BGH Beschluss v. - 1 StR 73/24

Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde hinsichtlich Erstzulassungsdatum eines Kraftfahrzeugs

Leitsatz

Das Datum der Erstzulassung eines Kraftfahrzeuges ist keine Tatsache, die in der Zulassungsbescheinigung Teil II mit der besonderen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 348 StGB beurkundet wird.

Gesetze: § 348 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 22 KLs 629 Js 8518/14

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.     wegen Anstiftung zur unbefugten Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten in 272 Fällen sowie wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt und bestimmt, dass hiervon drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die Angeklagten H.                     und G.         hat die Strafkammer wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen zu Gesamtgeldstrafen von 240 Tagessätzen zu je 150 Euro bzw. von 180 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt und bestimmt, dass hiervon jeweils 90 Tagessätze wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Soweit den Angeklagten H.                     und G.            ferner zu Last gelegt worden war, in 824 Fällen unbefugt personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet zu haben, hat das Landgericht das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO wegen der Verfahrenshindernisse der Verjährung und des fehlenden Strafantrags eingestellt. Von dem Vorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Vergabe von Kurzzeitkennzeichen und der Durchführung von Fahrerlaubnisabfragen hat es die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

2Die Angeklagten wenden sich mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Das Rechtsmittel des Angeklagten S.       hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revisionen der Angeklagten H.                      und G.            sind begründet. Alle Angeklagten sind aus Rechtsgründen von den Tatvorwürfen der Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen durch das Revisionsgericht freizusprechen (§ 354 Abs. 1 Alt. 1 StPO).

I.

3Das Landgericht hat – soweit es für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

41. Die Angeklagte H.                     war im Tatzeitraum Leiterin des Straßenverkehrsamts im R.                  -Kreis, die Angeklagte G.            Referatsleiterin "Kfz-Zulassungen" in der Zulassungsstelle in W.           (R.                   -Kreis). Der Angeklagte S.      bot über eine von ihm geführte Unternehmensgruppe Dienstleistungen verschiedener Art aus dem Bereich des Fahrzeugzulassungswesens an und pflegte seit vielen Jahren beste Kontakte zu der Zulassungsstelle in W.          , insbesondere zu den Angeklagten H.                      und G.           .

5Eines der Geschäftsmodelle des Angeklagten S.       bestand darin, durch die Weiterveräußerung von Kurzzeitkennzeichen Gewinne zu erwirtschaften. Dieses Betätigungsfeld erwies sich für ihn schon deshalb als sehr lukrativ, weil er für die Erteilung der Kurzzeitkennzeichen – infolge einer Sondervereinbarung unter Einbindung der Angeklagten H.                     und G.              – lediglich eine um die Hälfte reduzierte Gebühr entrichten musste. Dem R.                  -Kreis wiederum sicherte die massenhafte Beantragung dieser Kennzeichen durch die Unternehmensgruppe S.      Gebühreneinnahmen in Millionenhöhe.

6a) Das Geschäftsmodell "Kurzzeitkennzeichen" funktionierte so lange problemlos, wie die Zulassungsstelle W.         die beantragten Kennzeichen – ohne nähere Bedarfsprüfung – an die Unternehmen des Angeklagten selbst erteilen konnte, da diese ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Behörde hatten. Als diese Praxis in Kritik geraten und die Ausgabe von Kurzzeitkennzeichen an Zulassungsdienste ohne Bedarfsprüfung im Einzelfall unterbunden worden war, musste der Angeklagte S.       sein Projekt mehrmals "anpassen", um den Bezug von Kurzzeitkennzeichen über die Zulassungsstelle W.            sicherzustellen.

