Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-13 S 65/23vorgehend AG Fulda Az: 37 C 15/22 (G)
Gründe
I.
1Das Amtsgericht hat die von dem Kläger gegen die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhobene Klage abgewiesen. Gegen das ihm am zugestellte Urteil hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, fristgerecht Berufung eingelegt. Am ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Verfahrensakte übersandt worden. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum beantragt. Der Kammervorsitzende hat mit Verfügung vom darauf hingewiesen, dass die Akte nicht vorliege, daher nicht über den Antrag entschieden werden könne und die Fristverlängerung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren sei. Mit einem am eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufung begründet. Nachdem dem Vorsitzenden die Akte daraufhin wieder vorgelegt worden war, hat er die Berufungsbegründungsfrist mangels Einwilligung des Gegners nur bis zum verlängert. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte erstmals nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist angefragt, ob die Einwilligung zur Fristverlängerung erteilt werde.
2Mit Schriftsatz vom hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.
II.
3Das Berufungsgericht meint, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der bis zum verlängerten Frist begründet worden sei. Für eine weitere Fristverlängerung sei kein Raum gewesen, weil die Frist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ohne eine bis zu dem Ablauf der Frist vorzulegende Einwilligung des Gegners nur um einen Monat habe verlängert werden können. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Der Rechtsanwalt habe nicht auf die Gewährung einer Fristverlängerung vertrauen dürfen. Denn die Voraussetzungen für eine über einen Monat hinausgehende Fristverlängerung hätten mangels Einwilligung des Gegners nicht vorgelegen. Ob der Kläger einen Anspruch auf Einwilligung durch den Gegner gehabt habe, sei unerheblich.
III.
4Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist. Das Rechtsmittel ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Es fehlt aber an den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar erschwert und dessen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284) nicht verletzt. Die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die insoweit weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.
51. Der Kläger hat - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt und auch die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede stellt - die Berufung weder binnen der bis zum laufenden (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) noch innerhalb der gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren und verlängerten Frist begründet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung hat das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt.
62. Nach § 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei dabei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhte entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht auf Fehlern des Berufungsgerichts, sondern auf einem dem Kläger zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten.
7a) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers durfte - unabhängig davon, ob er überlastet oder wegen Urlaubs abwesend war - nicht davon ausgehen, dass die Berufungsbegründungsfrist über den hinaus verlängert werden würde. Da gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ZPO eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners nicht in Betracht kommt, hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers grundsätzlich nur dann eine darüber hinausgehende Verlängerung der Frist erwarten dürfen, wenn er darauf vertrauen durfte, der Gegner werde die erbetene Einwilligung vor Ablauf der Frist erteilen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 99/19, juris Rn. 6; , MDR 2021, 1348 Rn. 11). Für ein entsprechendes Vertrauen bestand schon deswegen keine Grundlage, weil der Kläger erst nach Ablauf der Frist um eine Einwilligung zur Fristverlängerung nachgesucht hatte (vgl. , aaO Rn. 11). Dieses Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
8b) Allerdings ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch bei einem der Partei zuzurechnenden Verschulden an der Fristversäumung zu gewähren, wenn sich das Verschulden wegen einer hierfür ursächlichen Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nicht ausgewirkt hat (vgl. , NJW-RR 2009, 564 Rn. 8). Dies ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht der Fall.
9aa) Das Berufungsgericht war nicht gehalten, den Kläger vor Ablauf des nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ohne Einwilligung des Gegners bewilligungsfähigen Zeitraums auf die mangels Einwilligung fehlende Möglichkeit einer weitergehenden Fristverlängerung hinzuweisen. Denn das Rechtsmittelgericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass dem Prozessbevollmächtigten einer Partei die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung von mehr als einem Monat bekannt sind und er daher eines entsprechenden Hinweises nicht bedarf (vgl. , MDR 2021, 1348 Rn. 14; Beschluss vom - XII ZB 96/23, NJW-RR 2024, 113 Rn. 21).
10bb) Auch der Grundsatz, wonach eine Partei darauf vertrauen darf, dass ihre Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang bei Gericht zur Kenntnis genommen werden, offensichtliche äußere formale Mängel dabei nicht unentdeckt bleiben und sie auf derartige behebbare Versäumnisse oder Fehler hingewiesen wird (vgl. , NJW-RR 2009, 564 Rn. 10), führt - anders als die Rechtsbeschwerde meint - zu keiner anderen Beurteilung. Bei der Einwilligung des Gegners zu einer über die Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinausgehenden Fristverlängerung handelt es sich schon nicht lediglich um eine bloße Formalie, bei deren Fehlen von einem offenkundigen Versehen der antragstellenden Partei auszugehen ist (vgl. näher , NJW-RR 2024, 113 Rn. 19 ff. mwN). Dies gilt, anders als die Rechtsbeschwerde meint, auch dann, wenn das Fehlen der Einwilligung in einem Zeitpunkt weit vor Ablauf der nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO einwilligungsfrei verlängerbaren Berufungsbegründungsfrist erkennbar ist.
11cc) Schließlich verfängt auch der Einwand der Rechtsbeschwerde nicht, der Hinweis des Vorsitzenden vom habe den Anschein erweckt, die Fristverlängerung hänge nur noch von dem Eingang der Gerichtsakte ab, weswegen der Kläger auf eine zeitnahe Entscheidung nach Erhalt der Gerichtsakten, jedenfalls aber auf einen frühzeitigen Hinweis auf die fehlende Zustimmung des Gegners hätte vertrauen dürfen. Der Kammervorsitzende hat darauf hingewiesen, dass die Fristverlängerung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren sei. Hieraus konnte sich schon deswegen kein Vertrauenstatbestand für eine zeitnahe Entscheidung oder einen Hinweis auf die fehlende Zustimmung des Gegners nach Rückkehr der Gerichtsakte ergeben, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Fristverlängerung über einen Monat hinaus mangels Einwilligung des Gegners offensichtlich nicht vorlagen (s.o. Rn. 7). Insoweit kommt es entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht darauf an, wann die Gerichtsakte dem Berufungsgericht wieder zugegangen ist.
IV.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180724BVZB79.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-72913