BGH Beschluss v. - VII ZB 24/23

Pfändungsfreibetrag bei Unterhaltspflichterfüllung für betreuenden Elternteil

Leitsatz

Soweit der Barunterhalt eines minderjährigen Kindes gedeckt ist, bedarf der betreuende Elternteil keines gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO pfändungsfrei zu belassenden Betrags zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten.

Gesetze: § 850d Abs 1 S 2 ZPO, § 850d Abs 2 ZPO, § 850c Abs 1 ZPO, § 906 Abs 1 S 1 ZPO, § 1606 Abs 3 S 2 BGB, § 1609 Nr 1 BGB, § 1612b Abs 1 S 1 Nr 1 BGB, § 7 Abs 1 S 1 UVG

Instanzenzug: LG Neuruppin Az: 2 T 8/21vorgehend AG Schwedt Az: 13 M 101/20

Gründe

I.

1Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aufgrund des Versäumnisbeschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom wegen Unterhaltsrückständen für die Zeit vom bis betreffend den Sohn des Schuldners.

2Der Gläubiger zahlt seit dem im Wege des Unterhaltsvorschusses Unterhalt für den am geborenen Sohn des Schuldners an die diesen betreuende Kindesmutter.

3Die am geborene Tochter des Schuldners wohnt seit Dezember 2018 bei dem Schuldner. Der Schuldner erhielt für sie bis Ende Dezember 2020 einen monatlichen Unterhaltsvorschuss in Höhe von 293 € sowie Kindergeld in Höhe von 204 € monatlich. Ab Januar 2021 betrugen der monatliche Unterhaltsvorschuss 309 € und das Kindergeld 219 € monatlich. Der Unterhaltsvorschuss und das Kindergeld gingen auf einem eigenen Konto der Tochter ein.

4Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom hat das Amtsgericht dem Schuldner einen Betrag von 825 € für den eigenen notwendigen Unterhalt sowie zur gleichmäßigen Befriedigung der Unterhaltsansprüche der berechtigten Personen, die dem Gläubiger gleichstehen, ½ Anteile des Nettoeinkommens, das nach Abzug des notwendigen Unterhalts des Schuldners verbleibt, höchstens jedoch die aus der Tabelle zu § 850c ZPO vorgesehenen Beträge, belassen.

5Auf den Antrag des Schuldners, den Pfändungsfreibetrag seines Pfändungsschutzkontos gemäß § 850k Abs. 4 ZPO a.F. auf monatlich 1.471,80 € anzuheben, hat das den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dahin abgeändert, dass dem Schuldner mit Wirkung vom ein unpfändbarer Betrag von 1.132,57 € monatlich sowie zur gleichmäßigen Befriedigung der Unterhaltsansprüche der berechtigten Personen, die dem Gläubiger gleichstehen, ½ Anteile des Nettoeinkommens, das nach Abzug des notwendigen Unterhalts des Schuldners verbleibt, zu belassen ist. Im Übrigen ist der Antrag ohne Erfolg geblieben.

6Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts entschieden, dass dem Schuldner für den eigenen notwendigen Unterhalt ein unpfändbarer Betrag bis einschließlich in Höhe von 859,90 €, für November und Dezember 2020 je 1.046,43 €, sowie ab Januar 2021 1.063,93 € monatlich zu belassen ist, sowie zur gleichmäßigen Befriedigung der Unterhaltsansprüche der berechtigten Person, die dem Gläubiger gleichsteht, ½ des diesen Betrag übersteigenden Guthabens, bis zur Deckung der gesamten Unterhaltsansprüche dieser Person von insgesamt monatlich 102 € bis zum und 109,50 € ab dem , höchstens jedoch der unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten gemäß der Tabelle zu § 850c ZPO pfandfrei verbleibende Betrag.

7Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde beschränkt auf die Frage des Umfangs der Anrechnung von Unterhaltsvorschuss- und Kindergeldzahlungen an die Tochter bei der Bestimmung des dem Schuldner zu belassenden pfändungsfreien Betrags zugelassen. Nach entsprechender Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Schuldner Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts eingelegt, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt, soweit das Beschwerdegericht zum Nachteil des Schuldners den erstinstanzlichen Beschluss dahin abgeändert hat, dass es den ihm zu belassenden pfändungsfreien Betrag im Hinblick auf die Deckung des Unterhaltsanspruchs der Tochter eingeschränkt hat.

II.

8Dem Schuldner ist wegen der Versäumung der Frist für die Rechtsbeschwerde und für die Rechtsbeschwerdebegründung gemäß § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er ohne Verschulden an der Einhaltung der Fristen gehindert war und nach Behebung des Hindernisses durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtzeitig Wiedereinsetzung beantragt und die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet hat.

III.

9Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

101. Das Beschwerdegericht hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass der pfändungsfreie Betrag für das Pfändungsschutzkonto des Schuldners nach § 850k Abs. 4 ZPO a.F. in Verbindung mit § 850d ZPO zu bestimmen sei, weil gegen den Schuldner gesetzliche Unterhaltsansprüche vollstreckt würden. Die Bevorrechtigung nach § 850d ZPO bleibe auch nach Übergang der Unterhaltsforderung auf den Träger der Unterhaltsvorschusskasse bestehen. Auch habe der Schuldner keine Umstände dafür dargetan, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich im Sinne von § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO entzogen habe. Nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO sei dem Schuldner neben dem eigenen notwendigen Unterhalt dasjenige zu belassen, was er zur Befriedigung gleichrangiger Unterhaltsansprüche weiterer Berechtigter benötige. Weitere gleichrangige Berechtigte sei die im Haushalt lebende minderjährige Tochter, § 850d Abs. 2 ZPO, § 1609 Nr. 1 BGB. Dagegen sei der Sohn, der neben dem durch den Gläubiger vollstreckten rückständigen Unterhaltsanspruch auch einen laufenden Barunterhaltsanspruch habe, nicht als vor- oder gleichrangig mit dem Gläubiger zu berücksichtigen, da er keinen Unterhalt vom Schuldner verlange, § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG.

11Die zu berücksichtigende minderjährige Tochter habe einen gesetzlichen Anspruch auf Mindestunterhalt, der für das Jahr 2020 mit 497 € und für das Jahr 2021 mit 528 € zu bemessen sei. Der Mindestunterhalt werde teilweise durch auf ihren Unterhaltsanspruch anzurechnende Leistungen der öffentlichen Hand gedeckt, die nicht auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners eingingen und daher bei der Bemessung des Pfändungsfreibetrags nicht zu berücksichtigen seien.

12Der für die Tochter des Schuldners gezahlte Unterhaltsvorschuss sei in voller Höhe auf deren Mindestunterhaltsbedarf anzurechnen. Bei einer sozialstaatlichen Zuwendung, die den Unterhaltsersatz zum Ziel habe, komme es für die Anrechnung darauf an, ob sie gegenüber dem Unterhalt subsidiär sei. Sei dies der Fall, sei sie auf den Bedarf nicht anzurechnen, anderenfalls schon. Die Unterhaltsvorschüsse seien gegenüber dem Unterhaltspflichtigen, der Naturalunterhalt leiste, nicht subsidiär. Dieser müsse die Unterhaltsvorschüsse für die bei ihm lebende Tochter auch nicht zurückzahlen.

13Das für die Tochter gezahlte Kindergeld sei dagegen nur zur Hälfte auf ihren gesetzlichen Unterhaltsbedarf anzurechnen. Das Kindergeld sei als zweckgebundene, existenzsichernde Leistung für die Tochter zu verwenden und mindere damit ihren individuellen Unterhaltsbedarf. Im Rahmen der Bemessung der dem Schuldner verbleibenden Beträge bei einer Unterhaltspfändung gemäß § 850d ZPO werde einem Kindergelderhalt des Schuldners nicht bereits bei der Bemessung eines pauschalierten pfändungsfreien Betrags Rechnung getragen; eine Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf sei damit grundsätzlich möglich.