7Er veranlasste deshalb unter anderem zwei Geschäftsfreunde, die ein Autohaus betrieben, unter Verwendung personenbezogener Daten im Ausland lebender ehemaliger Kunden auf deren Namen Kurzzeitkennzeichen zu beantragen, die sodann an von dem Angeklagten zu bestimmende – im Zuständigkeitsbereich der Zulassungsstelle W.       wohnhafte – Empfangsbevollmächtigte ausgegeben werden sollten. Hierdurch sollte zum einen der Eindruck eines konkreten Bedarfs im Einzelfall erweckt und zum anderen die Zuständigkeit der Zulassungsstelle W.       begründet werden. Denn diese bestimmt sich bei Antragstellern, die im Inland keinen Wohnsitz haben, nach dem Wohnsitz des Empfangsberechtigten. Die so erlangten Kurzzeitkennzeichen sollten im Anschluss an Dritte vermarktet werden, die – anders als die vermeintlichen Antragsteller – nicht in die Fahrzeugpapiere eingetragen und folglich auch nicht in den behördlichen Auskunftssystemen als Halter erfasst wurden. Die Geschäftsfreunde des Angeklagten S.      kamen dessen Ansinnen nach und beantragten auf die vorbeschriebene Weise in der Zeit vom bis in 623 Fällen Kurzzeitkennzeichen, ohne dass die Personen, deren Daten sie verwendeten, hiervon wussten, geschweige denn damit einverstanden waren.

8Die Angeklagten H.               und G.       hatten von dieser Vorgehensweise Kenntnis und nahmen das fehlende Einverständnis der betroffenen Personen billigend in Kauf.

9b) Ab dem Frühjahr 2014 wandten sich verschiedene Kooperationspartner an den Angeklagten S.        mit der Bitte, ihnen bei der Zulassung von Neufahrzeugen behilflich zu sein. Es handelte sich dabei um Kraftfahrzeuge, für die zwar eine EU-Typengenehmigung nach der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-EU-Typengenehmigungsrichtlinie) vorlag, die jedoch wegen Ablaufs der jeweiligen Frist zur Erstzulassung nach Anhang I Anlage 6 zur Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge – zumindest ohne Ausnahmegenehmigung oder sogenannte Härteregelung – nicht mehr zulassungsfähig waren.

10Der Angeklagte S.       veranlasste deshalb              L.   , für solche nicht mehr ohne Weiteres zulassungsfähigen Fahrzeuge bei der Zulassungsstelle W.           Zulassungsbescheinigungen Teil II unter Angabe einer tatsächlich nicht durchgeführten Erstzulassung im EU-Ausland zu beantragen. In seinem Auftrag wandte sich                 L.     an die Angeklagten H.                     und G.           . In dem Wissen, dass die Daten der Erstzulassung in den Anträgen auf Erteilung einer Zulassungsbescheinigung Teil II unzutreffend waren, wies die Angeklagte G.           – in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Angeklagten H.                    – zunächst den Sachgebietsleiter des Bereichs Tageszulassungen, später – als dieser nicht mehr länger mitwirken wollte – eine andere unerfahrene Mitarbeiterin an, die von              L.    beantragten Zulassungsbescheinigungen Teil II antragsgemäß auszufertigen, ohne den vorgeschriebenen Datenabgleich über EUCARIS (EUropean Car and Driving Licence Information System) oder eine sonstige Überprüfung der früheren Zulassung durchzuführen. Weisungsgemäß erteilten die genannten Mitarbeiter in der Zeit vom bis für 19 Fahrzeuge Zulassungsbescheinigungen Teil II, in denen ein falsches Erstzulassungsdatum eingetragen war. Sie rechneten dabei mit der nicht entfernt liegenden Möglichkeit, dass die Fahrzeuge bislang nicht zugelassen waren, und nahmen dies billigend in Kauf.

112. Das Landgericht hat den unter I.1.a) dargelegten Sachverhalt in Bezug auf den Angeklagten S.      – soweit einer Verurteilung nicht das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegenstand – als eine (tateinheitliche) Anstiftung zur unbefugten Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten in 272 Fällen gewürdigt (§ 44 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG aF [entspricht § 42 Abs. 2 BDSG in der aktuell geltenden Fassung], §§ 26, 52 Abs. 2 StGB) und ihn deswegen zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Hinsichtlich der Angeklagten H.                  und G.            hat es das Verfahren insoweit nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, da einer Verurteilung die Verfahrenshindernisse der Verjährung und eines fehlenden Strafantrags entgegenstanden. Wegen der unter I.1.b) dargelegten Taten hat die Strafkammer die Angeklagten wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen (§§ 348, 26, 53 StGB) zu Einzelgeldstrafen verurteilt. Es ist dabei davon ausgegangen, die Zulassungsbescheinigung Teil II stelle in Bezug auf das darin eingetragene Datum der Erstzulassung eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 348 StGB dar.

