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NWB-BB Nr. 9 vom Seite 259

Unternehmensbewertung bei Unternehmensnachfolgen

Darauf sollten Sie bei Bewertungen im Kontext von Unternehmensnachfolgen achten

Prof. Dr. Holger Wassermann

Die Frage nach dem Wert des Unternehmens ist häufig die erste, die Unternehmer stellen, sobald sie in die akute „Dabei“-Phase eintreten. Eine dementsprechend große Bedeutung kommt der Antwort auf diese Frage zu, die nicht selten bereits zu Beginn über den endgültigen Erfolg oder Misserfolg des Verkaufsvorhabens entscheidet. In diesem dritten Teil der Beitragsreihe zur Unternehmensnachfolge soll daher darauf eingegangen werden, worauf bei der Unternehmensbewertung im Rahmen von Unternehmensnachfolgen zu achten ist, um die Übergabe nicht zu gefährden.

Kernaussagen
  • Die Unternehmensbewertung ist eine unvermutete Sollbruchstelle in vielen Nachfolgeprozessen; ihre Notwendigkeit besteht für Übergebende und Übernehmende in mindestens drei verschiedenen Momenten im Nachfolgeprozess.

  • Unternehmensbewertungen ermitteln den Wert, nicht den Preis eines Unternehmens. Dieser ergibt sich nur aus der Verhandlung, während der Wert eine Vorbereitung auf die Verhandlung darstellt.

  • Der Begriff „Unternehmenswert“ wird nicht einheitlich verwendet.

  • Eine Bewertung sollte der funktionalen Bewertungstheorie folgen und die logische Kette von Anlass > Zweck > Bewertung prüfen. Sie kann sich grundsätzlich an der Substanz, dem Erfolg oder dem Markt orientieren.

  • Der Wert eines Unternehmens resultiert grundsätzlich aus den künftigen Überschüssen, die risikoadjustiert auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren sind.

  • Häufige Fehler bei Unternehmensbewertungen sind die Missachtung des Ankereffekts, die fehlende theoretische Basis und handwerkliche Fehler.

Literatur-Tipp

Alle bereits veröffentlichten und geplanten Teile der Beitragsreihe zur Unternehmensnachfolge finden Sie in der NWB Datenbank unter NWB FAAAJ-68482.

I. Einordnung der Unternehmensbewertung in den Nachfolgeprozess

Der Unternehmensverkauf ist im Mittelstand der häufigste Anlass für die Bewertung eines Unternehmens. Das liegt einerseits daran, dass eine wertorientierte Unternehmensführung, wie sie bei kapitalmarktorientierten Unternehmen häufiger anzutreffen ist, im Mittelstand nur äußerst selten verfolgt wird, besonders nicht bei Kleinst- und Kleinunternehmen. Andererseits erklärt sich aus diesem seltenen Anlass, dass viele Unternehmer keinerlei Erfahrung oder Fachwissen in Unternehmensbewertung besitzen. Eine fehlerhafte Anwendung mit den aus ihr resultierenden gravierenden Folgen ist daher ohne professionelle Beratung insbesondere bei KMU sehr wahrscheinlich.

Praxisbeispiel

Ein Unternehmer, der sein Unternehmen verkaufen möchte, ermittelt mithilfe eines kostenlosen Unternehmenswertrechners im Internet einen Unternehmenswert von 4 Mio €. Er glaubt diesem Wert aufgrund mangelnder Erfahrung unbesehen und verlangt ihn deshalb auch als Mindestkaufpreis. Er findet über Jahre hinweg trotz einiger Interessenten keinen Käufer, der ihm diesen Preis zahlen will und muss am Ende die Firma liquidieren. Eine professionelle Bewertung hätte einen Entscheidungswert von 1,5 Mio. € ergeben, der ihm auch mehrfach geboten wurde, den er aber aus seiner fehlgeleiteten Vorstellung über den Wert seines Unternehmens immer abgelehnt hat.

Eine Unternehmensbewertung wird im Rahmen einer Unternehmensnachfolge generell und im Rahmen eines Verkaufs im Speziellen in verschiedenen Momenten benötigt. Übersicht 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Bewertungsanlässe.