BGH Beschluss v. - 6 StR 567/23

Instanzenzug: LG Schweinfurt Az: 1 KLs 8 Js 14953/22 jug

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, mit Herstellung und Verbreitung kinderpornographischer Inhalte und mit Verbreitung pornographischer Inhalte, wegen Herstellung und Verbreitung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Inhalte in zwei Fällen sowie wegen Verbreitung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Inhalte in zwei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

21. Nach den Urteilsfeststellungen fertigte der Angeklagte zwischen August und Oktober 2022 in mehreren Fällen mittels seines Smartphones Bild- und Videoaufnahmen von seinem am geborenen Sohn M.      . Diese versandte er jeweils, wie von vornherein beabsichtigt, unaufgefordert an verschiedene WhatsApp-Gruppen, die neben dem Angeklagten zwischen neun und 15 Mitglieder aus seinem Familien- und Bekanntenkreis hatten, zu denen auch zwei Fünfzehnjährige zählten. Das Landgericht hat – soweit hier von Belang – zu den einzelnen Taten Folgendes festgestellt:

3a) Eine Videoaufnahme zeigte den damals knapp zwei Jahre alten M.    , der mit nacktem Unterleib auf einem Tisch saß und mehrere Sekunden „an seinem Glied manipulierte“. Währenddessen fragte der Angeklagte ihn: „Sag es, hast du dir einen runtergeholt?“. Das Kind wiederholte dies und sagte auf Aufforderung des Angeklagten auch, dass er seinen Onkel liebe. Nach Übersendung der Datei in eine WhatsApp-Gruppe kommentierten zwei Mitglieder das Video unter anderem mit „Lachern“; ein weiteres Mitglied schrieb: „Ich schwöre, er ist schon erregt von klein an“ (Fall B.I der Urteilsgründe).

4b) Zwei weitere Videoaufnahmen zeigten den Angeklagten, der für mehrere Sekunden oberhalb der Kleidung an dem Glied seines vor ihm sitzenden Sohnes „manipulierte“. Unmittelbar nach dem Versand an eine WhatsApp-Gruppe wurden die Videos durch Gruppenmitglieder mit „Lachern“ kommentiert (Fall B.II der Urteilsgründe).

5c) In einem weiteren Fall war auf einer Videoaufnahme der auf dem Rücken liegende, im Bereich des Unterleibs unbekleidete M.      zu sehen. Die Einstellung wechselte zwischen Gesicht und Geschlechtsteil des Jungen. Auf dessen Nachfrage antwortete der Angeklagte: „Lass mich mit deinem Penis spielen, nur ein bisschen“. Das Kind entgegnete „Spielen, Spielen“, woraufhin der Angeklagte lachte. Ein WhatsApp-Gruppenmitglied kommentierte dies mit: „So klein wie eine Pistazie“ (Fall B.III der Urteilsgründe).

6d) Eine Bilddatei, auf welcher der Penis des Kleinkindes in Großaufnahme zu sehen war, versandte der Angeklagte an drei WhatsApp-Gruppen und antwortete auf die Frage, ob das sein Sohn sei: „Ja, er ist erregt. Er reibt ihn an meinem Hintern.“ (Fälle B.IV.1 und 2 der Urteilsgründe).

7e) Auf einer weiteren Videoaufnahme war zu sehen, wie dem Sohn des Angeklagten „die Hose vom Körper weggezogen“ und sein Penis gefilmt wurde (Fall B.IV.3 der Urteilsgründe).

8f) Auf einem weiteren an eine WhatsApp-Gruppe versandten Bild war wiederum M.      zu sehen, der sein T-Shirt hoch- und seine Hose herunterzog und seinen Penis präsentierte (Fall B.IV.3 der Urteilsgründe).

9g) Schließlich verschickte der Angeklagte an seine Ehefrau, M.      s Mutter, ein Bild, auf dem der Penis „eines Kleinkindes – wohl des … M.     – in Großaufnahme“ zu sehen war. Die Mutter kommentierte dies mit einem „Lacher“ und dem Zusatz: „Möge Allah dich beschützen.“ (Fall B.V der Urteilsgründe).

102. Der Schuldspruch hält in sämtlichen Fällen revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die subjektive Tatseite für eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB nicht tragfähig beweiswürdigend belegt.

11a) Der zumindest bedingte Vorsatz muss sich über das Alter der abgebildeten Person und die Tathandlung hinaus auf den kinderpornographischen Charakter der Darstellung erstrecken. Nach § 184b Abs. 1 StGB ist kinderpornographisch ein pornographischer Inhalt, wenn er sexuelle Handlungen von, an oder vor einem Kind, die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes zum Gegenstand hat. Eine sexuell aufreizende Wiedergabe ist eine solche, die eine sexuell konnotierte Fokussierung auf die näher bezeichneten unbekleideten Körperregionen eines Kindes enthält (vgl. , NStZ 2021, 41). Erforderlich für den Eventualvorsatz ist zumindest, dass der Täter diesen kinderpornographischen Charakter der Darstellung in laienhafter Weise erkennt und für möglich hält (vgl. SK-StGB/Greco, 10. Aufl., § 184b Rn. 33; MüKo-StGB/Hörnle, 4. Aufl., § 184b Rn. 56; LK/Nestler, 13. Aufl., § 184b Rn. 57).