II.

12Die Revisionen der Angeklagten H.                       und G.               sind begründet. Das Rechtsmittel des Angeklagten S.       hat Erfolg, soweit er wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt verurteilt worden ist; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Angeklagten sind aus Rechtsgründen von dem Vorwurf der Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen durch das Revisionsgericht freizusprechen (§ 354 Abs. 1 Alt. 1 StPO).

131. Die Verurteilung der Angeklagten in den Fällen VII. A. 2. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

14Das Datum der Erstzulassung eines Kraftfahrzeuges ist keine Tatsache, die in der Zulassungsbescheinigung Teil II mit der besonderen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 348 StGB beurkundet wird.

15a) Der Begriff der öffentlichen Urkunde nach § 348 StGB umfasst nur solche Urkunden, die bestimmt und geeignet sind, Beweis für und gegen jedermann zu erbringen. Dabei erfasst auch bei einer öffentlichen Urkunde die Strafbewehrung in § 348 StGB nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen und Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d.h. die volle Beweiswirkung für und gegen jedermann erstreckt. Welche Angaben dies im Einzelnen sind, ist, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, mittelbar den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck einer Urkunde maßgeblich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 31/14, BGHSt 60, 66 Rn. 21; vom – 1 StR 172/18, BGHSt 63, 182 Rn. 7 und vom – GSSt 1/68, BGHSt 22, 201, 203; jeweils mwN). Der erhöhten Beweiskraft unterliegen insbesondere diejenigen Tatsachen, deren Angabe gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, in der Regel dagegen nicht solche Tatsachen, die weder nach dem Gesetz noch nach anderen Vorschriften verpflichtend anzugeben sind und deren unwahre Kundgabe die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt (vgl. , BGHSt 44, 186, 188 und vom – 2 StR 88/01, BGHSt 47, 39, 42).

16Fehlt es an einer klaren Bestimmung der Reichweite der Beweiskraft durch den Gesetzgeber, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung neben dem Beurkundungsinhalt als solchem das Verfahren und die Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie die Möglichkeit des die Bescheinigung ausstellenden Amtsträgers, die Richtigkeit der Beurkundung zu überprüfen, in den Blick zu nehmen; auch ist die Anschauung des Rechtsverkehrs zu beachten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 156/08, BGHSt 53, 34, 36 und vom – GSSt 1/68, BGHSt 22, 201, 203; jeweils mwN; Urteil vom – 4 StR 198/98, BGHSt 44, 186, 188). Die den öffentlichen Glauben legitimierende erhöhte Beweiswirkung kann dabei auf den eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten des die Urkunde ausstellenden Amtsträgers beruhen (vgl. Rn. 9). Sie kann sich für den Urkundenaussteller aber auch aus den im Verfahren vorzulegenden Bescheinigungen anderer Stellen mit erhöhter Richtigkeitsgewähr ergeben (vgl. , BGHSt 53, 34, 36). Kann der Amtsträger hingegen die Richtigkeit der Angabe nicht überprüfen, fehlt ihm regelmäßig auch der Wille, die entsprechende Tatsache zu öffentlichem Glauben zu beurkunden (vgl. Rn. 9).

17Jedenfalls ist bei der Prüfung, ob einer Tatsache, die in einer von einer Verwaltungsbehörde ausgestellten Urkunde enthalten ist, die besondere Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zukommt, ein strenger Maßstab anzulegen. Eine Beweiswirkung für und gegen jedermann kann nur dann angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (vgl. , BGHSt 22, 201, 203; Urteil vom – 1 StR 127/96, BGHSt 42, 131, 132; Beschluss vom – 1 StR 31/14, BGHSt 60, 66, 69 Rn. 24).

18b) Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Datum der Erstzulassung nicht um eine Tatsache, die in der Zulassungsbescheinigung Teil II mit der besonderen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 348 StGB beurkundet wird.