14Nach der gesetzlichen Regelung des § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BGB werde jedoch nur eine Hälfte des Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes angerechnet, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung erfülle; die andere Hälfte solle den betreuenden Elternteil bei der Betreuungsleistung unterstützen. Da nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB Betreuungs- und Barunterhalt grundsätzlich gleichwertig seien, komme jedem Elternteil die Hälfte des Kindergelds zugute. Der barunterhaltspflichtige Elternteil könne den geschuldeten Unterhalt mithin um die Hälfte des Kindergelds kürzen. Trete stattdessen die öffentliche Hand im Wege des Unterhaltsvorschusses ein, werde auf den Mindestunterhalt des Kindes das Kindergeld dagegen in voller Höhe angerechnet. Beim betreuenden Elternteil verbleibe daher eine Deckungslücke in Höhe der Hälfte des Kindergelds.

15Dem Schuldner, der seine Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter durch Betreuung erbringe, und dem bei Zahlung durch die Kindesmutter ein Barunterhalt für die Tochter in Höhe von 395 € zuzüglich des vollen Kindergelds in Höhe von 204 € (bis zum ) und von 418,50 € zuzüglich 219 € (ab 2021) zur Verfügung stünde, verbleibe mithin eine Deckungslücke, da er nur Unterhaltsvorschuss zuzüglich des Kindergelds in Höhe von insgesamt 497 € bis 2020 und in Höhe von 528 € (ab dem ) erhalte. Diese Deckungslücke sei ihm zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht im Sinne von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO gegenüber seiner Tochter zu belassen. Er dürfe insoweit nicht schlechter gestellt werden, als er stünde, wenn die Kindesmutter ihrer Barunterhaltsverpflichtung nachkäme. Der laufend erhaltene Unterhaltsvorschuss zuzüglich Kindergeld, der der Tochter direkt zufließe und der Pfändung nicht unterliege, unterschreite den dem Schuldner in diesem Fall pfandfrei zur Verfügung stehenden Betrag um die Hälfte des Kindergelds.

16Der Tenor sei daher um den Höchstbetrag, der dem Schuldner zur Deckung des restlichen Unterhaltsbedarfs seiner Tochter zu verbleiben habe, zu ergänzen gewesen.

172. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist unbegründet.

18Das Beschwerdegericht hat dem Antrag des Schuldners, den ihm pfändungsfrei zu belassenden Betrag heraufzusetzen, im Hinblick auf die Zahlung von Unterhaltsvorschuss und Kindergeld auf das Konto der Tochter zu Recht nicht in vollem Umfang entsprochen, § 906 Abs. 1, § 850d ZPO (§ 850k Abs. 3, 4, § 850d ZPO a.F.). Rechtsfehler zum Nachteil des Schuldners zeigt die Rechtsbeschwerde insoweit nicht auf.

19a) Nach § 906 Abs. 1 ZPO (§ 850k Abs. 3, 4 ZPO a.F.) bestimmt das Vollstreckungsgericht den dem Schuldner pfändungsfrei zu belassenden Betrag, wenn das Guthaben eines Pfändungsschutzkontos wegen einer der in § 850d ZPO bezeichneten Forderung gepfändet wird.

20b) Bei den auf den vollstreckenden Gläubiger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG übergegangenen Ansprüchen gegen den Schuldner auf Zahlung rückständigen gesetzlichen Unterhalts betreffend dessen Sohn handelt es sich um solche im Sinne des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach der Rechtsprechung des Senats verliert ein Unterhaltsanspruch durch die Überleitung auf den Träger der Unterhaltsvorschusskasse nicht den Charakter eines Unterhaltsanspruchs. Die für den Fall der Zwangsvollstreckung bestehende Bevorrechtigung gemäß § 850d Abs. 1 ZPO bleibt daher bei einem Übergang des Unterhaltsanspruchs grundsätzlich erhalten ( Rn. 5, BGHZ 202, 293).

