Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist - Vertretungszwang - beigeordneter Rechtsanwalt - Mandatskündigung und Entzug der Prozessvollmacht nach Beschwerdeeinlegung - von Beschwerdeführer nur hilfsweise erklärte "Autorisierung" des im Anschluss noch eingereichten Begründungsschreibens - Bedingungsfeindlichkeit der Erteilung einer Prozessvollmacht - Einflussnahmen auf den konkreten Inhalt einzelner Schriftsätze von Prozessbevollmächtigten
Gesetze: § 160a Abs 2 SGG, § 73 Abs 4 SGG
Instanzenzug: SG Mainz Az: S 14 AS 27/19 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 3 AS 219/22 Beschluss
Gründe
1I. Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in der vorgenannten Entscheidung nach Bewilligung von PKH durch den beigeordneten früheren Prozessbevollmächtigten - Rechtsanwalt K - Beschwerde eingelegt. Noch vor Begründung der Beschwerde hat die Klägerin selbst mitgeteilt, dass der beigeordnete Rechtsanwalt keine Bevollmächtigung mehr habe (Schreiben vom ). Gleichzeitig beantragt sie die Aufhebung der Beiordnung, Fristverlängerung und erneute Beiordnung eines Anwalts sowie PKH. Mit Schreiben vom ist die Beschwerde durch den früheren Prozessbevollmächtigten begründet worden. Auf den Hinweis des Berichterstatters vom , dass die Beschwerdebegründung nur berücksichtigt werden könnte, wenn die sinngemäß erfolgte Kündigung der Prozessvollmacht widerrufen werde, hat die Klägerin ua mitgeteilt, nur äußerst hilfsweise autorisiere sie das Begründungsschreiben unter bestimmten Voraussetzungen (vorzunehmende Schwärzungen; Entnahme von Schreiben aus der Akte).
2II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG), weil sie nicht innerhalb der bis zum laufenden verlängerten Frist begründet worden ist (§ 160a Abs 2 SGG). Eine weitere Fristverlängerung ist nicht zulässig (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG). Die am durch den im Rahmen der PKH beigeordneten Rechtsanwalt eingereichte Begründung war nicht zu berücksichtigen, denn die Klägerin hatte diesem Anwalt ausdrücklich die Prozessvollmacht entzogen und hieran trotz des rechtlichen Hinweises des Berichterstatters festgehalten. Mit ihrem Schreiben vom hat sie vielmehr erneut und deutlich zum Ausdruck gebracht, sich nicht weiter von dem zuvor beigeordneten Anwalt vertreten zu lassen.
3Soweit die Klägerin "hilfsweise" die Autorisierung der Beschwerdebegründung erklärt hat, ist dies ohne Bedeutung. Die Erteilung einer Prozessvollmacht ist als Prozesshandlung wie jede andere Prozesshandlung aus Gründen der Rechtsklarheit grundsätzlich bedingungsfeindlich (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG 14. Aufl 2023, § 73 RdNr 61, mwN; - NJW 2006, 2648, 2049, RdNr 11, zu einer Terminsvollmacht). Schon dies schließt die Wirksamkeit einer nur "hilfsweise" erteilten Prozessvollmacht aus, deren Bestehen eben nicht uneingeschränkt, also bedingungslos feststehen würde.
4Zudem macht die Klägerin ihre nur hilfsweise erklärte "Autorisierung der Beschwerdebegründung" sogar noch von weiteren Voraussetzungen abhängig, etwa, dass Teile der Begründung geschwärzt werden. Solche Einflussnahmen auf den konkreten Inhalt einzelner Schriftsätze von Prozessbevollmächtigten widersprechen Sinn und Zweck der Pflicht, sich vor dem BSG von Prozessbevollmächtigten vertreten lassen zu müssen (§ 73 Abs 4 SGG). Durch den Vertretungszwang soll im Interesse von Beteiligten und Gericht sichergestellt werden, dass Verfahren vor dem BSG sachgerecht geführt werden (vgl nur B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 73 RdNr 40 mwN). Deshalb muss beispielsweise die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde erkennen lassen, dass der Prozessbevollmächtigte den Prozessstoff selbst gesichtet und rechtlich durchdacht hat, sowie dass er die volle eigene Verantwortung für die Begründung übernimmt (vgl Voelzke in jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160a RdNr 78; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 73 RdNr 57 und § 160a RdNr 13; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap RdNr 357, jeweils mwN). Dies ist nicht sichergestellt, wenn Vertretene in der Weise, wie sich die Klägerin das vorstellt, Einfluss auf den Inhalt von Schriftsätzen nehmen könnten.
5Eine erneute Bewilligung von PKH gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Wegen des Ablaufs der Beschwerdebegründungsfrist bietet die wirksam erhobene Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg mehr. Gründe für eine Wiedereinsetzung in diese Frist (§ 67 Abs 1 SGG) sind nicht ersichtlich, denn die Fristversäumnis beruht auf Verschulden der Klägerin, nämlich dem Entzug der Prozessvollmacht. Die von ihr hierfür genannten Gründe sind nicht nachvollziehbar. Damit scheidet auch die Beiordnung eines (anderen) Rechtsanwalts im Rahmen der PKH aus (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO). Hierauf wurde die Klägerin im Schreiben vom ebenfalls hingewiesen.
6Einer Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt K bedarf es im Hinblick auf den Abschluss des Beschwerdeverfahrens nicht.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:020724BB7AS1624B0
Fundstelle(n):
LAAAJ-73252