BGH Beschluss v. - 6 StR 16/24

Gesetze: § 78a S 1 StGB, § 246a StGB

Instanzenzug: Az: 5 KLs 2/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Kapitalanlagebetrugs hat zu entfallen, weil bei Verkündung des angefochtenen Urteils die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 78c Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) abgelaufen war. Maßgeblich für den Beginn dieser Frist ist der Zeitpunkt der Beendigung der Tat (§ 78a Satz 1 StGB). Die Tat war beendet, als der vom Angeklagten unterzeichnete Prospekt mit Vertriebsbeginn am einem Kreis von Anlageinteressenten zugänglich gemacht wurde.

3a) Bei tateinheitlichem Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen bestimmt sich die Verjährung für jede Gesetzesverletzung gesondert (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 441/07, Rn. 3; vom – 4 StR 3/23, Rn. 3 mwN). Für den tateinheitlich verwirklichten Kapitalanlagebetrug gilt die an der Strafandrohung des § 264a StGB orientierte Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Der Anwendung der kürzeren presserechtlichen Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 NdsPrG) steht entgegen, dass das Niedersächsische Pressegesetz nicht für Druckwerke gilt, die nur Zwecken des Gewerbes dienen (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 NdsPrG; vgl. zum Hessischen Landespressegesetz , BGHSt 40, 385, 389).

4b) Eine Tat ist beendet im Sinne von § 78a Satz 1 StGB, wenn der Täter das Tatunrecht in vollem Umfang verwirklicht hat (st. Rspr.; vgl. , Rn. 27; vom – 3 StR 375/20, Rn. 28).Der Senat schließt sich der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Ansicht an, dass dies beim Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB der Fall ist, wenn die Prospekte einem größeren Kreis von Personen zugänglich gemacht worden sind (vgl. OLG Köln, NJW 2000, 598, 600; OLG Naumburg, Urteil vom – 2 U 42/04; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 264a Rn. 127; Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl., § 264a Rn. 42; SSW-StGB/Bosch, 6. Aufl., § 264a Rn. 20; Matt/Renzikowski/Schröder/Bergmann, StGB, 2. Aufl., § 264a Rn. 46; Park, Kapitalmarktstrafrecht, 5. Aufl., Teil 3, Kapitel 4.2 Rn. 46; Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambibakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 264a StGB Rn. 24; Graf/Jäger/Wittig/Bock, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl., StGB § 264a Rn. 73; Achenbach/Ransiek/Rönnau/Hüls, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., 12. Teil, 1. Kapitel Rn. 95; Momsen/Grützner/Schröder, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 18 Rn. 304; Zieschang, GA 2012, 607, 615; MüKoStGB/Ceffinato, 4. Aufl., § 264a Rn. 99, der auf das „Machen von Angaben“ abstellt).

5aa) Für diese Auffassung spricht, dass es sich bei § 264a StGB nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 23) um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt (vgl. OLG Köln, NJW 2000, 589, 599; MüKoStGB/Ceffinato, aaO, Rn. 12 mwN; Schönke/Schröder/Perron, aaO; SSW-StGB/Bosch, aaO, Rn. 2; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 264a Rn. 2; Park, aaO, Rn. 5; Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambibakis, aaO, Rn. 1; Graf/Jäger/Wittig/Bock, aaO, Rn. 6; Achenbach/Ransiek/Rönnau/Hüls, aaO, Rn 4; Momsen/Grützner/Schröder, aaO, Rn. 279; differenzierend LK/Tiedemann, aaO, Rn. 23 ff.). Der Tatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn ein unrichtiger Prospekt einem größeren Kreis von Personen zugänglich gemacht wird. Tatbestandsmäßig können auch erfolglose Werbemaßnahmen sein; der Eintritt eines Schadens ist gerade nicht erforderlich (Achenbach/Ransiek/Rönnau/Hüls, aaO, Rn. 98).

6Vor diesem Hintergrund kommt es – anders als in der Literatur vereinzelt vertreten (vgl. NK-StGB/Hellmann, 6. Aufl., § 264a Rn. 88; HK-GS/Duttge, 5. Aufl., § 264a Rn. 26) – für die Frage der Beendigung der Tat nicht auf die Leistung der jeweiligen Anleger an. Auch wenn sich die Gefährdung lange hinzieht, führt sie als ein durch die Tat verursachter Zustand nicht zu einer Verzögerung des Verjährungsbeginns über das Ende der diesen Zustand herbeiführenden Handlung hinaus (vgl. zu § 241a StGB , BGHSt 32, 293, 294 und zu § 326 Abs. 1 StGB , BGHSt 36, 255, 257).

7bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 264a Abs. 3 StGB. Hierbei handelt es sich um eine Sonderregelung der tätigen Reue, die der Gesetzgeber gerade deshalb vorgesehen hat, weil der Tatbestand als Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist, bei dem mangels Versuchsstrafbarkeit keine Strafbefreiung nach § 24 StGB erlangt werden kann (vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 25; OLG Köln, NJW 2000, 598, 600; Park, aaO, Rn. 38; Graf/Jäger/Wittig/Bock, aaO, Rn. 73). Im Hinblick darauf, dass den Täter das Risiko trifft, die durch die Falschangabe geschaffene Gefahr vollständig zu beseitigen, kommt eine tätige Reue auch nach Beendigung der Tat in Betracht (vgl. SSW-StGB/Bosch, aaO, § 264a Rn. 20).

82. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Diese Änderung lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer ohne die tateinheitliche Verurteilung zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre, zumal sie die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände bei ihrer Strafzumessung nicht berücksichtigt hat und verfahrensordnungsgemäß festgestellte verjährte Taten strafschärfend berücksichtigt werden dürfen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 619/15; vom – 6 StR 251/20; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 663 mwN).

93. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:270624B6STR16.24.0

Fundstelle(n):
wistra 2024 S. 3 Nr. 10
BAAAJ-73478