21c) Das Beschwerdegericht hat den pfändungsfrei zu belassenden Betrag zutreffend nach Maßgabe des § 850d Abs. 1 ZPO bestimmt.

22Nach § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Einkommen bei einer Vollstreckung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche ohne die in § 850c ZPO bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf.

23aa) Der vom Beschwerdegericht für den notwendigen Unterhalt des Schuldners bestimmte pfändungsfreie Betrag steht im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr im Streit.

24bb) Auch wird von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet, dass das Beschwerdegericht bei der Bestimmung des dem Schuldner zu belassenden pfändungsfreien Betrags dessen Sohn, der gegen den Schuldner auch einen laufenden Barunterhaltsanspruch hat, nicht als Berechtigten im Sinne des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO berücksichtigt hat, da der Sohn keinen Unterhalt vom Schuldner verlangt, § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG.

25cc) Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist allein die Frage, ob der pfändungsfreie Betrag im Hinblick auf die Erfüllung laufender gesetzlicher Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber seiner minderjährigen Tochter zu erhöhen ist. Das ist nicht der Fall.

26(1) Allerdings ist die im Haushalt des Schuldners lebende minderjährige Tochter eine dem Gläubiger gleichstehende Berechtigte, § 850d Abs. 2 ZPO, § 1609 Nr. 1 BGB. Bei der Bestimmung des dem Schuldner pfändungsfrei zu belassenden Betrags ist daher grundsätzlich zu berücksichtigen, was er zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten ihr gegenüber bedarf.

27(2) Der notwendige Barunterhalt für die Tochter des Schuldners beträgt nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts für das Jahr 2020 monatlich 497 € und für das Jahr 2021 monatlich 528 €.

28Der Schuldner schuldet seiner Tochter jedoch nicht den notwendigen Barunterhalt; er kommt seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht vielmehr in vollem Umfang durch Betreuung der Tochter nach, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Der vom Schuldner geschuldete Unterhalt ist damit nicht auf eine Geldleistung gerichtet. Der Barunterhaltsbedarf der Tochter wird im Streitfall durch laufende Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von monatlich 293 € im Jahr 2020 und in Höhe von monatlich 309 € im Jahr 2021 auf das Konto der Tochter teilweise gedeckt. Das Beschwerdegericht hat diese Leistungen zu Recht als bedarfsmindernd angesehen. Da der Schuldner nicht barunterhaltspflichtig ist, muss er, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, den für die Tochter geleisteten Unterhaltsvorschuss auch nicht an den Träger der Unterhaltsvorschusskasse zurückzahlen (vgl. MünchKommBGB/Langeheine, 9. Aufl., § 1602 Rn. 48, 57 m.w.N.). Er bedarf daher insoweit keiner eigenen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber seiner Tochter.

29Der hiergegen erhobene Einwand der Rechtsbeschwerde, es könne nicht zu Lasten des Schuldners gehen, dass der Unterhaltsvorschuss auf ein eigenes Konto der unterhaltsberechtigten Tochter gezahlt werde, trifft nicht zu. Der Unterhaltsvorschuss steht der Tochter zur Deckung ihres Barunterhaltsbedarfs zu, unabhängig davon, auf welches Konto er überwiesen wird. Wird der Unterhaltsvorschuss - wie hier - auf ein eigenes Konto der Tochter überwiesen und steht er damit zur Deckung ihres Barunterhaltsbedarfs zur Verfügung, ist nicht ersichtlich, warum insoweit eine Erhöhung des pfändungsfrei zu belassenden Betrags auf dem Pfändungsschutzkonto des nicht barunterhaltspflichtigen Schuldners erfolgen sollte.

