BGH Beschluss v. - 3 StR 112/24

Instanzenzug: LG Aurich Az: 19 KLs 19/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Entscheidung über den Maßstab der Anrechnung in den Niederlanden erlittener Auslieferungshaft getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- und zur Aufhebung des Straf-ausspruchs.

3a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen transportierte der Angeklagte am 14. und als Fahrer mit dem Pkw seiner Mutter jeweils mindestens drei Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 450 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) von den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland; dabei hatte er die Absicht, den gewinnbringenden Verkauf des Marihuanas eines niederländischen Lieferanten in Deutschland zu fördern (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe). Am transportierte er als Fahrer ein weiteres Kilogramm mit einer Wirkstoffmenge von 150 Gramm THC (Fall II. 3 der Urteilsgründe). In der Folgezeit verlagerten sich der gewinnbringende Weiterverkauf und die Übergabe des Marihuanas an die Abnehmer auf Parkplätze in den Niederlanden nahe der deutschen Grenze. In Kenntnis dieser Umstände stellte der Angeklagte zu diesem Zweck in der Zeit vom 21. Oktober bis zum einem unbekannten Kurier den Pkw seiner Mutter für jedenfalls drei weitere Fahrten zur Verfügung, wobei dieser jeweils mindestens ein Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 150 Gramm THC transportierte (Fall II. 4 der Urteilsgründe).

4Das Landgericht hat die Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe jeweils als Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB) und das Tathandeln des Angeklagten im Fall II. 4 der Urteilsgründe als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB) gewertet.

5Der Schuldspruch hat in diesen Fällen keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz. Die Strafbarkeit der zu beurteilenden Taten bestimmt sich nunmehr nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 4 f. mwN).

6Das insoweit festgestellte Tatgeschehen ist deshalb in Fall II. 1 bis 3 der Urteilsgründe als Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) und in Fall II. 4 der Urteilsgründe als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) zu werten. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), das im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (vgl. , juris Rn. 12; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB im Einzelfall gebotenen konkreten Gesamtvergleich angesichts der nunmehr anwendbaren milderen Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StGB maßgeblich.

7Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

8b) Angesichts der Gesetzesänderung bedarf der Strafausspruch der Aufhebung.

9Die Einzelstrafen in Fall II. 1 bis 3 der Urteilsgründe zwischen zwei Jahren und sechs sowie zwei Jahren und zehn Monaten können nicht bestehen bleiben, weil § 34 Abs. 3 KCanG einen erheblich milderen Strafrahmen als § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG vorgibt. Auch die Einzelstrafe im Fall II. 4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, da die rechtliche Würdigung als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis aufgrund des Vorliegens des gesetzlich vertypten Milderungsgrunds (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) einen milderen Strafrahmen zur Folge hat, entweder durch ein Ablehnen der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 KCanG oder infolge einer Milderung des dort vorgesehenen Strafrahmens gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB.

10Es ist daher ungeachtet des beachtlichen Schuldumfangs und der - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. , juris Rn. 15) - strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen geringeren Gefährlichkeit von Marihuana nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung der jeweils einschlägigen Strafrahmen niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Einzelstrafen sind daher neu zu bemessen. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

11Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten in allen Fällen gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine sogenannte weiche Droge handele, liegt darin keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.

122. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250624B3STR112.24.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-73633