12b) Dies belegen die Urteilsgründe auch in ihrer Gesamtschau nicht.

13aa) Der Einlassung des Angeklagten, dass er Video- und Bildaufnahmen vor dem Hintergrund „familieninternen Humors“, der auch in einer sexualisierten Sprache zum Ausdruck komme, gefertigt und versandt habe, ist das Landgericht ebenso wenig gefolgt wie seiner Angabe, dass er – in Unkenntnis der Einordnung als Kinderpornographie – zugleich dem Stolz auf seinen Sohn und dessen Beschneidung Ausdruck verleihen wollte. Es hat den Vorsatz durch die „objektiven Feststellungen“ als getragen angesehen. Dies lässt indes nicht erkennen, mit welchen Erwägungen die Strafkammer den bedingten Vorsatz bezogen auf den kinderpornographischen Charakter der von ihm gefertigten und Dritten verschafften Inhalte als belegt erachtet hat.

14bb) Zwar wird ein solcher Schluss regelmäßig ausreichen, wenn die Inhalte von Bild- und Videodateien eine sexuelle Handlung darstellen oder sie eindeutig eine sexuell aufreizende Wiedergabe enthalten, ihnen also zweifelsfrei eine sexuell konnotierte Fokussierung auf die gesetzlich näher bezeichneten unbekleideten Körperregionen eines Kindes zu entnehmen ist (vgl. , NStZ 2021, 41) und sie jedenfalls überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielen (vgl. , BGHSt 59, 177, 183; , Rn. 32). Hier aber belegen die Urteilsfeststellungen jeweils ein nur ambivalentes Geschehen, das jedenfalls nicht offensichtlich auf die Befriedigung sexueller Bedürfnisse ihrer Betrachter ausgelegt war (vgl. BVerfG, aaO). Dies hätte der Strafkammer namentlich vor dem Hintergrund von Einlassung und Biographie des Angeklagten sowie der jeweils festgestellten Chatinhalte Anlass zu näherer Erörterung geben müssen. Das gilt erst recht mit Blick auf den bei der Bewertung der subjektiven Tatseite zu berücksichtigenden festgestellten Zweck, die Aufnahmen insbesondere aus humoristischen Zwecken allein einem Familien- und Bekanntenkreis zugänglich zu machen, zumal da das Landgericht einen pädosexuellen Hintergrund der Taten nicht festgestellt hat. Die im Rahmen der Erörterung eines Verbotsirrtums angestellte Erwägung, dass der Angeklagte die Verwirklichung von Unrecht „hätte erkennen können“, ersetzt diese Erörterung nicht.

15cc) Auf diesem Rechtsfehler beruht der Schuldspruch insgesamt (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Damit haben auch die jeweiligen tateinheitlichen Verurteilungen des Angeklagten keinen Bestand (vgl. ; vom – 5 StR 434/22; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 353 Rn. 12).

163. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

17a) Sollte auch das neue Tatgericht eine Herstellung und Drittbesitzverschaffung an den Bild- und Videoaufnahmen feststellen (§ 184b Abs. 1 StGB), wird es – bei den Bilddateien naheliegend unter Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO – näher als bislang darzulegen haben, aufgrund welcher Umstände die Darstellungen ersichtlich auf die Erregung sexueller Reize zielten (vgl. , Rn. 4 ff.). Dabei wird es zu beachten haben, dass bei der Beurteilung, ob ein kinderpornographischer Inhalt vorliegt, auf dessen Gesamtdarstellung und seinen Gesamtinhalt abzustellen ist; auf die daraus nicht ersichtlichen Beweggründe der die Wiedergabe erstellenden oder damit umgehenden Person kommt es beim objektiven Tatbestand nicht an (vgl. , NStZ 2021, 41, 42; ; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184 Rn. 8).

18b) Das neue Tatgericht wird insbesondere zu den Fällen B.I und II sowie B.IV.3 der Urteilsgründe konkreter als bisher geschehen („Manipulation“) die den Inhalten zu entnehmenden konkreten Handlungen festzustellen haben.

19c) Sollte die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer ebenfalls eine tateinheitliche Verurteilung wegen Verbreitung pornographischer Schriften nach § 184 Abs. 1 StGB erwägen, wird sie sorgfältiger als bislang geschehen in den Blick zu nehmen haben, dass diese Vorschrift – anders als § 184b Abs. 1 StGB (vgl. , BGHSt 59, 177, 178) – tatbestandlich eine vergröbernd-reißerische Darstellung sexuellen Verhaltens erfordert, die den Menschen zu einem auswechselbaren Objekt sexueller Begierde macht (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184 Rn. 8, jeweils mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160524B6STR567.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-72909