30Soweit der Barunterhalt der Tochter des Schuldners gedeckt ist, bedarf der Schuldner entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keines pfändungsfrei zu belassenden Betrags zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten. Folglich wird der Unterhalt der Tochter des Schuldners auch nicht dadurch gefährdet, dass bei der Bestimmung des pfändungsfreien Betrags die den Barbedarf deckenden Leistungen der öffentlichen Hand berücksichtigt werden. Der Beschluss des Senats vom - VII ZB 68/21, NJW-RR 2023, 784, steht dem nicht entgegen, da die Anrechnung bedarfsmindernder Geldleistungen von dritter Seite nicht Gegenstand jenes Verfahrens war.

31(3) Das Beschwerdegericht hat weiter zu Recht angenommen, dass das auf das Konto der Tochter gezahlte Kindergeld jedenfalls zur Hälfte, mithin in Höhe von monatlich 102 € im Jahr 2020 und in Höhe von 109,50 € im Jahr 2021, ihren Barunterhaltsbedarf deckt.

32Erfüllt ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes, entlastet das Kindergeld nach der gesetzlichen Regelung des § 1612b Abs. 1 BGB die Eltern des Kindes zur Hälfte von ihrer Barunterhaltspflicht und steht zur anderen Hälfte dem betreuenden Elternteil zwecks Unterstützung bei der Erbringung der Betreuungsleistung zu (vgl. Rn. 12, 17, NJW 2017, 1881). Es ist daher entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gerechtfertigt, in Höhe des hälftigen Kindergelds eine Deckung des Barunterhaltsbedarfs der Tochter zu bejahen. Der Betreuungsunterhalt leistende Schuldner benötigt auch insoweit keine eigenen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht.

33Dem steht, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Kindergeldzahlungen im Rahmen des § 850c Abs. 6 ZPO (§ 850c Abs. 4 ZPO a.F.) nicht als eigene Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen sind, weil der Gesetzgeber diese Leistung bei der Bemessung der pauschalierten pfändungsfreien Beträge bereits berücksichtigt hat (vgl. Rn. 10, MDR 2020, 1083; Beschluss vom - VII ZB 24/05 Rn. 10, MDR 2006, 536, jeweils m.w.N.), nicht entgegen. Denn dem § 850d Abs. 1 ZPO liegt eine andere Konstellation zugrunde. In den dortigen Fällen der privilegierten Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen gelten die Beschränkungen des § 850c ZPO und damit die pauschalierten pfändungsfreien Beträge nicht; vielmehr ist der dem Schuldner pfändungsfrei zu belassende Betrag allein nach den Voraussetzungen des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO zu bestimmen.

34(4) Es kann offengelassen werden, ob hinsichtlich der anderen Hälfte des Kindergelds eine Anrechnung auf den notwendigen Barunterhalt des Kindes zu erfolgen hat und der Betreuungsunterhalt leistende Schuldner in diesem Umfang ebenfalls keine eigenen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht benötigt. Denn der Schuldner wird durch die angefochtene Entscheidung insoweit nicht beschwert. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass in Höhe des hälftigen Kindergelds bei einem Vergleich des vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu zahlenden Mindestunterhalts mit dem von der Unterhaltsvorschusskasse tatsächlich gezahlten Betrag jeweils zuzüglich des Kindergelds beim Schuldner eine Deckungslücke in Höhe von monatlich 102 € im Jahr 2020 und in Höhe von 109,50 € im Jahr 2021 verbleibt und in diesem Umfang der dem Schuldner pfändungsfrei zu belassende Betrag zu erhöhen ist.

Pamp                           Halfmeier                          Graßnack

                                                     

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:120624BVIIZB24.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 37
WM 2024 S. 1673 Nr. 36
UAAAJ-73784