19aa) Der Senat kann weiterhin offenlassen, ob der Zulassungsbescheinigung Teil II insgesamt die Qualität einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 348 StGB fehlt (s. dazu auch , BGHSt 60, 66 Rn. 27), obgleich hierfür einiges spricht. Für das Vorgängerdokument, den nach § 25 StVZO aF zu erteilenden Fahrzeugbrief, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es sich bei diesem – entsprechend seiner Zwecksetzung – lediglich um eine verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben handelt. Der Fahrzeugbrief sei nur auf Wunsch der Kraftverkehrswirtschaft zur Sicherung des Eigentums an Kraftfahrzeugen eingeführt worden und diene daneben statistischen sowie polizeilichen Zwecken ().

20Das Ersetzen des Fahrzeugbriefes durch die Zulassungsbescheinigung Teil II sowie des früheren nach § 24 StVZO aF zu erteilenden Fahrzeugscheins durch die Zulassungsbescheinigung Teil I hat an der jeweiligen Bedeutung und rechtlichen Qualifikation der Dokumente nichts geändert. Die Neuregelung geht auf die Richtlinie 1999/37/EG des Rates vom zurück, nach der lediglich die Aufmachung und der Inhalt der Zulassungsbescheinigungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets harmonisiert werden sollten, um das Verständnis derselben und die erneute Zulassung von innerhalb der Europäischen Union bereits zugelassenen Fahrzeugen zu erleichtern (vgl. Erwägungsgründe 3 und 6 der Richtlinie). Ausdrücklich gestattet wurde dabei das Nebeneinander ein- oder – wie in der Bundesrepublik Deutschland – zweigliedriger Zulassungsbescheinigungen (vgl. Erwägungsgrund 7 der Richtlinie). Daher behalten auch vor dem ausgestellte Fahrzeugbriefe grundsätzlich ihre Gültigkeit (§ 79 Abs. 5 Nr. 2 FZV). Die Zulassungsbescheinigung Teil II dient weiterhin – wie früher der Fahrzeugbrief – vorrangig als Nachweis der Verfügungsberechtigung im Zulassungsverfahren (vgl. Hentschel/König/Dauer/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 12 FZV Rn. 3), weshalb viel dafür spricht, dass auch sie in Gänze als bloße verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben einzustufen ist (vgl. MüKo-StGB/Erb, 4. Aufl., § 271 Rn. 38).

21bb) Jedenfalls kommt dem darin vermerkten Datum der Erstzulassung keine erhöhte Beweiskraft im Sinne des § 348 StGB zu.

22(a) Ausdrückliche Vorschriften, die bestimmen, dass das in die Zulassungsbescheinigung Teil II einzutragende Datum der Erstzulassung mit voller Beweiskraft gegenüber jedermann beurkundet werden soll, existieren nicht.

23(b) Auch die Bestimmungen zur Errichtung und zum Zweck der Zulassungsbescheinigung Teil II sprechen nicht für einen öffentlichen Glauben des Datums der Erstzulassung.

24Weder § 12 FZV in der hier maßgeblichen alten Fassung noch die diesem zugrundeliegende Richtlinie 1999/37/EG des Rates vom legt nahe, dass dem Erstzulassungsdatum eine erhöhte Beweiswirkung zukommt. Nach diesen Bestimmungen hat die Zulassungsbescheinigung Teil II weiterhin – wie ausgeführt – lediglich den Zweck, im Zulassungsverfahren verwaltungsintern als Beleg der Verfügungsberechtigung zu dienen. Der Nachweis des Zulassungsvorganges gegenüber jedermann – etwa bei Verkehrskontrollen – wird weiterhin durch die Zulassungsbescheinigung Teil I erbracht, die im Übrigen auch das Datum der Erstzulassung des Fahrzeugs beinhaltet (vgl. , BGHSt 53, 34, 36).

