen Entgelt Speisen und Getränke erhalten und verzehren können“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 10. Aufl. Stichwort „Gaststätte“). Damit ist allerdings nicht festgelegt, ob und inwieweit eine Gaststätte eigenständig organisiert sein muss, um als eine solche iSd. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA zu gelten.

23(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich dem Wortlaut der tariflichen Regelung nicht entnehmen, dass unter „Gaststätte“ jedes „Gaststättengewerbe“ iSd. § 1 GastG oder § 1 SächsGastG zu verstehen ist. Die Tarifvertragsparteien haben weder diese Begrifflichkeit verwendet noch ist sonst erkennbar, dass sie an den öffentlich-rechtlichen Begriff eines „Gaststättengewerbes“, welches zur Erlaubnispflicht führt, hätten anknüpfen wollen.

24(3) Die Verwendung des Begriffs „Betrieb“ bei anderen Ausschlusstatbeständen in § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA - zB „Bergbaubetriebe“ - schließt nicht aus, „Gaststätten“ als „Gaststättenbetriebe“ zu verstehen. Der Tarifvertrag fasst unter diesem Unterpunkt verschiedene Tätigkeitsorte zusammen. Die unterschiedliche Bezeichnung kann daher auf rein sprachlichen Gründen zur Vermeidung von Wiederholungen und Verbesserung der Lesbarkeit beruhen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien unter demselben Unterpunkt zum Teil auf einen „Betrieb“ und zum Teil auf eine anders geartete „abgrenzbare Einheit“ hätten abstellen wollen, sind nicht ersichtlich. Ein unterschiedliches Verständnis ergibt sich nicht daraus, dass sowohl „Steinbrüche“ als auch „Steinbruchbetriebe“ genannt sind. Dies erklärt sich aus der Historie der Vorschrift. In § 1 Abs. 2 TVöD/VKA sind die früher in den verschiedenen Tarifwerken vorhandenen Ausnahmetatbestände zusammengefasst, aber nicht vereinheitlicht worden. Der Begriff des Steinbruchs entstammt § 3 Buchst. a Bundes-Angestelltentarifvertrag, der Begriff des Steinbruchbetriebs § 3 Abs. 1 Buchst. b Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II).

25bb) Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass unter den Begriff „Gaststätten“ nur Betriebe fallen, deren arbeitstechnischer Zweck darauf gerichtet ist, eine solche zu betreiben.

26(1) Die Herausnahme bestimmter Einsatzorte aus dem Geltungsbereich des TVöD/VKA dient der Vermeidung von Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität (vgl. hierzu allgemein  - Rn. 16, BAGE 132, 283). Dies kann nur erreicht werden, wenn der Ausschluss aus dem Geltungsbereich sich auf Betriebe bezieht. Für das Bestehen von Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität wird nach § 4a TVG für die Geltung eines Tarifvertrags ebenso an einen „Betrieb“ angeknüpft (vgl. BT-Drs. 18/4062 S. 13) wie nach der früheren Rechtsprechung zum Grundsatz der Tarifeinheit (vgl. hierzu und zu dessen Aufgabe  - Rn. 17, BAGE 135, 80). Zudem wird in Tarifverträgen üblicherweise zur Festlegung des fachlichen Geltungsbereichs auf einen „Betrieb“ abgestellt (vgl. zB den fachlichen Geltungsbereich des zwischen dem Hotel- und Gaststättenverband Sachsen e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten geschlossenen Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe im Land Sachsen vom ; allgemein  - Rn. 20). Anhaltspunkte dafür, die Tarifvertragsparteien hätten abweichend von diesem Grundsatz an ein Unternehmen oder - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - an eine „abgrenzbare Einheit“ ohne eigenen Leitungsapparat anknüpfen wollen, bestehen nicht. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Tarifvertragsparteien zB in § 1 Abs. 1 Buchst. d TVöD/VKA ausdrücklich auf einen „rechtlich selbstständigen, dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden ... Betrieb“ abgestellt haben. Die Formulierung dient ersichtlich ausschließlich der Abgrenzung zum Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe (TV-V) und zum Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der Wasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (TV-WW/NW) als spezielleren Spartentarifverträgen.

27(2) Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Fachbegriff Betrieb in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung anwenden wollten. Dieser allgemeine Betriebsbegriff ist geprägt durch den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff iSd. § 1 BetrVG (vgl.  - Rn. 17, BAGE 129, 257; - 4 AZR 17/89 -). Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe die Arbeitgeberin allein oder in Gemeinschaft mit ihren Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt ( - Rn. 21; - 4 AZR 622/04 - Rn. 20).

28cc) Ob ein Betrieb eine „Gaststätte“ ist, bestimmt sich nach dem in dieser organisatorischen Einheit verfolgten arbeitstechnischen Zweck und dessen Zuordnung zur Gaststättenbranche (vgl. zum „Wirtschaftszweig“  - Rn. 21; sh. auch  -). Dabei kann die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz zwar ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Gaststätte sein (vgl. zur Eintragung in die Handwerksrolle  - Rn. 15), entscheidend ist aber, ob der Betrieb in seiner Gesamtheit seinem arbeitstechnischen Zweck nach eine Gaststätte darstellt.

292. Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger kein Beschäftigter „in Gaststätten“.

30a) Die von der Beklagten so bezeichnete „Organisationseinheit Gastronomie/Service“ ist kein eigenständiger Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA. Die Einheit ist zwar nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts räumlich abgrenzbar. Mit ihr wird aber, auch wenn sie organisatorisch einheitlich geleitet wird und ihr gesondert Betriebsmittel zugewiesen sind, kein eigener arbeitstechnischer Zweck verfolgt. Vielmehr sind die gastronomischen Einrichtungen darauf ausgerichtet, das Angebot des Eissportzentrums, des Naherholungsgebiets und des Gesundheitsparks abzurunden und aufzuwerten. Gegen diese Wertung sowohl des Arbeits- als auch des Landesarbeitsgerichts hat sich die Beklagte nicht gewendet.

31b) Das Eissportzentrum, das Naherholungsgebiet und der Gesundheitspark als solche sind, unabhängig davon, ob es sich um einen oder mehrere Betriebe handelt, ihrem arbeitstechnischen Zweck nach keine Gaststätten.

32III. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ob und in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat nicht beurteilen. Es fehlt - aus Sicht des Landesarbeitsgerichts konsequent - an den für die Bewertung der Tätigkeit des Klägers erforderlichen Feststellungen.

331. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach §§ 12, 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist daher gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 TVöD/VKA der Arbeitsvorgang. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst festzustellen haben, welche Tätigkeiten dem Kläger mit welchen Zeitanteilen übertragen und wie diese von Seiten der Beklagten organisiert waren, um bestimmen zu können, ob es sich bei der Tätigkeit um einen einheitlichen oder mehrere Arbeitsvorgänge handelt (vgl. hierzu  - Rn. 27 ff., BAGE 172, 130).

342. Im Anschluss wird zu prüfen sein, ob die Tätigkeit der maßgebenden Arbeitsvorgänge die - vorliegend einzig noch streitigen - tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 2 oder Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA erfüllt.

35a) Unabhängig davon, ob sich die Bewertung nach den Tätigkeitsmerkmalen für handwerkliche Tätigkeiten (Teil A Abschnitt I Nr. 2 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA) oder den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen (Teil A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA) richtet, lauten die - insoweit inhaltsgleichen - maßgebenden Tätigkeitsmerkmale wie folgt:

36b) Eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ iSd. Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA ist erforderlich, wenn zur Ausübung der Tätigkeit fachbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden, die - ohne eine Vor- oder Ausbildung vorauszusetzen - vom Arbeitgeber in der Regel binnen eines Zeitraums von sechs Wochen vermittelt werden können (ausf.  - Rn. 18 ff.). Die Tätigkeit nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA hebt sich durch die „eingehende fachliche Einarbeitung“ aus einer solchen nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA heraus. Ist eine zweiwöchige Einarbeitungszeit erforderlich, um die Arbeitsabläufe beherrschen zu können, handelt es sich in der Regel um eine einfache Tätigkeit iSd. Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA ( - Rn. 46, BAGE 131, 197). Für die Ermittlung der erforderlichen Einarbeitung ist nicht maßgebend, welche Kenntnisse und Fertigkeiten die Arbeitgeberin tatsächlich vermittelt, sondern welche Einarbeitung objektiv bei einem Arbeitnehmer ohne Vor- und Ausbildung erforderlich ist, um die Tätigkeit ausüben zu können ( - Rn. 25).

373. Soweit danach Ansprüche des Klägers entstanden sein sollten, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob diese rechtzeitig iSd. § 37 Abs. 1 TVöD/VKA geltend gemacht worden sind. Nach dessen Abs. 1 verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von dem Beschäftigten schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht nach § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD/VKA die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

38a) Macht ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung nach einer bestimmten Entgeltgruppe innerhalb einer tariflichen Ausschlussfrist gegenüber seiner Arbeitgeberin geltend und verlangt er nicht zugleich hilfsweise Vergütung nach einer anderen, niedrigeren Entgeltgruppe, wahrt er die tarifliche Ausschlussfrist für den Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren Entgeltgruppe grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt, wenn es sich bei den Entgeltgruppen um echte Aufbaufallgruppen handelt, die Begründetheit des Anspruchs nach der höheren Entgeltgruppe also denknotwendig die Erfüllung der Voraussetzungen der niedrigeren Entgeltgruppe voraussetzt. In einem solchen Fall ist der Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren Entgeltgruppe ein vom Anspruch auf Vergütung nach der höheren Entgeltgruppe umfasster Teilanspruch. Die Ausschlussfrist ist damit bei rechtzeitiger Geltendmachung einer Vergütung nach der höheren Entgeltgruppe auch für die Vergütung nach der niedrigeren Entgeltgruppe gewahrt ( - Rn. 53; ausf.  - zu II 1 c aa der Gründe).

39b) Vorliegend hat der Kläger mit seinem Geltendmachungsschreiben eine Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TVöD/VKA verlangt und sich auf das Tätigkeitsmerkmal „Fachangestellte für Bäderbetriebe mit Abschlussprüfung und entsprechender Tätigkeit“ (Teil B Abschnitt III der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA) berufen. Hierbei handelt es sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht um eine echte Aufbaufallgruppe zu einer Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen für handwerkliche Tätigkeiten oder den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen 2 und 3 TVöD/VKA, sondern um einen anderen Streitgegenstand. Das Landesarbeitsgericht wird unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwischen den Parteien vorrangig die generelle Anwendung des TVöD/VKA streitig war, festzustellen haben, ob Umstände vorliegen, aufgrund derer die Beklagte das Geltendmachungsschreiben ausnahmsweise auch als Geltendmachung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 2 oder 3 TVöD/VKA verstehen musste.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:240424.U.4AZR195.23.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-73821