25Zwar kann die Zulassungsbehörde "in begründeten Einzelfällen" nach § 12 Abs. 1 Satz 2 FZV aF bzw. § 14 Abs. 1 Satz 2 FZV in der aktuell geltenden Fassung bestimmte Erhebungen durchführen. Diese dienen aber nicht der Überprüfung des im Antrag angegebenen Datums der Erstzulassung, sondern ergänzen den durch den Antragsteller nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FZV aF bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV in der aktuell geltenden Fassung zu erbringenden Nachweis seiner Verfügungsberechtigung. Sie ersetzen die zuvor nach § 23 Abs. 1 Satz 4 StVZO aF vom Antragsteller selbst vorzulegende "Unbedenklichkeitsbescheinigung" (vgl. Hentschel/König/Dauer/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 12 FZV Rn. 6). Diese hatte den Nachweis bezweckt, dass das Fahrzeug weder im Zentralen Fahrzeugregister eingetragen war noch gesucht wurde, um so die Verfügungsbefugnis des Antragstellers über das anzumeldende Fahrzeug sicherzustellen.

26Für die hier durch das Landgericht bemühten Überprüfungsmaßnahmen im Zuge der Zulassung eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits zugelassenen Fahrzeugs einschließlich der Abfrage bei EUCARIS gilt nichts Anderes. Auch sie sollen in erster Linie sicherstellen, dass kein Unberechtigter ein Fahrzeug auf sich zulässt (vgl. dazu auch die Vorbemerkungen des Vertrages über ein Europäisches Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem [EUCARIS] vom i.V.m. dem Gesetz zu dem Vertrag vom über ein Europäisches Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem [EUCARIS] vom , BGBl II. S. 1786 ff.).

27Die weiteren nach § 12 Abs. 3 FZV aF bzw. § 14 Abs. 3 FZV in der aktuell geltenden Fassung vorzulegenden Dokumente beziehen sich auf die technischen Daten des Fahrzeugs, nicht die Erstzulassung.

28(c) Der auf der Homepage des Kraftfahrt-Bundesamts abrufbare "Leitfaden zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II", Stand: September 2023, enthält gleichfalls keine Vorgaben dahin, dass das im Antrag mitgeteilte Datum zu überprüfen sei. Vielmehr soll die Zulassungsbescheinigung Teil II selbst dann erteilt werden können, wenn das Datum der Erstzulassung nicht bekannt sei. In diesen Fällen sei stattdessen das – ggf. zu schätzende – Baujahr einzutragen. Ob verwaltungsinterne Ausfüllanleitungen überhaupt zur Beurteilung des öffentlichen Glaubens eines einzutragenden Datums herangezogen werden können, lässt der Senat dahinstehen.

29(d) Vor diesem Hintergrund kann allein der Umstand, dass das Feld "Erstzulassung" in der Zulassungsbescheinigung Teil II zwingend auszufüllen ist, die erhöhte Beweiskraft dieser Tatsache im Sinne des § 348 StGB nicht begründen. Gleiches gilt für die durch das Landgericht als Argument herangezogene hohe Bedeutung im Rechtsverkehr. Denn nicht jede Tatsache, die in irgendeiner Form im Rechtsleben große Relevanz hat, unterliegt schon allein aus diesem Grund dem öffentlichen Glauben. Abzustellen ist vielmehr darauf, welchem Zweck das sie ausweisende Dokument jeweils dient und welche Bedeutung ihr in diesem Zusammenhang zukommt.

302. Andere Straf- oder Ordnungswidrigkeitstatbestände, nach denen der angeklagte Sachverhalt zu ahnden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Angeklagten sind daher aus Rechtsgründen von dem Tatvorwurf der Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen (Fälle VII. A. 2. der Urteilsgründe) durch das Revisionsgericht freizusprechen (§ 354 Abs. 1 Alt. 1 StPO). Betreffend den Angeklagten S.       bleiben – nach Wegfall der in den Fällen VII. A. 2. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelgeldstrafen – die im Fall VII. A. 1. der Urteilsgründe (tateinheitliche Anstiftung zur unbefugten Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten in 272 Fällen) verhängte Freiheitsstrafe von sieben Monaten wie auch die Aussetzung der Vollstreckung derselben zur Bewährung bestehen. Gleiches gilt für die Kompensationsentscheidung, die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der ausgesprochenen Strafe zu treffen ist (vgl. Rn. 6).

Jäger                         Fischer                         Wimmer

             Leplow                            Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230724B1STR73.24.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 36
NJW 2024 S. 2776 Nr. 38
NJW 2024 S. 2779 Nr. 38
GAAAJ-73647